Archiv für Februar 17th, 2014

Bild  etc.

Der Kampf um Schumachers Privatsphäre

Wenigstens mit diesen unsäglichen Kliniktür-Klickstrecken haben sie aufgehört. Aber in Ruhe lassen die Medien Michael Schumacher immer noch nicht. Statt Fotos von seinen Angehörigen verbreiten sie jetzt Spekulationen über seinen Gesundheitszustand. Und Schumachers Managerin Sabine Kehm muss immer wieder “eindringlich” aber erfolglos darum bitten,

das Arztgeheimnis zu respektieren und sich ausschließlich an die Informationen des zuständigen Ärzte-Teams oder Managements zu halten, die die einzigen gültigen Informationen sind.

Vergangene Woche widersetzte sich “Bild” dieser Bitte ein weiteres Mal und titelte:Neue Sorge um Schumi - Lungen-Entzündung im Koma!

JETZT MÜSSEN SICH DIE FANS NEUE SORGEN MACHEN: Bei Schumi wurde nach BILD-Informationen in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert! Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Die “BILD-Informationen” wurden von anderen Medien rasch verbreitet, auch wenn Schumachers Managerin die Spekulationen nicht hatte kommentieren wollen.

Zwei Tage spätere berichtete “Bild” dann erneut über Michael Schumacher — und im vorletzten Absatz hieß es plötzlich:

BILD hatte berichtet, dass in der vergangenen Woche eine Lungenentzündung diagnostiziert worden war. Die Erkrankung liegt aber schon weiter zurück und stellte in dieser Woche nach neuesten Erkenntnissen keine akute Gefahr mehr da.

Da hatte die Nachricht von der “Schockdiagnose” aber schon längst die Runde gemacht — und unter anderem zu solchen Artikeln geführt:

Michael Schumacher - Jetzt liegt alles in Gottes Hand! - Die schwere Lungen-Entzündung - Die letzten Stunden im Krankenhaus

Der Feind in seinem Körper – er macht alles kaputt. Die schreckliche Schock-Nachricht aus Grenoble: Schwere Lungenentzündung. Ausgerechnet jetzt! Das Leben von Michael Schumacher, 45, steht auf Messers Schneide. Sein Schicksal liegt nun allein in Gottes Hand. Dabei hatte es doch schon so gut ausgesehen …

Schumachers Managerin hat kurz nach dem “Bild”-Bericht doch noch eine Stellungnahme abgegeben. Darin bittet die Familie abermals um Verständnis, “wenn sie medizinische Einzelheiten weiterhin nicht diskutieren möchte, um Michaels Privatsphäre zu schützen” und stellt abermals klar: “Wie bereits von Anfang an versichert, werden wir entscheidende Neuigkeiten im Gesundheitszustand Michaels weiterhin bekanntgeben. Wir sind uns dabei bewusst, dass die Aufwachphase lange dauern kann.”

Auch die “Bild”-Zeitung zitiert diese Passagen. Und es klingt wie Hohn, wenn sie hinterherschiebt:

Um die Privatsphäre von Schumi und seiner Familie kämpft die Managerin seit dem Unfall vehement.

Kriegsberichterstatter kämpft auf beiden Seiten

In Bayern herrscht gerade Stress zwischen dem BR und einigen privaten Radiosendern. Wobei — Stress? Nein. Krieg!

Radiokrieg in Bayern

Für die “FAZ” an der Front: Jörg Michael Seewald. Der erklärte kürzlich, worum es bei dieser Auseinandersetzung überhaupt geht.

Der Bayerische Rundfunk plant nämlich, sein Klassik-Programm künftig vermehrt digital zu verbreiten, statt über UKW — und die freiwerdenden UKW-Frequenzen für das neue BR-Jugendradio PULS zu nutzen. Das finden die privaten Radiosender nicht gut, weil sie einen Rückgang ihrer eigenen Hörerzahlen befürchten.

