Archiv für Januar, 2010

Kürzer gemacht

Eine (vielleicht) wichtige Meldung für Formel-1-Fans:

Ecclestone will das "Abkürzen" erlauben

Bevor es offiziell so weit ist, geht Bild.de aber schon mal mit gutem Beispiel voran:

Bernie Ecclestone (l.) im Gespräch mit Ferrari-Star Fernando. Jetzt überrascht der Formel-1-Boss mit einem kuriosen Vorschlag: Er will Abkürzungen bei den Formel-1-Rennen für die Fahrer zu lassen

… und kürzt Fernando Alonso den Nachnamen weg.

Mit Dank an Sven D.

Nachtrag, 16. Januar: Bild.de hat “Fernando” sein “Alonso” zurückgegeben.

Haiti, Al Qaida, Phrasen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wenn Helfer Medien helfen müssen”
(evangelisch.de, Henrik Schmitz)
Deutschsprachige Helfer in Haiti werden von den Medien mit Anfragen überhäuft, zum Beispiel Astrid Nissen, Leiterin des Projektbüros der Diakonie Katastrophenhilfe in Port-au-Prince. “Die Medien sind auf Menschen wie Astrid Nissen angewiesen. Die Zahl der Auslandskorrespondenten ist in den vergangenen Jahren eher zurückgegangen. Es muss gespart werden, auch an der Kompetenz in der Berichterstattung über exotische Länder. Das liegt natürlich auch am Publikum. Flapsig ausgedrückt: Wen interessiert schon Haiti, wenn dort nicht die Erde bebt?”

2. “Empathie”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Auch die Tagesschau hat keine Korrespondenten vor Ort: “Mehrere ARD-Reporter versuchen seit gestern ins Land zu kommen. (…) Auch wenn ich es nach außen nicht gerne zugebe, offen gesagt habe ich gehofft, dass die eigenen Leute möglichst die ersten sein werden, die aus Haiti berichten. Als wäre das so eine Art Wettbewerb. Ich kann gleich sagen: Wir waren es nicht. Heute abend versuche ich, mit dieser Tatsache nicht zu hadern. Denn mir ist besonders in den letzten 24 Stunden wieder einmal klar geworden, wie sehr mir in solchen Situationen die Fähigkeit zur Empathie verloren geht.”

3. “Komplizen: Die Medien und der Terror”
(carta.info, Stephan Ruß-Mohl)
Journalismusprofessor Stephan Ruß-Mohl fragt: “Wäre Al Qaida nicht bald machtlos, wenn selbst ‘gelungene’ Selbstmordattentate nur noch wenig oder keine Medienaufmerksamkeit auf sich lenkten? Die Medien ignorieren ja tagtäglich auch tausend andere Gewalttaten und Kriege auf dieser Welt.”

4. “Print lebt, und wie: ‘Landlust’ überholt ‘Focus'”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Wenig überraschendes zeigen die neusten IVW-Zahlen der Printmedien: Viele verlieren (“Unter den Verlierern sind viele Me-too-Produkte, die freundlich formuliert verzichtbar sind”), Wochenzeitungen wie die “Zeit” und die “FAS” gewinnen hinzu. “So abgedroschen dieser Spruch auch klingen mag: Qualität setzt sich durch. Einen Automatismus dafür gibt es nicht, aber immerhin die Erkenntnis, dass es sich lohnen kann, gut zu sein.”

5. “Die hohlen Phrasen der Bosse”
(meedia.de/nc/background/meedia-blogs, Stefan Winterbauer)
“Es gehört zum Selbstverständnis der so genannten Entscheidungsträger, dass man so tun muss, als ob alles spitzenmäßig läuft. Breites Grinsen aufgesetzt und beide Daumen hochgestreckt. Auch wenn hinter einem für jeden sichtbar die Ruinen rauchen.”

