Archiv für Februar 24th, 2016

Peter Lustig war kein Kinderhasser

Peter Lustig ist gestern gestorben. Peter Lustig, der Millionen Kindern die Welt erklärt hat — und der “Kinder in Wahrheit ja gar nicht leiden konnte”, wie es immer wieder heißt, wenn über ihn gesprochen oder geschrieben wird. Dabei ist das “Bild”-gemachter Blödsinn.

Im Oktober 2002 erschien in der „Stuttgarter Zeitung“ ein Beitrag von Peter Lustig, protokolliert von Kai Biermann. Darin heißt es unter anderem:

Ich will kein Über-Onkel sein, sondern jemand, mit dem sie sich identifizieren können. (…) Wenn ich etwas sein will, dann ein Zwischenglied zwischen den so genannten Fachleuten und dem Publikum. Jemand, der von nichts richtig Ahnung hat, der aber so lange fragt, bis er alles versteht. Und dann kann ich es weitergeben, und zwar so, dass es auch Kinder verstehen können. Das ist meine Kunst geworden im Laufe der Jahre. Und ich kann gut mit Kindern umgehen. Vielleicht weil ich ihnen sage: Ich nehme dich so, wie du bist, du mich aber bitte auch, und so kommen wir gut klar.

Sicher, Kinder stören und sind klebrig, na und? Das wissen die doch selbst. Und natürlich stören sie, sie haben aber auch ganz andere Ansprüche, und die haben sie mit Recht. Vielleicht merken Kinder, dass ich sie akzeptiere und daher akzeptieren sie mich auch und sagen, eh, der Lustig ist cool. Ich weiß nicht, was an mir cool ist, aber sie sagen es.

Nur in der Sendung möchte ich sie nicht, mit Kindern zu drehen ist anstrengend, und sie gehören einfach nicht vor die Kamera. Das ist Quälerei, immer. Ganz selten sage ich, gut, wir müssen aus dramaturgischen Gründen da ein Kind mit einbauen. Aber das ist eigentlich nix für Kinder. Wieso, fragen sie, wieso soll ich das noch einmal machen, war doch gut? Nein, da war der Ton, und dies und jenes, los, noch einmal. Und dann sollen sie auch noch Gesichter dazu schneiden. Nee.

Auch die „Bild am Sonntag“ druckte kurz darauf ein Interview mit Peter Lustig. Überschrift:

Peter Lustig: Ich kann Kinder nicht leiden

Und so konnte man am nächsten Tag überall lesen:

Peter Lustig, beliebter Kinderfernseh-Moderator, hält nichts von seinem jungen Publikum. “Ich kann Kinder nicht leiden, finde sie anstrengend”, sagte Lustig der “Bild am Sonntag”. “Die sollen die Sendung gucken und dabei ihren Spaß haben. Aber ich mag sie da nicht um mich herumhaben”, so der 65-Jährige, der als Mann mit Latzhose und Nickelbrille aus der Sendung “Löwenzahn” bekannt ist. Nicht genug damit: Der vermeintliche Parade-Großvater glaubt sogar, dass überhaupt niemand Kinder mag: “Ich bin wie alle Erwachsenen der Meinung, Kinder sind entweder klebrig, oder sie stören oder sind laut. Ich bin kein Kinderonkel, das ist ein Missverständnis”, klagte Lustig der Zeitung.

(“Welt”, 4.11.2002)

“Löwenzahn”-Opa plötzlich nicht mehr lustig – “Kinder sind klebrig”

(“Hamburger Abendblatt”, 4.11.2002)

“Klebrig oder laut”: Peter Lustig mag keine Kinder

(“Trierischer Volksfreund”, 4.11.2002)

Peter (gar nicht) Lustig: Ich kann Kinder nicht leiden!

(“Express”, 4.11.2002)

Das ZDF dementierte: Das Interview habe in dieser Form nicht stattgefunden, sagte ein Sprecher der damaligen Nachrichtenagentur ddp. Lustig weise die Aussagen zurück, diese Passagen seien nicht autorisiert gewesen.

In den Jahren darauf wurde Lustig auch immer wieder persönlich auf die Sache angesprochen, und immer wieder erklärte er, dass die “Bild am Sonntag” seine Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen habe. Vor drei Jahren etwa sagte er dem Magazin “Neon”:

Warum “Rache”, fragen Sie sich? Nun, wenige Tage vor der “Kann Kinder nicht leiden”-Überschrift in der “Bild am Sonntag” hatte Peter Lustig in der „Stuttgarter Zeitung“ noch gesagt:

Wenn mich etwas stört, ist es Dummheit. Jemand, der nur noch wahrnimmt, was er sehen will, beraubt sich doch all dieser tollen Möglichkeiten. Mensch, wir haben das Gehirn, und wozu wird es benutzt? Zum ‘Bild’- Zeitung-Lesen. Das ist eine solche Verschwendung. Wenn ich bei Kindern schon so etwas bemerke, das tut mir richtig weh.

