Das passt natürlich alles ganz schön zusammen: Das sogenannte Sommerloch zwingt die Redaktionen dazu, noch egalere Meldungen als sonst schon zur Schlagzeile zu erheben, gegen die GEZ und ihre Methoden kann man jederzeit preisgünstig Stimmung machen und Tiere gehen sowieso immer.
“Bild” berichtet deshalb heute in der Münchener Regionalausgabe über die tote Rauhhaardackeldame Bini, die Post von der GEZ bekam (nicht zu verwechseln mit der ebenfalls toten Cocker-Spaniel-Dame Geisha, der vor sechseinhalb Jahren dasselbe passierte).
dpa tickerte am Mittag eine Kurzfassung des “Bild”-Artikels unter den Kategorie-Bezeichnungen “Tiere” und “Buntes”, aber die war “Spiegel Online” dann wieder zu wenig.
Also ging man dort direkt an die Quelle bei “Bild” und holte sich noch ein paar zusätzliche Details. Und verhedderte sich beim Apportieren:
Der Brief der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) drohte im typischen Eintreiber-Deutsch: “Bini” solle jetzt mal ihren Fernseher anmelden, denn sie verdiene “bereits eigenes Geld”. Und, so unterstellten die findigen GEZ-Detektive: “Ihr Einkommen liegt über dem einfachen Sozialhilferegelsatz von monatlich 287 Euro”.
Das jedoch hatte nicht mal “Bild” behauptet:
In einem Brief vom 30. Juli fordern die Rundfunkgebühren-Eintreiber Bini schriftlich auf, ihre Rundfunkgeräte anzumelden. Vorausgesetzt, “Sie verdienen bereits eigenes Geld” und “Ihr Einkommen liegt über dem einfachen Sozialhilferegelsatz von monatlich 287 Euro”.
(Hervorhebung von uns.)
Mit Dank an Björn C.
Nachtrag, 11. August: “Spiegel Online” hat den Artikel überarbeitet und folgende Anmerkung darunter gesetzt:
Anmerkung der Redaktion: In der ursprünglichen Version dieses Textes hieß es, die GEZ hätte dem toten Dackel ein Einkommen von mehr als 287 Euro unterstellt. Korrekt ist: Die GEZ hat den toten Dackel Bini zum Zahlen der GEZ-Gebühr aufgefordert, vorausgesetzt sein Einkommen liege über 287 Euro. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Doku-Soaps: Der produzierte Prolet” (zeit.de, Nina Pauer)
Nina Pauer macht sich Gedanken über die fiktiven Doku-Soaps im Nachmittagsprogramm des Privatfernsehens: “In den neuen Dokusoaps werden die erfundenen Krawallgeschichten der Personen, die sich vor einigen Jahren noch auf Talkshowsesseln beschimpft haben, nun direkt in deren vermeintlichen vier Wänden abgefilmt. Ein Studio mit aufwendiger Beleuchtungstechnik ist bei diesen fiktiven Homestories nicht mehr vonnöten, gedreht wird in gemieteten Wohnungen, wodurch die Produktionskosten dramatisch gefallen sind.”
2. “Im toten Winkel” (freitag.de, David Begrich)
David Begrich von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim “Verein Miteinander” in Magdeburg vermisst die lokale Streitkultur in Ostdeutschland. Er analysiert das Verhalten der Medien bei rechtsextremen Vorfällen: “Der Grad medialer Aufmerksamkeit für einen rechtsextremen Vorfall ist eng verknüpft mit der Frage, ob dieser von überregionalen medialen Multiplikatoren überhaupt wahrgenommen und aufgegriffen wird. Geschieht das nicht, unterbleibt eine über die lokale Ebene hinausreichende Bearbeitung des Ereignisses.”