6. “Georg Mascolo in Leipzig zu Gast: Nachrichten sind ein rares Gut”
(l-iz.de, Ralf Julke)
“Spiegel”-Chefredakteur Georg Mascolo sieht Nachrichten als ein Rohstoff, der nicht beliebig zu vermehren ist. Und: “Das Umschreiben von dpa-Meldungen wird in Zukunft nicht mehr reichen.”

“Und was qualifiziert Sie so als Journalist?”

Seit im vergangenen November bekannt wurde, dass Kristina Köhler neue Bundesfamilienministerin wird, steht eine Frage im Raum:

Kann man ohne Kinder eine gute Familien-Ministerin sein?

Sie ist jung, ledig, kinderlos – und künftig die Mutter der Nation. Kristina Köhler (32, CDU) ist Deutschlands neue Familienministerin. Ist die Hessin diesem Job gewachsen?

(Bild.de, 28. November 2009)

“Ihre Vorgängerin im Amt, Ursula von der Leyen, ist siebenfache Mutter. Sie sind ledig und kinderlos. Was qualifiziert Sie als Familienministerin?”

(“Bild am Sonntag”, 29. November 2009)

“Frau Ministerin Köhler, Sie sind 32 Jahre jung, kinderlos – was befähigt Sie, das Familienministerium zu führen?”

(“Welt am Sonntag”/“Berliner Morgenpost”, 6. Dezember 2009)

“Frau Köhler, Sie sind 32, kinderlos und noch ledig. Was qualifiziert Sie, das Familienministerium zu leiten?”

(“Bild”, 14. Januar 2010)

Trotz der immer gleichen Fragen blieb Frau Köhler bei ihren Antworten ausgesucht höflich, bemühte sich aber im Gegenzug um ähnlich große Unoriginalität:

Ich habe mich sowohl in meinem Studium als auch in meiner bisherigen Arbeit im Innenausschuss immer mit gesellschaftlichen Themen befasst. Vor allem habe ich mich um Integration von Migranten und den Kampf gegen Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus gekümmert. Das sind Themen, die auch in meinem Ministerium von entscheidender Bedeutung sein werden.

(“Bild am Sonntag”, 29. November 2009)

Das mit den 32 Jahren, das wird sich ja im Laufe der Zeit ändern. Ich bin jetzt Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – und Sie werden schwerlich jemanden finden, der all diese Bereiche in einer Person vereinigt. Ich habe mich im Studium und auch in meiner bisherigen Funktion im Innenausschuss intensiv mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigt, daran knüpft mein jetziges Amt gut an.

(“Welt am Sonntag”/“Berliner Morgenpost”, 6. Dezember 2009)

Das mit den 32 Jahren wird sich ja im Laufe der Zeit ändern. Ich bin jetzt Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – und Sie werden schwerlich jemanden finden, der all diese Bereiche in einer Person vereinigt. Ich habe mich in meiner bisherigen Funktion im Innenausschuss intensiv mit gesellschaftspolitischen Fragen beschäftigt und war beim CDU-Grundsatzprogramm für Familie zuständig – daran knüpft mein jetziges Amt gut an.

(“Bild”, 14. Januar 2010)

Mit Dank auch an Stephan K.

CIA, SPÖ, E-Bücher

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “CIA-Killerstory ohne Quellen”
(ndr.de, Video, 7:05 Minuten)
Ein in den letzten Tagen von vielen Zeitungen aufgegriffenes angebliches Mordkomplott der CIA auf Mamoun Darkazanli beruht auf genau einer Quelle, einem Artikel in der “Vanity Fair”. Das Medienmagazin “Zapp” meint: “Zu aufregend, um wahr zu sein”.

2. “‘Big Brother’ und das Haus der verlorenen Seelen”
(faz-community.faz.net, Peer Schader)
Peer Schader hat sich die Bewohner der zehnten Staffel des Big-Brother-Hauses genauer angesehen: “Es ist eine ganz erstaunliche Truppe, die Endemol da für die zehnte Staffel von ‘Big Brother’ zusammengecastet hat: Menschen, die nicht mal mehr fürs, sondern teilweise schon im Fernsehen leben, und für die schon ganz genau vorgeplant sein dürfte, welche Konflikte sie in den kommenden Wochen durchlaufen sollen.”

