Archiv für April, 2010

Nido, Pirate Bay, Hacke

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “FAZ über Nido”
(dirkvongehlen.de)
Dirk von Gehlen beleuchtet “Ihr seid ganz schön gaga!” von Sandra Kegel über das Elternmagazin “Nido”. Der Text arbeite sich ab an den unterschwelligen Vorstellungen der Autorin, “die mit der angenommenen Welt der ebenfalls imaginierten Nido-Leser nicht zusammen gehen wollen”.

2. “‘Bild’, Kock am Brink und Rechnen für Grundschüler”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath kümmert sich um die Frage, ob Ulla Kock am Brink tatsächlich nach 10 Jahren auf die TV-Bildschirme zurückkehrt, wie “Bild” auf der Titelseite schreibt.

3. “Pirate Bay dementiert Verkaufsmeldung”
(heise.de)
In einem Blogeintrag dementiert “The Pirate Bay” eine Pressemitteilung über einen Verkauf der Plattform: “With great interested we read the press release at Market Watch that a company decided to buy TPB. However, we have no deal with them. We have not even talked to them!”

4. Interview mit Stefano Semeria
(derstandard.at, Doris Priesching)
TV-Formatentwickler Stefano Semeria über die Zukunft von Fernsehformaten: “Reality entstand, weil die Sender kostengünstiges Programm brauchten und weg vom ganz teuren Fernsehen wollten. Das ist aber vielleicht jetzt genau der Grund, warum das Publikum nicht mehr darauf zugreift.”

5. Interview mit Axel Hacke
(planet-interview.de, David Sarkar)
Axel Hacke, der seit Jahren jede Woche eine Kolumne über sein Leben schreibt, zum Stichwort Twitter: “Das ist doch diese Geschichte, wo die Leute in kurzen Sätzen jederzeit mitteilen, was sie gerade machen. Ehrlich gesagt, viel mehr weiß ich darüber nicht, weil ich es so blöd finde. (…) Ich finde dieses ständige Mitteilungsbedürfnis, die Banalitäten-Schleuderei einfach unsäglich.”

6. “We deserve better than this”
(wtfcnn.com, englisch)
Die Website “WTF CNN?” bietet einen Vergleich von cnn.com mit anderen Online-Angeboten, zum Beispiel mit dem von “Deutsche Welle”: “We know you think this is what we want, but it’s not. We don’t care what random Tweeters think about a news story, how many holograms you have in your Situation Room, or even the latest celebrity gossip.”

Blick  

Barack Obama in der Gerüchte-Aufwärm-Küche

Es gibt einige Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass eine Story totaler Quatsch ist:

  • Die Story gab es vor anderthalb Jahren schon mal, mit den genau gleichen Vorwürfen und Protagonisten.
  • Die Story wird nur auf Papier, nicht aber online veröffentlicht.
  • Kein Journalist steht mit seinem Namen zur Story, sie wird also sozusagen anonym veröffentlicht.
  • Von Wahrheit spricht niemand, die Story ist gespickt mit den Worten “angeblich” und “soll”.
  • Kein anderes Medium berichtet über die Story, die, wenn sie wahr wäre, ungeahnte Folgen haben könnte.
  • Die einzige Quelle der Story ist ein berühmt-berüchtigtes Boulevardblatt.
  • Die Quelle der Story ist (vorübergehend?) nicht zugänglich (“Page unavailable/under construction”).

All diese Punkte treffen auf eine Geschichte im heutigen “Blick” zu.

Es geht darin um Vera Baker, die Barack Obama 2004 bei der Wahlkampagne für den Senat von Illinois als Finanzchefin unterstützte. Von der “Mail on Sunday” auf den Vorwurf angesprochen, sie habe eine Affäre mit dem späteren US-Präsidenten gehabt, sagte sie im Oktober 2008: “Nichts passierte.”

