Archiv für Juli 14th, 2010

Im Kahn mit Günter Netzer

“Bild” vermeldete vergangene Woche, es gebe “schon wieder Wirbel” um Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn, die beim ZDF um Fußballspiele herumreden:

Nach Versprechern (“Reichsparteitag”) und Ärger um Milch-Werbung für Müller-Hohenstein trifft es diesmal Kahn. Der Grund: Nach den WM-Spielen im ZDF befragt das Duo den “Fanexperten” Dennis Wiese (26). Er präsentiert Umfrageergebnisse der Webseite “Fanorakel.de”.

Was keiner weiß: Diese Seite gehört einer GmbH, an der Kahn zu 20 Prozent beteiligt ist!

Dass niemand von der Verbindung von Kahn und “Fanorakel” wisse, ist natürlich eine der “Bild”-üblichen Übertreibungen: Im April hatte das Branchenmagazin “Werben & Verkaufen” darüber berichtet, die Meldung war auch auf sueddeutsche.de erschienen.

Aber die Frage ist durchaus berechtigt: Darf ein früherer Fußballprofi und heutiger Geschäftsmann bei Sportübertragungen als unabhängiger Experte auftreten, wenn er geschäftlich in das involviert ist, was er da so kommentiert? “Bild” zitiert die ZDF-Fernsehrätin Doris Pack mit den Worten, man dürfe “solche Dinge” nicht vermischen.

Wie steht es da etwa um den ehemaligen Bundesligastar und Nationalspieler Günter Netzer, der bis zum vergangenen Samstag 13 Jahre lang in der ARD als Experte auftrat? Netzer, im Nebenberuf auch noch “Bild”-Kolumnist, ist Executive Director der Sportrechte-Agentur Infront, die beispielsweise die Übertragungsrechte an der Fußball-WM 2006 vermarktet hat. Netzer kommentierte also Spiele, deren Rechte seine Firma der ARD (und den anderen übertragenden Sendern) zuvor verkauft hatte, und deren Bildregie vollständig in den Händen einer Tochterfirma lag.

Über diesen Interessenkonflikt hat “Bild” bisher noch nie berichtet. Dafür präsentierte Bild.de in Kooperation mit Allianz Global Investors “DAS Tippspiel zur WM”, bei dem es tolle Preise zu gewinnen gab:

Ein Profi-Tischkicker, signierte Fußball von Allianz Global Investors-Experte Günter Netzer sowie die Netzer-Biografie (ebenfalls handsigniert).

Neben seinen diversen anderen Beschäftigungen fand Günter Netzer nämlich auch noch die Zeit, als Werbegesicht und WM-Kommentator eines Vermögensverwalters zu arbeiten.

Mit Dank an Daniel H.

Extremistisches Symbolbild

Drei Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen den Soziologen Andrej Holm aufgehoben hatte, hat auch die Bundesanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren gegen den Wissenschaftler eingestellt.

Holm war vorgeworfen worden, Mitglied der “Militanten Gruppe” (mg) gewesen zu sein, die zahlreiche Brandanschläge verübt hatte. Nach vierjährigen Ermittlungen kam die Bundesanwaltschaft aber schließlich zu dem Schluss, dass Holms Kontakte zu einem Mitbeschuldigten und die bei ihm gefundenen Unterlagen auch in anderen, nicht strafrechtlichen Sachzusammenhängen stehen könnten.

Andrej Holm hat gleichsam schwarz auf weiß, dass er kein gewaltbereiter Extremist ist.

Und wie bebildert “Zeit Online” diese Nachricht? Mit einem Archivfoto vom 1. Mai 2009, das unbekannte Autonome bei einer Demonstration in Berlin zeigt:

Dem Soziologen Andrej H. wurde vorgeworfen, einer linksextremistischen Vereinigung anzugehören, die sich zu zahlreichen Brandanschlägen bekannt hat

Nachtrag, 19.30 Uhr: “Zeit Online” hat das Foto rausgenommen.

IFG, Südafrika, Cloud Computing

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bürger, nutzt die Informationsfreiheit!”
(carta.info, Marvin Oppong)
Marvin Oppong ruft dazu auf, die durch das Informationsfreiheitsgesetz ermöglichten Rechte zu nutzen: “Je länger das Gesetz in Kraft ist und je mehr Anträge gestellt werden, desto eher wird sich eine Kultur der offenen Informationserteilung einstellen. Doch wie schnell dies der Fall ist, hängt auch davon ab, wie intensiv Bürger und Journalisten von dem neuen Gesetz Gebrauch machen.”

2. “Journalisten sind keine Meinungseunuchen”
(begleitschreiben.twoday.net, Gregor Keuschnig)
Steffen Seiberts Wechsel vom ZDF zur Bundesregierung kann Gregor Keuschnig nicht empören – das habe lediglich “das Ruhen der journalistischen Aktivitäten zur Folge”. “Journalisten waren und sind keine Meinungseunuchen. Sie sind auch keine Staatsanwälte, die fortlaufend irgendwelche Mißstände aufzudecken haben.”

3. “Dahinter müssen kluge Köpfe stecken”
(sueddeutsche.de, Christian Meier)
Christian Meier prognostiziert dem Journalismus eine Abwanderung von Intelligenz zu “Unternehmensberatungen, Agenturen für Kommunikationsdienstleistungen oder Public Affairs”. “Journalismus braucht Menschen, die es nicht nur auf Karriere und Prestige abgesehen haben. Dennoch ist deutlich spürbar, dass wir uns mitten in einer Fehlentwicklung befinden. Nicht wenige Manager in Medienunternehmen manövrieren sich – aus Sparzwängen, wegen Ignoranz und anderer Gründe – in Sackgassen.”

4. “At the World Cup, Searching for the ‘Real’ South Africa”
(theatlantic.com, Eve Fairbanks, englisch)
Eve Fairbanks beobachtet Versuche, das “echte” Südafrika zu finden. “Less than 20 years after the end of the great crime of apartheid, if the reality looks too good, we think we must be blind.”

5. “Ich brauche (fast) keinen Computer mehr”
(blogh.de, Peter Schink)
Peter Schink versteht nicht recht, warum Cloud Computing die “Zukunft” gehören soll. “Alle Applikationen und Dateien sollen bald und irgendwie nur noch online verfügbar sein. Ich finde, von ZUKUNFT kann keine Rede sein. Ein kleiner Praxisbericht.”

6. “Der Mann mit der Kamera”
(astrid-paprotta.de)
“Vor einem Mietshaus trug sich folgendes zu: auf der anderen Straßenseite stand ein Mann mit einer Kamera. Die richtete er sehr lange auf das Haus. Einige der Mieter zeigten sich beeindruckt.”