Man tut Sonic Syndicate vermutlich nicht Unrecht, wenn man behauptet, es gebe noch einige bekanntere Bands aus Schweden.
Der Mann (es steht zu vermuten, dass es sich um einen Mann gehandelt haben muss), der für den Kölner “Express” den Veranstaltungstipp für das Kölner Konzert von Sonic Syndicate am Dienstag geschrieben hat, kennt sich hingegen aus:
Moment. Man kann sich so schlecht auf die Bildunterschriften konzentrieren:
Prost! Karin Axelssonn ist nicht nur Bassistin der Band…
… sondern zeigt im Video den übrigen Bandmitgliedern, was sie drunter trägt.
Dass der Mann nicht wusste, wie man den Namen von Karin Axelsson korrekt schreibt (nämlich mit einem “n”), ist verzeihlich — aber er weiß offensichtlich auch nicht, wie Karin Axelsson aussieht. Anders jedenfalls als die dralle, barbusige Blondine, die der “Express” riesengroß zeigt und die im (umstrittenen) Video zur Single “Turn It Up” zu sehen ist.
Mal zum Vergleich:
Unbekannte, barbusige Blondine:
Karin Axelsson:
Mit Dank an Ralf M., Nico E. und an Gregor G. für den Scan.
Stellen Sie sich doch bitte einmal folgende Meldung vor:
Vor den Augen seiner 16-jährigen Tochter Kirstin hat der Deutsche Harald B. (44) gestern Vormittag seine Frau Sandra (38) erschossen. (…) Auch auf die verhassten Nachbarn hatte es der selbständige Spediteur wohl abgesehen. Nach den tödlichen Schüssen trat der Christ die Wohnungstür der Familie Z. im fünften Stock ein.
Oder die hier:
In Siegburg verübte ein Mitteleuropäer am Montag einen Brandanschlag auf einen Linienbus.
Klingt komisch, oder? Sie fragen sich bestimmt, welche Relevanz es hat, ob ein mutmaßlicher Täter “Deutscher” oder “Mitteleuropäer” ist oder welche Rolle sein Glaube spielt. Die richtige Antwort lautet – außer etwa, wenn nach einem Täter gefahndet wird – so gut wie immer: Keine Relevanz, keine Rolle.
Auf Bild.de ist von Herkunft oder Glaube in der Regel keine Rede, solange die Straftat von einem Mitglied der Bevölkerungsmehrheit begangen wurde. Handelt es sich bei mutmaßlichen Straftätern jedoch um Angehörige bestimmter ethnischer oder religiöser Minderheiten, dann werden solche überflüssigen Details scheinbar plötzlich relevant.
So lauten die betreffenden Sätze der ersten Meldung auf Bild.de in Wirklichkeit:
Vor den Augen seiner 16-jährigen Tochter Melissa hat der Bosnier Bajro H. (44) gestern Vormittag seine Frau Indira (38) erschossen. (…) Auch auf die verhassten Nachbarn hatte es der selbständige Spediteur wohl abgesehen. Nach den tödlichen Schüssen trat der Moslem die Wohnungstür der Familie Z. im fünften Stock ein.
(Hervorhebungen von uns)
In Siegburg verübte ein Südländer am Montag einen Brandanschlag auf einen Linienbus.
(Hervorhebung von uns)
In beiden Fällen hatten Herkunft und Glaube keinerlei Bezug zu den jeweiligen Vorfällen, was man auch daran sehen kann, dass “Stuttgart Journal” und ksta.de gut ohne ihre Nennung auskamen. Bild.de hat damit also klar gegen Ziffer 12 des Pressekodex verstoßen:
Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.
Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Schwulenhetze als Verkaufsschlager” (taz.de, Simone Schlindwein)
Simone Schlindwein spricht mit dem 22-jährigen Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung “Rolling Stone” aus Uganda, Giles Muhame: “Bereits Anfang Oktober outete die damals noch unbekannte Zeitung die ‘100 Top-Homos in Kampala’. Auf den Folgeseiten war eine Serie schlecht gedruckter Schwarz-Weiß-Fotos von Männern in anzüglichen Posen zu sehen. Darunter jeweils Name, Wohnort und Angaben zur Penisgröße.”
