Archiv für April 14th, 2011

Das Phantom, der Opener

Gestern startete Lena Meyer-Landrut ihre erste Deutschland-Tournee mit einem Konzert in Berlin. Die Halle war maximal halb voll, aber wenn man den diversen Konzertberichten glaubt, war die Stimmung ganz gut.

Doch Lena wirkte angespannt, was “Den Westen” zu einem philosophischen Exkurs verleitete:

Vor allem, wenn der erste Titel an ihrem ersten abendfüllenden Gesangstermin einer sehr selbstbewussten Ansage gleichkommt: “You Can’t Stop Me”. Will doch auch keiner, Lena, will doch auch keiner…

Blöd nur, dass “You Can’t Stop Me” gar nicht der erste Song des Sets war, sondern “Not Following”, was wiederum stern.de als programmatische Ansage verstand:

Ausgerechnet “Not Following” heißt dann auch noch ihr erster Song, was man auch mit “die Gefolgschaft verweigern” übersetzen kann.

Korrektur, 15. April: Ursprünglich hatten wir die Geschichte genau andersrum aufgeschrieben, was völliger Quatsch war, zumal uns das Management von Lena schon bestätigt hatte, dass “Not Following” der erste Song war. Wir bitten vielmals um Entschuldigung!

Die nackte Wahrheit

Sila Sahin (25) schmückt den aktuellen “Playboy”-Titel. Sie ist die erste Türkin, die sich für das Männermagazin ausgezogen hat – aber nicht der erste Soap-Star.

Soweit, so falsch, Bild.de. Denn Sila Sahin ist nicht die erste Türkin im “Playboy”, sondern auf dem “Playboy”, wie “Bild” gestern noch richtig formulierte.

Unbekleidet in der Zeitschrift abgebildet waren zum Beispiel schon die türkischstämmigen Vivien Cetin (Miss Mai 2010) und Öznur Asrav (Miss April 2008). Letztere war die erste türkischstämmige Frau, die als Playmate firmierte, aber auch nicht die erste, die überhaupt im deutschen “Playboy” zu sehen war. Dieser Titel gebührt womöglich der Schauspielerin Lale Karci, die im März 1998 im Heft war — so ganz genau wissen das die Leute beim “Playboy” selbst nicht mehr.

Sila Sahin ist demnach nicht “die erste Türkin im ‘Playboy'” (“RP Online”, “B.Z.”) oder “die erste Deutschtürkin […], die für das Herrenmagazin die Hüllen fallen ließ” (“Focus Online”).

Mit Dank an Erkan A.

Nachtrag, 15. April: Unser Leser Martin hat im “Playboy” vom Januar 1987 eine Fotostrecke mit der Türkin Hülya Ejder entdeckt, die damit – bis zum Beweis des Gegenteils – die erste Türkin im Heft gewesen sein könnte.

Außerdem geht es hier natürlich ausschließlich um die deutsche Ausgabe des “Playboy”. Auf der türkischen Ausgabe, die zwischen 1986 und 1995 erschien, dürfte schon sehr viel früher eine Türkin abgebildet gewesen sein, wie unser Leser Thomas W. ganz richtig anmerkt.
Bild  

Germany’s Next Hafenarbeiter

Die Arbeiter in Bremerhaven haben eine Riesen-Wut auf Dr. Rita Mohr-Lüllmann. Das behauptet zumindest “Bild” in der Bremer Regionalausgabe:

Die Arbeiter in Bremerhaven haben eine Riesen-Wut auf Dr. Rita Mohr-Lüllmann (53). Die Spitzenkandidatin schmückt sich auf Wahl-Plakaten mit zwei falschen Hafenarbeitern. Zum Ärger der “Echten”! Sie sind stinksauer auf die Wahlkampf-Schummelei der Christdemokraten.

“Bild” hatte nämlich am Vortag aufgedeckt, dass sich Frau Mohr-Lüllmann “mit fremden Federn schmückt”:

CDU-Spitzenkandidatin Dr. Rita Mohr-Lüllmann (53) posiert auf Wahlplakaten mit zwei Bremer Arbeitern. Sie tragen Blaumann und einen Helm in der Hand. Im Hintergrund sieht man leicht verschwommen eine Hafenkulisse. Die CDU umschwärmt von Werft- Malochern? Weit gefehlt!

Die CDU behauptet zwar nirgendwo, es handele sich bei den abgebildeten Herren um Hafenarbeiter, aber man könnte sie natürlich schon dafür halten:

Und das muss “Bild” natürlich aufklären:

In Wirklichkeit handelt es sich bei dem jungen Mann zur Linken um ein CDU-Mitglied aus Niedervieland. Rechts steht nach BILD-Informationen ein Beschäftigter des Bremer CDU-Hauses, der unter anderem in der Poststelle der Partei arbeitet.

