Archiv für April 6th, 2011

You know the name, you know the number

Glücklicherweise haben Machos auf dieser Seite nichts zu melden.

Das steht wo? Richtig: Natürlich auf Bild.de, dem Zentralorgan für Feminismus im deutschsprachigen Internet.

Dort zeigt man sich ganz begeistert, dass “ein cooler Typ” wie Pierce Brosnan “keine Size-zero-Frau” braucht. Seine Gattin Keely ist nämlich ein bisschen besser gebaut, was Machos, die ja glücklicherweise auf Bild.de nichts zu melden haben, womöglich mit Zoten kommentiert hätten wie: “Lieber einen Martini als diese Frau im Bikini”, so Bild.de.

Ein ungewöhnliches Paar also offenbar — und eines, das Bild.de nicht loslässt. Die folgende Auflistung ist daher womöglich unvollständig:

Keely Shaye Smith (90 kg) ist das einzige Bond-Girl
(28. März 2010)

Pierce Brosnan und Keely Shave Smith urlauben in Italien: Mama Mia! Diese Liebe ist richtig dicke!
(27. August 2009)

Keely Shaye-Smith am Strand von Hawaii: Hat die Frau von James Bond die Lizenz zum Essen?
(28. August 2008)

Die Bond-Frau hat die Lizenz zum Wellenreiten: Brosnan: Seine Keely ist Hawaiis pfundigste Surferin
(26. August 2008)

Liebe auf Hawaii: Hier knutscht Pierce Brosnan seine Pfunds-Frau!
(22. August 2008)

Ex-007 Pierce Brosnan und seine pfundige Frau: Das einzig wahre Bond-Girl
(18. August 2008)

James Bond und seine Keely: Eine Liebe durch dick & dünn
(12. September 2007)

Mit Dank an Volker K. und Philipp S.

Das ist ja peterlustig!

Journalisten fallen ja gerne mal auf Aprilscherze rein — nicht so die Auto-Redakteure von “Focus Online”, die im Gegenteil vergangene Woche die “originellsten Auto-April-Scherze” dokumentierten:

Aprilscherze: Löwenzahnreifen und BMW M3 Pick-up

Neben einem Taubenflugverbot in Autonähe und Sondereditionen zur Hochzeit von Prinz William hebt “Focus Online” auch diese humoristische Meisterleistung hervor:

Als Refugium von Scherzkeksen bekannt ist auch die Pressestelle des Reifenherstellers Continental. In diesem Jahr falschmeldete (sic!) die Gummibäcker, dass Kautschuk künftig aus Löwenzahn hergestellt werden könne. Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung sei allerdings der großflächige Anbau. “Ich hoffe, der Löwenzahn zählt in absehbarer Zeit zu den Nutzpflanzen in Deutschland, verdient hätte er es”, wird ein Experte zitiert.

Wirklich eine originelle Idee — und von langer Hand geplant. Die Pressestelle von Continental hatte ihren Aprilscherz nämlich schon am 24. Februar veröffentlicht. Wohl, damit er auch in Monatszeitschriften Platz finden kann.

Alternativ könnte es natürlich auch sein, dass die im Februar veröffentlichte Pressemitteilung kein Aprilscherz war. Zumal der von Continental zitierte Professor Dirk Prüfer tatsächlich an der Uni Münster auch zum Thema Löwenzahn forscht.

Und tatsächlich hat die Pressestelle von Continental uns gegenüber bestätigt, dass die Meldung über Löwenzahn als Kautschukliferant völlig ernst gemeint war: “Der Aprilscherz war ein anderer.”

Mit Dank an Rebecca.

Nachtrag, 19.30 Uhr: … und schon haben die Scherzkekse von “Focus Online” den Artikel ganz unauffällig korrigiert: Der Löwenzahn ist aus der Überschrift verschwunden und im Text loben die Autoren jetzt den tatsächlichen Aprilscherz von Continental.