Vor allem der Privatsender egoFM kritisiert die Pläne. Dessen Chef kommt im Artikel — neben dem designierten BR-Hörfunkdirektor und dem Direktor der Bayerischen Landeszentrale für Medien — ausführlich zu Wort, darf die “deutlich höhere Akzeptanz” seines Senders loben und auf die “Frequenzübermacht” des BR schimpfen.

Was die Leser nicht erfahren: “FAZ”-Autor Seewald, der hier den neutralen Beobachter gibt, hat seit Jahren eine eigene Radiosendung — bei egoFM. Wie man uns dort mitteilte, arbeite er außerdem für den BR.

Flexibel, der Mann. Mal ist er auf dieser Seite zu finden, mal auf der anderen, mal scheinbar unabhängig dazwischen.

Und manchmal wirft er sich unsichtbar mitten ins Getümmel. Als sich Seewald im vergangenen Jahr in der “FAZ” mit einer Radio-Show von Thomas Gottschalk beschäftigte, brachte er einen Werbehinweis zur privaten Konkurrenz unter:

Jedenfalls funktioniert das Konzept, Songs durch eigene Geschichten mit Bedeutung aufzuladen, wie es der bayerische Konkurrenzsender egoFM mit seiner ‘Vermessung der Musik’ schon seit vier Jahren erfolgreich vormacht.

Der vollständige Titel der Sendung “Vermessung der Musik”, das erwähnt Seewald nicht, lautet: “Seewald — Vermessung der Musik”. Es ist seine eigene Sendung.

Gema eben vor Gericht

Bild.de hat mal wieder einen “bizarren” Anlass gefunden, um auf der Gema rumzuhacken:

Bizarrer Streit um die Musikrechte bei den Maidan-Protesten in Kiew

Seit Tagen sperrt die “Gesellschaft für Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte” (Gema) die Übertragung der Web-Cams aus Kiew mit der App “EuroMaidan”.

Begründung: Es könnte Musik übertragen werden, für die Tantiemen fällig sind.

Das Portal hat sogar einen CDU-Politiker aufgetrieben, der sich nun über das Vorgehen empört und es “skandalös” findet, dass “unsere im Westen viel gepriesene Informationsfreiheit von einer Einrichtung wie der Gema massiv eingeschränkt wird.”

Die Gema weist die Vorwürfe allerdings zurück:

Eine Sprecherin zu BILD: “Uns ist es ein Anliegen, dass Sie und andere Bürger über aktuelle Ereignisse zu den politischen Protesten in der Ukraine informiert sind. Zum ‘Entsperren’ des Nachrichtenkanals wenden Sie sich bitte an den Plattformbetreiber YouTube.”

Der Autor ergänzt:

Youtube sitzt im kalifornischen San Bruno. Bis sich dort jemand der App annimmt, fällt auf “EuroMaidan” die Youtube-Klappe.

Und siehe da: Schuld ist doch nicht die Gema — sondern Youtube.

Trotzdem lautet die Überschrift:Bizarrer Musikrechte-Streit bei Ukraine-Demos - Gema schaltet auf dem Maidan die Kameras ab

Die Gema hat dazu jetzt eine Stellungnahme veröffentlicht:

Die Online-Ausgabe der Bild Zeitung bild.de berichtete heute, dass die GEMA Webcams auf dem Maidan Platz in Kiew, mit denen über die dortigen Demonstrationen berichtet wird, gesperrt habe. […] Diese Nachricht ist falsch.

Die  GEMA hat in keiner Weise veranlasst oder gefordert, dass die entsprechenden Live-Streams aus dem Netz genommen werden. Die Verwertungsgesellschaft hält es für abwegig und ausgeschlossen, dass bei der Übertragung von Demonstrationen in Kiew Rechte von ihren Mitgliedern verletzt werden können. Die Sperrung erfolgte durch YouTube selbst. Dabei wurde durch die Verwendung der bekannten “GEMA-Sperrtafel”, gegen die die GEMA bereits gerichtlich vor dem Landgericht München vorgeht, der unrichtige Eindruck vermittelt, die GEMA habe die Sperrung gefordert oder veranlasst. Auch bei “gewöhnlichen” Musikvideos, die bereits Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen sind, erfolgt die Sperrung durch YouTube selbst und nicht auf Veranlassung der GEMA.

