Archiv für Juni 24th, 2011

Bild  

Die Knallerin des Jahres

Manche Rituale wiederholen sich bei “Bild” so sicher, dass man schon von Brauchtum sprechen kann: Kurz vor dem Beginn eines internationalen Fußballturniers gibt es wieder ein gemeinsames Angebot der Zeitung und ihres Lieblings-Discounters. Das hatte es schon 2006, 2008 und 2010 gegeben. Und weil es sich bei der am Sonntag beginnenden Fußballweltmeisterschaft um die der Frauen handelt, gibt es ausnahmsweise kein Bier, sondern – hoho, wie witzig – Prosecco.

Gestern warb “Bild” auf der Titelseite schon mal in frauenfreundlichem Ambiente für die heutige Aktion:

Der Knaller von Lidl in Bild! Zum WM-Auftakt gibt

Deutschland feiert die prickelndste Weltmeisterschaft aller Zeiten.Auch heute rührt “Bild” auf Seite 1 die Werbetrommel für den Gutschein im Inneren der Zeitung und schlägt vor:

Prosten Sie mit Lidl und BILD auf die WM!

Der Coupon selbst ist – wie in den vergangenen Jahren – zwei Mal mit dem Wort “Anzeige” überschrieben.

Und “Bild” hat dieses zweifelhafte System sogar perfektioniert: Der als “Anzeige” gekennzeichnete Gutschein befindet sich diesmal oberhalb des Begleittextes, so dass sich die Zeitung jetzt mit der Begründung rausreden kann, die begeisterten Zeilen seien Teil der Anzeige und nicht etwa der redaktionelle Inhalt, nach dem sie aussehen.

Keinen Zweifel gibt es bei den beiden Eigenanzeigen auf den Titelseiten gestern und heute: Die sind beim besten Willen nirgends als das gekennzeichnet, was sie bei Licht betrachtet sind — Werbung.

Mit Dank an Icke, Lothar und DJ.

SPD am Steuer, das wird teuer

Weil Griechenland, EHEC und die ständige Aberkennung von Doktortiteln auf Dauer langweilen, widmet sich “Bild” derzeit den vagen Plänen der Bundesregierung, die Steuern zu senken. Sogar einen Brief an die Bundesregierung sollten die Leser abschicken. (Mehr zu den Steuersenkungs-Versprechen von FDP und “Bild” bei den Nachdenkseiten.)

Die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer sind von den Ideen eher weniger begeistert — und werden von “Bild” einigermaßen erwartbar als “Steuer-Nörgler” beschimpft.

Schon gestern Abend hatte Bild.de berichtet:

In vorderster Front kämpfen die CDU-Regierungschefs Reiner Haseloff (Sachsen.-Anhalt), Peter Müller (Saarland) und Christine Lieberknecht (Thüringen) Seite an Seite mit den SPD-Länderchefs Kurt Beck (Rheinland-Pfalz), Klaus Wowereit (Berlin) und Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen).

“Keine Steuersenkung auf Pump” heißt ihre Parole. Kernargument: Erst müssen die Staatsschulden runter, nur dann gibt es wieder Spielraum für Entlastungen

Und wie das so aussieht, wenn CDU-Regierungschefs “Seite an Seite” mit SPD-Länderchefs kämpfen, verdeutlichen die Grafiker von Bild.de mit diesem Teaser-Bild, das gestern Abend auf der Startseite prangte:

Rebellion in den Ländern gegen Steuererleichterungen: Warum gönnen die uns die Kohle nicht?

Es zeigt ausschließlich die genannten SPD-Politiker.

Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Ernst Elitz*, der heute in seiner Kolumne schreibt:

Die SPD tritt aufs Bremspedal. Sie will mal wieder die Besserverdienenden rösten. Steuern rauf statt runter, damit Geldverdienen keinen Spaß mehr macht.

*Ernst Elitz wird von “Bild” konsequent als “Gründungsintendant des Deutschlandradios” bezeichnet.

Mit Dank an Stephan K. und Marco G.

Papier, WWF, Frauenfußball

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ich habe sie so lange bearbeitet, bis sie ‘Ja’ sagten”
(einestages.spiegel.de, Hanno Krusken)
Hanno Krusken erinnert sich an seine Zeit als Fotograf für die Illustrierte “Quick”. “Der Brotjob bestand im Aufspüren menschlicher Schicksale. Und wenn es keine dramatischen Ereignisse gab, musste sich die Redaktion etwas einfallen lassen – etwa mit einer Anzeige in der Lokalzeitung, in der sie ‘Kindermütter’; ‘Eltern, die ihr Kind verloren haben’ oder sonst wie anders Betroffene suchte, deren Erlebnisse sie zu Sammelgeschichten zusammenfasste und dann einen ‘Trend’ deklarierte.”

2. “Betonierung des status quo”
(perlentaucher.de, Thierry Chervel)
Thierry Chervel kommentiert die Klage deutscher Printverlage gegen die “Tagesschau”-App: “Sie versuchen im Moment des Verschwimmens der Gattungsgrenzen zwischen den Medien ihren vormaligen Status zu zementieren. (…) Das eigentlich Absurde an den öffentlich-rechtlichen Anstalten sind jedenfalls nicht die Tagesschau-Apps. Die politischen Aufgaben sind viel tiefgreifender. Das Problem ist das Festhalten an Strukturen, die vor dreißig jahren noch Sinn gehabt haben mögen.”

3. “Das Hoffen auf die ewige Kraft des Papiers”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Zeitungs- und Zeitschriftenmacher neigen dazu, die technische Entwicklung zu ignorieren und Print zu romantisieren. “Irgendwann werden bis auf einige wenige Sammler alle Konsumenten über die Pro-Print-Argumente aus der Zeit des digitalen Wandels schmunzeln.”

4. “Die verflixten 7”
(journalist.de, Ernst-Marcus Thomas)
Sieben Tipps für eine lebendige Radiomoderation, die ohne abgestandene Formulierungen und unpassende Adjektive auskommt.

5. “Der Pakt mit dem Panda: Was uns der WWF verschweigt”
(mediathek.daserste.de, Video, 43 Minuten)
Eine WDR-Reportage beleuchtet die Zusammenarbeit des WWF mit der Bank HSBC und Palmölherstellern: “Warum kooperiert der WWF mit Unternehmen, die die Natur zerstören?” Eine Entgegnung findet sich auf wwf.de, ein Interview mit dem Autor des Films, Wilfried Huismann, auf radiobremen.de (Audio, 7 Minuten).

6. “sportstudio-Classics: Die Anfänge des Frauenfußballs”
(youtube.com, Video, 3:27 Minuten)
Das Thema Frauenfußball im Sportstudio von 1970 mit dem Moderator Wim Thoelke.