Archiv für Mai, 2015

Sexismus, ZDF-Lobbyradar, Urheberrecht

1. “‘Sie träumen nachts von mir?'”
(sueddeutsche.de, Christina Koormann)
Zu oft werden Politikjournalistinnen zu Sexismus-Opfern, schreiben französische Journalistinnen in einem Manifest (liberation.fr, französisch): “Die Journalistinnen beschreiben, wie hochrangige Politiker sie während eines gemeinsamen Fluges auf einer Geschäftsreise schlafend fotografierten, wie ‘politische Schwergewichte’ lieber mit ihnen in ein Hotelzimmer gehen wollten anstatt ein Interview fortzuführen, oder wie ein Abgeordneter sich wünschte, dass sie unter einer Arbeiterkluft während einer Fabrikbesichtigung ‘besser nichts anhätten’.”

2. “Warum wir ein neues Urheberrecht brauchen”
(faz.net, Andrea Diener)
Ein Interview mit Julia Reda zum Urheberrecht: “Wir haben das Problem, dass das Urheberrecht nicht mit der technischen Entwicklung schrittgehalten hat. 2001, als es zuletzt auf europäischer Ebene reformiert wurde, gab es noch kein Youtube, es gab kein Facebook, und auch Wikipedia fing gerade erst an. Damals hat man in Europa Mindeststandards für den Schutz von Rechteinhabern erstellt, aber keine Mindeststandards für den Schutz der Allgemeinheit. Die EU legt also fest, was mindestens verboten sein muss, aber nicht, was mindestens erlaubt sein sollte.”

3. “Verteilungskampf in der Bundesliga”
(deutschlandfunk.de, Daniel Theweleit)
Fußball: Bundesliga-Vereine wollen neue Kriterien bezüglich der Höhe von an die Clubs ausgeschütteten Fernsehgeldern besprechen: “Zum Beispiel die Einschaltquoten bei den Live-Spielen im Bezahlfernsehen. Oder die Auslastung des eigenen Stadions. Oder die Menge der Auswärtsfans, die einen Klub begleiten.”

4. “Warum das Lobbyradar so kaum zu gebrauchen ist”
(datenjournalist.de, Lorenz Matzat)
Lorenz Matzat bespricht das ZDF-Lobbyradar: “Das Lobbyradar ist in der jetzigen Form kaum zu gebrauchen. Es ist visuell zu überladen und hilft mit seiner einzigen Funktion, der Suche, nicht dabei, Lobbyismus transparenter zu machen.”

5. “Der Hochstapler”
(ndr.de, Video, 30:26 Minuten)
Geschädigte eines Hochstaplers, unter ihnen Journalisten des ZDF und von Zeit.de, erzählen. Siehe dazu auch “Richtig reingelegt” (taz.de, René Martens).

6. “Astro TV sagt sich selbst schlechte Quoten voraus und stellt vorsorglich Sendebetrieb ein”
(der-postillon.com)

Veit Dengler, Oberursel, Junge Freiheit

1. “Pressefreiheit – Wann, wenn nicht jetzt?”
(alwacker.wordpress.com)
Alexander Wacker fordert ein Informationsfreiheitsgesetz in Österreich: “In Österreich hab ich nach mehreren Diskussionen und Gesprächen mit JournalistInnen nur leider den Eindruck, dass man die Schlussfolgerung ‘Wir haben kein Informationsfreiheitsgesetz, also ein Problem mit der Pressefreiheit’ nicht ziehen möchte oder sich einfach schwer tut, dass Problem beim Namen zu nennen. Ich habe noch nicht ganz durchschaut, woran das liegt. Empfindet man als etablierter Journalist vielleicht Kritik an der Situation als Kritik an der eigenen Berufsethik?”

2. “Er sieht die Brücken brennen”
(zeit.de, Margrit Sprecher)
Margrit Sprecher porträtiert Veit Dengler, den CEO der NZZ-Mediengruppe: “‘Ich mache weiter, bis ich gewinne.’ Das werde, schätzt er, 2017 sein.”

3. “Wir Journalisten sind im Internet nur Gäste”
(welt.de, Kritsanarat Khunkham)
“Wenn man die Social-Media-Kanäle betreut, muss man immer bedenken, mit wem man zeitgleich auftritt und konkurriert: Nachrichten von Freunden, Babyfotos der Kollegen, Urlaubsbilder und bestimmt auch das ein oder andere Haustier-Posting”, gibt Kritsanarat Khunkham zu bedenken: “Wir wollen der Partygast sein, den man immer wieder einlädt, weil er Interessantes zu erzählen hat. Der einen nicht noch mehr verwirrt, wenn es um etwas Wichtiges geht. Und manchmal auch weiß, wann er sich besser zurückhält.”

4. “Auflage der ‘Jungen Freiheit’ steigt”
(taz.de, Andreas Speit)
Andreas Speit liest die “Junge Freiheit”: “Kein Thema des rechten Wutbürgers läst die JF aus. Stein bemüht sich aber, die Grenze nach zu weit rechts nicht zu überschreiten. Vielleicht das Erfolgskonzept der JF.”