3. “SP verschickt unter ORF-Logo ausgefüllte Wahlformulare für Publikumsrat”
(derstandard.at, Harald Fidler)
Auch in Österreich geht es um den Einfluss der Parteien auf öffentlich-rechtliche Anstalten. Die Partei SPÖ verschickt zur Wahl von sechs direkt wählbaren Publikumsräten Briefe, die so wirken, als wäre der ORF Absender.

4. Interviews mit Meinungsmachern
(dctp.tv, Videos)
Neue Videos mit Bloggern sind online. Dabei: Thomas Knüwer, Udo Vetter, Mario Sixtus und Stefan Laurin.

5. “Eklat um das Monster”
(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)
Kurt W. Zimmermann erklärt anhand eines konkreten Beispiels die “sechs Phasen des Thesenjournalismus”: Skandalisierung, Personalisierung, Kampagne, Rücktritt, Eskalation und Schmutz.

6. “Lesen, Schreiben [1]”
(intrig.antville.org, Peter Praschl)
Peter Praschl macht sich Gedanken zu E-Büchern.

Alter und Aussehen egal

Seit das “Hamburger Abendblatt” seine Qualitätsoffensive gestartet hat, sind viele Inhalte auf seiner Website kostenpflichtig.

So kann man den Text “Glatteis: 70 Hamburger nach Stürzen im Krankenhaus” nicht ohne Weiteres lesen. Was man aber kostenlos zu sehen bekommt, ist dieses Foto:

Noch immer sind viele Straßen, Geh- und Radwege spiegelglatt. Böse Ausrutscher leisteten sich am Dienstag mehr als 70 Hamburger.

Es zeigt die Kreuzung der Friedrichstraße mit dem berühmten Prachtboulevard Unter den Linden — in Berlin.

Gut zu erkennen an dem Doppeldeckerbus rechts im Bild und der Fassade des Hotels “The Westin Grand” am linken Bildrand.

Das Foto zeigt aber nicht nur die falsche Stadt, es ist noch nicht einmal aktuell: Wie unser Berliner Büro berichtet, liegt in der ganzen Stadt Schnee. Vermutlich stammt das Bild aus der gleichen Serie wie ein anderes Winter-Foto, das dpa kurz vor Weihnachten veröffentlichte.

Für zahlende Leser hält das Abendblatt.de, das nicht zum ersten Mal durch mangelnde Genauigkeit bei der Foto-Auswahl auffällt, übrigens eine 21-teilige Bildergalerie bereit:

Fotostrecke: Winter in Hamburg. Hamburg ist jetzt ein Winterwunderland.

Alle Fotos zeigen – soweit wir das überblicken können – Hamburg.

Mit Dank an Peter C.

Schleichst du noch oder wirbst du schon?

Schleichwerbung oder Modemacke - Warum trägt Bohlen immer dieselbe Polo-Hemden-Marke?

fragt Bild.de gewohnt investigativ und unterstreicht mit einer dreiteiligen Bildergalerie die Feststellung, dass Dieter Bohlen in der dritten Folge der aktuellen Staffel “Deutschland sucht den Superstar” bereits zum dritten Mal ein Polohemd von “Camp David” trug. Ironischerweise riecht die überaus schmeichelhafte Beschreibung des amerikanischen Modelabels durch “Bild” (“Laut Konzern ‘eine Marke für selbstbewusste Männer ab 25’ (Shirts rund 30 Euro)”) selbst schon ein wenig nach Schleichwerbung.

