In der Berichterstattung über die Wahl in Frankreich spielt ein Aspekt aktuell eine ganz besondere Rolle: Dass ein Sieg von Emmanuel Macron im ersten Wahlgang zwar nicht schlecht ist, aber der zweite Wahlgang dadurch noch längst nicht gewonnen ist.
Dass das Verhalten des sozialistischen Kandidaten Jean-Luc Mélenchon, sich für den zweiten Wahlgang nicht gegen Marine Le Pen auszusprechen, recht fragwürdig ist.
Dass Brigitte Trogneux, die Ehefrau von Emmanuel Macron, einige Jahre älter ist als ihr Mann. Manche Redaktionsbesatzungen müssen mit offenen Mündern vor ihren Bildschirmen sitzen und denken: “Boah, die ist ja älter als der.”
Ein Beitrag, der uns unter den vielen Berichten zum Thema extrem aufgefallen ist, ist dieser Tweet von stern.de, bei dem das verwendete Hashtag vor Chauvinismus und Ekelhaftigkeit und Verachtung nur so trieft:
Die Redaktion hat den Tweet dann relativ schnell wieder gelöscht, nachdem man gemerkt hat, dass dieser Altherren-Knallerspruch doch nicht so gut ankommt.
Gestern war es der rumtatschende Präsident eines tunesischen Fußballvereins (“Tatsch too much!”), am Samstag der frühere iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad (“Zurück ins Abklingbecken!”) und am Freitag ein Fregattenkapitän (“Maschinen stopp!”). Die Mischung ist schon ziemlich bunt, wenn die “Bild”-Redaktion jeden Tag einen “VERLIERER” des Tages auswählt. Heute sind die Vereinten Nationen dran:
Saudi-Arabien und der Kampf für Frauenrechte? Und dann auch noch “der Vorsitz der Kommission für die Stellung der Frau”? Das könnte man in der Tat “lächerlich” finden, wenn es denn stimmen würde. Aber es stimmt nicht.
Gestern Abend hatte bereits Bild.de in einem längeren Text Mitgliedswahl und Vorsitzwahl durcheinandergebracht:
Es hört sich an wie ein schlechter Witz — ist aber keiner.
Saudi-Arabien wurde für den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission gewählt!
Das fundamental-islamische Königreich gilt als eines der schlimmsten Verletzer von Frauenrechten weltweit — auch wenn es zuletzt ein paar Fortschritte erzielte. Nun soll es aber von 2018 bis 2022 das Gremium zu Frauenrechten bei den Vereinten Nationen anführen.
Wir können nur vermuten, woher “Bild” und Bild.de diese falsche Information haben. Wir befürchten, dass die Redaktionen bei einer Seite abgeschrieben haben, bei der man nicht unbedingt abschreiben sollte, wenn man es ernst meint mit dem Journalismusmachen — den “Netzfrauen”:
Vielleicht haben die “Bild”-Medien ihre Infos auch von der österreichischen Knallseite Krone.at. Die “Krone”-Redaktion veröffentlichte eine gute Stunde vor Bild.de eine falsche Meldung zu Saudi-Arabiens UN-Wahl:
Der Artikeleinstieg von Krone.at erinnert jedenfalls stark an den weiter oben bereits zitierten Einsteig von Bild.de:
Es klingt wie ein schlechter Scherz, ist aber keiner: Ausgerechnet Saudi-Arabien ist jetzt von der UNO zum globalen Wächter der Frauenrechte ernannt worden. In einer geheimen Wahl bekam das arabische Land, in dem Frauen und Mädchen systematisch unterdrückt werden, den Vorsitz der UN-Kommission für die Rechtsstellung der Frau.
Natürlich kann man es “lächerlich” und schlimm und völlig daneben finden, dass Saudi-Arabien nun in der “Kommission für die Rechtsstellung der Frau” der Vereinten Nationen sitzt. Man kann der Meinung sein, dass das Land dort nichts zu suchen hat, bevor sich die Situation der Frauen im Land nicht verbessert hat. Wenn man aber jemanden zum “VERLIERER” machen will, sollten doch wenigstens die Fakten stimmen.
Nachtrag, 26. April: Bild.de hat bereits gestern einen Nachtrag zum Artikel “Saudi-Arabien soll jetzt für Frauenrechte kämpfen” veröffentlicht:
In der “Bild”-Zeitung war für eine Korrektur heute hingegen leider kein Platz — jedenfalls haben wir dort keine gefunden. Und auch bei der Kategorie “Gewinner/Verlierer” bei Bild.de wurde bisher nichts korrigiert.
