Archiv für August, 2010

Kamelkot, Sunde, Urlaubs-Mängel

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die eingebildete Astronautin”
(tagesanzeiger.ch, Maurice Thiriet)
Sehr viele Medien porträtierten die Physiklehrerin Barbara Burtscher als Nachwuchsastronautin. Die Schlagzeilen lauten “Schweizerin trainiert Marslandung für Nasa” (blick.ch) oder “Erste Schweizerin lebt bald in der Mars-Station” (20min.ch). Doch Burtscher war nie als Instruktorin angestellt: “Weder von der Nasa noch vom Spacecenter. Sie habe sich für den Sommerkurs 2010 gemeldet als Volunteer Instructor, als freiwillige Instruktorin. Sie habe keinen Lohn erhalten. Und es habe sie seines Wissens auch nie jemand aufgefordert, sich für das Astronautenprogramm der Nasa zu bewerben.”

2. “Offener Brief an BILD: Betrifft Urlaubs-Mängel”
(karl-born.de)
Karl Born bemängelt die halbe Seite “Urlaubs-Mängel” in “Bild” vom 11. August 2010.

3. “Knietief in Kamelkot”
(sueddeutsche.de, Alexander Kissler)
Alexander Kissler analysiert drei neue Doku-Soap-Formate auf RTL 2. “RTL 2 findet nichts dabei, eine 22-jährige ehemalige Sonderschülerin als ‘die Fressmaschine’ zu bewerben. Die Legasthenikerin und ehemalige Sonderschülerin Jasmine wird buchstäblich dem Medium zum Fraß vorgeworfen. Fast drei Zentner wiegt die laut der unvermeidlichen Expertin ‘sehr einfach gestrickte und wenig intelligente’ Frau, die offenbar nicht immer weiß, was sie tut und sagt.”

4. “Wer’s glaubt, wird zahlen – BILD wirbt für Atomkraft”
(blog.greenpeace.de, Benjamin Borgerding)
Das Blog der Umweltorganisation Greenpeace prüft Aussagen der von “Bild” befragten “Chefs von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW”.

5. Interview mit Peter Sunde
(falter.at, Ingrid Brodnig)
Peter Sunde spricht über The Pirate Bay, Flattr und Zeitungen: “Dieses Zeitungssterben kommt sowieso, das gehört zum technologischen Wandel dazu. Viele Zeitungen sollten tatsächlich sterben, weil sie nicht mehr in die heutige Ordnung passen. Man kann nicht wie Murdoch sagen: ‘So stelle ich mir die Welt vor.’ Diese Macht hat er nicht mehr, sie wurde ihm weggenommen und den Leuten zurückgegeben.”

6. “The Web Is Dead. Long Live the Internet”
(wired.com, Chris Anderson und Michael Wolff)
Chris Anderson und Michael Wolff debattieren Seite an Seite zum Rückgang des World Wide Web.

Das Rauschen im Hanfblätterwald

Dass die wilden 70er schon lange zurückliegen, erkennt man an einer Meldung der Deutschen Presseagentur dpa über die Pläne der Bundesregierung, verschreibungspflichtige Cannabis-Medikamente zuzulassen. Dort heißt es unter anderem:

Eigentlich ist Cannabis ein Rauschgift, das aus Hanfblättern gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Profikiffern dürfte angesichts dieser naiven Aussage der Kragen platzen — wenn sie nicht so lethargisch wären. Erstens ist Cannabis nämlich kein Rauschgift, sondern lediglich der wissenschaftliche Name der vielseitig einsetzbaren Pflanze Hanf. Zweitens werden Marihuana und Haschisch nicht aus Hanfblättern, sondern aus den Blüten bzw. ihrem THC-haltigen Harz gewonnen. Für Marihuana werden zwar auch die kleinen Blättchen über den Blüten der weiblichen Pflanze mitverarbeitet, doch das, was in der dpa-Meldung gemeint ist und was im Zusammenhang mit Cannabis überall abgebildet wird, hat abgesehen von einer abführenden überhaupt keine Wirkung.

Das hat sueddeutsche.de, “Zeit Online”, “Spiegel Online”, fr-online.de und viele mehr aber nicht daran gehindert, diesen Unfug weiterzuverbreiten. Wenigstens ftd.de und Bild.de haben den Joint gerochen und die betreffende Stelle einfach ausgelassen.

Mit Dank an Sara.

