Archiv für September 12th, 2016

Telling Lies

Vergangenen Montag ist in der Wüste von Nevada das Festival “Burning Man” zu Ende gegangen. Und heute, eine Woche später, gibt es noch einmal richtig Wirbel in den Medien:






Der Reihe nach: vip.de, klatsch-tratsch.de, promicabana.de, kurier.at, gala.de, Bild.de — journalistisch also alles eine Liga.

Und obwohl die gesamte Expertenrunde felsenfest behauptet, David Bowies Patenkind habe mit Erlaubnis von David Bowies früherer Ehefrau einen Teil von David Bowies Asche mit zum “Burning Man” genommen und dort in einer Zeremonie verstreuen lassen, dürfte das alles nicht stimmen. Denn inzwischen haben sich David Bowies Sohn, die offizielle David-Bowie-Facebookseite und ein Sprecher der Verwaltung des David-Bowie-Nachlasses geäußert. Und alle sagen: Das ist Quatsch.

Mit Dank an @TanteEla74 für den Hinweis!

Auch mal die andere Seite zeigen

Wenn bei schlimmen Unfällen auf öffentlichen Straßen Feuerwehrleute und Sanitäter anrücken, haben sie in der Regel auch eine oder mehrere Decken dabei. Die halten sie dann als Sichtschutz vor die Verletzten, damit vorbeifahrende Gaffer nicht gaffen und allzu sensationsgeile Fotografen nicht fotografieren können.

Am vergangenen Samstag gab es so einen Unfall in Ruhpolding. Mehrere Kinder wurden beim Überqueren einer Straße von einem Auto angefahren und dabei teilweise sehr schwer verletzt. Die Feuerwehr und die Sanitäter rückten also an, packten auch eine Decke aus und hielten sie vor die Verletzten, während diese vor Ort behandelt wurden.

Und was macht ein Fotograf, der keine Rücksicht auf irgendwas kennt, in so einer Situation? Geht einfach auf die andere Seite der Decke und macht vorn dort aus seine Aufnahmen. Einige Medien haben diese Fotos dann auch noch gebracht.

Bild.de zum Beispiel:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Artikel durch uns.)

Oder “Bild”:

BR.de:

abendzeitung-muenchen.de:

chiemgau24.de:

pnp.de:

Unser Leser Götz Marx hat eine Idee, was beim Anblick der Decke wohl im Kopf des Fotografen vorgegangen sein muss: “Der BILD-Fotograf dachte wohl, die Feuerwehrleute halten die Decke bei den Opfern nur deswegen hoch, damit er nicht gegen die Sonne fotografieren muss!”

Mit Dank an Götz M. für den Hinweis!

Nachtrag, 13. September: Die Redaktion von BR.de hat das Foto inzwischen aus der Galerie entfernt.

Deutungswelten, Verfettung, VG-Wortlos

1. “Poppers Traum ist in Gefahr”
(zeit.de, Philip Faigle & Sascha Venohr)
Der Forscher Gerret von Nordheim (Institut für Journalistik der TU Dortmund) hat 80.000 Tweets nach dem Münchener Amoklauf ausgewertet. In den Stunden nach dem Anschlag hätten sich relativ schnell zwei parallele Netzwerke – sogenannte Cluster – gebildet. In dem einen vor allem die Münchener Polizei und traditionelle Medien wie “Spiegel”, “Tagesschau” und “Zeit”, in dem anderen Accounts von Politikern der AfD und andere Vertreter des rechten Spektrums. Beide Netzwerke seien als in sich geschlossene, parallele Deutungswelten fast völlig isoliert voneinander gewesen: “Während in der einen Welt noch debattiert wurde, wer der Täter war, wurden in der anderen Welt schon die Medien und die Politik für den Amoklauf verantwortlich gemacht und fremdenfeindliche Deutungsmuster bedient.”

2. „Im Journalismus hat sich irgendwann eine Verfettung breit gemacht.“
(40stunden.de, Julia Kottkamp & Romy Geßner)
“Spiegel”-Reporter Cordt Schnibben im Interview über die eigene Vita und die Motivation von Journalisten. Und mit offenen Worten über die Branche: “Im Journalismus hat sich irgendwann eine Verfettung breit gemacht, vor allem in der Wochen- und Monatspresse und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Man konnte toll Essen gehen und super Reisen machen. Irgendwann haben manche Journalisten aufgehört, die Vorzüge, die man in diesem Beruf hat, als Bedingung dafür zu begreifen, gut zu recherchieren und gekonnt zu erzählen. Wenn man sich davon belästigt fühlt, dass der Chefredakteur mit einem Thema anruft, weil man es sich in seinem privilegierten Leben so schön gemütlich gemacht hat, dann wird es natürlich pervers. Irgendwann kippt dann dieser Beruf. Das ist leider in den letzten Jahren bei vielen Leuten passiert.”

3. Wenn der Interviewgast es sich anders überlegt…
(wdr.de, Audio, 9:05 Min.)
Audio-Interview mit dem “Monitor”-Chef Georg Restle über das Autorisieren von Fernsehinterviews und die Versuche der Einflussnahme von Gesprächspartnern aus der Politik. Anlass ist der Streit zwischen der “Deutschen Welle” und türkischen Regierungsvertretern über ein von Michel Friedman geführtes Interview mit dem türkischen Sportminister.

4. Planlos zerstritten: VG Wort vorerst handlungsunfähig
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Das befremdliche Schauspiel um die Rückzahlung der zu Unrecht den Verlegern zugeschanzten VG-Wort-Erlöse entwickelt sich zum kuriosen Mehrakter. Auf der fünfstündigen VG-Wort-Versammlung in München wurde beschlossen, die Angelegenheit auf den November zu vertagen. Anlass war ein kurzfristig ins Spiel gebrachter Kompromissvorschlag der VG-Wort, dessen Folgen sich nach Ansicht der Kritiker auf die Schnelle nicht abschätzen ließen. Stefan Niggemeier war auf der Versammlung und erzählt vom Sitzungsverlauf.

5. Der beleidigte Waidmann
(faz.net, Jochen Zenthöfer)
Die Posse um den “Rabaukenjäger” hat mit einem Freispruch des Journalisten ihr vorläufiges Ende gefunden. Ein Journalist des „Nordkurier“ hatte einen CDU-Kommunalpolitiker als Rabaukenjäger betitelt, weil dieser mit dem Auto ein totes Reh an einem Seil über eine Straße geschleift hatte. Darauf hatte der Jagdpächter den Journalisten wegen Beleidigung verklagt und zunächst Recht bekommen. Nun wurde die Verurteilung in der Revisionsinstanz aufgehoben und der Journalist vom Oberlandesgericht Rostock freigesprochen.

6. Scheck ohne Deckung
(konkret-magazin.de, Kay Sokolowsky)
Denis Scheck gilt als der “bekannteste Literaturkritiker der Republik” (“Taz”) und ist in Hörfunk und Fernsehen mit eigenen Sendungen präsent. Nun moderiert Scheck auch noch das wöchentliche Kulturmagazin “Kunscht!” im “SWR”. Kay Sokolowsky erklärt in einer scharfzüngigen Abrechnung, warum er “Deutschlands berühmtesten Buchverkäufer” schon in dessen Sendung “Druckfrisch” kaum zu ertragen findet und Schecks Textproduktion für die Tonne sei.