4. “Gala-Titel schummelt” (dieganzewahrheit.blog.com, Thomas Weiss)
Thomas Weiss erblickt Michelle Hunziker, “Testimonial und Markenbotschafterin des Kosmetikherstellers L’Oréal”, auf der Titelseite von “Gala”. Das eigentliche Titelbild findet er dann auf der übernächsten Seite.
5. “Verleger, DJV und Verdi – die Feinde der Pressefreiheit” (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer bezeichnet das geplante Leistungsschutzrecht als “Monster” und “Missgeburt”: “Verleger und Journalistengewerkschaften arbeiten Hand in Hand an der Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit. Wir müssen darauf hoffen, dass Deutschlands Politiker dem Lobbyismus der Demokratiegefährder nicht erliegen.”
Bei stern.de nennen sie Hans Peter Schütz einen “Homo politicus”, der “den manchmal keineswegs politisch korrekten Tratsch hinter den Kulissen des politischen Berlins” in seiner Kolumne “Berlin vertraulich” notiere.
Diese Woche hat sich Schütz Guido Westerwelles Verhältnis zu Zahlen vorgeknöpft, das bekanntlich nicht das Beste ist.
Wenn Guido Westerwelle Kanzlerin spielen darf, wie vergangene Woche, hat er mathematische Probleme. Auf der Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung, die er leiten durfte, beantwortete er die Frage von stern.de, wie er denn das Wahlergebnis der Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion und baden-württembergischen FDP-Landesvorsitzenden Birgit Homburger bei ihrer Wiederwahl auf dem jüngsten FDP-Landesparteitag bewerte, mit einem kühnen Satz: “Gut! Sie hat doch eine klare Zweidrittelmehrheit bekommen.” Klare Mehrheit? Knapper geht’s kaum. Zwei Drittel von 100 Prozent sind bekanntlich 66,6 Prozent. Geschafft hat Homburger 66,8.
Westerwelles Rhetorik ist natürlich durchschaubar: Bei der letzten Wahl war die Zustimmung für Frau Homburger noch sehr viel höher ausgefallen. Aber dennoch sind 66,8 Prozent natürlich eine ziemlich klare Mehrheit, sogar eine eindeutige (“klare”) Zweidrittelmehrheit. Aber vielleicht braucht es 81 Prozent, um auch Hans Peter Schütz zufrieden zu stellen — natürlich nur als klare Zweidrittelmehrheit, als Vierfüntelmehrheit wäre das ja wieder denkbar knapp.
Aber offenbar legt es Schütz gar nicht groß darauf an, Westerwelle zu verstehen:
Wenn er rechnet betreibt er politische Mathematik. Und die ist – schwer zu verstehen. Sie geht so: In Nordrhein-Westfalen kam die FDP bei der letzten Landtagswahl auf 6,7 Prozent. (…) Und wie rechnet sich Westerwelle das Ergebnis an? “Das war in Nordrhein-Westfalen noch das zweitbeste Ergebnis in den letzten 30 Jahren.” Im Jahr 2000 kam die FDP dort mit Jürgen Möllemann an der Spitze auf 9,8 Prozent. Vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2010 sind es nach Adam Riese zehn Jahre, nach Guido Westerwelle 30.
Zu dem Schluss braucht es schon einiges an bösem Willen, denn Westerwelle hat mit seiner Schönrederei nicht Unrecht: Nach der Landtagswahl 1975 (also genau genommen in den letzten 35 Jahren) hat die FDP nur ein einziges Mal mehr als die jetzt gewonnenen 6,7 Prozent erreicht — eben bei der Wahl vor zehn Jahren.
Gerade Familien mit Kindern fahren in den Sommerferien oft über viele Jahre hinweg an den gleichen Ort. Die Kleinen kennen sich schon aus und können morgens allein zum Bäcker gehen, die Eltern kennen die Gegend und die Restaurants — man weiß, was man hat.
