Archiv für September 9th, 2016

Direkt aus der Photoshop-Hölle


(Screenshot: BILDblog, Rahmen: Theen Moy, draufklicken für eine größere Version)

“‘Bild’ ist ein Gesamtkunstwerk”, sagte der Medienwissenschaftler Norbert Bolz vor Jahren. Doch während “Bild”-Texte und -Überschriften schon einige literarkritische Behandlung erfahren haben, steckt die kunstwissenschaftliche Würdigung der “Bild”-Bilder noch in den Kinderschuhen. Die Kolumne “Bildbetrachtung” soll hier nachbessern.

Warum gibt es Kunst? Warum verbringen erwachsene Menschen ihre Zeit damit, besinnungslos auf Steine einzudreschen, giftige Farbdämpfe einzuatmen und durch schwersten Alkoholdunst hindurch Franz-Josef-Wagner-Kolumnen zu verfassen? Schon seit frühester Frühe geht es in der Kunst immer auch um Unsterblichkeit. Künstler ruinieren ihre Gesundheit, verkürzen ihr Leben, um ihren Ruhm über den Tod hinaus zu verlängern. Ihre reichen Auftraggeber hingegen hoffen, die eigene Lebenserwartung als Skulptur, Porträtgestalt oder Von-Hagens-Plastinat wenigstens symbolisch auszudehnen. Nur selten gelingt es dem Kunstwerk jedoch, den Tod selbst zu überwinden, direkt einen Blick in ein besseres Jenseits zu ermöglichen.

Leo Fischer hat mit seinen 35 Jahren bereits alles erreicht: Als Chefredakteur der “Titanic” wurde er vom Papst verklagt, ein CSUler wollte ihm “die Lizenz zum Schreiben” entziehen, als Politiker holt er regelmäßig unter 0,1 Prozent der Stimmen. Aktuell schreibt Fischer für die “Titanic”, die “Jungle World”, “Neues Deutschland” und die “taz”. Fürs BILDblog untersucht er die Bildsprache der “Bild”-Zeitung.
(Foto: Tom Hintner)

Mit der Komposition “Freund von Topmodel Miriam Höller — Red-Bull-Pilot stirbt bei Heli-Absturz” sind wir diesem alten Menschheitstraum ein Stücklein nähergekommen. Über dem exklusiv für Bild.de und seinen nimmermüden Leichenbeschauer J. Reichelt zerschellten Hubschrauber (“Hubi”), der im Grau von Himmel und Gebirg fast doppelt begraben (“Grabi”) erscheint, erhebt sich, wiedergänger- oder doch wenigstens zombiehaft, der verblichene Hannes Arch (“Archi”) in alter Pracht.

Von jenseitigem Glanz umspielt, in frischeste Farben getaucht (Autokontrast), triumphiert der Tote über das ewiggraue Einerlei von Natur, Aerodynamik und “Bild”-Berichterstattung. Jesushaft dem Grabe entsprungen, rettet er sogar sein ihm angetrautes Top-Model Miriam “Miri” Höller aus den Klauen der Unterwelt — obwohl sie gar nicht offiziell als verstorben galt. So wird das Paar von “Bild” gleichsam doppelt umgebracht, nur um kurz darauf in größerer Pracht ins Leben zurückzukehren.

Beide freuen sich sichtlich, dem Tode noch einmal entronnen zu sein — verweist ja der Inferno-Glanz um Arch, der Name seiner Freundin “Höller” und nicht zuletzt die Bezeichnung des Unglücksapparats (“Heli”, Anspielung auf nord. Totengöttin “Hel”, engl. “hell”) darauf, woher die beiden Untoten genau kommen: nämlich direkt aus der Hölle, der Hölle von Photoshop Elements. Der heiße Atem des Satans scheint Arch noch hinterherzuwehen, sein Haupthaar wird vom höllischen Aufwind mächtig gebläht.

Tod und Leben durchdringen sich, nehmen einen Drink an der “Bild”-Bar, tauschen Visitenkarten aus. Wir als Betrachter sind sozusagen miterlöst, denn wir wissen: Tot ist man erst, wenn “Bild” einen vergessen hat. Und das kann dauern.