Neu ist nur das – ausschließlich vom “Globe Magazine” verbreitete – Gerücht, dass die beiden gemeinsam in einem Hotel gesichtet wurden, was ein Augenzeugenbericht und ein Video beweisen sollen. Alles andere ist seit 2008 bekannt und dementiert. Darum gehört die Story in ihrer jetzigen Sachlage in den Papierkorb.

Oder auf das Titelblatt:

Hat Obama seine Michelle betrogen?

Seite 12:

"Obama im Hotel erwischt

Mit Dank an Jonas A. für den Hinweis und Klartext für die Scans.

Gut erkennbar im Internet

Zu den inoffiziellen Einstellungsvoraussetzungen bei “Bild” und Bild.de gehört eine ausgeprägte Ironieblindheit — also die Fähigkeit, das eigene Tun nicht mit dem, was man an anderen kritisiert, in Verbindung zu setzen. Anders könnten klassische “Bild”-Schlagzeilen im Stil von: “Diese schlimmen Fotos wollen wir nie wieder sehen” gar nicht entstehen.

Bild.de führt den Effekt aktuell mit einer Geschichte über angebliche Datenschutz-Mängel bei “Google Street View” vor. Ein “kurzer BILD.de-Test” habe bewiesen, dass auf den Straßenaufnahmen, die Google für das Online-Projekt anfertigt, viele Gesichter von Passanten nicht verpixelt wurden. Nun kann man es schon ironisch finden, dass ausgerechnet der Online-Ableger von “Bild” für das Recht am eigenen Bild kämpft, das die Zeitung sonst wie kaum jemand mit Füßen tritt.

Aber wie prangert man am besten an, dass da einfach wildfremde Menschen für jeden erkennbar gezeigt werden, ohne jede Unkenntlichmachung? Man zeigt sie, für jeden erkennbar, ohne jede Unkenntlichmachung:

Straßenszene aus London, das Gesicht des Passanten im Vordergrund (links) ist gut erkennbar, es wurde wie viele andere nicht gepixelt

Dieses Foto aus Google Street View zeigt Eisläufer vor dem Pariser Rathaus. Das Gesicht eines Kindes ist gut erkennbar

Darauf muss man erst mal kommen. Dann ist es auch kein weiter Weg mehr zu solchen Ergebnissen:

Witzige Straßenszene aus Google Street View Paris: Beide Gesichter sind gut erkennbar und nicht gepixelt

Mit Dank auch an Daniel V.

Hells Angels, van Gaal, Wetterbericht

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hells Angels – Verherrlicht, verharmlost”
(ndr.de, Video, 8:01 Minuten)
Wie Medien dem Motorradclub “Hells Angels” eine unkritische Plattform bieten. Als Beispiele werden die “Bild”-Artikel “Der mächtigste Rocker-Boss spricht in BILD” und “Rocker-Boss will den Krieg beenden” genannt.

2. “Der siegende Holländer”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller glaubt, dass es Louis van Gaal, der den FC Bayern München ins Finale der Champions League führte, nicht mehr auf den Titel von “Bild” schafft. Das habe mit Schlagzeilen aus dem Herbst 2009 zu tun. “Damals musste der FC Bayern eine 1:2 Schlappe in der Champions-League-Vorrunde gegen Girondins Bordeaux einstecken, wofür ‘Bild’ vor allem den ‘arroganten’ Holländer verantwortlich machte. ‘Van Gaal ist schlechter als Klinsi’, stellte ‘Bild’ seinerzeit fest.”

3. “‘Österreich’ & ‘Krone’ uneinig über Autobahn-Ehestreit”
(kobuk.at, Svetlana Gricenko)
Svetlana Gricenko vergleicht, wie ein Streit eines Ehepaars in den Zeitungen “Österreich” und “Krone” dargestellt wird.