2. “Michael Douglas-Interview eine Fälschung” (meedia.de)
Ein von “Berliner Kurier”, “Hamburger Morgenpost” und “Express” gedrucktes Interview mit Michael Douglas wurde nicht geführt. Der Sprecher des Schauspielers dazu: “Dieses Interview wurde sorgfältig zusammengesetzt aus Bemerkungen, die Michael Douglas auf verschiedenen Pressekonferenzen und in Interviews im vergangenen Jahr gemacht hat. Aber das meiste ist komplett ausgedacht.”
5. “Wenn das Zebra im eigenen Streifen spielt” (jungle-world.com, Heiko Werning, 11. November)
Heiko Werning beurteilt das Ausmaß von Manipulationen in Tierfilmen: “Solange die Tiere als Schauspieler arbeiten und einfach nur ein solides, gut recherchiertes Sachstück visualisieren, bei dem sie sich selbst spielen, ist alles in Ordnung. Peinlich wird es natürlich, wenn durch unsachkundige Zusammenschnitte plötzlich Arten gemeinsam durch einen Wald tollen, die in der Natur gar nicht im selben Lebensraum vorkommen, oder wenn dem Zuschauer Verhaltensweisen präsentiert werden, die das Tier unter normalen Umständen im Leben nicht zeigen würde.”
6. “Sport Bild-Watch (4)” (el-futbol.de, Sidan)
“Wird die Sport Bild etwa auf die alten Tage doch noch einmal zur vernünftigen Sportzeitung? Leider spricht wieder einiges dagegen: mit Statistiktricks, stillen Kampagnen und offensichtlichen Stimmungsschwankungen wird der Leser erneut manipuliert und für dumm verkauft.”
Die Meldung, dass die meisten Neugeborenen in England und Wales im vergangenen Jahr “Mohammed” genannt worden seien, hat über zwei Wochen gebraucht, um im vermeintlichen Nachrichtenmagazin “Focus” anzukommen. Auf dem Weg dahin ist sie älter geworden. Richtiger nicht.
Also noch einmal: Die Statistiker sind, anders als die beiden (!) Autoren des “Focus”, keineswegs einem “Irrtum aufgesessen”; es war einfach ihre Methode, die unterschiedlichen Schreibweisen von Namen getrennt zu zählen. Fasst man sie aber zusammen, muss man das natürlich nicht nur bei Mohammed/Muhammad tun, sondern zum Beispiel auch bei Oliver/Olli, Harry/Henry usw. Zählt man dann entsprechend durch, liegen Oliver und Harry aber wieder vor Mohammed.
Ihre Falschmeldung, Mohammed sei 2009 der beliebteste Jungenname in England und Wales gewesen, haben bis heute weder die Nachrichtenagenturen dpa und AFP noch Medien wie “Spiegel Online”, “Welt Online”, die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” oder die “Financial Times Deutschland” korrigiert.
In den USA warten derzeit mehr als 3.000 Gefangene auf ihre Hinrichtung, einer von ihnen ist John David Duty. Weil dem Staat Oklahoma das Medikament Thiopental ausgegangen ist, soll bei Dutys geplanter Exekution im Dezember Pentobarbital zum Einsatz kommen, das sonst zur Betäubung von Tieren eingesetzt werden. So berichteten es ausländischeMedien seit dem 9. November.
Mit etwas Verspätung kam die Geschichte vergangenen Freitag auch bei Bild.de an. Aber warum sitzt Duty überhaupt im Knast?
Duty war im Jahr 2001 wegen Mordes an seiner 22-jährigen Zellengenossin zum Tode verurteilt worden.
Er hatte die junge Frau mit Schnürsenkeln erdrosselt. Zu diesem Zeitpunkt saß Duty gerade drei lebenslange Haftstrafen ab – wegen Vergewaltigung, Raub und versuchten Mordes.
Nun ist es selbst in einem Land wie den USA, wo die Uhren manchmal etwas anders ticken, unüblich, verurteilte Straftäter mit jungen Frauen in eine Gefängniszelle zu sperren — noch dazu, wenn es sich dabei um Vergewaltiger handelt.
