Archiv für Januar 31st, 2011

20 Fast-Fakten über Bradley Manning

Seit Bradley Manning im Mai 2010 verhaftet wurde, ist er im Brennpunkt des Interesses. Ist der US-Soldat die Quelle der auf Wikileaks veröffentlichten Geheim-Dokumente der US Army? Wikileaks-Gründer Julian Assange bestreitet, Manning zu kennen, der Inhaftierte selbst kann den Medien keine Auskunft geben und die US-Regierung gibt sich sehr zugeknöpft.

Wir wissen nicht genau, was jetzt.de am Freitag bewogen hat, einen Artikel mit “20 Fakten” über Bradley Manning zu veröffentlichen — vielleicht war das als Replik auf die “25 Fakten über Julian Assange” gedacht, die die Berliner “B.Z.” Ende November veröffentlicht hatte. Ein überreicher Vorrat an Fakten kann jetzt.de jedenfalls nicht angetrieben haben.

Schon bei simplen Fakten fängt es an: Wie lange sitzt Manning in Haft?

Manning, ohne den Wikileaks wohl nur halb so bekannt wäre, sitzt seit fast einem Jahr in einer Gefängniszelle. Die Aussichten, diese bald wieder zu verlassen, sind schlecht.

Seit 247 Tagen in Haft steht auf der Website bradleymanning.org, einer Unterstützerseite für den US-Soldaten.

Acht Monate oder ein Jahr? Die richtige Antwort gibt jetzt.de an anderer Stelle:

4. Bradley wurde im Mai 2010 verhaftet, weil er unter anderen dieses Video Wikileaks zugespielt hatte.

Kommen wir zum Substantiellen. Was hat Manning denn genau getan?

3. Manning nahm sich eine CD mit Lady Gaga, einen USB-Stick und überspielte die Daten. Während er den

Knapp daneben: Glaubt man den bei wired.com veröffentlichten Chat-Protokollen zwischen Manning und dem Hacker Adrian Lamo, war kein USB-Stick im Spiel. Der Soldat löschte demnach die Musik von der mitgebrachten CD und bespielte sie stattdessen mit Geheimmaterial.

Aber so richtig scheint jetzt.de der Geschichte mit Lamo auch nicht zu trauen:

8. Angeblich prahlte Bradley in einem Chat vor dem Hacker Adrian Lamo, die Dokumente weitergegeben zu haben. Auszüge des Chat-Protokolls gibt es hier zu lesen. Es heißt, Lamo habe dies wiederum dem FBI mitgeteilt, was zur Verhaftung Bradleys führte. 9. Der Journalist Glenn Greenwald hat Zweifel an dieser Version. Er sagt, der Fall Manning sei für die Gegner von Wikileaks enorm wichtig. Wenn sich herumspricht, dass Wikileaks seine Informanten nicht schützen kann, schreckt diese potenzielle Whistleblower in der Zukunft ab.

Kurzum: Was in der Überschrift als Teil von “20 Fakten” angepriesen wird, ist weiter unten nur noch Gerücht und Behauptung.

Mit Dank an Lothar Sch.

Bild  

Der Mann, der bei “Bild” Jeff Jarvis war

Am vergangenen Freitag konnte “Bild” mit einem namhaften Gastautoren aufwarten:

Neues Google-Tablet übersetzt alle Sprachen! Von Jeff Jarvis

Jeff Jarvis ist New Yorker Professor, “Kult-Blogger” und “Google-Experte”. Klar, dass dessen neue Aufgabe als “Bild”-Autor in der Szene für Aufsehen sorgt.

Zum Beispiel beim Branchendienst “Meedia”:

Die Google-PR von Jeff Jarvis in der Bild. Web-Guru Jeff Jarvis schreibt jetzt auch für Bild. Über Google! Sein Text über angebliche Wunder-Fähigkeiten eines neuen Google-Tablets kommt allerdings sehr lobhudelnd daher.

Doch stimmt das eigentlich? “Schreibt” Jarvis wirklich für “Bild”? Ein “Twitter”-Nutzer hat einfach mal nachgefragt:

(Schreiben Sie jetzt für die deutsche Boulevardzeitung “Bild”? — Nein, die haben mich interviewt und so formatieren sie das.)

So einfach wird man also “Bild”-Autor. Gut zu wissen!

Winnenden, Ägypten, WEF

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Sündenfall Winnenden: Die Ethik und der Journalismus”
(evangelisch.de, Henrik Schmitz)
“Wir haben keine Angehörigen angesprochen, wir haben keine Minderjährigen angesprochen und wir haben nicht von Trauerfeiern berichtet”, sagt Frank Nipkau von der “Waiblinger Kreiszeitung” am Lokaljournalistenforum 2011 zum Amoklauf von Winnenden. “Unsere Leser haben diese Berichterstattung begrüßt. Es hat niemanden gegeben, der angerufen und sich beschwert hat, dass bei uns etwas nicht stand, was er in der Bild-Zeitung gelesen hat.”

2. “Das klägliche Versagen von ARD & ZDF im Fall Ägypten”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath erinnert angesichts der zehnminütigen ARD-Sondersendung zur Situation in Ägypten am Freitag an die Sondersendung zur Knöchelverletzung von Michael Ballack. Jens Grotchtdreis erinnert an die “Sondersendungen im deutschen TV wegen des Winterwetters. Man faßte nicht, daß es mal schneien konnte.”

3. “Mit Al Dschasira begann der Wandel”
(tagesschau.de, Carsten Kühntopp)
Carsten Kühntopp aus dem ARD-Korrespondentenbüro Dubai lobt derweil den derzeit in Ägypten verbotenen TV-Sender Al Jazeera: “Unerschrockenen Journalismus – bis zur Gründung von Al Dschasira vor 14 Jahren gab es den nicht in Arabien.”

4. “Was interessiert, ist relevant”
(medien-monitor.com, Daniela Moschberger)
Henning Sußebach gibt handwerkliche Tipps für Reporter und erklärt, was das für Typen sind: “Reporter, das sind diejenigen, die früher auf Klassenfahrt immer ein bisschen abseits standen. Die beobachtet haben, statt sich in Szene zu setzen. Die zugehört haben, während andere das Wort führten.”

5. “Guardian Davos journalist’s sinister encounter with the Swiss riot police”
(guardian.co.uk, Andrew Clark, englisch)
“Guardian”-Journalist Andrew Clark wird am Rande des WEF verhaftet: “When I explained that I was a journalist, I was unconvincingly told in broken English that I looked like a ‘picture on a wall’ of a rioter in Davos, which I took to mean I looked like some sort of photofit picture. I asked my arresting officer if he really believed I’d been rioting in a Banana Republic overcoat, dragging a wheely bag and a laptop. ”

6. “Offener Brief der Stammbesatzung der Gorch Fock”
(spiegelfechter.com, Jens Berger)
Jens Berger veröffentlicht einen “auf einem vertrauenswürdigen Weg” zugespielten Brief der Besatzung des Segelschulschiffs Gorch Fock: “Sehr geehrter Herr Minister, mit diesem Brief möchten wir uns als Stammbesatzung zu den Behauptungen, die in der Presse kursieren, äußern.”