4. “Theaterkritik mit Kopf und Bauch”
(kreuzer-leipzig.de, Tobias Prüwer)
Jörg van der Horst denkt im Gespräch mit Tobias Prüwer darüber nach, wie das Internet die Theaterkritik verändert hat. “Interessant ist die Ich-Perspektive, aus der viele Blogger schreiben. Davon kann herkömmliche Theaterkritik, die sich bisweilen im Absolutheitsanspruch übt, noch lernen.”

5. “Vermisst: Anstand!”
(jensscholz.com)
Jens Scholz stört sich an der Marketingaktion eines Hörgeräteherstellers, der mit fiktiven Vermisstenanzeigen für seine Leistungen wirbt. “Wann ist bei euch der Anstanddetektor ausgefallen? Wer von euch hat in seiner Kindheit nicht gelernt, im Schwimmbad nicht um Hilfe zu rufen, damit wenn jemand wirklich Hilfe braucht, seine Rufe gehört und Ernst genommen werden?”

6. “Krass: Wetterbericht wird wegen Wetter gesehen!”
(medienpiraten.tv/blog, Peer Schader)
Peer Schader zu einer Meldung des Branchendiensts “Kontakter”: “Na sowas. Zuschauer, die sich den Wetterbericht ansehen, schalten also nicht ein, um Jörg Kachelmann zu sehen – sondern um sich erklären zu lassen, wie morgen das Wetter wird!”

Gewinner verloren

Wir haben längst aufgegeben zu ergründen, welche Kriterien hinter der Bestückung der Gewinner- und Verlierer-Rubrik auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung stecken — außer natürlich den bekannten Motiven wie politischer Opportunismus, Recherchefaulheit oder Häme gegenüber der Konkurrenz.

Heute aber ist plötzlich ein “Gewinner” des Tages fast spurlos verschwunden. Vom Nachmittag an bekamen die Leser von Bild.de beim Klick auf die entsprechende Rubrik plötzlich nicht mehr die aktuellen Gewinner und Verlierer zu sehen, sondern eine Wiederholung der Gewinner und Verlierer von gestern.

Über den Ausgang der aktuellen Gewinner/Verlierer-Ziehung der “Bild”-Lotterie informieren nur noch ein paar vereinzelte, offenbar vergessene Teaser auf Bild.de — und natürlich die gedruckte Zeitung: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann hatte in Augen der “Bild” gewonnen. Grund ist das ach so gute Quartalsergebnis der Deutschen Bank:

Gewinner: Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann (62)
BILD meint: Erfolg gibt recht!

Warum hat Bild.de den “Gewinner” verschwinden lassen? Dass Herr Ackermann die Zahlen aus gutem Grund nicht all zu hoch hängen will, spielt für die Wirtschafts-Boulevard-Experten von Bild.de sicher keine Rolle. Aber vielleicht eine aktuellere Meldung?

Wir können hier nur spekulieren, aber man darf bei der “Bild”-Zeitung offenbar nicht einmal so viel Loyalität erwarten, dass sie einen vollen Tag hinter ihrem “Gewinner des Tages” steht. Oder so viel Aufrichtigkeit, dass sie einen Fehlgriff offen korrigiert.

Mit Dank an Lukas W., Marekki und Philipp M.

Leitfaden: Wie hetze ich gegen ein Land auf?

Sie wollten schon immer einmal gegen ein fremdes Volk aufwiegeln, wissen aber nicht, wie’s geht? BILDblog präsentiert seinen Lesern den ultimativen Leitfaden in 13 Schritten und veranschaulicht diese anhand einiger ausgesuchter “Bild”-Artikel über den drohenden griechischen Staatsbankrott.

Zunächst gilt es, sich mit den Grundregeln vertraut zu machen. Diese gehören bei jedem Artikel über Griechenland zum Standardrepertoire und werden bereits seit fast zwei Monaten fleißig angewandt (BILDblog berichtete):

1.

Werfen Sie Schamgefühl und Respekt über Bord. Sie müssen niederste Ressentiments bedienen. Die Quintessenz all dessen, was Sie schreiben, muss lauten: Griechen sind uns Deutschen unterlegen, sie sind faul und sie wollen an unser Geld.

