Archiv für März, 2011

Wie man Luft erwärmt

Im Allgemeinen hält Bild.de klassische Bildung ja eher für überflüssig — es sei denn, man kann damit jemanden anschwärzen. Einen weiteren Grund gibt es aber doch:

Mit diesem Wissen können Sie richtig angeben

Da Wissen nicht auf Bäumen wächst, haben die Bild.de-Redakteure einfach in dem Buch “Physik für Eierköpfe” des britischen Wissenschaftlers Brian Clegg geblättert und daraus zehn “kuriose Fakten” abgeschrieben. Das heißt: fast abgeschrieben. Denn obwohl Clegg in jedem Mini-Kapitel ein paar mundgerecht aufbereitete “Fakten zum Angeben” auflistet, schafft es Bild.de, trotzdem noch Fehler einzubauen.

BILD.de stellt hier die zehn kuriosesten Fakten der Physik vor: 1. Fällt Schweres wirklich schneller als Leichtes?  Der griechische Philosoph Aristoteles behauptete genau das. Macht ja auch Sinn, wenn man gleichzeitig Hammer und Feder fallen lässt. Da er als der Mann in der Physik überhaupt galt, zweifelte niemand an seiner Theorie, bis Apollo-15-Kommandant Dave Scott kam. 1972 führte er das Experiment auf dem Mond durch. Und siehe da: Ohne Luftwiderstand erreichten beide Gegenstände gleichzeitig den Boden.

Aristoteles hatte zwar einigen Einfluss, aber Galileo Galilei hatte bereits 1604 festgehalten, dass Gegenstände unabhängig vom Gewicht von ihrer Masse gleich schnell fallen, wenn der Luftwiderstand keine Rolle spielt — über 350 Jahre vor den Mondmissionen. Das steht im übrigen auch in Brian Cleggs Buch und sollte eigentlich jedem bekannt sein, der im Physikunterricht nicht geschlafen hat. Und wer es nicht weiß, kann es sich von Dave Scott selbst erklären lassen.

Doch dann wagt sich Bild.de auch noch an die Relativitätstheorie heran:

3. Der einfachste Trick, um Einsteins Relativitätstheorie zu kapieren  Wenn man einem Objekt Energie zuführt, vergrößern wir dessen Masse. Heißt: es wird schwerer. Eine Tasse heißer Kaffee wiegt daher mehr als eine Tasse kalter Kaffee.

Das ist zwar hypothetisch richtig: Wie Einstein in seiner Relativitätstheorie festgestellt hat, besteht ein Zusammenhang zwischen Energie und Masse. Der Effekt bei der Erwärmung einer Tasse Kaffee wäre aber so gering, dass er sich nicht messen lässt. Gleichzeitig dehnt sich Kaffee bei der Erwärmung aus, die Flüssigkeit wird also im Verhältnis zum Volumen leichter. Außerdem nimmt seine Masse durch Verdunstung ab. Der erwärmte Kaffee ist also in der Realität eher leichter als zuvor.

Wer also – wie von Bild.de vorgeschlagen – beim “Smalltalk im Aufzug oder bei einem wichtigen Geschäftsessen” mit der Kaffee-Version von Einsteins Relativitätstheorie aufwarten will, kann nur darauf hoffen, dass sein Gegenüber noch weniger Ahnung von Physik hat als er selbst (oder als Bild.de).

Mit Dank auch an Markus K.

Bild  

Das Comeback der Eva Braun (2)

Das war ja zu erwarten gewesen: Nachdem Bild.de gestern ein Foto von Eva Braun, das vor 64 Jahren im Magazin “Time” zu sehen gewesen war und im Laufe der Jahrzehnte immer mal wieder in Büchern und Zeitschriften veröffentlicht wurde, als “neu” und “jetzt aufgetaucht” bezeichnet hatte, ist die Geschichte heute auch in der gedruckten “Bild” angekommen.

