Archiv für Juli 27th, 2016

Foto-Tumult im Freibad

Vergangene Woche ist im Freibad von Neu Wulmstorf, in der Nähe von Hamburg, ein Mann ertrunken.

Am Rande der letztlich erfolglosen Rettungsaktion der Sanitäter kam es zu Tumulten, wie die “Hamburger Morgenpost” berichtet:

Zwei Journalisten wollen die Hilfskräfte bei dem Wiederbelebungsversuch fotografieren und werden zur Zielscheibe von etwa 30 aufgebrachten Badegästen. Ein Augenzeuge berichtet, dass ein Mann versuchte, die beiden Fotografen zu schlagen und zu würgen.

Anschließend ergriff der Mann die Flucht. Die Journalisten erstatteten nach der Attacke Anzeige gegen Unbekannt, die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung.

Nun ist Schlagen und Würgen sicherlich kein angemessenes, erwachsenes Verhalten, aber das Fotografieren von Schwerverletzten, Sterbenden oder Toten ist ja auch nicht unbedingt besonders ethisch oder feinfühlig.

… womit wir wieder bei der “MoPo” wären, denn neben dem Artikel “Mann ertrinkt – Badegäste gehen auf Journalisten los” hat die noch einen zweiten über den Unglücksfall im Freibad veröffentlicht (“Vorwürfe gegen Bademeister: Ertrunkener Flüchtling konnte nicht schwimmen”), in dem auch diese zutreffende Bildunterschrift vorkommt:

Hier kämpfen Rettungskräfte um das Leben des Mannes. Er wird reanimiert, stirbt jedoch später im Krankenhaus.

Ob das Foto von einem der angegriffenen Journalisten stammt, konnte uns die lokale Polizei nicht sagen, bei mopo.de ist kein Urheber genannt.

Mit Dank an Sebastian S.

Kopfschmerzen, Broderismus, Sangria

1. Welches Privatleben steht Politikern zu?
(heute.de, Christoph Schneider)
Christoph Schneider berichtet über die bevorstehende Entscheidung des BGH im Fall Wowereit gegen “Bild”. Ein Promi-Jäger habe 2013 Wowereit bei einem privaten Restaurantbesuch von draußen durch die Scheibe fotografiert. “Bild” habe das Foto drei Tage später, zusammen mit einer herabsetzenden Überschrift veröffentlicht. Persönlichkeitsrecht eines Politikers versus ein unterstelltes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, das werde am 27. September vom BGH entschieden. Womöglich mit Auswirkungen auch über die Causa Wowereit hinaus.

2. Finde die Fehler: Nach 25 Jahren Migräne geheilt
(scilogs.spektrum.de, Markus A. Dahlem)
Der “Focus” sorgt mit seiner Headline “Migräne: Frau hat dank Ernährungsumstellung nach 25 Jahren keine Kopfschmerzen mehr” für Kopfschmerzen bei SciLogs-Blogger Markus Dahlem. Der wohl von einer englischen Boulevardpostille abgeschriebene Text strotze vor Fehlern. Dahlem arbeitet gegen den Schmerz an und macht das, was sich die “Focus”-Redaktion laut Einblendung wünscht. Er markiert Fehler. Und er findet eine Menge davon…

3. Schnell, fair und unparteiisch?
(zeit.de, Hilal Sezgin)
Die Journalistin Hilal Sezgin erinnert sich an ihre Ausbildung beim Hessischen Rundfunk vor 20 Jahren. Die ersten Dinge, die man ihr dort vermittelt hätte: Pünktlichkeit, Sorgfalt bei der Recherche, Fairness und Unparteilichkeit. Schon damals war sie skeptisch, was die geforderte Unparteilichkeit anbelangt. Heute sieht sie sich darin bestätigt und argumentiert gegen die Meinungslosigkeit: “Wer hingegen die eigene Weltsicht wie ein Chamäleon dem hegemonialen Hintergrund anpasst, ohne darüber zu reflektieren, berichtet oft genug unfair über Lebensweisen und Ansichten anderer. Die kommen dem Chamäleon dann nämlich sonderbar schrill vor, selbst wenn es selbst momentan auf einem orange-gepunkteten Blatt sitzt und entsprechend aussieht.”

4. ZDF: Die schwierige Suche nach jungem Publikum
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Uwe Mantel hat sich auf “dwdl” die ZDF-Zahlen der Saison 2015/16 angeschaut und analysiert. Das ZDF sei auch in der zurückliegenden Fernsehsaison wieder unangefochtener Marktführer beim Gesamtpublikum gewesen. Zu verdanken sei das den älteren Zuschauern, die das ZDF vor allem mit seinem Krimi-Überangebot fest für sich gebucht habe. Mantel nennt es ein “süßes Gift”, denn herausragenden Quoten beim älteren Publikum stehe hier nämlich meist Desinteresse bei den Jüngeren gegenüber. Der Artikel birgt einige Überraschungen, z.B. über “heute-show” und Horst Lichters “Bares für Rares”.

5. Broder rückt Journalisten in die Nähe der SS
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Henryk M. Broder wütet in einer Kolumne gegen namentlich bezeichnete Chefredaktuere und Journalisten an, denen er “Gefühlskälte, Mitleidslosigkeit und Brutalität im Gewande der Sachlichkeit” unterstellt. Und er beendet seine Zeilen mit einem Satz, bei dem einigen vielleicht nicht aufgefallen ist, dass es sich um ein Zitat des SS-Reichsführer Heinrich Himmlers über den Holocaust handelt. Stefan Niggemeier von “Übermedien” ist es aufgefallen: “Auch wenn Broder es nicht explizit ausformuliert: Seine angedeutete Parallele lässt sich als einer der brutalsten Nazi-Vergleiche lesen, die man sich vorstellen kann.”

6. Nachrichtenlage: +++ Keine Eilmeldung +++
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
“Ich habe begonnen, Eilmeldungen zu hassen. Ich könnte sie abbestellen, aber so schlau und entspannt bin ich nicht. Alle paar Tage lösche ich eine News-App auf dem iPhone, inzwischen kommen nur noch Eilmeldungen von SPIEGEL ONLINE, vom “Guardian”, von “Zeit Online” und der “FAZ”. Ich zähle sie auf und denke: Ich bin doch bescheuert, es sind immer noch zu viele. Um mich herum sind lauter genauso Bescheuerte. Wie Leute am Ballermann, die um Sangria-Eimer rumsitzen, sitzen wir um unsere Smartphones rum und saufen Eilmeldungen.”