Auch wenn “cellmate” im Englischen sowohl männlich als auch weiblich sein kann: Der Vorname hätte – neben der offensichtlichen Tatsache, dass es keine Unisex-Gefängniszellen gibt – ein Indiz für das Geschlecht des Opfers sein können, denn amerikanische Medien schreiben:
The 58-year-old Duty was convicted of the Dec. 19, 2001, killing of 22-year-old Curtis Wise, who was Duty’s cellmate at the Oklahoma State Penitentiary in McAlester. Wise was strangled with shoelaces.
Der 58-jährige Duty wurde wegen Tötung des 22-jährigen Curtis Wise am 19. Dezember 2001 verurteilt, der Dutys Zellengenosse im Staatsgefängnis von Oklahoma in McAlester war. Wise wurde mit Schnürsenkeln erdrosselt.
Heute nun berichtet auch “Spiegel Online” über den Fall und schreibt:
Duty war 2001 wegen Mordes an seiner 22-jährigen Zellengenossin zum Tode verurteilt worden.
Weite Teile des Artikels wurden aus einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP übernommen, doch genau dieser Satz stellt die einzig nennenswerte Einzelleistung der Autorin dar. Oder die von Bild.de.
Mit Dank an Benjamin.
Nachtrag, 12.09 Uhr: “Spiegel Online” hat den Satz unauffällig zusammengekürzt:
Duty war 2001 wegen Mordes zum Tode verurteilt worden.
2. Nachtrag, 15.20 Uhr: Jetzt steht auch ein Hinweis bei “Spiegel Online”:
Anmerkung der Redaktion: In der ersten Version dieses Textes hieß es fälschlicherweise, Duty sei 2001 wegen Mordes “an seiner 22-jährigen Zellengenossin” zum Tode verurteilt worden. In Wahrheit handelte es sich um einen männlichen Mitgefangenen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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1. “Nach dem Facebook-Event: Der Hype-Journalismus im Schatten der Web-Giganten” (wasmitmedien.de, Daniel Fiene)
Es reicht, Journalisten statt zu einer “Pressekonferenz” zu einem “Event” einzuladen und in einem Nebensatz ein völlig neues Zeitalter zu versprechen – und schon ist das von Facebook angekündigte Messaging-System in allen Medien: “In großen Teilen sind auch heute Morgen die Nachberichte vom Facebook-Event völlig unkritisch – und das obwohl die meisten Autoren nicht einmal persönlich das System oder zumindest eine Demo testen konnten. Sie müssen sich auf das verlassen, was ihnen bei dem Event präsentiert wurde.”
2. “Einmal rein und raus” (journalist.de, Gabriele Bärtels)
Journalistin Gabriele Bärtels schildert, wie ein klassisches 15-Minuten-Interview mit einem Filmstar abläuft: “Ich ballere zusammenhanglose Fragen ab, weil mir aus Zeitmangel nichts anderes übrig bleibt. Der Prominente guckt vertraut, tut erfreut, obwohl er weiß, dass ich lüge, und er lügt.”
3. Interview mit Frank Westphal (stefanmey.wordpress.com, Stefan Mey)
Frank Westphal gibt zu, dass er bei dem von ihm entwickelten Newsaggregator Rivva auch redaktionell eingreift. Neben der Monetarisierung des Diensts geht es in Teil 2 des Gesprächs um Links.
4. “Let’s Play A Game: Anarchist Or Photo Op?” (techdirt.com, Mike Masnick, englisch)
Viele britische Zeitungen hieven ein Foto einer Gewalttat anlässlich der Studentenproteste auf die Titelseite. Die vielen danebenstehenden Fotografen werden konsequent weggeschnitten.
5. “Tief im Western mit der ‘Aktuellen Stunde'” (coffeeandtv.de, Lukas Heinser) Kerpen muss seinen Status als Formel-1-“Weltmeisterstadt” an Heppenheim abgeben. Die WDR-Sendung “Aktuelle Stunde” spricht dazu mit von diesem Umstand nicht besonders aufgewühlten Kerpenern.
6. “Showdown beim Elternabend” (stern.de, Holger Witzel)
“Ob es um den Kuchenbasar für die Erdbebenopfer geht oder um die meisten überflüssigen Fragen zur Klassenfahrt – an ihrem Benehmen auf Elternabenden sollt ihr sie erkennen.”