Hitlers Geliebte Eva Braun: Privat-Fotos aufgetaucht! Sie verkleidete sich gerne: Eva Braun imitiert den farbigen amerikanischen Jazz-Sänger Al Jolson (1937).

Anders als “Bild” behauptet, war der Sänger Al Jolson, als der sich Eva Braun verkleidet hat, auch nicht “farbig”, sondern praktizierte das rassistische “Blackface”, bei dem ein Weißer, als Schwarzer auftritt.

Dem “Berliner Kurier”, der Jolson ebenfalls für “schwarz” hält, war das vermeintlich “geheime” Foto sogar eine Platzierung auf der Titelseite wert:

Hitlers Geliebte Eva Braun: Das geheime Foto-Album

Mit Dank an Jürgen H. und Eva.

Bild  

Schuld sind immer die Griechen

Am Dienstag teilte die Bundesbank mit, sie habe 2,2 Milliarden Euro Überschuss im Jahr 2010 erwirtschaftet. Der Gewinn, der vollständig in den Bundeshaushalt fließt, liegt damit 800 Millionen unter den 3 Milliarden Euro, die das Finanzministerium eigentlich eingeplant hatte, woraus folgt, dass das fehlende Geld im Haushalt andersweitig beglichen oder eingespart werden muss.

Für “Bild” ist dies ein willkommener Anlass, ein offenbar liebgewonnenes Feindbild zu pflegen:

Pleite-Griechen: Krise kostet uns schon 800 Mio. Euro

Triumphierend verkündet Redakteur Jan W. Schäfer:

Die Schuldenkrise Griechenlands kommt die Steuerzahler nun DOCH teuer zu stehen!

Wie immer ist die Realität weitaus komplizierter. Immerhin räumt Schäfer ein:

Grund ist die Schuldenexplosion in Griechenland und anderen Euro-Staaten, die den Bundesbank-Gewinn drastisch geschmälert hat.

Und damit sind wir auch schon bei einem wichtigen Punkt angelangt: Nicht nur die “Pleite-Griechen”, sondern auch die Schuldenkrisen in Portugal und Irland haben Einfluss auf die Bilanz der Bundesbank. Die oben genannten 800 Millionen Euro sind zudem nicht einfach weg, wie “Bild” seine Leser glauben macht, sondern bleiben der Bank zur Risikoabsicherung erhalten.

In einer dpa-Meldung heißt es:

Die Notenbank erhöhte ihre Risikovorsorge für “allgemeine Wagnisse” um 1,6 Milliarden Euro auf 3,6 Milliarden Euro.

Dort steht außerdem, dass die Bundesbank auf einem ganz anderen Feld einen tatsächlichen Verlust von immerhin 600 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr hinnehmen musste:

Auch die Zinserträge als wichtigste Quelle für den Gewinn der Bundesbank gingen 2010 erneut zurück: Der Nettozinsertrag sank von 4,2 Milliarden Euro auf 3,6 Milliarden Euro. (…) Bundesbank-Vorstandsmitglied Rudolf Böhmler erklärte: “Ursächlich für den anhaltenden Rückgang der Zinserträge sind die weiterhin historisch niedrigen Leitzinsen des Eurosystems.”

Für den niedrigen Leitzins kann Griechenland jedoch nichts. Er wurde ab 2008 im Zuge der Finanzkrise schrittweise auf das heutige Niveau gesenkt, das seit Mai 2009 bei 1,0 Prozent liegt.

Überhaupt profitierte die Bundesbank im letzten Jahr nicht zuletzt von der Krise in Ländern wie Griechenland, die mitverantwortlich dafür war, dass die Goldpreise kräftig anzogen.

dpa berichtet:

Zum Jahresende stand in der Bilanz ein Goldwert von 115 Milliarden Euro nach 84 Milliarden Euro ein Jahr zuvor – dank des Höhenflugs bei dem Edelmetall.

