Archiv für Januar 17th, 2011

An Forderster-Front

Obwohl es mit Dschungelcamp, Hochwasser und Frau Sarrazin gerade eigentlich genug Themen gibt, macht “Bild” noch ein Fass auf: In der heutigen Ausgabe darf Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle vorschlagen, “Discounter wie ALDI und LIDL” sollten auch Kraftstoff anbieten:

Brüderle zu BILD: “Preise bilden sich am besten immer noch durch Wettbewerb. Wenn das Angebot steigt, sinkt der Preis. Ich freue mich deshalb über jeden zusätzlichen Wettbewerber und kann Unternehmen nur ermutigen, in den Benzinmarkt einzusteigen.” Hintergrund: In Österreich können Autofahrer bei der ALDI-Süd-Tochter Hofer deutlich billiger tanken.

Doch damit nicht genug: Ebenfalls in “Bild” (und sehr viel ausführlicher bei Bild.de) fordert ein weiterer Politiker energische Maßnahmen:

Unterdessen droht der erste Politiker den Multis mit staatlich festgelegten Höchstpreisen beim Benzin!

Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas zu BILD.de: “Sollten die Ölkonzerne weiter die Preisspirale willkürlich nach oben drehen, muss die Politik reagieren. Auch in Deutschland muss es dann nach dem Vorbild Luxemburgs möglich sein, staatliche Höchstpreise bei Benzin, Öl und Gas zu verhängen.” Luxemburg habe längst erkannt, dass die Energiepreise die “Brotpreise des 21. Jahrhunderts” seien.

Mit dem “ersten” Politiker hatte “Bild” offenbar Recht — das kennt man ja auch anders. Nur äußert Maas diese Forderung nicht zum ersten Mal:

Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas zu BILD: “Sollten die Ölkonzerne weiter die Preisspirale willkürlich nach oben drehen, muss die Politik reagieren. Auch in Deutschland muss es dann nach dem Vorbild Luxemburgs möglich sein, staatliche Höchstpreise bei Benzin, Öl und Gas zu verhängen!”

(“Bild”, 13. März 2010)

Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas fordert in der “Saarbrücker Zeitung” sogar gesetzlich geregelte Sprit-Höchstpreise wie im Nachbarland Luxemburg.

(“Bild”, 26. April 2008)

Den Nachrichtenagenturen dapd und AFP hielten es dennoch für eine Nachricht, weswegen Maas jetzt u.a. bei “RP Online”, “Focus Online” und “Der Westen” fordern darf.

Mit großem Dank an Philipp M.

Bravo  

Rache ist ein Kinderspiel (2)

Erinnern Sie sich an die Tipps, die die “Bravo” im vergangenen Sommer ihren pubertierenden Lesern gegeben hat, wie sie sich an ihren Ex-Freundinnen oder Freunden rächen können? In der bunten “Hot-List” fanden sich Punkte wie:

  • Du stellst eine geöffnete Flasche Cola auf seinen Schreibtisch — in die Du vorher Abführmittel gekippt hast.
  • Du läufst gegen einen Pfosten und erzählst nachher, die blauen Flecken stammten von ihr!

Mit den meisten vorgestellten Formen der Rache hätte man sich strafbar gemacht (BILDblog berichtete).

Der Bauer-Verlag, in dem die “Bravo” erscheint, meint, dass die Zeitschrift die Rache-Ideen gar nicht empfiehlt, sondern im Gegenteil vor ihnen warnt. Es handele sich nämlich um Satire, teilte die Staabsstelle Medienrecht dem Presserat mit, der ihre Stellungnahme so zusammenfasst:

Bekanntermaßen geschehe bei Satire die Sichtbarmachung von Missständen (z.B. “Mein Partner trennt sich von mir”) durch Stilmittel, die eine Verfremdung zur Folge hätten, da der Text von dem normalerweise zu erwartenden abweiche. Folglich setze die Satire als Stilmittel unter anderem die Verdrehungen ein: Gefährliches werde als harmlos dargestellt.

Vor diesem Hintergrund mache die “Hot-List” deutlich, dass jemand, der von seinem Partner verlassen wird, eben gerade bestimmte Rachepläne nicht umsetzen sollte.

Der Beschwerdeausschuss des Presserates war nicht ganz überzeugt:

Mit einigen der Tipps [wie zum Beispiel den beiden oben zitierten] wird die Grenze zwischen einem noch zulässigen Streich hin zu einem Straftatbestand überschritten. Eine auch für die Leserinnen und Leser klar erkennbare satirische Diktion sah der Ausschuss nicht. Die Redaktion ist hier eindeutig zu weit gegangen. Insbesondere im Hinblick auf die jugendliche Leserschaft von BRAVO ist es ethisch nicht akzeptabel, wenn solche Empfehlungen gegeben werden.

Der Presserat urteilte (schon im vergangenen Herbst), “Bravo” habe gegen die Ziffer 11 des Pressekodex (Jugendschutz) verstoßen, und gab der Redaktion einen entsprechenden “Hinweis”.

Mit Dank an Stefan W.!

Christoph Lütgert, Horoskope, Dioxin

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wieder mal … alle Horoskope falsch”
(blog.gwup.net, Bernd Harder)
Bernd Hader schreibt zum “Astro-Schock” auf der Titelseite von “Bild”: “Natürlich sind “alle Horoskope falsch”. (…) Denn bekanntermaßen betrachten Astronomen die realen Sternbilder am Himmel, während Astrologen ihre Horoskope am Schreibtisch erstellen und dafür nur die Tierkreiszeichen ins Kalkül ziehen.”

2. “Der deutsche Michael Moore”
(begleitschreiben.twoday.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig kritisiert die ARD-Dokumentationen “Der Drückerkönig und die Politik” und “Die kik-Story” von Christoph Lütgert: “Sie klären nicht auf, sondern wedeln immer schon mit ihrem Urteil, welches von Anfang an feststeht. Sie installieren eine saubere Unterteilung der Welt und Gut und Böse. In diesem offenen Meinungsjournalismus liegt mir zu viel Entmündigung des Zuschauers.”

3. “Populistisch, nicht einmal selbstkritisch”
(dradio.de, Helmut Böttiger)
Helmut Böttiger findet, die Literaturkritik müsse sich um den einzelnen Leser kümmern, nicht um das große Lesepublikum: “Die selbsternannten ‘Medienexperten’ sind das eigentliche Unheil, wenn über Literatur und Kunst verhandelt wird. Sie gehen allen Ernstes davon aus, dass ein trendiger Lifestyle- und Magazin-Journalismus alles abdecken könnte.”

4. “Mit Bildern Effekte erzielen”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Die “taz” zeigt zu den aktuellen Konflikten in Tunesien das Bild eines Toten auf der Titelseite. Ausgehend von einer empörten Zuschrift einer Leserin und einer Antwort aus der taz-Fotoredaktion wird die Angemessenheit der Aktion im hauseigenen Blog kontrovers diskutiert.

5. “Udo Pollmer über das Sevesogift Dioxin”
(youtube.com, Video, 13:54 Minuten)
Lebensmittelchemiker Udo Pollmer vom Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften (das-eule.de) versucht, Dioxin zu erklären und die davon ausgehenden Gefahren einzuordnen (Teil 2 hier).

6. “Wikipedia:Kuriositätenkabinett”
(de.wikipedia.org)
Am Samstag wurde die Wikipedia zehn Jahre alt. Ein unterhaltsamer Einstieg ist das Kuriositätenkabinett. Wer einen Fehler findet, kann ihn korrigieren.