2.

Bilden Sie abwertende Begrifflichkeiten wie “Pleite-Griechen”, “Pleite-Premier” oder “Griechenland-Wut”.

3.

Erwecken Sie immer den Eindruck, die Meinung von “Bild” würde die aller Deutschen widerspiegeln. Verwenden Sie zu diesem Zweck möglichst häufig die Begriffe “wir”, “Deutschland”, “wir Deutsche”. Lassen Sie gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass einzelne Griechen auch immer alle Griechen repräsentieren.

4.

Lassen Sie ausschließlich Gegner von Staatshilfen zu Wort kommen, selbst wenn es ernst zu nehmende Experten gibt, die die Bereitstellung von Krediten für Griechenland für unumgänglich halten.

5.

Setzen Sie unter alle Artikel zur Griechenlandkrise Umfragen, bei denen aufgrund des antigriechischen Tenors des Artikels ein antigriechisches Ergebnis zu erwarten ist. Beziehen Sie sich in späteren Artikeln auf dieses Ergebnis. Ungefähr so: “Wutwelle im Internet gegen Griechenland” (…) “Das Verhalten der Griechen provoziert, die Deutschen sind sauer. 86 Prozent der BILD.de-Leser sagen: Die EU soll Griechenland gar nicht helfen, denn sie sind für ihre Staatsfinanzen selbst verantwortlich.” Unterstreichen Sie dies mit wütenden Zitaten einzelner Bild.de-Kommentatoren.

Haben Sie das verinnerlicht? Dann kann das eigentliche Hetzen beginnen. Achten Sie dabei auf die hohe Schlagzahl: Sämtliche Beispiele stammen aus den letzten drei Tagen.

"Bild" hetzt weiter gegen Griechen

6.

Schreiben Sie so, als hätte Deutschland bereits Geld an Griechenland bezahlt:  “Griechen-Pleite immer schlimmer – Wieviel Kohle sollen wir noch ins Land stecken?” (26.4.2010). Stellen Sie dabei bedeutungsschwangere Fragen wie “Was verschweigen die Griechen uns noch?” oder “Griechen raus aus dem Euro?” und lassen Sie keine Zweifel daran, dass Deutschland sein Geld nie wieder sieht: “Klar ist nur, zahlen wird das auch der deutsche Steuerzahler”

7.

Diskreditieren Sie den gesamten griechischen Staat als dynastisch und korrupt: “Klüngel, Korruption, Familienbande – So funktioniert das System Griechenland” (26.4.2010)

8.

Werfen Sie dem griechischen Ministerpräsidenten den Ort vor, an dem er andere Länder um Hilfe anruft: “Papandreou auf Kastelorozio – Schuldenhilferuf vor Traum-Kulisse” (27.4.2010). Ziehen Sie ihn dabei unbedingt ins Lächerliche: “Griechenland kurz vor dem Bankrott – und der Regierungschef tingelt über fast verlassene, weit entfernte Inseln!”

9.

Greifen Sie einzelne “Negativbeispiele” heraus und wenden Sie sie auf die Gesamtheit aller Griechen an: “Warum zahlen wir den Griechen ihre Luxusrenten – So gut haben es Rentner in Griechenland” (27.4.2010).

10.

Erscheinen Sie persönlich vor Ort und betreiben Sie peinliche und beleidigende Symbolpolitik, deren einzig mögliche Übersetzung vom Deutschen ins Griechische “Griechen raus aus dem Euro!” bedeutet. “Tschüs, Euro! – Bild gibt den Pleitegriechen die Drachmen zurück” (27.4.2010):

Das fast bankrotte Griechenland soll raus aus dem Euro, fordern Experten und Politiker. BILD macht schon mal ernst, gibt den Griechen ihre alte Drachme (von 1831 bis 2001) zurück. Und das Irre: Viele jubeln und reißen sich darum…

11.