Von diesen 31 Milliarden Euro, gegen die die 800 Millionen fast schon wie Peanuts wirken, erhält das Finanzministerium jedoch nichts:

Der Bewertungsgewinne bei Goldreserven wurden beim Bundesbank-Gewinn nicht eingerechnet

Genauso leer – allerdings an Informationen – gehen die “Bild”-Leser aus. Sie werden in gewohnter Manier aufgehetzt.

Weil die griechische Regierung auch noch gewagt hatte, um längere Tilgungfristen zu bitten, schreibt Schäfer:

Und die Griechen? Sie fordern auch noch Entlastungen!

Bundeswehr, Nürnberger Zeitung, Teschow

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Michael Martens
(spreegurke.twoday.net, Ursula Pidun)
Ursula Pidun befragt FAZ-Redakteur Michael Martens zu seinem Urteil über das Buch “Mit der Hölle hätte ich leben können” der Ex-Bundeswehrsoldatin Daniela Matijevic sowie zur unkritischen Aufnahme des Werks durch viele Journalisten. “Fest steht, dass weder Verlag noch Autorin bisher einen Zeugen genannt haben, obwohl es doch angeblich so viele gibt. Wer hingegen nach Personen sucht, die das alles für Unsinn halten, wird ohne Mühe sehr schnell sehr viele finden.”

2. “Mein böses Ich”
(news.de, Björn Menzel)
Björn Menzel blickt zurück auf seine eigene Erfahrung als Berichterstatter am Amoklauf von Winnenden, der sich heute vor zwei Jahren ereignete.

3. “Welche ‘Kapelle’ hat sich ‘gemüht’?”
(thilo-baum.de)
Thilo Baum kann die Beobachtungen, die “Spiegel Online” beim von ARD live übertragenen Zapfenstreich der Bundeswehr zur Verabschiedung von Karl-Theodor zu Guttenberg macht, nicht nachvollziehen.

4. “In the Thick of Libya’s Brutal Fighting”
(lens.blogs.nytimes.com, englisch)
Ein Gespräch mit Tyler Hicks, Fotograf der “New York Times”: “Anyone who goes into this area assumes the same risk as any of the fighters. That’s something you always have to remind yourself: even as an observer, you’re just as susceptible to getting hit as anyone else.”

5. “A.J.A.I.”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier über die Reaktionen auf unseren Artikel “Sprühfarbe ins Feuer”. Inzwischen hat sich die “Nürnberger Zeitung” für ihren Fehler “ganz herzlich” entschuldigt.

6. “Luci Lehmann, Teschow (MV)”
(interviewproject.de, Video, 4:49 Minuten)
Das erste von 50 Gesprächen des “Interview Project Germany” ist online. Luci Lehmann aus Teschow erzählt, dass nichts ihr Leben so verändert habe wie die Wende. “Es ist ja wirklich alles anders geworden.”

Das Comeback der Eva Braun

Wenn Journalisten von “bisher unveröffentlichten Aufnahmen” sprechen, ist häufig Vorsicht geboten — besonders aber, wenn die “Bild”Familie damit anfängt.

Was also könnte passiert sein, wenn Bild.de aufgeregt von “neuen” und “jetzt aufgetauchten Fotos” berichtet?

Spektakuläre Fotos aufgetaucht: Hitler-Geliebte Eva Braun als schwarzer Sänger

Es sind überraschende Bilder: Jetzt aufgetauchte Fotos zeigen Eva Braun, die Geliebte von Nazi-Tyrann Adolf Hitler, wie sie noch nie zuvor zu sehen war!

Die Fotos zeigen die Hitler-Geliebte unter anderem mit dunkler Farbe im Gesicht, in einem dunklen Anzug, mit weißem Hemd und weißer Fliege. Das Foto trägt den Titel “Ich als Al Jolson”, wurde 1937 aufgenommen.

Nun ja: Ein Teil der Bilder, die das Magazin “Life” seit gestern auf seiner Website zeigt, scheint der Öffentlichkeit tatsächlich bisher verborgen geblieben zu sein. Doch ausgerechnet das Foto der verkleideten Eva Braun, das Bild.de, die “B.Z.”, der “Berliner Kurier”, blick.ch, orf.at, news.at und die “Daily Mail” zum Aufhänger für ihre Berichte gemacht haben, ist es nicht.