Nachtrag, 20.31 Uhr: Bei “Zeit Online” hat sich inzwischen das Bewusstsein erweitert und der Fehler ist korrigiert. Bei “Spiegel Online” wurden zwar wenigstens die wirkungslosen Hanfblätter geerntet, aber man hat immer noch nicht verstanden, dass Cannabis Hanf ist und nicht aus Hanf gewonnen wird:

Eigentlich ist Cannabis ein Rauschmittel, das aus Hanf gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Nachtrag, 19. August. dpa hat sich an einer Korrektur versucht, was allerdings nur halb gelungen ist. In einer neuen Fassung der Meldung heißt es nun:

Der Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol ist eigentlich ein Rauschgift, das vor allem aus den Blättern der Hanfpflanze gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Auf die “Berichtigung” macht dpa in einem “redaktionellen Hinweis” aufmerksam:

Im letzten Satz wurde klargestellt, dass der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol das Rauschmittel darstellt und vor allem aus der Blüte gewonnen wird, nicht aus den großen Blättern.

“Wurde klargestellt” hier offenbar in der Bedeutung von “hätte klargestellt werden sollen”.

Man trifft sich immer zwei Mal im Leben

Genau genommen ist da nichts falsch an diesem Foto oder seiner Beschriftung:

Göktan (l.) und Di Salvo (r.) jubeln über das Weiterkommen im DFB-Pokal gegen den SC Verl

Es sind Berkant Göktan und Antonio di Salvo, die sich über den Sieg von 1860 München gegen den SC Verl im DFB-Pokal freuen.

Zur Bebilderung der aktuellen Pokalrunde taugt das Foto aber nur bedingt, denn es entstand bereits am 4. August 2007, als der TSV 1860 München erstmalig gegen den SC Verl spielte und gewann.

So steht es auch in der Datenbank der Sportfoto-Agentur Witters:

04.08.2007, Verl, Jubel 0:1 v.l. Berkant Goektan, Antonio Di Salvo 1860 DFB-Pokal 1.Runde SC Verl - TSV 1860 Muenchen

Es gibt auf dem Bild etwa drei Anhaltspunkte, dass es sich nicht um ein aktuelles Foto handeln kann: Berkant Göktan verließ 1860 am 21. Oktober 2008, Antonio di Salvo am 12. Januar 2010 und der Verein hat in dieser Saison ganz andere Trikots.

Mit Dank an Markus W., Andreas Sch. und den anderen Hinweisgeber.

Nachtrag, 23.51 Uhr: Bild.de hat das Foto entfernt.

Traumschiffe, Kulturjournalisten, Street View

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wie das Fernsehen der Kreuzfahrtindustrie verfiel”
(faz-community.faz.net, Peer Schader)
Peer Schader schreibt zur Begeisterung öffentlich-rechtlicher TV-Sender für Kreuzfahrtschiffe. “Die Veranstalter von Safarireisen und Arktisexpeditionen müssen grün sein vor Neid. In jedem Fall steht die Fülle der Sendungen, die sich mit dem Thema beschäftigen, in keinem Verhältnis zu dessen tatsächlicher Bedeutung.”

2. “Traumschiff, ahoi!”
(klatschkritik.blog.de, Antje Tiefenthal)
Und nochmals Schiffe: Antje Tiefenthal vergleicht die Informationen verschiedener Zeitschriften zu den Reisekosten, der Urlaubsbegleitung und der Crewgröße eines Luxus-Yacht-Aufenthalts von Heidi Klum und Familie.

3. “Eine Frage des Gehalts”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld kommentiert die transparent gemachten Gehälter der Intendanten öffentlich-rechtlicher Sender. “Das sind mitnichten geringe Summen, vor allem, wenn man zum Vergleich das Jahreseinkommen der Bundeskanzlerin heranzieht, das sich auf 199.000 Euro beläuft. Das ist mitnichten übertrieben viel, schaut man auf die Spitzeneinkünfte in großen Fernseh- und Medienkonzernen oder etwa auch darauf, was der Chef der britischen BBC einkassiert – stolze 800.000 Pfund pro Jahr.”

4. Interview mit Norbert Bolz
(journalist.de, Christina Lissmann)
Norbert Bolz kritisiert politisierende Kulturjournalisten: “Eine intelligente Romanrezension könnte sehr viel mehr über die Gesellschaft Deutschlands heute sagen als ein dritter Aufguss irgendeiner Antikapitalismuskritik auf Seite eins des Feuilletons.”

