Archiv für August 16th, 2016

“Bild” schon wieder am Grab von Andreas L.

Als Andreas L., der Co-Pilot des “Germanwings”-Flugs 4U9525, vor etwas mehr als einem Jahr beerdigt wurde, hatten die “Bild”-Redaktionen im Vorfeld glücklicherweise nichts davon mitbekommen. So konnten ihre Fotografen nicht mit Teleobjektiven auf dem Friedhof von Montabaur lauern, und ihre Reporter nicht schmierige Zeilen über die Trauergäste verfassen.

“Bild” und Bild.de berichteten aber trotzdem, einige Tage später, und zeigten in Großaufnahmen das Grab von Andreas L. Damals gab es das volle Bilder-Programm: das Holzkreuz aus verschiedenen Perspektiven, die Blumen und Trauerkränze der Angehörigen, den Grabschmuck der Freundin, ihre Abschiedsworte.

Gestern veröffentlichten “Bild” und Bild.de erneut einen Bericht über das Grab von Andreas L.:


Der einzige Grund für die neuen, großen Berichte: Das Holzkreuz wurde inzwischen durch eine Granitsäule ersetzt.

Neun Monate nach seiner heimlichen Beisetzung auf dem Friedhof in Montabaur, unweit des Segelflugplatzes, auf dem L[.] seine Leidenschaft fürs Fliegen entdeckte, wurde inzwischen das einfache Holzkreuz (“Andy”) durch die Grabsäule ersetzt.

Wieder gibt es große Fotos vom Grab, außerdem eine Nahaufnahme einer “runden Plakette”, auf der eine persönliche handschriftliche Widmung zu lesen ist, vermutlich von der Mutter von Andreas L. Im Text kommt eine Frau zu Wort, die bei dem Absturz zwei Angehörige verloren hat. Sie ist auch die Zitatgeberin für die Überschrift bei Bild.de (“Für mich als Angehörige der Opfer ist das sehr verletzend …”). Dass sie über das Grab ebenfalls sagt: “Für die Eltern von L[.] verständlich”, erfährt man erst im Artikel. Dort wird auch noch ein Anwalt zitiert, der mehrere Opfer-Familien vertritt und analysiert, dass durch die neue Grabsäule die “Ich-Bezogenheit” von Andreas L. “über seinen Tod hinaus in Stein gemeißelt” bleibe. Und dazu erinnern die beiden “Bild”-Autoren noch einmal mit deutlichen Worten daran, wer dort überhaupt begraben liegt:

Wir sehen das Grab von Todes-Pilot Andreas L[.] Das Andenken an einen Massenmörder!

Die “Bild”-Medien nutzen weiterhin jede noch so kleine Gelegenheit, um die Tat von Andreas L. aufs Neue aufrollen zu können, mit all den Beteiligten — Täter, Opfer, den Angehörigen beider Seiten. Ob es sich dabei um ansatzweise relevante Informationen handelt, spielt schon lange keine Rolle mehr.

Springerbeschwerde, Olympia-Peinlichkeiten, AfD-Hass-Klima

1. Fall Kachelmann: Springer streitet weiter
(evangelisch.de)
Der Rechtsstreit zwischen dem Wettermoderator Jörg Kachelmann und dem Medienkonzern Axel Springer geht weiter. Nach Informationen des Evangelischen Pressediensts (epd) legte der Konzern gegen das Urteil des OLG Köln Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Der Springer-Sprecher begründet dies mit der schädlichen Wirkung von Strafzahlungen: “Dies würde eine einschüchternde Wirkung auf die freie Presse haben.”

2. Can Dündar tritt zurück
(faz.net)
Der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung “Cumhuriyet”, Can Dündar, ist von seinem Posten zurückgetreten und bleibt vorerst in Europa. Vertrauen in die türkische Justiz hat er nicht mehr. Wer kann es ihm verdenken: Dündar und der Hauptstadtbüroleiter der “Cumhuriyet”, Erdem Gül, waren im Mai zu fünf Jahren und zehn Monaten beziehungsweise fünf Jahren Haft verurteilt worden. Drei Monate saß er in Untersuchungshaft.

3. Stimmungslos
(begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Bei Gregor Keuschnig mag keine rechte Olympia-Stimmung aufkommen, was an den Fernsehmoderatoren und der medialen Inszenierung liege: “Wie man sich bei ARD und ZDF den medienkompatiblen Sportler vorstellt, konnte man am Sonntag bei einer Schaltung zum »Deutschen Haus« sehen. Elf Medaillengewinner saßen da nebeneinander und nun wollte der Reporter von jedem wissen, wie sie gefeiert haben, was es zu trinken gab, wie die Nachtruhe war, usw. Die Szenerie war an Peinlichkeit kaum zu überbieten; die Sportler, noch gezeichnet von den Feiern, als Pönitenten. Und dann wundert man sich, wenn keine Olympia-Stimmung vor dem Fernseher aufkommt.”

4. “Unterschichtenorientierte Medienberichterstattung über Straftaten”
(deutschlandfunk.de, Karin Beindorff)
“Zeit”-Kolumnist und Vorsitzender BGH-Richter Thomas Fischer im Interview mit dem “Deutschlandfunk”. Es geht unter anderem um Vorurteile und Vorverurteilungen in Strafrechtsprozessen. Diese seien darauf zurückzuführen, dass in den Medien oft sehr unwissend über solche Themen berichtet werde. Aber auch die Justiz tue das ihre dazu, weil sie sich abschotte. Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands, wehrt sich im Gespräch mit “kress.de” gegen die Kritik des Karlsruher Richters.

5. Stellungnahme der DW zu Anschuldigungen gegen Korrespondent Juri Rescheto
(dw.com)
Der Moskau-Korrespondent der “Deutschen Welle” Juri Rescheto hat auf Einladung des Verbands der Auslandspresse in Moskau eine Reise auf die Krim unternommen. Nachdem in den sozialen Medien Kritik aufkam, bei der es auch um ein von Rescheto gegebenes Interview für “Russia Today” und die Verwendung von Hashtags geht, hat die “Deutsche Welle” nun eine Stellungnahme veröffentlicht.

6. “Sehr hässliche Hassmails”
(sueddeutsche.de, Martina Scherf)
Der Physiker Harald Lesch hat sich mit den Aussagen des AfD-Programms zum Klimawandel beschäftigt und in einem zehnminütigen Video die Dinge richtiggestellt. Darauf folgten wütende Kommentare von Klimawandelleugnern und AfD-Anhängern, aber auch von der Gegenseite. Nun ließ er ein “Terra X”-Video über die “Psychologie hinter Hass” folgen.