Das besagte Foto war bereits 1947, zwei Jahre nach Eva Brauns Tod, schon einmal in “Life” zu sehen gewesen:

Weder “Life” noch Getty Images, die das Foto jetzt vertreiben, behaupten, es sei “neu”.

Mit Dank an Andreas.

B.Z.  

Ups, verdächtigt

Berichtigung

In der B.Z. vom 19. Februar 2011 haben wir auf Seite 8 ein Foto veröffentlicht, das einen der Verdächtigen zum U-Bahn-Überfall in Lichtenberg zeigen sollte. Das Foto zeigt jedoch nicht den 17-jährigen Täter (Walid), sondern einen anderen Jugendlichen. Wir bedauern die Verwechslung und stellen klar, dass der im Foto gezeigte Teenager nichts mit dem Überfall zu tun hatte. Gegen ihn wurde auch zu keinem Zeitpunkt polizeilich ermittelt.

“B.Z.”, 8. März 2011.

ARD-Fernsehlotterie, Vollmond, Frauentag

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Lierhaus: Zu viel Honorar für den guten Zweck?”
(ndr.de, Video, 8:17 Minuten)
Während sich frühere Aushängeschilder der ARD-Fernsehlotterie kostenlos zur Verfügung stellten, wird für Monica Lierhaus ein Honorar bezahlt. Die Sendung “Zapp” befasst sich damit. “Keine der reinen Hilfsorganisationen zahlt nach Zapp-Recherchen Honorare an ihre prominenten Botschafter. Die ARD-Fernsehlotterie dient zwar ebenso dem guten Zweck, ist aber keine reine Hilfsorganisation. Sie muss sich zudem auf dem Glücksspielmarkt behaupten.”

2. “Der tödliche Supermond”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com, Thomas)
“Kommt mit dem Super-Mond das Klima-Chaos?”, fragt bild.de. Thomas wertet dazu die Abstände zwischen Erde und Mond aus und vergleicht sie mit Ereignissen: “Offenbar hängen Naturkatastrophen nicht mit einem besonders geringen Abstand der Erde zum Vollmond zusammen.”

3. “Einübungen in die Kaltherzigkeit”
(woz.ch, Eva Pfister)
Eva Pfister schreibt über Pseduo-Dokus im Nachmittagsprogramm: “Die kommerziellen Sender betonen gern,­ dass sie sich um die Realität kümmern und um die Probleme der kleinen Leute. Dabei inszenieren sie vor allem ihre Macht: Sie bieten Lösungen an, sind die Erzieher der Nation, machen Superstars, verschönern und helfen – einigen Auserwählten!”

4. “Gaddafi forces beat up BBC team”
(bbc.co.uk, englisch)
BBC-Journalisten werden in Libyen festgehalten und misshandelt: “The three were beaten with fists, knees and rifles, hooded and subjected to mock executions by members of Libya’s army and secret police.”

5. “Great Pretenders”
(medienspiegel.ch, Hanspeter Spörri)
Hanspeter Spörri, Ex-Chefredaktor der Berner Tageszeitung “Der Bund”, denkt zurück an eine Zeit, in der Journalisten nicht “gehetzt, nervös, atemlos” waren: “Sie machten tagsüber Spaziergänge, schauten wie zufällig bei Geschäftsleuten oder Politikern vorbei, stellten ihre Fragen im Plauderton. Es sah nicht wie Arbeit aus, aber es kam einiges dabei heraus.”

6. “Barfuß oder Lackschuh”
(juliane-wiedemeier.de)
Wie bebildern TV-Sender Berichte zum Internationalen Frauentag? “Immerhin sind sich die verschiedenen Sender und Formate in einem einig. Dass man als Frau nur erfolgreich im Beruf sein kann, wenn man sich als Mann verkleidet. Das ist doch eine versöhnliche Erkenntnis zum Hundertsten.”