5. “Streetview für Deutschland längst online”
(taz.de, Johanna Kleinschrot)
Ein zukünftiges Google Street View löst Wellen der Empörung aus. Derweil ist der Konkurrent sightwalk.de längst mit Bildern online. So findet sich Dorin Popa (nice-bastard.blogspot.com) dort “mal schön verpixelt, mal aber auch nicht gepixelt”.

6. “Ich bin gegen Google Street View und das zeige ich! Auf GoogleMaps!”
(spreeblick.com, Philipp Jahner)

AP  

Neuer Tiefpunkt erreicht

Zu seinem heutigen 56. Geburtstag gönnt sich der Filmregisseur James Cameron eine Tauchexpedition im russischen Baikalsee, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet.

Doch damit nicht genug:

Der langjährige Meeresenthusiast Cameron arbeitet derzeit an mehreren Unterwasserprojekten. So konstruiert er in Australien ein U-Boot, mit dem er bis auf elf Kilometer hinabfahren will – zwei Mal tiefer als je ein Mensch zuvor.

Unklar ist, wie die deutsche AP auf die Idee kommt, Cameron wolle “zwei Mal tiefer als je ein Mensch zuvor” tauchen: Zum einen kommt ein solcher Vergleich in der englischen Originalmeldung gar nicht vor, zum anderen müsste Cameron dann sehr viel tiefer gehen als die besagten 11.000 Meter — und das wäre auf der Erde unmöglich.

Der bisherige Tiefenrekord wird seit mehr als 50 Jahren vom Schweizer Jacques Piccard und dem Amerikaner Don Walsh gehalten, die damals 10.916 Meter in den Marianengraben hinabtauchten. Sehr viel tiefer kommt man auch nicht mehr, denn die tiefste Stelle des Weltmeeres, das Witjastief 1, ist gerade mal 118 Meter tiefer.

Mit Dank an Nube und Björn K.

Earn it like Beckham

Was “News of the World” über das Einkommen der Schwester von David Beckham schreibt, steht auch auf Bild.de:

200 Euro Sozialhilfe, das sei weniger als Fußball-Millionär David Beckham in 2 Sekunden verdient, hat die Zeitung ausgerechnet.

Ein Lohn von 100 Euro die Sekunde für den “Fußball-Millionär”? Nicht schlecht, das wären dann 6.000 Euro die Minute, 360.000 Euro die Stunde, 8.640.000 Euro am Tag, 259.200.000 Euro im Monat und 3.153.600.000 Euro im Jahr. Damit wäre er mehrfacher Milliardär. Schon nach einem Jahr. Es müsste sich nur noch ein Verein finden, der in der Lage ist, so einen Betrag zu bezahlen.

Doch vielleicht hat das britische Blatt diesen Betrag nicht “ausgerechnet”, wie Bild.de glauben macht, sondern einfach nur so als metaphorische Redewendung dahingesagt.

She claims benefits totalling £164 a week which is less than Becks earns in just TWO SECONDS.

Mit Dank an Hannes und Robert H.

Sachsensumpf, Esoterik, Magath

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “RTL weist ‘Bild’-Bericht über “DSDS” zurück”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“Bild” vermeldet Ende Juli, dass Sophia Thomalla in der Jury der neuen Staffel von “Deutschland sucht den Superstar” sitzen wird. Doch das wird sie nicht, denn es exisiert, wie RTL erklärt, kein Vertrag. “Erstaunlich viele Medien übernahmen diese Meldung an diesem Tag – als sei es ein Fakt – ungefragt und ohne jeden Zweifel daran zu äußern, obwohl RTL seit Wochen gebetsmühlenartig betonte, dass man sich zu Spekulationen nicht äußert und die Jury im August bekannt geben werde.”

2. Sachsensumpf-Prozess
(flurfunk-dresden.de, owy)
Peter Stawowy glaubt, dass der Kommentar “Der Sachsensumpf als Lehrstück” von Dieter Schütz in der “Sächsischen Zeitung” “derzeit in der Presselandschaft ziemlich alleine stehen” dürfte. “Denn der Autor lehnt es ab, das Urteil als ‘schweren Angriff auf die Pressefreiheit umzudeuten.'”

3. “Jahrbuch 2010: Qualität der Medien”
(jahrbuch.foeg.uzh.ch)
Das Observatorium öffentliche Kommunikation der Universität Zürich untersucht “die publizistische Versorgung, das Informationsangebot und die Berichterstattung in der Medienarena Schweiz” und löst damit einige Reaktionen aus. Der in gedruckter Form 373-seitige Bericht ist online, hier die Hauptbefunde.