Seit Wochen lobpreist “Bild” die RTL2-Sendung “Tatort Internet”, in der gezeigt wird, wie Männer in Chats vermeintlich 13-jährige Mädchen ansprechen, sich mit ihnen verabreden und sie treffen (BILDblog berichtetemehrfach). Erst vergangenen Mittwoch erklärte die Zeitung die Politikergattin Stephanie zu Guttenberg, die in der Erstausgabe der Sendung herumgesessen hatte, mit einer beeindruckenden Begründung zum “Gewinner” des Tages:
Riesenerfolg für Stephanie zu Guttenberg (33)! Seit die Ministergattin mit der Sendung “Tatort Internet” gegen Kinderschänder kämpft, steigt die Zahl von Hinweisen auf Kinderpornografie bei der Beschwerdestelle der Internet-Wirtschaft rasant. Kindersex-Fotos und -Videos verschwinden schneller aus dem Netz.
BILD meint: Bravo!
Die Menschen, die in “Tatort Internet” leidlich anonymisiert der Öffentlichkeit preisgegeben werden, bezeichnet “Bild” gern als “Kinderschänder” oder “Sex-Ekel”, die sich “an 13-jährige Kinder ranmachen wollten, um sie zum Sex zu überreden”.
Umso erstaunlicher ist der Tonfall, in dem Bild.de und “Bild am Sonntag” über einen Fall aus Österreich berichten, in dem eine 42-jährige Handball-Trainerin zu 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden war, weil sie mit einem damals 13-jährigen Schutzbefohlenen eine Affäre eingegangen war:
Schlimm, so Bild.de, scheint das alles nicht so richtig zu sein:
Er wollte Handball bei ihr spielen. Doch seine Trainerin unterwies ihn im verbotenen Liebesspiel: Jetzt wurde Renata C. (42) wegen Verführung eines Minderjährigen zu 22 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.
Immer wieder droht die Berichterstattung in eine Art “Schuljungenreport” umzuschlagen:
Erwin U. – eine imposante Erscheinung, gut aussehend, groß und schlank, athletisch. Er ist inzwischen 14, wirkt aber deutlich älter.
Die Angeklagte wird dabei als “liebestolle Trainerin” (“Kurze Strubbelfrisur”, “selbst Mutter zweier halbwüchsiger Töchter”) bezeichnet, der Schüler erst als “Opfer”, dann als “Toy-Boy”. In weiteren Artikeln ist von “Spielchen außerhalb des Strafraums” die Rede, die die “Sex-Trainerin” mit dem “Burschen” getrieben habe.
So richtig mochte sich offenbar auch die “Bild am Sonntag” nicht für eine moralische Bewertung entscheiden, die ihr sonst so leicht von der Hand geht:
Während die Öffentlichkeit streitet, ob diese Beziehung romantisch, unmoralisch, oder gar pervers ist, bekommt Erwin zumindest von seinen Freunden Rückendeckung. “Meine Freunde und Schulkollegen haben volles Verständnis für meine Beziehung.” Und auch Renata sagt: “Mein Mann auch. Er war in den letzten Monaten eine große Stütze, er ist großartig.”
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1. “Satire darf das” (freitag.de, Karsten Laske)
Für Karsten Laske ist ein Fernsehfilm wie “Das Millionenspiel” von 1970, der “erstmals das Sujet der Menschenjagd mit einer beißenden Medienkritik” verband, derzeit undenkbar: “Die Bundesrepublik der Fernsehfilme ist eine völlig unwirkliche Wirklichkeit geworden. Verlassene Ehefrauen machen sich am Ende einer romantischen Komödie selbstständig und eröffnen ein Marmeladengeschäft, das natürlich bombig läuft. Alleinstehende Lehrerinnen leben in schlossähnlichen Villen. Familien haben sich vor allem lieb. Putzfrauen sehen aus wie Gudrun Landgrebe. Und wer stirbt, kommt in einen teuren Sarg.”
2. Interview mit Jürgen Klopp (funkkorrespondenz.kim-info.de, Freddie Röckenhaus)
Fußball: Jürgen Klopp hält Aussagen wie “Wir waren nicht nah genug dran”, “Unsere Einstellung war falsch”, “Wir standen zu tief” oder “Wir konnten die Zweikämpfe nicht führen” für “Mode-Statements”: “Ja, warum konnte man denn die Zweikämpfe nicht führen? Wenn man nicht festgebunden ist, warum kann man es dann nicht?”
