Wann immer die Frage aufkommt, was die Menschheit eigentlich von der Raumfahrt habe, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Wort “Teflon” fallen.
Bild.de tat gut daran, in der Auflistung “Diese Nasa-Erfindungen erleichtern uns den Alltag” auf Bratpfannenbeschichtungen zu verzichten, denn bekanntlich wurde das Zeugs schon 1938 entdeckt.
Trotzdem hat Bild.de noch genug hilfreiche Nasa-Erfindungen auftreiben können, um nicht nur einen Aufhänger (Infrarot-Ohr-Thermometer) für den Artikel zu haben, sondern auch gleich noch eine 13-teilige Klickstrecke füllen zu können.
Neun der 13 Objekte finden sich – in der gleichen Reihenfolge – in der Liste “10 NASA Inventions You Might Use Every Day”, die die amerikanische Website HowStuffWorks am 12. Mai 2008 veröffentlicht hat. (Die titelgebende zehnte Erfindung dort ist übrigens das Infrarot-Ohr-Thermometer.)
Zu den vier restlichen “Nasa-Erfindungen” zählt Bild.de unter anderem:
Das wäre schon insofern beeindruckend, als das erste Patent für den Strichcode im Oktober 1952 erteilt wurde — gut sechs Jahre vor Gründung der NASA.
Strichcodes wurden nicht von der NASA erfunden. Die NASA entwickelte eine besondere Form des Strichcodes zur Inventarisierung von Space-Shuttle- und anderen Weltraum-System-Komponenten, der harte Umgebungen aushalten konnte, aber dieser sollte nicht mit dem originalen Strichcode verwechselt werden.
(Übersetzung von uns)
Mit Dank an Malte L.
Nachtrag, 27. Januar: Bild.de hat den Strichcode aus der Klickstrecke entfernt (in der Dachzeile steht er noch) und bei Texttafel 12 von 12 ein “Quelle: howstuffworks.com” hinzugefügt.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Wintersport-Fernseh-Test – Werbung am laufenden Band” (faz.net, Christian Eichler)
Christian Eichler schaut sich auf ARD acht Stunden Wintersport an und stösst auf viel Werbung: “12.50 Uhr, Innsbruck, Skeleton der Frauen, endlich ein deutscher Erfolgssport. Er wird auf dem Bauch betrieben, weswegen die Werbung am Gesäß klebt.”
2. “Wein-Presse: Gibt es noch einen Ausweg?” (weinakademie-berlin.de, Michael W. Pleitgen)
Ein langer Artikel zum aktuellen Zustand des Weinjournalismus: “Die Öffentlichkeit fragt sich nicht, warum Weinzeitschriften so oft über in unseren Landen unbedeutende Herkünfte wie Griechenland und Portugal schreiben. Haben die Zeitschriften etwas Neues entdeckt? Gilt es sensationelle neue Weine aufzuspüren? Viel einfacher: meist stand am Anfang eine PR Agentur und eine bezahlte Journalisten-Reise!”
3. “Unsinn” (pixelfehler.nicolas-neubauer.de)
Nicolas Neubauer analysiert den “Spiegel Online”-Artikel “Wunderflunder mit Schnick und Schnack”, in dem über die Ankündigung eines neuen Produkts der Firma Apple spekuliert wird.
4. “In Haiti werden Journalisten selbst zu Helfern” (evangelisch.de, Corinna Blümel)
“Helfen oder Berichten – vor diesem Dilemma stehen Journalisten bei jeder Katastrophenlage, seien es Erdebeben wie jetzt in Haiti oder der Tsunami von 2004, seien es Hungersnöte, kriegerische Auseinandersetzungen oder das Flüchtlingselend in Darfur.”
5. “Zu digital, um wirklich schön zu sein” (tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann)
Sonja Pohlmann über den Einsatz von Photoshop und anderen die Realität verändernden Techniken: “In der Regel wird kein Bild unbearbeitet in Magazinen und auf Plakaten abgedruckt.”