4. SF bei den Esoterikern
(dasmagazin.ch, Birgit Schmid)
Birgit Schmid hat beim Schweizer Fernsehen eine esoterische Ader aufgespürt. “Man hat oft den Verdacht, die Fernsehmacher selbst gehen den Scharlatanen auf den Leim. Auch TV-Journalisten haben ein Faible für Esoterik, denn sie wissen, dass diese Themen Quote machen.”

5. “Risiko Magath”
(sportmedienblog.de)
“Magath wird von weiten Teilen des Boulevards hofiert. Man hängt ihm bereitwillig an den Lippen, sein Wort hat Gewicht.” Das Sportmedienblog fragt sich darum, ob die Sympathie für Felix Magath einen Zusammenhang mit dem “Schuldenberg von rund 250 Mio Euro” von FC Schalke 04 hat, den die Boulevardzeitungen angeblich kaum thematisieren.

6. “Journalism Warning Labels”
(tomscott.com)
Warn-Aufkleber für Journalismus zum Selbermachen.

Bild  

Die schlechtesten Gründe gegen “Street View”

Die Medien sind voller Meinungsumfragen. Dabei wären Wissensumfragen oft viel interessanter. Wenn die Menschen zum Beispiel nicht gefragt würden, was sie von irgendwelchen Reformplänen der Bundesregierung halten, sondern was sie über diese Reformpläne wissen, über die sie ein Urteil abgeben sollen.

Die “Bild”-Zeitung hat heute so etwas gemacht, unfreiwillig natürlich. Sie hat viele Menschen gefragt, was sie von “Google Street View” halten und ob sie dafür sorgen wollen, dass ihr Haus nicht in dem umstrittenen Angebot gezeigt wird. (“Google Street View” verbindet die Karten von “Google Maps” mit kompletten Straßenansichten, die die Firma fotografiert hat, und soll in diesem Jahr erstmals auch 20 deutsche Städte abbilden.)

Die Antworten vieler Leute, die “Bild” zu Wort kommen lässt, zeigen vor allem eines: Wie wenig die Befragten über das Angebot wissen. Viele scheinen zu glauben, dass es aus Live-Aufnahmen besteht, dass Google quasi rund um die Uhr die ganze Welt überwachen lässt. Das ist nicht der Fall. Zudem werden Personen Gesichter und Autokennzeichen auf den Fotos unkenntlich gemacht.

Das muss man aber offensichtlich nicht wissen, um sich in “Bild” gegen das Angebot aussprechen zu dürfen:

Collien Fernandes (28), Moderatorin: “Ich würde mich ständig beobachtet fühlen mit dem Wissen, dass jeder, der meine Adresse kennt, mein Haus im Internet betrachten kann.”

Juliane Winterberg (19), Sozialfachangestellte aus Gerstungen: “Ich sonne mich oft im Bikini auf der Terrasse. Durch Google finden Spanner doch sofort mein Wohnhaus.”

Jeanette Biedermann (30), Sängerin: “Ich werde mein Haus schwärzen lassen. Ich glaube nicht, dass die Verantwortlichen von ‘Street View’ glücklich wären, dass man ihnen beim Nacktbaden im Garten zuschaut.”

Anni Brandt (78), Rentnerin aus Waltrop: “Es ist praktisch, ich konnte mir zum Beispiel das Haus eines Freundes in Amerika anschauen. Aber wenn mich Leute auf meinem Balkon sehen, finde ich das nicht gut.”

Mirja (34) und Sky du Mont (63): “Wir wollen unser Haus auf jeden Fall schwärzen lassen. ‘Street View’ fördert Kriminalität. Und wir möchten nicht, dass jemand unsere Kinder beim Spielen im Garten sieht.”

Tina Ruland (42), Schauspielerin: “Das ist Verletzung der Privatsphäre. Wenn ich meinen Wohnort entdecken würde, dann würde ich sofort Einspruch erheben. Bedenklich wäre es vor allem, wenn mein Kind zu sehen wäre.”

Manuela Dunkel (36), Angestellte aus Halle: “Die können nicht einfach mein Grundstück ins Netz setzen. Wenn ich mich auf meinen Rasen lege, möchte ich mich nicht im Internet wiederfinden.”