5. “Der ‘wohl im letzten Moment vereitelte Terroranschlag in Hessen'”
(heise.de/tp, Florian Rötzer)
Florian Rötzer stellt Fragen zur Festnahme eines Ehepaars in Oberursel: “Bei der Hausdurchsuchung fand man dann eine ‘augenscheinlich funktionsfähige Rohrbombe, ungefähr 100 Schuss Munition, verschiedene Materialien und Chemikalien, geeignet zum Bau weiterer Sprengsätze’. Das sind Verdachtsmomente, die eine Festnahme rechtfertigen, aber ob der Aufenthalt des Mannes an der Strecke des Radrennens damit zu tun hat, dass er einen Anschlag vorhatte, ist bislang, soweit man dies beurteilen kann, pure Vermutung.”

6. “Der Ton macht die Musik”
(brandeins.de, Christoph Koch)
Christoph Koch besucht das Musikhaus Thomann in Treppendorf, das 92 Prozent der 600 Millionen Euro Jahresumsatz online verkauft: “Hans Thomann hat aus dem kleinen Ladengeschäft seines Vaters einen globalen Player gemacht – und das Internet hat ihm dabei geholfen. (…) 60 Prozent des Umsatzes werden inzwischen mit Kunden im Ausland gemacht.”

Bild, Bild.de  etc.

Das “Bild”-Tagesmenü: Gerüchte aus eigenem Anbau

“Bild” fragt heute:

Dieses Gerücht — Gündoğan (Dortmund) gegen Götze (Bayern) — mache derzeit die Runde, und weil dieser “Mega-Tausch” “wirklich ein Hammer” wäre, erschien online kurz darauf gleich der nächste Artikel:

Was Zorc dazu sagt (“Ich kann mir das nicht vorstellen”), stand zwar schon im ersten Artikel, aber warum die Kuh nicht zweimal melken, wenn’s gerade so gut flutscht?

Jedenfalls: Eine Sache verschweigen “Bild” und Bild.de in allen Artikeln konsequent, nämlich wer diese “wilden Gerüchte” überhaupt in die Welt gesetzt hat. Nur soviel:

Beim “Sport1-Doppelpass” sprachen die Experten über ein mögliches Tauschgeschäft zwischen dem BVB und Bayern.

Nun ja. Genauer gesagt wurde das Tauschgeschäft nur von einem ganz speziellen Experten in die Runde geworfen, und zwar von Walter M. Straten — dem Sport-Chef der “Bild”-Zeitung. Der war nämlich auch zu Gast bei “Doppelpass” und sagte:

Wir müssten mal wissen, was Karl-Heinz Rummenigge und Hans-Joachim Watzke bei ihrem Vier-Augen-Gespräch im Käfer letzte Woche besprochen haben. Ich weiß nicht, ob Ihr da Wanzen versteckt hattet — wir hatten’s leider nicht –, deswegen können wir nur spekulieren. (…) Das war nicht das Vorstandsessen, wo mehrere Ohrenzeugen am Tisch saßen, sondern das waren nur die beiden. Da kann ich mir vorstellen, dass es a) um Gündogan ging… ich weiß es nicht, ich erzähl’ jetzt einfach mal: Vielleicht geht’s ja auch mit Tausch, Götze zurück… Gündogan…

(Gelächter in der Runde und im Publikum)

Moderator: Also das wird jetzt ‘ne gewaltige Kaffesatzleserei! Vielleicht sollten wir an dieser Stelle stoppen. (…)

Straten: Also es ist wirklich Spekulation. Aber es wäre ja nicht unlogisch, Götze und Pep Guardiola, das ist irgendwie auch nicht so die ganz große Liebe, und man hat das Gefühl, dass sich Mario Götze auch nicht so weiterentwickelt hat… ich weiß nicht, ob er noch ein Jahr bleiben will bei Bayern oder ob man wirklich darüber gesprochen hat.

Darauf basieren also die “wilden Gerüchte”, die unzähligen Artikel und die ganze Aufregung um Götze und Gündoğan: auf dem, was “Bild”-Mann Walter M. Straten nicht weiß.

Mit Dank an Andreas G.

Seemannsgarn über die einsame Seglerin

Liz Clark hat wahrlich ein traumhaftes Leben: Vor zehn Jahren bekam die Studentin eine Segelyacht geschenkt, seitdem schippert sie alleine über die Meere, macht hier und da einen Zwischenstopp unter Palmen, engagiert sich für den Umweltschutz und lässt es sich an den Stränden dieser Welt so richtig gutgehen.

Doch seit dem Wochenende ist es plötzlich vorbei mit der Idylle. Denn seit Sonntag widerfährt der armen Liz Clark etwas sehr, sehr Unparadiesisches: Sie bekommt Post von “Bild”-Lesern.