Katastrophenszenario gekapert

Daraus, dass die Seite von BILDblog in den letzten Tagen aufgrund von Server-Problemen über einen längeren Zeitraum nicht aufrufbar war, hat Bild.de die einzig logische Lehre gezogen:

Deutschland auf Blackout nicht vorbereitet

Das ist natürlich Quatsch. Aber in einem ähnlichen Maße verdreht Bild.de die Tatsachen in einem Artikel, dessen Überschrift im Ganzen so lautet:

Atom-Ausstieg Deutschland auf Blackout nicht vorbereitet

Bild.de verquickt – völlig aus dem Zusammenhang gerissen – ein noch unveröffentlichtes Katastrophenszenario, das der “taz” vorliegt, mit der Gefahr einer Stromknappheit und daraus resultierender Blackouts:

Acht Atomkraftwerke sind schon abgeschaltet, im Mai werden bis zu fünf weitere für Revisionen vom Netz gehen.

Jetzt kommt raus: Ein Strom-Engpass droht – Deutschland ist auf einen möglichen Blackout schlecht vorbereitet.

Das klingt, als hätte der “Strom-Engpass”, den Bild.de vor Kurzem schon von einem Experten herbeireden ließ, dessen Unabhängigkeit bezweifelt werden darf (BILDblog berichtete), irgendetwas mit der schlechten Vorbereitung auf einen Blackout zu tun.

Bei der Untersuchung des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ging es jedoch um eine völlig andere Situation.

Die “taz” schreibt:

Das Szenario ist wenig wahrscheinlich. Aber das galt vor wenigen Wochen auch für die Vorstellung, ein Erdbeben könnte einen Super-GAU in einem japanischen Atomkraftwerk auslösen.

Der Katastrophenfall, der in einem als “vertraulich” gestempelten Bericht für den Bundestagsinnenausschuss beschrieben wird, ist ein anderer: Ein großflächiger Stromausfall von mehreren Tagen oder gar Wochen, ausgelöst durch eine Naturkatastrophe oder einen Terroranschlag.

Abgeschaltete Atomkraftwerke sind aber weder eine Naturkatastrophe noch ein Terroranschlag. Ein Blackout von mehreren Tagen oder Wochen, wie er in der Untersuchung beschrieben wird, kann nicht aus kurzen Engpässen entstehen, in denen Deutschland tatsächlich einmal stundenweise weniger Strom produziert als verbraucht. In solchen Fällen würde Deutschland den fehlenden Strom einfach aus dem Ausland beziehen.

Doch obwohl der ganze Bericht laut “taz” schon seit Ende 2010 (!) vorliegt, stellt Bild.de die Situation so dar, als ginge es in dem Szenario um einen Blackout, der demnächst durch Atomstrommangel hervorgerufen wird:

Nicht zum ersten Mal wird vor einem Blackout im Mai gewarnt.

Die ganze Perfidie dieses Artikels wird jedoch erst offensichtlich, wenn man sich vor Augen hält, dass Großkraftwerke sogar ein wichtiger Grund dafür sind, dass längere Stromausfälle fatale Folgen haben könnten.

In der “taz”, nicht jedoch bei Bild.de, erfährt man:

Die Technikfolgenforscher plädieren deshalb dafür, “nachhaltigere Optionen zur Bewältigung eines lang andauernden und großflächigen Stromausfalls zu entwickeln”. So könnten durch eine dezentrale Stromversorgung auf Basis erneuerbarer Energien wichtige Infrastrukturen besser geschützt werden. “Regional begrenzte Inselnetze” könnten selbst bei einem Megablackout weiter Strom erzeugen. (…)

Nach der Katastrophe von Fukushima liefert also auch dieser Bericht weitere Argumente für eine Energiewende.

Mit Dank an Christian und noir.

Einfach Mal ein Auge zudrücken

Als Phillipp Rösler im Jahr 2009 ins Bundeskabinett eintrat, berichteten viele Medien über den steilen Aufstieg des jungen Augenarztes. Das Problem damals: Rösler war nie Augenarzt, er ist promovierter Arzt und hatte die Weiterbildung zum Augenarzt zugunsten seiner politischen Karriere abgebrochen (BILDblog berichtete).

Und jetzt raten Sie mal, was passierte, als bekannt wurde, dass Rösler als FDP-Parteivorsitzender die nächste Stufe der Karriereleiter erklimmen soll!

