Archiv für Juni 20th, 2011

Der Abrechnung zweiter Teil

Vorletzten Donnerstag erschien in der “Zeit” ein Interview mit Jörg Kachelmann. “Bild” veröffentlichte am darauf folgenden Tag die knackigsten Zitate und warb dafür auf Bild.de mit dem irreführenden Satz:

Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD – die bekommen Sie entweder gedruckt am Kiosk oder bei iKIOSK zum Download.

Die “Zeit” ging juristisch dagegen vor, Bild.de gab eine Unterlassungserklärung ab (BILDblog berichtete).

Vergangenen Donnerstag erschien im Klatschmagazin “Bunte” ein Interview mit der Ex-Geliebten Jörg Kachelmanns, die ihn vor Gericht der Vergewaltigung bezichtigt hatte. Bild.de veröffentlichte schon am Vortag die knackigsten Zitate und zeigte dabei auch diesen Teaser:

Kachelmann rechnet brutal ab! — Die ganze Abrechnung in BILD

Das war – vorsichtig gesagt – blöd, denn damit verstieß Bild.de gegen die Unterlassungersklärung, die “Bild Digital” gegenüber der “Zeit” abgegeben hatte. Die “Zeit” fordert deshalb jetzt eine Vertragsstrafe von “Bild Digital” ein, zu deren Höhe sie sich auf unsere Anfrage hin nicht äußern wollte.

Ein Sprecher der Axel Springer AG erklärte gegenüber dem “Spiegel”, die erneute Veröffentlichung des Teasers sei “eine Verkettung unglücklicher Umstände und ein individueller Fehler in der Redaktion” gewesen. Inzwischen ist der Teaser auf Bild.de verschwunden.

Mit Dank auch an Tom Z.

Der letzte Flug ging später

Am 25. Juli 2000 endete die Ära der Concorde mit dem schrecklichen Absturz am Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Der Überschalljet fing kurz nach dem Start Feuer und stürzte ab. 113 Menschen fanden den Tod, 109 in der Maschine und vier am Boden. Seit diesem Unfall starteten keine Concorde-Flüge mehr.

Mit diesen stimmungsvollen Sätzen beginnt ein Artikel über die neue Überschallflugzeug-Studie des EADS-Konzerns auf der Website des “Hamburger Abendblatts”.

Doch sie sind falsch: Nach dem Absturz vom 25. Juli 2000 wurden zunächst für 15 Monate alle Concorde-Flüge ausgesetzt. Nach technischen Nachbesserungen nahmen British Airways und Air France den Linienbetrieb im Herbst 2001 wieder auf. Wegen gestiegener Wartungskosten und gesunkenem Passagierinteresse (auch in Folge der Anschläge vom 11. September 2001) entschieden beide Airlines im Jahr 2003, ihre Concordes außer Dienst zu stellen. Der letzte Passagierflug einer Concorde fand am 24. Oktober 2003 von New York nach London statt.

Mit Dank an Jens D.

Kachelmann, Kriegsfotografie, Korrektheit

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Diese Welt braucht Journalisten mehr denn je”
(dw-world.de, Sandra Petersmann)
Joel Simon vom “Committee to Protect Journalists” mag Personen, die Journalismus betreiben, nicht mehr voneinander abgrenzen: “Einfach gesagt sind Journalisten dazu da, Informationen zu sammeln und zu verbreiten, die für die Öffentlichkeit von Bedeutung sind. Es gibt professionelle Journalisten, die das machen, und es gibt Menschen, die das als Bürger machen.”

2. “So haben uns die Griechen reingelegt”
(ruhrbarone.de, Michael Voregger)
Michael Voregger stimmt es nachdenklich, dass die Jury des Herbert-Quandt-Preises sich für “Bild”-Autoren entschieden hat (BILDblog berichtete), das werfe “kein gutes Licht auf den Wirtschaftsjournalismus im Lande”. Er kritisiert auch öffentlich-rechtliche Nachrichtenformate: “Die Redaktionen orientieren sich am Mainstream, regierungsnahe Positionen werden kommentarlos übernommen und kritische Experten tauchen nicht auf. Das Unwort des letzten Jahres ‘alternativlos’ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.”

3. “In eigener Sache: Neuer Umgang mit Leser-Kommentaren”
(blog.handelsblatt.com/handelsblog, Olaf Storbeck)
Olaf Storbeck ändert den Umgang mit Leser-Kommentaren: “Um ein gewisses Grundniveau der Diskussion zu gewährleisten, werde ich daher tumbe nationalistische und per se Euro-feindliche Kommentare nicht mehr freischalten – zum Beispiel solche, die Nazi-Deutsch enthalten (‘Finanzknechtschaft’), die Geschichte verdrehen (‘Muss erst wieder ein Krieg gegen Deutschland geführt werden?’) oder darüber räsonniert wird, ‘wie ein nachgewiesener Maßen intelligentes Volk wie die Deutschen sich derart ausnutzen lassen kann’. Das gleiche gilt für Verschwörungstheorien jeder Art.”

4. “Früher herrschten die Gewalttäter, heute herrschen die Wohl-Täter”
(heise.de/tp, Eren Güvercin)
Eren Güvercin spricht mit Maternus Millett über politische Korrektheit. “Die politische Korrektheit als das ‘absolut Gute’ hat das gesellschaftliche Klima bereits so weit polarisiert und vergiftet, dass auch eine kritische Diskussion des ‘absolut Guten’ – also des Versagens der Bildungs- und Integrationspolitik, der selektiven Toleranz Straftaten von Immigranten gegenüber, der bedingungslosen Sozialleistungen für alle – kaum noch möglich ist. Folglich können alle, die provokante Kritik anmelden, sehr leicht moralische Empörung auslösen und sich als Rebellen gegen das neue, linke, permissive Establishment und als ‘Opfer von Repression’ darstellen.”

5. “The shot that nearly killed me: War photographers – a special report”
(guardian.co.uk, englisch)
Kriegsfotografen kommentieren die Entstehung einzelner Fotos. Vorsicht, einige Bilder sind sehr drastisch.

6. “Lächerlicher Wahnsinn”
(weltwoche.ch, Roger Köppel)
Jörg Kachelmann gewährt nach dem Gespräch in der “Zeit” auch der “Weltwoche” ein sehr ausführliches Interview: “Die heuchlerischen Aufrufe der Medien, dass ich nun doch aus taktischen Gründen demütigst zu schweigen und zu verschwinden hätte, sind der Versuch, deren menschenverachtende Vorverurteilung möglichst schnell vergessen zu machen. Nun wollen gerade die mein Schweigen, die sich vorher als die willfährigsten Sprachrohre der lügenden Staatsanwaltschaft Mannheim geriert haben: Springer, Burda, Stern, Süddeutsche.” Interviewer Roger Köppel betont, dass für das Interview kein Geld bezahlt wurde.