Bild.de hatte kurz zuvor nämlich (von der “Daily Mail” ab-)geschrieben:

Zu zweit in den Sonnenuntergang segeln – was kann romantischer sein?

Das denkt sich auch Seglerin Liz Clark (34): Die US-Amerikanerin aus San Diego (Kalifornien) war zehn Jahre und 25 000 Seemeilen alleine auf den Weltmeeren unterwegs. Jetzt sucht die Skipperin einen jungen Seebären zum Mitreisen! (…)

Bewerbungen an Liz können abenteuerlustige Matrosen unter www.swellvoyage.com schicken.

Ja, da wird sich Liz sicher tierisch gefreut haben über die all die abenteuerlustigen „Bild“-Matrosen, die sich seither bei ihr melden, vor allem, weil die Geschichte überhaupt nicht stimmt. Bei Instagram schreibt Clark (Übersetzung von uns):

Ich möchte die irreführenden Schlagzeilen der „Daily Mail“ und anderer europäischer Medien klarstellen, die geschrieben haben, ich würde „einen Mitsegler suchen“. Sie [die „Daily Mail“] hat mit mir ein sehr umfangreiches Interview über mein Leben geführt und dann die Schlagzeile aus einer meiner Antworten gezogen: Auf die Frage „Fühlen Sie sich manchmal einsam?“ antwortete ich: „Ja, natürlich fühle ich mich manchmal einsam, und ich hoffe, dass ich eines Tages den richtigen Segelpartner finde…“

Ich habe außerdem darüber gesprochen, wie mich das Alleine-Reisen mit der Natur/Gott/dem Spirit verbunden hat und dass ich überall, wo ich hingehe, immer nette und gastfreundliche Menschen treffe! Aber die Medien fanden wohl, das wäre das Aufregendste gewesen, das ich in der ganzen Stunde gesagt habe, also wurde „Mitsegler gesucht“ fälschlicherweise zur Überschrift. In Wahrheit suche ich momentan gar keinen „Segelpartner“, trotzdem bin ich dankbar für Eure Anfragen und wünschte, ich könnte ein Stück von diesem Leben mit Euch allen teilen.

Mit Dank an Michael K.

Baltimore, Blendle, Bahnerth

1. “How Western media would cover Baltimore if it happened elsewhere”
(washingtonpost.com, Karen Attiah, englisch)
Karen Attiah malt sich aus, wie westliche Medien berichtet hätten, wären die Ausschreitungen im Baltimore nach dem Tod von Freddie Gray nicht in den USA passiert.

2. “NZZ-Digitalchefin: ‘Wir müssen im deutschsprachigen Raum zu den Besten zählen'”
(tageswoche.ch, Michaël Jarjour)
Ein Interview mit Anita Zielina, die bei der NZZ als “Chefredaktorin Neue Produkte” startet: “Wir müssen mehr experimentieren. Das ist tatsächlich etwas, das in den USA deutlich weiter verbreitet ist als in den deutschsprachigen Ländern.”

3. “Stars und Journalisten – ein hinterfragenswürdiges Ökosystem”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Der Umgang mit Stars im Journalismus: “Interviews sind eng getaktet, oft genug wird der Themenkreis der erlaubten Fragen vorgegeben. Immerhin: Je hochrangiger das Medium, desto lockerer diese Regelung: ‘Spiegel’-Abgeordnete dürften in der Regel mehr Frage-Freiheit bekommen als die Abgesandten von ‘Prisma’ oder ‘Düsseldorfer Anzeiger’.” Siehe dazu auch “Do stars and news need to go their separate ways?” (theguardian.com, Krishnan Guru-Murthy, englisch).

4. “Fünf Dinge, die Redakteure wirklich nerven”
(pressesprecher.com, Stefan Brunn und Mathias Wolff)
Zwei ehemalige Tageszeitungsredakteure über die Sünden der Pressearbeit: “PR ist Zulieferindustrie. Basta. (…) Vorschriften wie ‘Bitte veröffentlichen Sie die angehängte Pressemitteilung in der Samstagsausgabe’, oder ‘Bitte stimmen Sie sämtliche Änderungen an der PM mit unserer Pressestelle ab’, sind der formvollendete Beweis eines peinlichen Rollenmissverständnisses.”

5. “Blendle: A radical experiment with micropayments in journalism, 365 days later”
(medium.com, Alexander Klöpping, englisch)
Alexander Klöpping resümiert ein Jahr Blendle: “Over the past 12 months we’ve proven in the Netherlands that there’s a new market for publishers, next to selling subscriptions, full issues and advertising. Without spending a single euro on marketing, we gathered over a quarter of a million users.”

6. “Mein Leben mit Michael Bahnerth”
(verlag.baz.ch, Guy Morin)
Politiker Guy Morin antwortet Journalist Michael Bahnerth, der ihm in einem Artikel vorgeworfen hatte, er würde für einen Regierungspräsidenten unwürdige Schuhe tragen.

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