Wieder 9/11-Video wiederentdeckt

Die Zukunft des Journalismus soll unter anderem im Bewegtbild liegen, hört man mitunter. Videos sind also wichtig — und wenn darin kleine Kinder, flauschige Tiere oder die Terroranschläge des 11. September 2001 zu sehen sind, setzt bei Journalisten alle Vernunft aus.

In den letzten Tagen war es mal wieder soweit:

Ein “bisher unbekanntes Video” sei veröffentlicht worden, schreibt “Spiegel Online”, während 20min.ch ein “kürzlich freigegebenes Video” entdeckt zu haben glaubt und oe24.at erklärt, das “Neue an den Bildern” sei vor allem, “dass sie die brennenden Türme des World Trade Center von oben zeigen”. Von einem “neuen Video” sprechen unter anderem auch Bild.de, n-tv.de, RTL.de, kress.de, Reuters und die Website der “Financial Times Deutschland”. Eigentlich gibt es kaum eine Nachrichtenseite, die nicht über die “neuen Bilder” berichtet: selbst die BBC spricht von “Aufnahmen, die noch nie zu sehen waren”.

Und all das nur, weil die “Enthüllungsplattform” cryptome.org ein Video veröffentlicht hatte, das die New Yorker Polizei am 11. September 2001 an Bord eines Polizeihubschraubers aufgenommen hatte.

Nicht einmal Cryptome selbst behauptet, das Video sei “neu”. Es gehört zu dem umfangreichen Material, das das “National Institute of Standards and Technology” (NIST) nach den Anschlägen gesammelt hatte, um den Einsturz des World Trade Centers bautechnisch zu untersuchen. Dabei handelt es sich um die Kopien von teils veröffentlichten, teils unveröffentlichten Aufnahmen, die das NIST zusammengetragen hatte und seitdem in seinem Besitz hat.

Unter Berufung auf den Freedom of Information Act, fordern immer wieder mehr oder weniger seriöse Organisation die Herausgabe des vom NIST gesammelten Materials, das (vor allem europäische) Journalisten regelmäßig für “beschlagnahmt” oder “unter Verschluss gehalten” halten (BILDblog berichtete).

Womöglich ist das 17-minütige Video, das Cryptome jetzt online gestellt hat, in dieser Form tatsächlich noch nie veröffentlicht worden. Bei der Menge des 9/11-Materials, das auf verschiedenen Kanälen unterwegs ist, lässt sich das schwer sagen. Aber die spektakulären “neuen” Bilder, die die Medien wie “Spiegel Online” jetzt als “bisher unveröffentlichte Aufnahmen” anpreisen, die kann man schon seit dreieinhalb Jahren auf YouTube sehen — heller und mit einem größeren Bildausschnitt und hebräischen, statt deutschen Untertiteln:

Alte und "neue" 9/11-Videos im Vergleich.

Bei “Focus Online” haben sie den Braten gerochen und bemerken jetzt süffisant:

Die Verantwortung, Quellen zu überprüfen, nehmen Enthüllungsplattformen professionellen Journalisten nicht ab. Eine simple Suche bei YouTube hätte genügt, um das vermeintlich unveröffentlichte Material zu enttarnen.

Bei der letzten kollektiven Quellen-Nichtprüfung war “Focus Online” noch ganz vorne mit dabei gewesen.

Mit Dank an Sven G., Peter M., Steffen K. und Hans P.

Nachtrag, 10. März: Bei YouTube gibt es sogar eine noch ältere Version des Videos, hochgeladen am 20. Dezember 2006.

Sprühfarbe ins Feuer

Auf einer ganzen Seite versuchte die “Nürnberger Zeitung” gestern, ihren Lesern das Konzept “Graffiti” näher zu bringen, inklusive des Spannungsfelds von Vandalismus und Kunst.