Auch auffallend viele “Bild”-Leser scheinen dieses Jahr den gleichen Urlaub gebucht zu haben wie 2009 — was sich auf positiv auf ihren Alterungsprozess auszuwirken scheint. Oder Bild.de hat einfach weite Teile des letztjährigen “Urlaubs-Albums” genommen und in diesem Jahr recycelt:
2009:
2010:
2009:
2010:
2009:
2010:
2009:
2010:
2009:
2010:
Und so weiter und so fort. Wie bei einem “Memory”-Spiel kann man die beiden Bildergalerien durchklicken und immer wieder bereits Gesehenes entdecken.
Warum ausgerechnet bei dieser Hundehalterin das Alter angepasst wurde, ist allerdings noch rätselhafter als die ganze Geschichte:
2009:
2010:
Mit Dank an Sven R.
Nachtrag/Korrektur, 16.50 Uhr: Wir hatten ursprünglich an einer Stelle vergessen, einen Nachnamen zu anonymisieren. Entschuldigung!
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1. “Der ‘Auf-dem Boden-Rum-Roll-Trick'” (stern.de, Uta Eisenhardt)
Redakteure des Sat.1-Frühstücksfernsehens stehen vor Gericht, weil sie im Flughafen Berlin-Tegel einen Zwischenfall inszenierten. Zitat des Richters: “Sie haben einen Einsatz der Bundespolizei ausgelöst, haben bei den Umstehenden Angst provoziert und das für einen reißerischen Beitrag. Das Privatfernsehen kann nicht auf Kosten der Öffentlichkeit Gewinne einfahren!”
2. “Warnung vor unliebsamen Berichterstattern” (heise.de/tp, Thorsten Stegemann)
Thorsten Stegemann beleuchtet das Verhältnis zwischen Rechtsextremen und den Medien. So befasst er sich mit elf Verhaltensmaßregeln gegen die Medien, die das “Deutsche Rechtsbüro” herausgegeben hat.
3. “Lügen gegen Kuba” (jungewelt.de, André Scheer)
Vorwürfe gegen den “Spiegel”: Ein Interview mit Mariela Castro soll nicht gestellte Fragen und falsche Zitate beinhalten. Nachtrag, 20. August: Mehr dazu hier.
4. “Piratendemokratie: Medien-Coup oder Journalistisches Totalversagen?” (twistedexperiment.blog.com, Twisted)
Zahlreiche Medien verbreiten eine dpa-Meldung, die glauben macht, die Piratenpartei habe “Liquid Feedback” auf Bundesebene in Betrieb genommen. Der Vorstand allerdings entschied sich “gegen den ‘verfrühten Start’ des Tools”: “Daraus resultierte nun eine reichlich absurde Situation, die bei einer anderen Vorstandsentscheidung kaum aufgefallen wäre: Die Piraten haben kein LF auf Bundesebene; aber zahlreiche Medien behaupten es.” Auch gulli.com berichtet.
6. “Sind Sie ein Terrorist? Ich bin … äh … ein Baby.” (korrespondenten.blog.sf.tv, Arthur Honegger)
Auch die zwei Wochen alte Tochter von Arthur Honegger muss den Fragebogen “Sicherheit und Hintergrund” ausfüllen, wenn sie ein Visum für die USA haben möchte.
Bild.de hat eine gigantische Insel entdeckt, größer als Deutschland:
Es soll sich dabei um die spanische Insel Mallorca handeln. Die ist allerdings nicht ganz so groß, wie auf Google Maps und auch auf der von Bild.de verwendeten Website Stepmap.de herauszufinden ist:
Die Transferperiode – ein fast magisches Wort für Fans, um die Sommerpause zu überbrücken, Lebenselixier über Wochen für Zeitungen, vorzugsweise in Südeuropa. Spekuliert wird, was die Branche hergibt.
soweit die Theorie laut “Spiegel Online”. Andererseits gibt es natürlich auch beim heiteren Spielerwechsel zwischen den Bundesligasaisons ein paar gesicherte Fakten, die man natürlich kennen muss.