Nach Lustigs Aussage in der “Neon” gab’s übrigens wieder Rache: Die “Bild”-Zeitung erklärte ihn kurz danach auf der Titelseite zum “Verlierer”.

Nachtrag, 16.50 Uhr: Und so reagiert Bild.de auf den Tod von Peter Lustig:

Dass sie es waren, die diesen Blödsinn in die Welt gesetzt haben, schreiben die Leute von “Bild” natürlich nicht. Im Gegenteil: Sie bringen es sogar fertig, so zu tun, als hätten sie diese Falschmeldung entlarvt:

Im Jahr 2002 sorgte Lustig mit einer Aussage für Aufsehen. Im Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“ sagte er: „Kinder stören und sind klebrig, na und?“

Auf Nachfrage von BILD am SONNTAG erklärte Lustig, Kinder seien anstrengend. Konnte der nette Kinderonkel Kinder etwa nicht leiden?

Wohl kaum! Lustig erklärte, er habe Kinder sehr wohl gern, nur bei der Arbeit möge er sie eben nicht um sich haben. (…) Lustig zu BamS: „Die sollen die Sendung gucken und dabei ihren Spaß haben.“

Denn das Wichtigste für Lustig war, den Kindern die Welt erklären zu können!

Siehe auch: “Er hasste Kinder nicht” von “Zeit Online”-Autor Kai Biermann, der damals für die “Stuttgarter Zeitung” die Aussagen von Peter Lustig protokolliert hat.

Magermodels, Richterreputation, Protestrülpsen

1. Woher kommt die Gleichgültigkeit?
(pinkstinks.de)
“Pinkstinks” wundert sich über den Essay von “SZ”-Autorin Tanja Rest über “Germany’s Next Topmodel”. Darin fragt die “SZ”-Autorin, woher der Hass auf die Sendung käme. Sie fände die Empörung über dünne Models scheinheilig. “Pinkstinks” arbeitet die Argumente Punkt für Punkt ab und kommt, nicht ganz überraschend, zu gänzlich anderen Schlüssen.

2. So viele Beschwerden wie nie
(zeit.de)
Die “Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter (FSM)” hat 2015 einen Rekord an Beschwerden über Inhalte im Internet registriert. Stark zugenommen hätte die Zahl der Beschwerden wegen rechter und rassistischer Sprüche.

3. Die deutsche Sprache ist “up-to-date”
(detektor.fm)
Fremdwörter aus dem Englischen und aus anderen Sprachen werden kaum noch eingedeutscht. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts für Sprache in Mannnheim (IDS). Eingedeutschte Varianten wie „Ketschup“ hätten sich nicht durchgesetzt. Die Forscher hätten festgestellt, dass vermehrt Anglizismen verwendet werden würden. Dies läge an den zunehmenden Englischkenntnissen der Bevölkerung und dem steigenden Internetkonsum. Interessant für die Forschungsarbeit sei vor allem der Gebrauch von Neologismen (sprachliche Wortneuschöpfungen).

4. Richter verspielt seine Reputation mit Facebook-Bild
(sueddeutsche.de, Heribert Prantl)
Ein Richter stellt auf Facebook ein Foto von sich ein. Er sitzt dort mit einem Bier auf der Terrasse. Sein T-Shirt trägt den Schriftzug: “Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA”. Nun hat sich der BGH der Sache angenommen und kommt zum Urteil: “Dessen Internetauftritt ist mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren”. Das Urteil kann sich auch in anderer Hinsicht auswirken. Wie Udo Vetter im Law Blog kommentiert: “…es werden sich sicher etliche Kollegen finden, die jetzt ganz flink in laufenden Verfahren Befangenheitsanträge für ihre Mandanten stellen – und sie dann zumindest am Ende des Instanzenzuges wohl auch durchbekommen.”

5. Im gefährlichen Fahrwasser der Werbung
(de.ejo-online.eu, Alexander Kaimberger)
In Österreich fehlt es bislang an einer wirkungsvollen und professionellen Institution, die Schleichwerbung im Journalismus aufzeigt und ahndet. So die Quintessenz des Artikels von Alexander Kaimberger, der über eine Untersuchung von unzureichend oder ungekennzeichneter Werbung in österreichischen Printmedien berichtet. Teilweise niederschmetternde Ergebnisse sind es, die da zu lesen sind und die den Autor der Studie bewogen haben, eine spezielle Meldeseite ins Leben zu rufen.

6. Mann muss 70 Euro Strafe wegen Rülpsens bezahlen – Flashmob geplant
(tagesspiegel.de, Robert Klages)
Ein Mann hat in Hörweite eines Polizisten gerülpst und soll deswegen 70 Euro Strafe zahlen. Stattdessen ruft er einen Flashmob ins Leben. Das Motto: “Gegen den öffentlichen Anstand… für die Befreiung der Magengase.” Mit Hilfe von reichlich Döner und Bier will man jetzt protestrülpsen.