Doch schon der erste Absatz lässt berechtigte Zweifel an der Kompetenz des Autors aufkommen:

Narrenhände beschmieren Tisch und Wände. Im Alltag ist Graffiti keine Kunst, sondern eine Zumutung. Zwar ist ein Schaltkasten – das bevorzugte Objekt der Sprayer – an und für sich keine ästhetische Offenbarung, aber beschmiert wirkt er noch hässlicher. Zumal viele noch nicht einmal den so genannten Tag beherrschen, also den schwungvollen Namenszug, son- dern einfach nur ihren Namen hin- schreiben, Acab beispielsweise, einen türkischen Vornamen. Offensichtlich ist es einigen türkischen Jugendlichen ein Bedürfnis, nur ja die Vorurteile zu verstärken und Öl in das von Sarrazin entfachte Feuer zu gießen.
Acab, der einzige türkische Vorname, der weltweit an Hauswände, Bahnwaggons und Stromkästen gesprüht wird? Meistens in Großbuchstaben (“ACAB”) und manchmal mit Punkten dazwischen (“A.C.A.B.”)?

Natürlich nicht: “A.C.A.B.” ist die Kurzform von “All cops are bastards” (“Alle Bullen sind Bastarde”) und in dieser Form seit mehr als 30 Jahren in Gebrauch. Wer sich auch nur minimal für Graffiti interessiert, weiß das.

Das Öl im Feuer stammt also eher von der “Nürnberger Zeitung” und dem Vorurteil ihres Autors.

Aus dem Online-Auftritt der “NZ” ist der Artikel inzwischen verschwunden.

Mit Dank an Daniel F.

Nachtrag, 10. März: Die “Nürnberger Zeitung” hat sich für den Fehler entschuldigt und eine Korrektur veröffentlicht.

RTL Extra, Ines Pohl, Twitterschlingel

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “RTLs zweifelhafter Pakt mit der Kriminalität”
(news.de, Martin Walter)
“RTL Extra” begleitet Nordafrikaner auf einem Schlepperboot nach Lampedusa. Siehe dazu auch “Boulevardsender im Bündnis mit den Schleusern” (zeit.de, Christian Denso und Tilman Steffen).

2. “Guttenberg-Journalismus?”
(medienspiegel.ch, Martin Hitz)
Martin Hitz vergleicht einen Artikel von tagesanzeiger.ch mit einem Artikel von nzz.ch und fragt: “Copy-Paste oder nicht? Urteilen Sie selbst.”

3. “Die Medien und Guttenberg”
(stern.de, Bernd Gäbler)
Bernd Gäbler beurteilt die Leistungen der Medien im Fall Guttenberg und fragt: “Wie können Leidenschaft und Demokratie eine gute Ehe eingehen?”

4. “Strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen”
(blogs.taz.de/hausblog)
Für “taz”-Chefredakteurin Ines Pohl ist die “Bild”-Anzeige in ihrer Zeitung Sache des Verlags und nicht der Redaktion. “(…) wenn wir immer nach der Meinung des Hauses gehen – das darf ich hier auch sagen, so transparent sind wir – hätten wir gar keine Anzeigen.”

5. “Der dumme Zuschauer”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler missfällt “die Idee vom Fernsehen als Erziehungsanstalt”. “Die Versuche der Programmmacher, die Zuschauer wie Kleinkinder durch die Welt des Wissens zu führen” hält er für “lästig, wenn nicht ärgerlich”. “Die Programmmacher haben offensichtlich kein Vertrauen in die Mündigkeit und Aufnahmebereitschaft des Publikums.”

6. “Lutz und Gert, die oberschlauen Twitterschlingel”
(twitkrit.de, baranek)
Baranek beschreibt zwei Twitter-Nutzer, die rund fünfzig “Reichtum und Erfolg” versprechende Twitter-Konten betreiben. “Durch dieses massive Auftreten in immer wieder neuen Accounts qualifizieren sie sich selbst dermaßen ab, dass es nur so ein Freude ist.”

Blättern:  1 ... 3 4 5 6 7