Archiv für September 25th, 2015

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Wer gegen Massenunterkünfte ist, muss gegen Flüchtlinge sein

In Potsdam sieht es derzeit so aus, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden: Die Verwaltung sucht dringend nach möglichem Wohnraum für Geflüchtete. Bei der durchaus schwierigen Suche nach freien Plätzen hat die Stadt Potsdam auch beim örtlichen Kulturzentrum “freiLand” nachgefragt. Und das hat in einem offenen Brief geantwortet:

Am Montag dem 14.09.2015 erreichte uns über eine Arbeitsgruppe der Stadt Potsdam die Anfrage, ob auf dem freiLand-Gelände über einen längeren Zeitraum Unterkünfte für Geflüchtete aufgestellt werden könnten. Längerer Zeitraum bedeutet hier eine Unterbringung von Flüchtlingen über mehrere Jahre und nicht ein vorübergehendes Provisorium.

Die Pläne sähen vor, “zwei Container mit Stoffdächern” aufzustellen, die “jeweils 48 Geflüchteten Platz bieten sollen.” In diesen Containern befänden sich lediglich Schlafplätze, “Sanitäreinrichtungen würden zusätzlich auf dem Gelände installiert werden.” Gemeinschaftsräume und Küchen seien nicht vorgesehen, die Beheizung solle per Heißluftgebläse erfolgen.

Das ist nach Meinung des Kulturzentrums keine angemessene Lösung:

Aus unserer Sicht ist diese Form der massenhaften Unterbringung von Geflüchteten über Monate und Jahre hinweg unzumutbar. Sie nimmt den Menschen die letzten Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben und zu handeln.

Das “freiLand”, nach eigenen Angaben recht aktiv in der Flüchtlingshilfe vor Ort, schreibt aber auch, dass es “absolut bereit” sei, “Menschen einen Zufluchtsort — auf bestimmte oder unbestimmte Zeit — zu bieten.”

Also: Ein Angebot, Flüchtlingen einen Platz zu bieten, gleichzeitig die Forderung nach einer würdevollen Unterbringung — müsste doch eigentlich was für die “Wir Helfer” der “Bild”-Zeitung sein. Oder?

Mal abgesehen von der Verkürzung, der Verdrehung und der einseitigen Auslegung des offenen Briefes: Einer Einrichtung, die sich für eine würdevolle Unterbringung von Geflüchteten stark macht, vorzuwerfen, sie sei “richtig herzlos”, ist so, als würde man dem FC St. Pauli vorwerfen, er hätte “Kein Herz für Flüchtlinge”.

“Auto Bild”, vergesslicher “Spiegel”, Nachfolge von Hans Leyendecker

1. Bild-Kampagne “Wir helfen”: Flüchtlingshilfe als PR-Instrument?
(wdr.de, Philipp Jahn und Andreas Maus, Video, 5:00 Minuten)
Im August startete die “Bild”-Zeitung die Aktion “Wir helfen”. Zahlreiche Fußballvereine wollten sich nicht für die Kampagne einspannen lassen, viele Spitzenpolitiker hatten damit offenbar weniger Probleme. Was brachte Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und sogar Gregor Gysi dazu, gemeinsame Sache mit “Bild” zu machen? Ging es dabei wirklich um Flüchtlingshilfe, oder steckte nicht auch und vor allem ein geschicktes PR-Kalkül dahinter?

2. Diesel-Skandal: Auto Bild rudert bezüglich BMW-Abgasen zurück
(bimmertoday.de, Benny)
“Auto Bild” meldete gestern exklusiv, beim BMW-Modell X3 gebe es ebenfalls Probleme mit einer Abgasnorm. Zwangsläufig sei der Eindruck entstanden, “dass auch BMW bei Abgastests betrogen habe”, schreibt das Autoportal “BimmerToday”. Der Aktienkurs des Konzerns litt unter der Meldung, in einer Stellungnahme musste BMW gegen die Nachricht anarbeiten. Und “Auto Bild” zurückrudern: “Hieß es am Morgen noch ‘Exklusiv: BMW-Diesel überschreitet Abgasgrenzwerte deutlich’, lautet die Überschrift inzwischen ‘Kein Indiz für Manipulation bei BMW’.”

3. Der “Spiegel” vergisst sich
(stefan-niggemeier.de, Boris Rosenkranz)
Nach dem Germanwings-Unglück stand für den “Spiegel” fest: Der Co-Pilot “tötete, per Knopfdruck, vielleicht nur, weil er es […] konnte; ein größenwahnsinniger Narzisst und Nihilist.” Ziemlich genau ein halbes Jahr später klingt das geringfügig anders: “In der Ermittlungsakte von [L.] findet sich keine Spur von krankhafter Selbstliebe.” Die Rolle der Medien beschreibt der “Spiegel” dabei so: “Nach der Tat vermuteten viele übersteigerten Narzissmus.” Die Redaktion versuche, “pfeifend im Getümmel zu verschwinden”, schreibt Boris Rosenkranz.

4. Die Nischenreporter
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz, der das Crowdfunding der “Krautreporter” im vergangenen Jahr schon einmal etwas vorschnell für gescheitert und das Projekt im Juni für “belanglos” erklärte, übt nun erneut Kritik. Außerhalb der digital-medialen Filterblase habe niemand Notiz genommen, eine wirklich herausragende Geschichte sei nicht in Erinnerung geblieben. Für die Zukunft ist Jakubetz wenig optimistisch: “Dass es das Projekt doch noch in eine breite öffentliche Wahrnehmung schafft, glauben sie vermutlich nicht mal mehr selbst.”

5. Investigativ-Chef: “Süddeutsche Zeitung” klärt Nachfolge von Leyendecker
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Im Sommer, beim Jahrestreffen des “netzwerk recherche”, hat Hans Leyendecker angekündigt, in absehbarer Zeit in Rente gehen zu wollen. Seitdem gibt es die Frage, wer seine Nachfolge als Leiter des Investigativressorts der “Süddeutschen Zeitung” antritt. Ulrike Simon hätte da jemanden: “SZ”-Washingtonkorrespondent Nicolas Richter.

6. Online-Kommentator, der gutes Argument vorbringt, durch Schreibfehler als Idiot entlarvt
(der-postillon.com)