1. “Satiriker analysieren Trump besser als die klassischen Nachrichten” (sueddeutsche.de, Kathleen Hildebrand)
Die amerikanische Kulturwissenschaftlerin Sophia McClennen beschäftigt sich mit der Funktionsweise von Polit-Satire. Sie sieht das Medium gegenüber klassischen Nachrichtenmedien im Vorteil: Satiriker wie Stephen Colbert, Trevor Noah oder Samantha Bee hätten schneller einen klareren Standpunkt gegenüber der neuen Regierung gefunden. Im Interview mit der „SZ“ spricht sie über 24-Stunden-Nachrichtenkanäle, kritisches Denken und erklärt, warum Republikaner seltener für Satire zugänglich sind.
2. Algorithmen oder Journalisten können das Fake-News-Problem nicht lösen. Das Problem sind wir. (netzpolitik.org, Danah Boyd)
Danah Boyd ist Medienwissenschaftlerin und Sozialforscherin und seit einigen Jahren Präsidentin des „Data & Society Research Institute“ in New York. Laut Boyd liegt die Verantwortung bei der Bekämpfung von Fake News nicht nur bei den großen Unternehmen wie Google und Facebook, sondern vor allem bei uns: „Wenn wir technische Lösungen für komplexe sozio-technische Probleme suchen, können wir uns nicht einfach aus der Verantwortung stehlen und ein paar Unternehmen beauftragen, die Brüche in der Gesellschaft zu kitten, die sie sichtbar gemacht und verstärkt haben. Wir müssen zusammenarbeiten und Bündnisse mit Gruppen eingehen, die nicht unsere politischen und sozialen Vorstellungen teilen, um die Probleme anzugehen, die wir gemeinsam sehen. Die Alternative wäre ein kultureller Krieg, in dem die Unternehmen als Vermittler und Schiedsrichter fungieren.“
3. Eine Frage der Glaubwürdigkeit (taz.de, Silke Burmester)
Silke Burmester beschäftigt sich in ihrem Kommentar mit der Berichterstattung über die französischen Präsidentschaftswahlen: „ZDF-Moderator Claus Kleber und Korrespondent Theo Koll nennen Macron schon den künftigen Präsidenten. Haben die nichts gelernt?“ Den beiden Topjournalisten seien die Erkenntnisse der letzten anderthalb Jahre egal. Für sie liege die Gefahr nicht in der Destabilisierung unserer Demokratie, sondern darin, als Mann vor der Kamera kein Gewicht zu haben.
4. Sparmaßnahmen schüren Ängste (deutschlandfunk.de, Thomas Wagner, Audio: 5:24 Minuten)
Beim sogenannten “ARD-Freienkongress” haben sich einige der rund 18.000 freien Mitarbeiter getroffen, die den Funkhäusern den Großteil der journalistischen Inhalte liefern. Sorgen macht den freien Mitarbeitern vor allem die geplante ARD-Strukturreform, bei der es darum geht, Rationalisierungs- und Effizienzpotentiale zu nutzen. Die geplanten Sparmaßnahmen hätten gravierende Auswirkungen auf die journalistische Qualität.
5. Markus Beckedahl: „Facebook soll Hilfssheriff, Richter und Henker spielen“ (t3n.de, Stephan Dörner)
Markus Beckedahl beschäftigt sich als Betreiber von Netzpolitik.org seit 2002 mit netzpolitischen Themen wie staatlicher Überwachung, Open-Source-Software, Telekommunikationsgesetzen sowie schöpferischem Gemeingut und einer freien Wissensgesellschaft. Im Interview verrät er, warum Algorithmen die Demokratie gefährden — und warum er das Hatespeech-Gesetz der Bundesregierung ablehnt.
6. Dunkle Prophezeiungen im Frühstücksfernsehen – Wie Claus Strunz argumentiert | WALULIS (youtube.com, Philipp Walulis, Video: 6:13 Minuten)
Mediensatiriker Philipp Walulis setzt sich mit dem journalistischen Wirken von Claus Strunz auseinander: „Wieso er immer im Sat.1-Frühstücksfernsehen auftaucht, mit welchen Tricks er den Untergang des Abendlands herbeiargumentiert und was das alles mit Viagra zu tun hat, schauen wir uns jetzt mal an.“