Archiv für Juni 22nd, 2011

AFP  

Doktor-Spüle

Geschirrspülmaschinen können tödlich sein, so der Tenor einer neuen Studie, die sich Schimmelpilzen in den beliebten Haushaltsgeräten widmet.

Knallerstory, befand auch der deutsche Ableger der AFP und haute eine Meldung raus, die zahlreiche Medien gerne übernahmen.

Darin heißt es:

Die Pilze, die in mehr als der Hälfte der Gummiabdichtungen der Spülmaschinentüren gefunden wurden, können in der Lunge eine Stoffwechselkrankheit verursachen, die zystische Fibrose.

Nun ist die zystische Fibrose (auch bzw. eher bekannt als Mukoviszidose) eine angeborene Erbkrankheit. Wie soll die von einem Schimmelpilz ausgelöst werden?

Der Verlag, in dem die Studie erschienen ist, hatte in seiner Pressemitteilung geschrieben:

Exophiala dermatitidis is rarely isolated from nature, but is frequently encountered as an agent of human disease, both in compromised and healthy people. It is also known to be involved in pulmonary colonization of patients with cystic fibrosis, and also occasionally causes fatal infections in healthy humans. The invasion of black yeasts into our homes represents a potential health risk.

Das ist zugegebenermaßen ein Absatz mit vielen Fremdwörtern. Aber mit ein bisschen Mühe kommt raus, dass der Schimmelpilz Exophiala dermatitidis (eine sog. schwarze Hefe) häufig als Krankheitserreger bei geschwächten und gesunden Menschen auftritt. Er trägt zur Lungenbesiedlung von Patienten mit Mukoviszidose bei und sorgt gelegentlich auch für tödliche Infektionen bei gesunden Menschen.

Mit anderen Worten: Der Pilz ist für Menschen mit Mukoviszidose besonders gefährlich, aber er verursacht sie nicht.

Mit Dank an Daniela B.

Presserat missbilligt Nutella-Geschmiere

(Diese Geschichte lag ein bisschen bei uns rum, ist aber immer noch gut.)

Anfang März erschien in der “Bild”-Zeitung ein erstaunlicher Hinweis “In eigener Sache”:

Am 08.01.2011 hatten wir im Rahmen eines Interviews mit Mats Hummels dessen Tätigkeit als Werbepartner und das von ihm beworbene Produkt in unangemessener Weise betont. Wir bedauern dies.

Das ist eine erstaunlich treffende Beschreibung für das “Nutella-Frühstück”, zu dem sich “Bild” Anfang Januar mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels getroffen hatte. Der Brotaufstrich war in Wort und Bild groß in Szene gesetzt:

Die Bild.de-Version des Artikels ist Anfang März ebenfalls durch Hinweis “In eigener Sache” ersetzt worden.

Was war passiert? Nun, es könnte etwas damit zu tun haben, dass BILDblog sich beim Presserat über die Werbegeschichte beschwert hatte. Im Lauf des Verfahrens bekommt dann immer das Medium Gelegenheit zu Stellungnahme, und in diesem Fall fiel sie für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlich aus:

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben. Der Presserat fasst ihre Erklärung so zusammen:

Zwar sei der Begriff der sogenannten “Nutella-Boys” (…) in Sportkreisen und auch anderen Medien inzwischen allgemein verbreitet. (…) Dennoch hätte die penetrante Nennung des Produktnamens in BILD-(Ruhr) keineswegs erfolgen dürfen. Die Chefredaktion habe den Artikel umgehend moniert und mit den Kollegen besprochen. Leider sei zu diesem Zeitpunkt der Artikel bereits von BILD-Online übernommen worden.

Der Presserat sah in dem “Nutella-Interview” klar Schleichwerbung, wertete die Erklärung “in eigener Sache” aber zugunsten der Zeitung und sprach deshalb keine “Rüge”, sondern nur eine “Missbilligung” aus.

AOL, Tagesschau-App, Konflikte

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “AOL Hell: An AOL Content Slave Speaks Out”
(thefastertimes.com, Oliver Miller, englisch)
Ein eindrücklicher Bericht aus der AOL-Klickfabrik, in der es ganz egal geworden ist, was in einem Artikel steht, solange alles andere stimmt: “When it comes to an article, what AOL cares about is the title, and the ‘keywords’ that will make the article more likely to show up among the top results on Google. You type phrases into ‘Google Trends,’ and it suggests the most popular combination of words associated with that topic. You then stick those words into your title and first paragraphs. Rinse, wash, and repeat.” Siehe dazu auch diesen Artikel auf t3n.de. Hintergründe zum “eighth degree, black belt idiot” auf techcrunch.com.

2. “The Schlong Goodbye”
(thedailyshow.com, Video, englisch, 4 Minuten)
Wie US-TV-Sender reagieren, als Nancy Pelosi bei einer Pressekonferenz gleich zu Beginn klarstellt, dass sie nicht über den aufgrund einer Sexaffäre zurückgetretenen Abgeordneten Anthony Weiner, sondern über Jobs, Medicare und die Mittelklasse reden wird.

3. “Die Tagesschau-App und das Märchen von der Wettbewerbsverzerrung”
(claushesseling.de)
Claus Hesseling hält die Klage verschiedener deutscher Zeitungsverlage gegen die App von tagesschau.de für einen schlechten Witz. “Vielleicht dämmert es auch bald den Verlagsmanagern: Aktuelle Nachrichten wird es immer immer immer frei und kostenlos im Netz geben. Egal ob auf tagesschau.de, Twitter oder anderen Quellen.”

4. “Ha-haaaaaaaaa”
(katjakullmann.de)
“Soeben ereilt mich ein überaus dringender Anruf. Ein berühmtes People-Magazin aus München war dran: Man habe gehört, dass ich komplett pleite sei und kaum noch zu essen habe – ob man bitte schnell eine Homestory machen könne (‘mit Fotos’) – und ob und wann denn mein neues Buch eigentlich erscheine.”

5. “BILD gefällt mir nicht!”
(duesteregrenze.wordpress.com, Stefan Grenz)
Stefan Grenz schreibt über “Bild”: “Solange Journalisten anderer Medien BILD zitieren, solange machen sie sich mitschuldig am Erfolg von BILD.”

6. “Wie deutsche Medien Konflikte klassifizieren”
(graphitti-blog.de, katja)