Auch unter den Befürwortern ist ein Ahnungsloser:

Marcus Schenkenberg (42), Topmodel: “Tolle Sache! Wenn ich unterwegs bin, kann ich mich überzeugen, ob meine Häuser in New York, Stockholm und L. A . noch stehen. Eins muss tabu sein – in die Fenster reinzufilmen!”

Nun könnte man natürlich fragen, warum die “Bild”-Zeitung diese Menschen (und die Leser) nicht darüber aufklärt, dass diese Urteile auf falschen Annahmen beruhen. Das ist aber vermutlich die falsche Frage. Unter den bekennenden “Street View”-Gegnern findet sich nämlich auch dieser:

Martin Wichmann (53), BILD-Redakteur: “Ich habe mir bewusst ein Haus gesucht, das nicht von allen Seiten einsehbar ist. Das soll jetzt nicht durch Google auf den Kopf gestellt werden.”

Wie es Google schafft, von der öffentlichen Straße aus Dinge zu sehen, die für andere nicht einsehbar sind; ob die Firma nach Ansicht des “Bild”-Mannes spezielle Kameras hat, die durch Mauern fotografieren können, oder ob sie eigene, sagen wir: “Leser-Reporter” dafür einsetzt, bleibt offen.

Mit Dank an nrwbasti!

Nachtrag, 15. August. Mehrere BILDblog-Leser haben den letzten Absatz kritisiert. Richtig ist, dass die “Street View”-Aufnahmen aus einer Höhe von 2,90 Metern gemacht werden, also einen anderen Blick erlauben, als ihn Fußgänger haben (aber zum Beispiel Busreisende). Schwer zu glauben allerdings, dass “Bild”-Redakteur Wichmann das gemeint haben soll, als er sagte, sein Haus sei bewusst “nicht von allen Seiten einsehbar” und Google stelle das mit seinen Aufnahmen “auf den Kopf”.

Nachtrag, 16. August. Erstaunlich: Heute “klärt BILD die größten Missverständnisse [über “Street View”] auf”, darunter auch die von ihr selbst verbreiteten.

Bild  

Ein Herz für Schmutzkampagnen

Das Verhältnis zwischen der “Bild”-Hilfsorganisation “Ein Herz für Kinder” und dem Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) ist — gelinde gesagt — durchwachsen. Während viele andere Hilfsorganisationen sich von der unabhängigen Institution auf die korrekte und transparente Verwendung von Spendengeldern prüfen lassen und dafür das DZI Spenden-Siegel erhalten, sieht “Ein Herz für Kinder” keinen Bedarf hierfür. Entsprechend war nach der Haiti-Spendengala Anfang des Jahres auf Welt.de zu lesen:

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) kritisierte “Ein Herz für Kinder” als intransparent. “Im Gegensatz zu allen anderen Partner-Hilfswerken der Spendengala veröffentlicht die Organisation keine Finanzberichte”, sagte DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke dem EPD. Dadurch sei nicht klar, wie viel Geld “Bild hilft” etwa für Werbung und Verwaltung ausgebe.

Mehr über
“Ein Herz für Kinder”:

Springer wiederum hält herzlich wenig vom DZI Spendensiegel:

Ein “Herz für Kinder” hat das “Spenden-Siegel” nie beantragt. Mit dem eingesparten Geld (10 000 Euro jährlich) hilft die BILD-Aktion lieber denjenigen, die es dringender brauchen als das halbstaatliche DZI.

Diese Aussage findet sich am Ende eines Artikels, der jüngst unter der Überschrift “Zu teuer, zu bürokratisch — Helfer wollen Spendensiegel boykottieren!” in der gedruckten “Bild”, auf Bild.de und sogar auf der Homepage von “Ein Herz für Kinder” erschienen ist. Die beiden Autoren Einar Koch und Hans-Jörg Vehlewald geben sich darin größte Mühe, das baldige Ende des DZI Spendensiegels heraufzubeschwören:

Es gilt als “TÜV der guten Tat” — doch jetzt droht dem “Spenden-Siegel” nach fast 20 Jahren das Aus!

Begründet wird das folgendermaßen:

Hilfsorganisationen wie DRK, Johanniter und Malteser erwägen einen Boykott des Siegels. Sie befürchten dramatisch steigende Verwaltungskosten zu Lasten von Notopfern. In einem Brandbrief der Johanniter heißt es: “Wissend um die Notwendigkeit von Effizienz und Transparenz müssen wir in Erwägung ziehen, auf das DZI-Spenden-Siegel zu verzichten”. Der Deutsche Caritasverband moniert: “Die mit dem Spenden-Siegel verbundenen Kosten stehen in keinem Verhältnis mehr zum erzielbaren Nutzen!”