Den Beitrag schmücken zwei InText-Werbelinks zu einer Mode-Preisvergleichsseite und zwischen den zahlreichen Anzeigen für verschiedenste Online-Mode-Versandhäuser hat Bild.de ein mutmaßlich redaktionell gemeintes Video von Reuters eingebaut, in dem über die Modeschau eines Unterwäsche-Herstellers berichtet wird. Für Produktinformationen ist also ausreichend gesorgt.

Was jedoch komplett fehlt, ist die Antwort auf die ursprüngliche Frage, die wir gerne beantworten: Nein, Dieter Bohlen macht keine Schleichwerbung — sondern ganz offen Werbung für “Camp David”. Recherchefreudige Journalisten hätten dies leicht mit einem Besuch im Online-Shop der Marke herausfinden können:

Camp David - Dieter Bohlen - Bestseller!

Da grinst einen der Dieter nämlich die halbe Seite ausfüllend direkt an — und die Polohemden sind auch schon alle ausverkauft.

Mit Dank an Matthias K.

Big Brother, Focus, Tierquälerei

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Big Brother, keiner braucht’s in Zeiten von Youporn”
(welt.de, Johanna Merhof)
Niemand brauche die RTL2-Sendung “Big Brother”, die so zynisch sei, dass es beinahe weh tue, meint Johanna Merhof: “Und das nicht etwa, weil die Show so skandalös ist, sondern weil sie so unfassbar billig produziert ist. Es passierte – nichts.”

2. “Focus: Generalüberholung unter altem Chef”
(sueddeutsche.de, Hans-Jürgen Jakobs)
Der neue “Focus”-Chefredakteur Wolfram Weimer darf das Blatt noch nicht von Helmut Marktwort übernehmen, die geplante Neuausrichtung soll aber so aussehen: “Er will das Magazin Focus, das in Politik und Wirtschaft wegen seines bemühten Verbraucherjournalismus nur müde belächelt wird, zum ernstzunehmenden Debattenheft machen. Das Kunststück soll mit bekannten Fremdautoren gelingen.”

3. “Kritik an Merkels Führungsstil: Warum erst jetzt?”
(carta.info, Andreas Griess)
Andreas Griess fragt sich, warum die Medien erst jetzt, in der neuen Koalition, eine Führungsschwäche von Bundeskanzlerin Angela Merkel feststellen.

4. Interview mit Gabriele Fischer
(innovativ-in.de, Elita Wiegand)
Über “Unternehmer, die gerne in brand eins über sich lesen würden”, sagt Chefredakteurin Gabriele Fischer: “Es gibt einige Unternehmen, die das gerne wollten und dann anschließend fassungslos darüber waren, dass ihnen kritische Fragen gestellt wurden.”

5. “Der ‘Spiegel’ geht googeln”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
“Es gab mal eine Zeit, die Älteren werden sich erinnern, in der Deutschland als Land der Technik und der Innovation galt. ‘Made in Germany’ war eine Auszeichnung und verkaufte Produkte weltweit. Deutschland, das setzten viele auf dem Globus gleich mit ‘Fortschritt’. Heute ist in Deutschland Fortschritt dagegen pfuibah.”

6. “Tierquälerei bei Wiesenhof? Wie Hühner leiden müssen”
(youtube.com, Video, 6:16 Minuten)
Der “Report Mainz” berichtet über die Tierhaltung in einem Betrieb der PHW-Gruppe, für deren Marke Wiesenhof Dieter Bohlen Werbung macht. Inzwischen hat Wiesenhof Strafanzeige gegen die “Betreiberin der Elterntierfarm in Twistringen” und auch gegen die Tierrechtsorganisation PETA gestellt.

Feuilletons, Mannheimer Morgen, Steinkühler

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die 10 besten Texte aus den Feuilletons des vergangenen Jahres”
(umblaetterer.de)
Seit 2005 küren die Umblätterer die zehn besten Feuilleton-Texte des Jahres. Ausgezeichnet wurden diesmal Texte von Maxim Biller, Peter Richter, Henryk M. Broder, Wolfgang Büscher, Hans Ulrich Gumbrecht, Nora Reinhardt, Tom Kummer, Birk Meinhardt, Felicitas von Lovenberg und Dietmar Dath.