Obwohl die GEMA bild.de vor der Berichterstattung schriftlich und mündlich auf diesen Sachverhalt hingewiesen hat, berichtete Bild falsch und unter Verletzung journalistischer Sorgfalts- und Berufspflichten. Die GEMA hat aus diesem Grund bereits rechtliche Schritte gegen die Berichterstattung eingeleitet.

Mit Dank an Nick M.

Nachtrag, 20. Februar: Bild.de hat den Artikel jetzt gelöscht. Derweil hat die Gema-Sprecherin in einem Interview mit taz.de noch mal ausführlich zu dem Fall Stellung genommen und bekräftigt, Bild.de auf Unterlassung und Richtigstellung zu verklagen.

Nachtrag, 28. Februar: In einer kürzlich veröffentlichten Gegendarstellung schreibt die Gema:

“Wir haben zu keinem Zeitpunkt die Sperrung von Web-Cam-Übertragungen aus Kiew veranlasst.”

Und Bild.de muss zugeben:

Die GEMA hat recht.

Einschaltquote, Publikumsrat, Bushido

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “So gehen Radiosender mit Blogger-Anfragen um”
(radiowatcher.de, Ekki Kern)
Ekki Kern fragt bei Mediensprechern nach, wie sie Anfragen von Bloggern behandeln.

2. “Die große Quoten-Lüge”
(faz.net, Claudius Seidl)
Claudius Seidl prüft, was die vielfach als Handlungsgrundlage genommenen TV-Einschaltquoten eigentlich aussagen: “Es ist also mehr als bloß ein Verdacht, dass die Einschaltquote nicht etwa misst, wie viele Menschen welche Sendungen sehen. Sie misst vielmehr, wann, was und wie lange jene Leute sehen, die Zeit und Nerven genug haben, an der Quotenmessung teilzunehmen.”

3. “Bloß kein Kopfzerbrechen – Von Publikumsräten und Programmplätzen”
(untergeschoss.wordpress.com, Harald Keller)
Zum angeblich offiziell existierenden ZDF-Publikumsrat (BILDblog berichtete) holt Harald Keller bisherige ähnliche Initiativen in Erinnerung. “Typisch zum Beispiel die Klage, dass Kultursendungen im Ersten und im ZDF erst am späten Abend zu sehen sind. Unbeachtet bleibt dabei, dass 3sat montags bis freitags zur besten Sendezeit um 19.20 Uhr das Magazin ‘Kulturzeit’ ausstrahlt. Ist es so schwer, eine Fernbedienung zu betätigen?”

4. “Wie russische Medien Sotschi präsentieren”
(sueddeutsche.de, Julian Hans)
Sotschi 2014 im russischen Fernsehen: “Einen interessanten Nebeneffekt hat Olympia auf die Nachrichten: Sie beginnen nicht mehr zwangsläufig mit ‘Putin hat besucht, angeordnet, eröffnet’, sondern auch mal mit den russischen Medaillengewinnern.” Siehe dazu auch “Dreams about Russia” (economist.com, englisch).

5. “Woran lässt sich Erfolg im Journalismus messen?”
(netzpiloten.de, Katharina Brunner)
Wie soll Aufmerksamkeit im Netz gemessen werden? Katharina Brunner stellt einige neue Modelle und Ideen vor.

6. “Warum wir den Bushido haben, den wir verdienen”
(welt.de, Michael Pilz)
Michael Pilz zeichnet die Aufmerksamkeit der Medien für den Rapper Bushido nach: “Wie der Boulevard sich seine Prominenten heute selbst erfinden muss, haben wir jetzt den Großrapper, den wir verdient haben, den Großrapper, der mit uns spielt.”