Zwar sind oder waren alle von “Bild” genannten Hilfsorganisationen tatsächlich unzufrieden mit den neuen Vergabeleitlinien des Spendensiegels. Von Boykott oder auch nur Boykottdrohungen kann aber keine Rede sein und das wäre auch leicht herauszufinden gewesen, wenn sich auch nur einer der beiden Redakteure bequemt hätte, bei den betreffenden Hilfsorganisationen rückzufragen.

Auf Anfrage von BILDblog erklärte Svenja Koch vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), man plane keinen Boykott und sei zudem von “Bild” nicht um Stellungnahme gebeten worden. Christoph Zeller von den Maltesern hat dieselbe Erfahrung gemacht. Er teilte mit:

Eine Bitte um Stellungnahme seitens der “Bild”-Redaktion hat uns nicht erreicht. Wir Malteser sind grundsätzlich für ein Spendensiegel und bleiben weiter im Gespräch mit dem DZI.

Caritas-Sprecherin Claudia Beck erklärte gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd):

Wir werden das Siegel nicht infragestellen. Ein vertrauenswürdiges Siegel hilft den Bürgern, sich auf dem unübersichtlich gewordenen Spendenmarkt zu orientieren.

Und was ist mit dem angeblichen “Brandbrief” der Johanniter? Pressesprecher Patrick Schultheis stellte auf Anfrage von BILDblog klar:

Weder hat die Johanniter-Unfall-Hilfe vor, das DZI-Spendensiegel zu “boykottieren”, noch wurde ein “Brandbrief” an das DZI formuliert. Vielmehr hatte das DZI die Johanniter um eine Bewertung des ersten Entwurfs der neuen Vergabe-Leitlinien gebeten. In dieser Bewertung haben die Johanniter (ähnlich wie andere Hilfsorganisationen) bereits im März 2010 auf einzelne, problematische Passagen hingewiesen. Daraufhin entstand ein intensiver, konstruktiver Austausch mit dem Ziel, angemessene und für alle Seiten akzeptable Kriterien für die Vergabe des Spendensiegels zu entwickeln. Dieser Prozess ist ergebnisoffen und noch nicht abgeschlossen – momentan befindet sich der dritte Entwurf in der Diskussion. Die Johanniter hoffen auf ein positives Resultat und darauf, auch künftig zu den durch das DZI zertifizierten Organisationen zählen zu können. Das DZI-Siegel hat sich aus unserer Sicht in seiner bisherigen Form als Orientierungshilfe für Spender bewährt.

Das von “Bild” verkürzt wiedergegebene Zitat aus der vierseitigen Stellungnahme lautet im Original: “Bei aller Wertschätzung sowie grundsätzlicher Anerkennung des DZI und wissend um die Notwendigkeit von Effizienz und Transparenz müssen wir bei einer Verabschiedung der neuen Leitlinien in der jetzigen Entwurfsform (März 2010) auch in Erwägung ziehen, auf das DZI-Spenden-Siegel zu verzichten oder das Spenden-Siegel nur für einen einzelnen Arbeitsbereich der Organisation beantragen.”

“Bild” hat uns weder vor noch nach Veröffentlichung des Beitrags um eine Stellungnahme gebeten.

Mit Dank an die Hinweisgeberin!

Robert Enke und eine Frage der Sensibilität

Ende 2009 berichtete Bild.de über eine “Panne”, die Hannover 96 in seinem Jahrbuch passiert sei. Neben einem Foto von Torwart Robert Enke, der sich von einem Zug hatte überrollen lassen, war eine Anzeige von dem Reifenhersteller Continental abgedruckt. Der Slogan lautete: “Kurze Bremswege, wenn es drauf ankommt.” Ein Vereinssprecher entschuldigte sich dafür: “Wir waren da nicht sensibel genug, es tut uns leid.”

Robert Enke / Hannover bedauert Jahrbuch-Panne

Heute berichtet Bild.de über einen “Gänsehaut-Moment” bei einem Konzert der Band U2 gestern im Stadion von Hannover: Sänger Bono erinnerte an Robert Enke und seine Familie. Vor dem Filmbericht darüber zeigt Bild.de Werbung des Reifenherstellers Continental. Der Slogan lautet: “Wenn nur alles so schnell stoppen könnte wie Reifen von Continental.”

Mit Dank an Bojan J.!

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