Zeigen Sie noch einmal, dass die Griechen aus Ihrer Sicht nichts aus ihrer Misere gelernt haben: “Die Griechen – Sparen? Wieso? Sie streiken lieber!” (27.4.2010). Betonen Sie diesen Umstand mehrfach, damit es auch der letzte kapiert: “Die Griechen wollen und wollen einfach nicht sparen…!” (…) “Haben die Griechen denn gar nichts kapiert?” (…) “Dreister geht’s nicht”

12.

Vergessen Sie nicht, Ihre Kampagne von Zeit zu Zeit mit Kommentaren, in denen Griechenland als nicht vertrauenswürdig eingestuft wird, zu unterstützen:  “Einar Koch: Wer soll den Griechen noch glauben?” (27.4.2010)

13.

Stellen Sie beleidigende Fragen und behaupten Sie, wenn Sie als “Bild”-Reporter aus verständlichen Gründen (siehe auch 11.) unerwünscht sind “Aufgeheizte Stimmung bei Protesten in Athen – Pleite-Griechen bepöbeln Deutsche!” (28.4.2010, inzwischen geändert in “Streik in Athen: Wir wollen nicht sparen!”):

Athen – nichts geht mehr! (…) WEIL GRIECHENLAND (mal wieder) STREIKT… (…) Doch die Griechen haben den Ernst der Lage offenbar immer noch nicht begriffen! (…) BILD sprach mit den Demonstranten, fragte: Habt ihr aus der Krise nichts gelernt? Viele sind sauer auf die Deutschen, blaffen den BILD-Reporter an. Einer droht mit der Faust, brüllt: “Verschwindet hier!” Ein anderer: “Ihr Deutschen wollt uns doch am Abgrund sehen…” Michalis P. (38), Busfahrer: “Ich kann nicht verstehen, dass sich die Deutschen über uns aufregen. Wir verdienen doch schon jetzt viel weniger als sie.” Tassos Kammas (35), Anwalt: “Deutschland muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass die Krise nur in Griechenland ist. Dass viele Griechen jetzt streiken, ist doch völlig normal.”

Viel Erfolg! Ihre Leser werden die bemitleidenswerten Opfer Ihrer Kampagne hassen.

Mit Jürgen Klinsmann im Restaurant

Der Hamburger SV sucht einen neuen Trainer und die “Hamburger Morgenpost” ist sich sicher:

Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird es einer der üblichen Verdächtigen. Jürgen Klinsmann gehört offenbar nicht dazu, es hat kein Treffen mit HSV-Boss Bernd Hoffmann gegeben.

Ein Treffen zwischen Klinsmann und Hoffmann? Wer hat denn so was erzählt?

Die “Hamburger Morgenpost”. Gestern:

Fakt ist: Am vergangenen Mittwoch, einen Tag vor dem Europa-League-Halbfinal-Hinspiel gegen Fulham, traf sich HSV-Boss Bernd Hoffmann mit Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann in einem Restaurant in Hamburg. Der 45-Jährige, am 27. April 2009 nach zehn Monaten beim FC Bayern München gefeuert, war schon mal Kandidat an der Elbe – als Sportchef, nachdem Didi Beiersdorfer zurückgetreten war. Kommt Klinsi jetzt als Trainer?

Der Artikel mit der Überschrift “Was läuft da mit Klinsmann?” ist inzwischen aus dem Online-Archiv der “MoPo” verschwunden.

Mit Dank an Bono.

IPCC, Mädchen-WG, Heute

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “FR zieht Artikel gegen Klimarat zurück”
(wissenslogs.de/wblogs/blog/klimalounge, Stefan Rahmstorf)
Die “Frankfurter Rundschau” zieht einen Artikel vom Februar mit Vorwürfen gegen den Weltklimarat zurück. “Zahlreiche andere Zeitungen innerhalb und außerhalb Deutschlands haben die falschen Vorwürfe gegen das IPCC ungeprüft nachgedruckt, die das Gespann North/Leake in die Welt gesetzt hat.” Siehe dazu auch die Übersicht über die angeblichen und echten IPCC-Fehler.