4. “Meistbietend zu verkaufen: Glaubwürdigkeit” (medienpiraten.tv, Peer Schader)
Peer Schader liest Fernsehzeitschriften und fragt sich: “War es früher einmal so, dass Zeitschriften keine fragwürdigen Deals eingehen mussten, um sich Anzeigen von Werbekunden zu sichern?”
5. “wie verlinkt man Blogs?” (robertbasic.de)
Robert Basic zählt auf, was für das Verlinken von Blogs spricht: “1. Ihr bietet dem Leser weitere Informationen und Sichtweisen. 2. Ihr bietet dem Leser neue Quellen, die für ihn dauerhaft spannend sein können 3. Ihr honoriert die Leistung des anderen Bloggers, sich die Mühe gemacht zu haben, Informationen aufzubereiten. (…)”
6. “Singen ohne Angst vor der Gema” (heise.de/tp, Peter Mühlbauer)
“Nach deutschem Urheberrecht noch einmal gesondert genehmigungs- und abgabepflichtig” sind “Fotokopien von Noten und Texten” von Liedern, die in Kindergärten gesungen werden (siehe auch das Quer-Blog auf br-online.de vom 20. Oktober). Der Verein Musikpiraten sucht nun Notenbläter “gemeinfreier Advents- und Weihnachtslieder, die entweder unter Creative Commons lizenziert sind, oder von den Urhebern sogar als gemeinfrei ausgezeichnet wurden”.
Vergangene Woche begann vor dem Landgericht in Arnsberg die Verhandlung im Falle eines 80-Jährigen, der vor über einem Jahr mit seinem Wagen in einen Schützenumzug gefahren war und dabei drei Menschen getötet hatte. 50 weitere wurden zum Teil schwer verletzt.
Die Presseagentur dapd wusste folgendes über den Angeklagten zu berichten:
Mit tränenerstickter Stimme bedauert der gebrochen wirkende Mann zum Prozessauftakt das Geschehen: “Es tut mir unendlich leid, was ich so vielen Menschen zugefügt habe. Was da passiert ist, kann man nie wieder gut machen.” (…) Der erste Geschäftsführer des Schützenvereins Sankt-Hubertus, Rüdiger Morena, zeigt sich von der Reue des Angeklagten beeindruckt. “Das war ein großes Zeichen von Stärke”, sagt er im Anschluss. Für den Verein, die Hinterbliebenen und alle Betroffenen sei es “wichtig, dass er sich entschuldigt hat”.
express.de fasst diese bewegenden Momente in seiner Überschrift so zusammen:
Offenbar war es express.de nicht genug, eine Entschuldigung in “Gejammer” umzudeuten oder die versöhnlichen Worte im Namen der Hinterbliebenen im dazugehörigen Artikel gar nicht erst zu erwähnen — es musste auch noch die Unterstellung her, der Rentner sei “besoffen in die Menge gerast”.
Dabei taucht weder im aktuellen Gerichtsfall, noch in der Berichterstattung vor einem Jahr (auch nicht auf express.de selbst) der Vorwurf auf, Alkohol habe bei der Unglücksfahrt eine Rolle gespielt. Stattdessen deutet einiges darauf hin, dass der Angeklagte, der sich an den Unfall nicht mehr erinnern kann, damals einen Schwächeanfall erlitten hatte.
Ein Sprecher der zuständigen Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis bestätigte gegenüber BILDblog, dass es keinen einzigen Hinweis darauf gebe, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des Unfalls in irgendeiner Form alkoholisiert war. Dies sei auch nie Gegenstand der Ermittlungen gewesen.
Es scheint sich also eher um eine Schnapsidee von express.de zu handeln.
Mit Dank an Ralf M.
Nachtrag, 20.05 Uhr:express.de hat das Wort “besoffen” inzwischen entfernt und in einer Anmerkung ergänzt:
In der Dachzeile dieses Beitrags (und nur dort) stand ursprünglich “Besoffen in die Menge gerast”. Das war ein bedauerlicher Fehler: Der Unfallfahrer war bei dem Vorfall nicht betrunken.