Bei ihren Bemühungen, den “Schummelwahlkampf” der “Mogel-Rita” verurteilen zu lassen, hat die Zeitung deshalb gleich drei echte Arbeiter aufgetan, die sich wortreich über das “Trauerspiel”, die “Verarschung” und die “falschen Lorbeeren” beklagen.

Und tatsächlich sind die beiden Männer, die neben der Bürgermeisterkandidatin zu sehen sind, Mitglieder der CDU. Doch den Vorwurf des “Schummelwahlkampfs” will die Partei nicht gelten lassen:

Dass es sich um Hafenarbeiter handelt hat die CDU allerdings nie behauptet. Wahr ist: Einer von beiden hat als Speditionskaufmann in den Häfen gearbeitet, wurde unverschuldet arbeitslos und ist inzwischen Mitarbeiter der CDU, der andere ist in der Landwirtschaft tätig – zwei echte Malocher also.

Die CDU bezeichnet die Entscheidung, “uns bekannte Models zu fotografieren”, als “eine Frage der Kosten und der Bildrechte”. Aus diesem Grund posiert Frau Mohr-Lüllmann auf einem weiteren Motiv der Plakatkampagne auch mit dem Kind eines Parteikollegen. “Bild” wird vermutlich schon in Kürze enthüllen, dass es sich gar nicht um “Mogel-Ritas” eigenes handelt.

Mit Dank an Timon.

Nachtrag, 16.55 Uhr: Charmante Pointe: Wie die Bremer CDU in einer weiteren Pressemitteilung erklärt, ist einer der von “Bild” zitierten Hafen-Arbeiter offenbar Mitglied einer SPD-Arbeitsgruppe.

Bundesligakonferenz, Zwillen, Kosmonauten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Unwahr: Erfolgsberichte über Job-Vermittler”
(ndr.de, Video, 5:25 Minuten)
Hintergründe zur “Bild”-Schlagzeile “Rekord! 1 Mio Hartz-IV-Empfänger in Jobs vermittelt”: “Unter dem Strich gibt es nur rund 60.000 Hartz-IV-Empfänger weniger.”

2. “Tor in Fukushima!”
(faz.net, Marcus Jauer)
Marcus Jauer rekapituliert die in deutschen Medien vorrangig behandelten Ereignisse der vergangenen vier Wochen: “Mal sind sie Teil irgendeines Aufstiegs, mal eines Falls, entweder geht es für jemanden nach oben oder nach unten. Auf die Richtung kommt es dabei weniger an, solange nur Bewegung ist, und ist einmal keine Bewegung, wird auf ein anderes Thema umgeschaltet. Der Mechanismus dafür ist nicht neu, und unjournalistisch ist er auch nicht. Er lässt sich jeden Samstagnachmittag im Radio verfolgen, bei der Bundesligakonferenz.”

3. “Die BILD, die Zwille und der festgenommene Lufthansa-Pilot als Waffenschmuggler”
(niedblog.de)
Das Niedblog befasst sich mit einer Story über den Import von “zwei tödlichen Präzisionsschleudern”, gemäß “Bild” ein “unfassbarer Sicherheitsskandal”.

4. “Wedding-Sause auf Kosten des Gebührenzahlers”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Zur “Förderung der Medienkompetenz” organisiert die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen einen Empfang anlässlich der Hochzeit des britischen Prinzen: “Die Landesmedienanstalt gibt also nicht nur 11.500 Euro aus Gebührenmitteln für einen Empfang mit fragwürdigem Wert für die Medienkompetenz von Diplomaten aus – sie setzt durch Sponsoring von Unternehmen aus ihrem Regulierungsfeld zusätzlich auch ihre Unabhängigkeit aufs Spiel.”

5. “Soviet Space Propaganda: Doctored Cosmonaut Photos”
(wired.com, James Oberg, englisch)
Bearbeitete Fotos von russischen Kosmonauten: “The photo-doctoring was discovered because Soviet news managers lost track of which versions of photos had already been published, and re-released them after alteration.”

6. “Was Journalisten anrichten”
(zeit.de, Video, 2:29 Minuten)
Die neue Ausgabe der “Zeit” befasst sich mit den Auswirkungen der Tätigkeiten von Journalisten. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo: “In der Selbstkritik sind wir allerdings nicht ganz so stark wie in der Kritik, im Kritik ausüben.”