Der folgende Satz enthält trotzdem zwei Fehler:
Magath verkauft die teuren Leistungsträger der Vergangenheit wie Kuranyi, Bordon oder Rafinha, dadurch kommen Ablösemillionen in die Kasse, stattdessen werden Stars à la Raúl geholt, die ablösefrei sind und man über das Gehalt ködert.
Die “Ablösemillionen” der drei genannten Spieler summieren sich auf die geschätzten acht bis zwölf Millionen, die der Verkauf von Rafinha eingebracht haben soll. Kevin Kuranyi dagegen wechselte ablösefrei zu Dynamo Moskau, der Vertrag mit Marcelo Bordon wurde aufgelöst, auch er verließ den FC Schalke, ohne dass sein neuer Verein Al-Rayyan eine Ablösesumme zahlen musste.
Nachtrag, 7. August: “Spiegel Online” hat den Satz durch die Formulierung “dadurch kommen wie im Fall Rafinha Ablösemillionen in die Kasse” unauffällig an die Realität angepasst.
Es ist ein schrecklich geschundenes Gesicht, das “Bild” am 11. August 2004 in Großaufnahme zeigt. Das linke Auge des Mannes ist fast zugeschwollen, im Mund ist getrocknetes Blut zu sehen, auf Wangen und Nase haben Schläge deutliche Spuren hinterlassen.
Das Foto des Mannes war von einer Nachrichtenagentur unter Berufung auf die thailändische Zeitung “Pattaya Mail” verbreitet worden. Die Geschichte zu dem Gesicht erzählte “Bild” so: Ein deutscher Geschäftsmann namens F. habe sich als “Sex-Tourist” im thailändischen Urlaubsort Pattaya aufgehalten.
Er engagierte ein Thai-Mädchen, versprach ihr viel Geld für ein privates Pornovideo. (…)
Für 1000 Baht (umgerechnet 20 Euro) willigte die Prostiuierte ein, ging mit ihm aufs Zimmer — und ließ sich filmen. Aber nach dem Sex wollte der Bayer plötzlich den vereinbarten Lohn nicht zahlen! Lautstarker Streit, die Hure wurde handgreiflich, sie stürzte sich auf den Deutschen, schlug ihm ins Gesicht. (…) Vergeblich versuchten andere Prostituierte und die Bordellchefin dazwischenzugehen.
Erst Polizisten konnten den Deutschen und die Hure trennen. (…)
Eine tolle Geschichte, oder wie “Bild” schrieb: “ein unglaublicher Fall”, den das Blatt natürlich trotzdem unbesehen geglaubt hatte.
Doch die Geschichte ist falsch. Das fängt schon damit an, dass der Mann, den “Bild” groß im Foto zeigt und mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen, Alter und Heimatort nennt, kein “Sex-Tourist” ist, sondern in Pattaya lebt. Und es hört nicht damit auf, dass der Mann in seiner eigenen Wohnung zusammengeschlagen wurde, nicht in einem Bordell, weshalb auch keinen anderen Prostituierten oder gar eine Bordellchefin dazwischen gingen.
F. hat die “Bild”-Zeitung damals verklagt. Nach über fünf Jahren Verhandlung hat das Landgericht Hamburg in der vergangenen Woche endlich ein Urteil gefällt: Das Blatt habe das Persönlichkeitsrecht von F. “in schwerwiegender Weise” verletzt. Der Inhalt des Artikels sei “unwahr”. Durch die Veröffentlichung des Fotos habe die Zeitung “in evidenter und krasser Weise” gegen F.s Recht am eigenen Bild verstoßen:
Es handelt sich um eine großformatige Portraitaufnahme des Klägers, die ihn entstellt zeigt, nachdem er Opfer einer Straftat geworden ist. Sie zerrt den Kläger an die massenmediale Öffentlichkeit, zeigt ihn in einem Zustand, der einer Krankheit vergleichbar ist, und macht diesen für jedermann sichtbar. Der Kläger wird entwürdigend und anprangernd dargestellt.
