Egal, wohin man derzeit schaut, ob zu Bild.de oder in die “Bild”-Zeitung, zu stern.de, n-tv.de, stuttgarter-zeitung.de, morgenpost.de, tag24.de, tvmovie.de, Handelsblatt.com, Gala.de, Rollingstone.de, abdenzeitung-muenchen.de, Bunte.de, WDR.de, 3sat.de, “Huffington Post” oder in “Bild am Sonntag” — man kommt nicht am Schlagwort “Sex-Skandal” vorbei:
Die Liste ließe sich noch mit vielen weiteren Screenshots fortführen, auch von anderen Medien als den oben exemplarisch genannten.
Unter dem “Sex-Skandal” subsumieren die Redaktionen die Missbrauchs- und Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein (und neuerdings auch die gegen den Regisseur James Toback). Vermutlich wählen sie das Schlagwort, weil’s so knackig ist, eine Alliteration, und weil sowohl “Sex” als auch “Skandal” immer Klicks bringen und in Kombination erst recht. Dabei ist die Wortwahl sehr bedenklich.
Frauen zu fragen, ob sie einen nackt massieren wollen, bevor man über eine Filmrolle spricht, hat nichts mit Sex zu tun. Einer Frau zwischen die Beine zu fassen, obwohl diese das nicht möchte, hat nichts mit Sex zu tun. Eine Vergewaltigung hat nichts mit Sex zu tun. Und die Skandale darum sind keine “Sex-Skandale”. Jede Redaktion sollte diese Dinge als das bezeichnen, was sie sind: Belästigungen, Missbrauch, Vergewaltigungen. Und wenn bis zur Veröffentlichung noch nichts bewiesen ist und noch niemand verurteilt wurde, sollte man am besten noch ein “mutmaßlich” davorsetzen.
Wie falsch der Begriff “Sex-Skandal” ist, sieht man schon, wenn man sich durch die Archive einiger der oben aufgezählten Medien wühlt und schaut, was dort sonst als “Sex-Skandal” bezeichnet wird.
Wenn das “Erotiksternchen” Aische Pervers am Rande einer Aufzeichnung von “Germany’s Next Topmodel” ihre Brüste in eine Kamera hält und anschließend einen Porno dreht, schreibt stern.de von einem “Sex-Skandal”:
Wenn ein “Polizisten-Pärchen” aus Berlin vor dem Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg einvernehmlichen “Geschlechtsverkehr im Freien” hat, schreibt Bild.de von einem “Sex-Skandal”:
Wenn eine frühere Freundin von Herzogin Kate regelmäßig “Sex-Partys” organisiert, schreibt Bunte.de von einem “Sex-Skandal”:
Wenn Comedian Oliver Pocher bei der Eröffnung einer Schönheitsklinik mit einer Frau “in flagranti in einem Patientenzimmer” erwischt wird, schreibt Bild.de von einem “Sex-Skandal”:
Wenn bei der Ausstellung “Körperwelten” auch ein Paar beim Geschlechtsverkehr zu sehen ist, schreibt abendzeitung-muenchen.de von einem “Sex-Skandal”:
Wenn Fußballer John Terry eine Affäre mit der Freundin seines Nationalmannschaftskollegen Wayne Bridge hat, schreibt Bild.de von einem “Sex-Skandal”:
Und wenn ein Video aus dem “Disneyland” in Paris auftaucht, in dem zwei Darsteller in Kostümen von Minnie Maus beziehungsweise Goofy sexuelle Handlungen andeuten, schreibt stern.de von einem “Sex-Skandal”: