Archiv für März 26th, 2015

Kai Diekmann und Julian Reichelt diskutieren über Opferfotos

Und das Elend geht weiter.

Wie zu erwarten war, hat die „Bild“-Zeitung heute auf einer ganzen Seite die ersten (natürlich: unverpixelten) Opferfotos des Germanwings-Unglücks veröffentlicht:

[Ganze Seite der 'Bild'-Zeitung; große Überschrift: 'L[...]s letzte Fotos aus Barcelona'; dazu viele Fotos von Opfern des Absturzes; etwas kleiner unten auf der Seite: 'Stewardessen weinen um ihre Kollegen'; dazu ein Foto der trauernden Stewardessen, die Kerzen aufstellen

Wie die Zeitung an die Fotos rangekommen ist, wissen wir nicht, wir können es uns aber denken. Die Quellen hat sie zwar nicht angegeben (in der Print-Ausgabe steht bloß: „Privat“), aber sie schreibt zum Beispiel:

Gestern postete eine Freundin von […] dieses Foto …

Im Feuerwehrhaus der Stadt steht ein Bild des Verstorbenen …

Dieses Gruppen-Selfie der Verstorbenen wurden [sic] auf dem Marktplatz in […] aufgehängt …

Dieser Bilderrahmen ist ein Dokument der Trauer. Er steht in einem Versicherungsbüro auf dem Arbeitsplatz von …

Heute Mittag haben wir Sandra Petersen, die für „Bild“ zuständige Sprecherin des Axel-Springer-Verlags, gefragt, ob die Angehörigen der Opfer der Veröffentlichung zugestimmt haben. Fünf Stunden und mehrere Nachfragen später haben wir tatsächlich eine Antwort bekommen. Sie lautet:

Lieber Herr Schönauer,

Kai Diekmann und Julian Reichelt diskutieren auf Twitter zu dem Thema, wir verweisen auf die Kommentare dort.

Viele Grüße, Sandra Petersen

Darum haben wir im Folgenden sämtliche Tweets von “Bild”-Chef Kai Diekmann und “Bild”-Online-Chef Julian Reichelt zu diesem Thema dokumentiert:
 
 
 
Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber.

Flug 9525, Brennpunkt, Leistungsschutzrecht

1. “Die Bezeichnung Nachrichten hat ihren Wert verloren”
(udostiehl.wordpress.com)
Ein “sinnloser Geschwindigkeitswahn” beherrsche den Wettbewerb zwischen den Medien, schreibt Udo Stiehl zum Absturz von Germanwings-Flug 9525: “Die wenigen verlässlichen Informationen gehen unter in einem Meer von Spekulationen, denn nur diese lassen sich mehr oder weniger rasch veröffentlichen und unterscheiden sich von Mutmaßungen, mit denen die konkurrierenden Redaktionen ihre Lücken zwischen den Fakten füllen. Das hat mit dem Handwerk des Nachrichten-Journalismus nichts zu tun, wird aber mit ebendiesem Etikett verkauft.”

2. “Kritik am ARD-Brennpunkt 24.03.2015 zum Flugzeugabsturz”
(youtube.com, Video, 3:17 Minuten)
Eine Kritik des ARD-Brennpunkts vom Dienstagabend (wdr.de, Video, 3:17 Minuten).

3. “Innehalten in der Nachrichtenflut – Das doppelte Dilemma der Medien”
(horizont.net, Ingo Rentz)
“Schaltet lieber einen Gang zurück!”, möchte Ingo Rentz manchen Medien zurufen: “Man sollte aber auch die andere Seite nicht außer Acht lassen: Wir leben im Zeitalter von Twitter, Facebook und Instagram – und damit im permanenten Nachrichtenstrom. Wer diese Welt gewohnt ist, dem kommt stundenlanges mediales Schweigen seltsam und verdächtig vor. Und informiert sich womöglich anderweitig, und nicht bei für gewöhnlich verlässlichen Medienmarken. Man wird deshalb den Eindruck nicht los, dass die Kritik auf Facebook, Twitter und Co. teilweise sehr wohlfeil ist. Jeder giert nach Informationen, aber liefern darf sie keiner?”

4. “Netzreaktionen nach Flugzeugunglück: Die verlogene Wut beim Posten”
(spiegel.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo beschäftigt sich mit der Trauer und den Spekulationen zum Unglücksfall im Internet: “In den sozialen Medien funktioniert die Spekulation über die Absturzursache auffallend häufig in Form der Distanzierung von Spekulationen über die Absturzursache. An einer Welle teilnehmen durch Distanzierung von der Welle, auch das ist Social Media.”

5. “1048,60 Euro für ein Handelsblatt-Logo?”
(gruenderszene.de, Niklas Wirminghaus)
Die Seite des “Handelsblatts” in der Auseinandersetzung um eine an ein Wein-Startup geschickte Abmahnung: “Natürlich kann man argumentieren, dass auch für eine derartige Einbindung der Logos vierstellige Lizenzgebühren unangebracht sind. Das Handelsblatt jedenfalls besteht darauf, vorher gefragt zu werden: ‘Für die Nutzung unseres Logos von Dritten für Eigenwerbezwecke muss eine Genehmigung eingeholt werden.'”

6. “LG Berlin erlässt erste Entscheidung wegen Verletzung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger (LSR)”
(lhr-law.de, Arno Lampmann)
Arno Lampmann berichtet von einer ersten Entscheidung aufgrund des Leistungsschutzrechts für Presseverleger: “Obgleich oder gerade, weil die Entscheidung formal richtig sein mag, wirft sie kein gutes Licht auf das Leistungsschutzrecht. Nachdem zahlreiche Stimmen bereits vor Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes vor der Zweckwidrigkeit und dem Missbrauchspotential der Bestimmung gewarnt haben, stimmt nun auch der erste praktische Anwendungsfall in diesem Sinne nachdenklich.”