2. “Missbrauch light”
(fernsehkritik.tv/blog)
Der Fernsehkritiker stört sich daran, dass das ZDF für den Kinderkanal “derzeit fünf Mädchen zwischen zwölf und vierzehn Jahren für eine Dokusoap namens ‘Die Mädchen-WG'” sucht. “Was wäre eigentlich, wenn ein Sender wie RTL ‘Die Mädchen-WG’ produzieren würde? Sofort wären doch alle Jugendschützer und Politiker (zu Recht) auf den Barrikaden.”

3. Interview mit Sheri Fink
(derstandard.at, Michael Kremmel)
“Sheri Fink arbeitet als Journalistin unter Bedingungen, die sich für die allermeisten Journalisten wie Erzählungen aus einer fernen Welt anhören: Weder Geld noch Zeitmangel bei der Recherche, 140 Gesprächspartner und rund ein Dutzend Personen, die aktiv an der Entstehung eines Artikels beteiligt sind. Zwei alleine dafür, damit alle Fakten noch einmal überprüft werden.”

4. “‘Cicero’ wehrt sich gegen ‘Linksruck’-Vorwurf”
(tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann)
Alexander Görlach von “The European” unterschreibt eine Unterlassungserklärung, “die ‘Cicero’-Chefredakteur Michael Naumann von ihm gefordert hatte”. Görlach dazu: “Wir möchten nicht in einen kostspieligen Prozess und langwierigen Rechtsstreit verwickelt werden. Aus all diesen Gründen haben wir uns entschieden, das Geld lieber in unser Magazin zu investieren. Andernfalls wäre dieses Geld an Anwälte und Gerichte zu zahlen.”

5. “Wieviele Fehler passen in eine Titelgeschichte von ‘Heute’?”
(kobuk.at, André Pascal Horvath)
Nicht der Staat, sondern die Wirtschaft zahlt die Gehälter, schreibt André Pascal Horvath zur “Heute”-Schlagzeile “Staat zahlt Häftlingen 10 Millionen € Gehalt!”.

6. “SEO-Tipps für Blogger und Journalisten”
(t3n.de)
Suchmaschinenoptimierung ist Alltag in Online-Redaktionen. “t3n” hat einige Tipps dazu und gibt zu bedenken: “SEO-Maßnahmen machen keinen Sinn, wenn der Artikel darunter leidet!”

Bild  

Das Jodeldiplom

Es ist ja nicht so, dass “Bild” nicht auch zu den gemachten Fehlern stehen würde:

Berichtigung
Zum 200. Geburtstags des Klavierstücks "Für Elise" von Ludwig van Beethoven schrieben wir, die Anfangssequenz laute "didel-didel-didel-duu". Korrekt muss es heißen: "Didel-didel-didel-dadi-dum".

Mit Dank an Sebastian und Tim N.

Der Kreuz-Zug ist abgefahren

Kurz vor ihrer Ernennung zur niedersächsischen Sozialministerin hat die CDU-Politikerin Aygül Özkan dem “Focus” ein Interview gegeben, in dem auch diese zwei Fragen und Antworten vorkamen:

Würde es Sie stören, wenn er in der Schule von Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichtet würde?

Kopftücher haben im Klassenzimmer nichts zu suchen. Die Schule sollte ein neutraler Ort sein. Selbst in der Türkei gilt ein Verbot von Kopftüchern, das sogar noch weiter geht und alle öffentlichen Einrichtungen betrifft. Ein Kind muss selbst entscheiden können, wie es sich religiös orientiert. Darum bin ich dagegen, derartige Symbole an Schulen zuzulassen.

Gilt das auch für Kruzifixe?