VG Showdown, Paralympics, Gedeckwarnung

1. Showdown im Hofbräukeller
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Es ist schon ein seltsames Schauspiel, das die VG Wort (“Gema der Autoren”) da bietet: Jahrelang hat man den Urhebern Millionen von Euros vorenthalten und das Geld stattdessen an die Verlage ausgeschüttet. Nachdem diese Praxis vom BGH als rechtswidrig eingeordnet wurde, korrigiert man den Fehler nicht, sondern sucht geradezu verzweifelt nach einem Weg, diese Praxis beizubehalten. Für Samstag hat die VG Wort eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Stefan Niggemeier bringt Licht in die Sache und erklärt die unterschiedlichen Interessenlagen.

2. Keine Gedeck-Interviews!
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband warnt vor Interviews mit der Schauspielerin Martina Gedeck. Diese bestehe auf inakzeptablen Interviewvereinbarungen. Der DJV-Bundesvorsitzender kritisiert insbesondere folgende Klausel: „Sofern Zitate auf dem Titel der Zeitung, in der Überschrift, in Unterüberschriften, Zwischenüberschriften oder Bildunterschriften bzw. in Falle der Hervorhebung durch Fettdruck im Fließtext verwendet werden, sind diese auch konkret mit Künstler abzustimmen.“ Welche Über- und Unterschriften der Journalist wähle, gehe die Interviewpartnerin jedoch nichts an, so der DJV-Bundesvorsitzender. Ebenso sei es nicht hinnehmbar, dass die Schauspielerin bei der Bildauswahl gefragt werden müsse.

3. Paralympics in Rio 2016 – Medienberichte
(leidmedien.de)
Anlässlich der Paralympics in Rio hat sich “Leidmedien” angeschaut, wie Journalistinnen und Journalisten über das Event berichten und in einer Übersicht besonders gelungene oder diskussionswürdige Artikel zusammengestellt. Außerdem gibt es praktische Tipps für die Berichterstattung über die Paralympics.

4. Jeder dritte Online-Leser kommt über Social Media oder Push
(persoenlich.com)
In der Schweiz wird das Mediennutzungsverhalten regelmäßig über den “Media Use Index” (MUI) abgefragt. Das Online-Portal der Schweizer Kommunikationswirtschaft “persoenlich.com” stellt die wichtigsten Erkenntnisse daraus vor. Danach habe die Internetnutzung per Tablet den Gebrauch von Tageszeitungen eingeholt, das Smartphone werde zum Messenger und Shopping-Tool, Snapchat und Instagram würden Facebook überholen, die News-Medien ihre Titelseiten verlieren und Streaming das klassische Fernsehen überholen.

5. Der alte und der neue Präsident
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Bevor sich Medienkolumnistin Ulrike Simon in den verdienten Urlaub verabschiedet, nimmt sie uns nochmal dorthin mit, wo sich die Medienfürsten, Zeitungstycoone und Honoratioren treffen. Im konkreten Fall war dies die Verabschiedung des Präsidents des Bundesverbands deutscher Zeitungsverleger (BDZV) Helmut Heinen und der erste Auftritt seines Nachfolgers Mathias Döpfner beim BDZV.

6. Xing – hartnäckig wie Herpes
(spiegel.de, Tom König)
Tom König hat seinen Xing-Account längst gekündigt, alle Newsletter deaktiviert und auch ansonsten alle Verbindungen zu dem Business-Netzwerk gekappt. Dennoch spammt ihn die “Online-Plattform für das Social-Networking neuer und bestehender Business-Kontakte” mit unerwünschten Nachrichten und Werbemails zu. “Vermutlich gibt es nur eine Möglichkeit, den Mails von Xing zu entrinnen. Man muss seinen Computer anzünden, seinen Wohnsitz abmelden und Mönch in einem Himalaja-Kloster werden. Aber wer weiß? Vermutlich würde selbst dort nach einigen Jahren ein lächelnder tibetischer Postbote auftauchen mit einem Telegramm aus der Heimat. Und darin stünde dann, in dicken schwarzen Lettern: “Peter N. wartet noch immer auf Ihre Antwort.””