Und was kostet sowas? Nicht viel: Das Gericht verurteilte “Bild” zur Zahlung von 10.000 Euro Schmerzensgeld, und nicht einmal die wird der Kläger vollständig bekommen.
Ein Sieg ist das nicht.
Dass der “Bild”-Bericht in den wesentlichen Punkten falsch ist, steht außer Frage. Umstritten ist, ob er einen wahren Anlass hat.
Die “Bild”-Zeitung hatte als Teil ihrer Verteidigung einen Mann zur “Nachrecherche” nach Thailand geschickt und behauptete nun, Hintergrund des Angriffs seien mehrere Pornofilme gewesen, die F. mit einer Prostituierten gedreht habe, deren Herausgabe sie forderte und die später von der Polizei auf F.s Computer gefunden worden seien. Als F. der Forderung nicht nachkam, habe die Frau Freunde zu Hilfe gerufen, woraufhin es zu den Handgreiflichkeiten gekommen sei.
F. bestreitet einen solchen Zusammenhang und schildert die Tat als einen brutalen Raubüberfall von zwei Männern auf ihn. Die Frau, die ihn laut “Bild” mit verprügelt haben soll, sei gar nicht anwesend gewesen. Auf seinem Computer seien zwar pornografische Filme gewesen, aber keiner mit der betreffenden Frau.
Das Hamburger Gericht ließ in Thailand einen Polizeibeamten als Zeugen vernehmen, der mit dem Fall damals zu tun hatte, aber nicht vor Ort war. Das trug mit zu der erstaunlichen Verlängerung der Prozessdauer bei, brachte aber nur bedingt Klarheit. Am Ende glaubte das Gericht, dass ein Streit um die Videos, die während der Beziehung zwischen der Frau und F. “zum Hausgebrauch” entstanden seien, Hintergrund der Körperverletzung gewesen sei. Somit sei die Berichterstattung von “Bild” zwar in weiten Teilen unwahr, sei aber “auf ein reales Geschehen zurückzuführen”. Das mindere den Schadensersatzanspruch von F.
Als entscheidend für die Höhe der zu zahlenden Summe wertete das Gericht auch, inwieweit die “Bild”-Berichterstattung Folgen für F. hatte. Ungefähr die einzige Aussage des Opfers, die die “Bild”-Anwälte ihm glaubten, war die, dass er kein “Sex-Tourist” ist, sondern seinen Wohnsitz in Thailand hat. In Thailand, so die Argumentation der “Bild”-Anwälte, würden aber nicht einmal 400 Exemplare des Blattes täglich verkauft. Dass die Familie von F. in Oberstdorf lebe, dass er regelmäßig dorthin zu Besuch fahre, dass die Mutter von F. vielfach auf den “Bild”-Artikel über ihren Sohn angesprochen worden sei, all das bestritten die Anwälte pauschal.
Das Gericht urteilte, dass F. von der falschen und seine Persönlichkeitsrechte verletzenden Berichterstattung “weniger intensiv betroffen” sei, weil er seinen Lebensmittelpunkt in Thailand habe.
Anstelle der Forderung von 30.000 Euro, für die das Gericht dem Kläger ursprünglich Prozesskostenhilfe bewilligt hatte, sprach die Zivilkammer 24 dem “Bild”-Opfer nur 10.000 Euro Schmerzensgeld zu. Ursprünglich hatte F. auch versucht, “Bild” zu einem Widerruf zu zwingen — eine Forderung, die F.s Anwalt zurückziehen musste, weil es sich als unmöglich erwies, Zeugen des Tatverlaufs in Thailand aufzutreiben. Den Streitwert eines solchen Widerrufs hatte das Gericht mit 50.000 Euro angegeben. Die 10.000 Euro entsprechen somit nur einem Achtel der Forderungen des Klägers, der deshalb sieben Achtel der Kosten tragen muss.