Ja. Christliche Symbole gehören nicht an staatliche Schulen. Für Schulen in kirchlicher Trägerschaft gilt das nicht.

Das Interview sorgte für viel Aufregung in den Medien. Genauer: Eine der beiden oben zitierten Antworten.

Designierte CDU-Ministerin gegen Kruzifixe an Schulen: Das Kreuz beschäftigt die Union

Neue türkischstämmige Ministerin: Özkan löst Kruzifix-Streit in der Union aus

Aygül Özkan: Niedersachsens neue Sozialministerin gegen Kruzifixe

Politik kompakt: Özkan für Kruzifix-Verbot

Religion und Staat: Aygül Özkan löst neue Kruzifix-Debatte aus

Die meisten Medien schafften es trotz der knalligen Überschriften, wenigstens im Artikel klar zu stellen, dass nach Frau Özkans Meinung alle Arten religiöser Symbole an staatlichen Schulen nichts zu suchen hätten.

Dieses kleine Detail unterschlug Bild.de überraschenderweise:

Aygül Özkan will keine Kreuze in Schulen: Neue CDU-Ministerin legt sich mit CSU an

Und deshalb gibt es natürlich gleich Morddrohungen gegen die “schöne Ministerin”, wie Bild.de unter Berufung auf die “Bild am Sonntag” schreibt — nur scheinen die (laut “Bild am Sonntag”) nur bedingt mit dem “Kruzifix-Zoff” in Zusammenhang zu stehen:

Seit Mittwochabend wird Aygül Özkan Tag und Nacht von zwei Beamten des Landeskriminalamtes (LKA) bewacht.

Seit ihre Ernennung zur Ministerin bekannt wurde, bekommt sie von rechtsradikalen Deutschen konkrete Morddrohungen.

Seit gestern bekommt Frau Özkan darüber hinaus gute Ratschläge von “Bild”-Kommentatoren: Hugo Müller-Vogg behauptete zunächst ungerührt, sie wolle “‘christliche Symbole’ aus den Schulen entfernen” (eine Behauptung, die er heute noch einmal wiederholte), und erklärt:

Eines hat die erste türkischstämmige Ministerin offenbar nicht verstanden: Dass es bei uns so tolerant zugeht, das ist das Erbe unserer christlich-abendländischen Tradition.

Aygül Özkan und all die anderen Mitbürger muslimischen Glaubens zählen für Müller-Vogg offenbar nicht zu diesem “uns”, das bei “Bild” traditionell schwammig zwischen “Redaktion” und “ganz Deutschland” oszilliert.

Dabei sollten die doch so dankbar sein (“uns”, vermutlich):

Von dieser Toleranz profitieren nicht zuletzt Zuwanderer mit anderen Religionen und Werten. Deshalb dürfen türkische Schülerinnen auch ein Kopftuch tragen, was die Noch-nicht-Ministerin ebenfalls verbieten möchte.

… was freilich nur eine mögliche Interpretation dessen ist, was Özkan geantwortet hatte, als sie vom “Focus” explizit auf Lehrerinnen mit Kopftuch angesprochen worden war.

Aber einmal in Fahrt erklärt Müller-Vogg das christliche Symbol Kruzifix gleich zum christlichen Wert:

Aber die “C”-Partei kann keine Abstriche an ihren christlichen Werten hinnehmen.

Darum geht’s also: Um die Muslima, die heimlich die CDU von innen auflösen will.

Und nachdem Frau Özkan schon wieder zurückgerudert war, machte Franz Josef Wagner heute deutlich, dass er überhaupt nichts begriffen hatte:

Was sollen wir anstelle des Kreuzes ­aufhängen? Ribéry, Beckenbauer, Bushido, Bohlen, Buddha, Günter Grass, Köhler, Frau Merkel, Uwe Seeler, Gerd Müller.

(Hervorhebung von uns)

Mit Dank auch an EagleRN.

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