2. “Stuss und Stop-Motion”
(gunnargeller.de)
Gunnar Geller stört eine (über einer Berichtigung erscheinende) Kurzmeldung im Feuilleton der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”: “Ein Zeichentrickfilm mit Schauspielern und Marionetten? Offensichtlicher Schwachsinn, diese Nachricht.”

3. “Was Meinungsfreiheit bedeutet oder wie der MM die Meinung manipuliert”
(heddesheimblog.de, Hardy Prothmann)
Hardy Prothmann schreibt über die kritikarme Berichterstattung von einem Neujahrsempfang der Gemeinde Heddesheim im “Mannheimer Morgen”.

4. “Journalisten als Gründer: Bereiten Journalistenschulen ihre Absolventen darauf vor?”
(medialdigital.de, Ulrike Langer)
Ulrike Langer fragt bei mehreren Journalistenschulen nach, ob diese ihre Schüler auf “eine journalistische Zukunft in eigener unternehmerischer Verantwortung” vorbereiten.

5. “100 Jahre Ahnungslosigkeit – Journalisten und das Geschäftsmodell”
(marian-semm.de)
Auch Marian Semm glaubt, dass es sich Journalisten nicht mehr leisten können, sich überhaupt nicht um Geschäftsmodelle zu kümmern: “Liebe Journalisten, 100 Jahre Ahnungslosigkeit sind genug, redet endlich mit beim Geschäftsmodell und übernehmt Verantwortung für Umsatz!”

6. “Welche Rolle spielt Jürgen Rüttgers bei der Entsorgung von kritischen Journalisten?”
(wir-in-nrw-blog.de, Ariane Arnold)
Ariane Arnold spekuliert über die Gründe der Freistellung des “Focus”-Journalisten Karl-Heinz Steinkühler: “Unter den Düsseldorfer Kollegen gibt es kaum jemanden, der daran zweifelt, dass Rüttgers und seine Machterhaltungstruppe sich bei Markwort über den Mann beschwert und seine Ablösung verlangt haben, der ihnen so viel Ärger bereitet hat.” Im Juni 2009 beschwerte sich der NRW-Regierungssprecher Hans-Dieter Wichter per Brief beim “Focus” über Karl-Heinz Steinkühler.

Riesige Schlamperei bei Hartz-IV-Rechnung

Nehmen wir mal für einen Moment an, 36,4 Prozent aller Fehler, die wir hier im BILDblog protokollieren, würden anschließend von den jeweiligen Medien korrigiert. Wenn dieser Sachverhalt anschließend in einem Artikel aufgegriffen und mit der Überschrift “Ein Drittel aller Berichte in deutschsprachigen Medien wird hinterher korrigiert” versehen würde — dann wäre das so falsch, dass wir schon wieder etwas zum Aufschreiben hätten.

Aber jetzt husch husch runter von dieser Meta-Ebene und hinein ins Gewühl: Das ARD-Magazin “Report Mainz” berichtet, dass “jeder dritte Widerspruch der Hartz-IV-Empfänger” erfolgreich war.

Oder, wie dpa den Sachverhalt richtig zusammenfasst:

Die Bundesagentur für Arbeit hat vergangenes Jahr rund 280 000 Hartz-IV-Bescheide nachbessern müssen. Von Januar bis November wurden bei der BA 766 700 Widersprüche bearbeitet. 36,4 Prozent davon wurden ganz oder teilweise stattgegeben, bestätigte die Nürnberger Behörde einen Bericht des ARD-Magazins “Report Mainz”.