Richtig:

Nach wenigen Wochen als Gesundheitsminister brach der gelernte Augenarzt  Anfang 2010 mit den alten FDP-Grundsätzen einer wirtschaftsfreundlichen  Gesundheitspolitik und brachte ein herbes Sparpaket für die Pharmabranche auf  den Weg.
(“Financial Times Deutschland”)

Der 38 Jahre alte Augenarzt übernimmt somit die Führung einer Partei, die völlig verzagt ist und einen historisch einmaligen Niedergang erlebt hat – gestartet in die Legislaturperiode mit einem Rekord-Wahlergebnis kämpft die FDP nun ums Überleben.
(“Badische Zeitung”)

Der bei der Bundeswehr ausgebildete Augenarzt machte aber deutlich, dass er nicht einfach den "Reset-Knopf" drücken und bei Null anfangen könne.
(“Südwest Presse”)

Andert­halb Jahre später weiß der ge­lernte Augenarzt: So funktioniert das nicht – schon gar nicht im Gesundheitsressort.
(“Der Westen”)

Und auch die Katholische Nachrichtenagentur tickerte:

Nach der Trennung seiner Eltern blieb er bei seinem Vater, einem Hubschrauberpiloten. Später ging er selbst zur Bundeswehr, ließ sich dort zum Augenarzt ausbilden und promovierte.

Bundesminister, Parteivorsitzender — das sind Jobs auf Zeit. Augenarzt wird Phillipp Rösler offenbar sein Leben lang bleiben.

Bild, Ratlosigkeit, Schulenglisch

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “BILD-Zeitung, meinungsmächtig”
(ardmediathek.de, Audio, 15:17 Minuten)
Die Sendung “Wissenswert” auf hr2 blickt zurück auf die Geschichte der “Bild”-Zeitung. “Im internationalen Vergleich ist Bild ein untypischer Fall, weil sie sehr politisch und auf Wirtschaft bezogen ist. Boulevardzeitungen in Lateinamerika beispielsweise legen den Schwerpunkt viel stärker auf blutige Kriminalitätsthemen.”

2. “Bild dir deine Kohle”
(sueddeutsche.de, Hans Leyendecker)
Hans Leyendecker stellt eine diese Woche erscheinende Studie zu “Bild” vor: “Die auf den ersten Blick kühne These, dass Bild vor allem eine brummende Verkaufsmaschine mit dazugehörigem Event-Marketing und irgendwo auch noch eine Zeitung sei, ist zumindest originell. Nicht das permanente Jammern über angeblich fehlende Moral bei den Blattmachern, nicht der ständige Verweis auf tatsächliche Schweinigeleien, sondern die schlichte Antwort: Bild ist vor allem ein Geschäftsmodell.”

3. “Die ‘BILD’ ist gar keine Zeitung – aber was dann?”
(detektor.fm, Audio, 8:46 Minuten)
Ein Gespräch mit einem der Machern der Studie, Hans-Jürgen Arlt.

4. “Partei oder Kaufhaus: Was Bild alles sein soll”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Für Stefan Winterbauer greift es zu kurz, “die Bild-Kritik auf die Formel zu verkürzen, dass Bild kritikwürdig sei, weil die Zeitung wirtschaftlich erfolgreich ist. Das wirkt ein bisschen wie Alt-Linke Pauschal-Haue, nach der nur das Nicht-Kommerzielle und Spaßbefreite auch das Wahre, Gute und Schöne ist.”

5. “Der Anfang ist am schlimmsten”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler bewertet die Aufbereitung der Ereignisse in Japan. “Die atemlosen News und Analysen der vergangenen Wochen erzeugten ein verwirrendes Gefühl der aufgeklärten Ratlosigkeit. Medien, welche die Sachlage intelligent wiederaufbereiten, dürften weiterhin dankbare Abnehmer finden. Ob die Information gedruckt oder elektronisch erscheint, ist eine zweitrangige Frage.”

6. “Sorry?”
(freitag.de, Verena Reygers)
Verena Reygers erzählt von ihren Erfahrungen im Musikjournalismus. “Auf der einen Seite die im breitesten Slang nuschelnden Musiker, auf der anderen Seite ein wenig ausgeschlafener und gerade mal des Schulenglisch fähiger Journalist.”