Die Kosten des Gerichtes und seines eigenen Anwaltes trägt die Staatskasse. Von den 10.000 Euro Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen, die “Bild” F. zahlen muss, kann das Blatt rund 3000 Euro eigene Anwaltskosten gleich abziehen.
F. ist außerordentlich frustriert. Er beschwert sich über die massive Verzögerungstaktik des Richters Andreas Buske und meint, dass schon die Veröffentlichung des “schrecklichen Fotos” von ihm eindeutig unzulässig gewesen sei. Er muss sich nun entscheiden, ob er Berufung gegen das Urteil einlegt.
Für “Bild” sind die paar Euro für die Entwürdigung und Verleumdung eines Menschen sicher leicht zu verschmerzen.
Thomas Tuchel, Trainer des FSV Mainz 05, ist “sauer” und “verärgert”, so “Bild”: In der Vorbereitung auf den Start der neuen Saison muss er ab Sonntag auf sieben Spieler verzichten, die an Länderspielen teilnehmen sollen.
Ganz groß im Blickpunkt steht Abwehrspieler Bo Svensson. Der Däne will in Kopenhagen Deutschlands Elf stoppen.
Nun wissen wir nichts über die privaten Pläne von Herrn Svensson, aber im Dress der dänischen Nationalmannschaft wird er die deutsche Mannschaft kaum “stoppen” können: Seinen ersten und bisher einzigen Einsatz für Dänemark hatte er vor mehr als vier Jahren und auch beim Freundschaftsspiel am kommenden Mittwoch steht er nicht im Aufgebot, wie kicker.de bereits einen Tag vor dem “Bild”-Artikel berichtete.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Markus Kompa (meedia.de, Felix Disselhoff)
Rechtsanwalt Markus Kompa spricht zum Presserecht. Er thematisiert unter anderem “die kolportierende Gerichtsberichterstattung” in den Fällen Zumwinkel und Tauss, die sich “auf der Abschussliste von Gegnern” befanden. “Hier pervertieren sich Journalisten zu willigen Erfüllungsgehilfen von gesteuerten Schmutzkampagnen (…)”.
2. Interview mit Kerstin Stellermann (zeit.de, Harro Albrecht)
Angesichts der Loveparade-Berichterstattung empfiehlt “Trauma-Expertin Kerstin Stellermann” mehr Zurückhaltung bei Gesprächen nach Unglücken: “Ganz schwierig fand ich Interviews mit Jugendlichen, die Stunden zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden waren. Die standen noch unter Schock, waren sehr unruhig und brachen ständig ihre Sätze ab.”
3. “Glaubensfragen” (einwinzer.blogspot.com)
Ein Winzer schreibt zur orf.at-Meldung “Heilung durch Fürbitten?”: “Wie schafft es eigentlich eine ‘Studie’ von solch fragwürdiger Qualität zur Spitzenheadline der Wissenschaftsredaktion eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu werden? Die Antwort ist recht einfach: Das Thema polarisiert, regt auf und provoziert – und wird daher eifrig angeklickt.”
4. “Auf dem Schleudersitz” (merkur.de, Antje Hildebrandt)
Antje Hildebrandt erinnert anläßlich der Arbeitsaufnahme des neuen Sprechers der Bundesregierung, Steffen Seibert, an 1999, als Gerhard Schröder “mit dem parteilosen Béla Anda einen Chefreporter der ‘Bild’-Zeitung zum stellvertretenden Regierungssprecher ernannte”.
6. “Vaterfreuden: Nacktwanderer” (beobachter.ch, Sven Broder)
“‘Achtung, nicht hinsehen: ein Nacktwanderer!’, hatte meine Frau posaunt, als sie den Mittvierziger erblickte.”