Deutlich knackiger liest sich der Sachverhalt in der Überschrift diverser OnlineMedien:

Mindestens jeder dritte Hartz-IV-Bescheid fehlerhaft

Knackiger — aber falsch: Nicht ein Drittel der Bescheide war fehlerhaft. Ein Drittel der Bescheide, gegen die Widerspruch eingelegt wurde, war fehlerhaft. Ein gravierender Unterschied, den eine erschütternd große Zahl von Medien (anscheinend auf der Grundlage einer Meldung der Nachrichtenagentur APN*) nicht verstand:

Riesige Schlamperei bei Hartz IV: Es ist amtlich: Jeder dritte Hartz-IV-Bescheid ist falsch. Das mag kaum verwundern – sogar der Chef der Arbeitsagentur hält seine Mitarbeiter für inkompetent.
(“Focus Online”)

Jeder dritte Hartz-IV-Bescheid wurde korrigiert - Behörde: 270.000 Widerspruchsverfahren erfolgreich. Die Behörden mussten im vergangenen Jahr jeden dritten Hartz-IV-Bescheid korrigieren. Knapp 270.000 Widerspruchsverfahren waren erfolgreich. Das bestätigte die Bundesagentur für Arbeit. Grund sei die Personalsituation.
(heute.de)

Jeder dritte Hartz-IV-Bescheid fehlerhaft

(“Berliner Zeitung” vom 12. Januar, Printausgabe)

Bei “Spiegel Online” war man ebenfalls erst auf dem Holzweg, hat sich aber inzwischen korrigiert:

Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich hieß es in der Überschrift

*) APN ist das Kürzel des Deutschen Auslands-Depeschendienstes DAPD, der früher zu AP gehörte, jetzt zum ddp, und zwischenzeitlich auch “APD” abgekürzt wurde (vgl. hier).

Mit Dank an Stephan K. und Tim N.

Nachtrag, 11.20 Uhr: Inzwischen haben heute.de und “Focus online” ihre Überschriften und Einleitungen korrigiert und auf diesen Umstand hingewiesen.

2. Nachtrag, 18.25 Uhr: Die Nachrichtenagentur DAPD, die ihre Meldungen unter der Agenturkennung APN versendet, weist den Verdacht zurück, dass der Fehler bei ihr gelegen haben könnte. Ihre Meldung trug die korrekte Überschrift “Behörden mussten knapp 280.000 Hartz-IV-Bescheide korrigieren”.

Übrigens… falls Ihnen die ganze Geschichte bekannt vorkommt: Wir hatten denselben Fall schon einmal vor fünf Jahren. Damals war übrigens noch “jeder zweite Hartz-Bescheid falsch”.

Eigento

Seit die “Tagesthemen” im Juni 2008 eine falsche Deutschlandfahne eingeblendet haben, hat “Bild” die Nachrichten der ARD genau im Auge — vielleicht sogar noch ein bisschen genauer, seit der Axel Springer Verlag sauer auf “ARD aktuell” ist.

Am Wochenende hatten die Beobachter von “Bild” endlich mal wieder was entdeckt, was sie der “Tagesschau” am Montag sofort aufs Brot schmieren konnten:

Verlierer: Wieder mal Erdkunde-Probleme bei der "Tagesschau"! Diesmal traf es das Emirat Katar am Golf. Dessen Hauptstadt Doha machte die ARD gestern früh zu "Dohar". Die peinliche Panne sprach sich auch in der Delegation von Außenminister Westerwelle herum, dessen Arabien-Reise der Beitrag betraf. BILD meint: Oha(r)!

Ja, was für peinliche Volltrottel da bei der ARD sitzen. Wo doch jeder Depp weiß, dass die Hauptstadt Katars Doha heißt.

Also: Von dem Menschen mal ab, der für “Sportbild” – deren Internetauftritt seit November eine Unterseite von Bild.de ist – die Sport-Termine für den letzten Dezember zusammengestellt hat:

Reiten (bis 23.12.): Weltcup, Springen in Dohar (Katar)

Mit Dank an Thomas H.

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