6. “Entschiedenes Dementi” (herthabsc.de)
Werner Gegenbauer, Präsident des Fußballvereins Hertha BSC Berlin, “dementiert entschieden, dass ein Präsidiumsbeschluss gefasst worden sei, wonach die Hertha-Profis Arne Friedrich, Gojko Kacar und Raffael im Fall einer Niederlage im Heimspiel am kommenden Samstag gegen den VfL Bochum verkauft werden sollen. Dies hatte die Berliner Boulevard-Zeitung B.Z. am Sonntag auf ihrer Internet-Seite berichtet.”
erklärte “Bild” am vergangenen Freitag mit dem üblichen Understatement und ließ es sich nicht nehmen, einen eigenen Beitrag zur Diskussion zu liefern, der knapp ein Viertel der Titelseite einnahm:
Diese Frage war für “Bild” ungefähr so rhetorisch wie die, mit denen der große Seite-2-Artikel begann:
Muss es eine verschärfte Arbeitspflicht für Arbeitslose geben, wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch fordert? Haben Hartz-IV-Empfänger keine Lust zu arbeiten? Oder lohnt es sich schlicht für viele nicht mehr, überhaupt eine Arbeit anzunehmen?
Gleich drei O-Töne hat die Zeitung eingesammelt (von Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt, CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs und FDP-Sozialexperte Pascal Kober), die alle der Meinung zu sein scheinen, dass die Menschen die Lust am Arbeiten verlieren, wenn die Hartz-IV-Bezüge zu hoch sind bzw. jemand, der arbeitet, nicht “wirklich mehr” verdient.
Um dieses “wirklich mehr” zu qualifizieren, hat “Bild” drei Beispielfamilien erfunden und für sie verglichen, was sie als Berufstätige und als Bezieher von Arbeitslosengeld II bekommen. Wenig überraschendes Ergebnis: Laut “Bild” bekommt, wer arbeitet, nur wenig mehr — oder gar gleich weniger — als der vergleichbare Hartz-IV-Empfänger.
Allein: “Bild” rechnet falsch. Der Paritätische Wohlfahrtsverband wirft “Bild” vor, bei den Arbeitnehmern Wohngeld und Kinderzuschlag “systematisch unterschlagen” zu haben. Familien, die so wenig verdienen, hätten darauf allesamt Anspruch und damit durch die Bank rund 500 Euro mehr zur Verfügung als mit ALG II.
“Bild” widersprach, nannte den Vorwurf “grob irreführend” und wies darauf hin, dass jemand, der die “Aufstockung” seines Gehaltes mit Arbeitslosengeld II beantrage, Wohngeld und Kinderzuschlag nicht mehr beantragen dürfe. Was “Bild” aber dabei unterschlägt: Mit diesen zusätzlichen Einnahmequellen erreichen die Beispielfamilien auch ohne diese “Aufstockung” (die ihnen dann ohnehin nicht zustünde) höhere Summen als von “Bild” angegeben. Der Wohlfahrtsverband nennt die Verteidigung von “Bild” daher “wiederum völlig falsch und damit bewusst irreführend”.
“Bild” gibt das Einkommen der Beispielfälle nach den Berechnungen des Wohlfahrtsverbandes um jeweils mindestens 200 bis 250 Euro zu niedrig an. Bei richtiger Berechnung wüchse der Abstand der Einnahmen der arbeitenden Familien gegenüber denen, die nur von Hartz IV leben, auf jeweils rund 500 Euro im Monat.
Doch die “Bild”-Zeitung blieb auch am Samstag ihrer Linie treu: Sie ließ “Betroffene” zu Wort kommen, die erklären, dass sie arbeiten gehen, obwohl sie “läppische 52 Euro mehr” bekommen als ihnen bei Hartz IV zustünden. Passend dazu veröffentlichte das Blatt einen angeblichen Leserbrief mit folgendem Inhalt:
Ich bin 40, Krankenpfleger, Langzeitarbeitsloser aus gesundheitlichen Gründen (Psyche). Ich warte jetzt erst mal die Neuregelungen ab. Nach 10 Jahren lohnt es sich für mich nicht, wieder einzusteigen. Im Juni war ich eine Woche auf Helgoland. Im September und Dezember auf Mallorca. April-Urlaub ist schon gebucht. Also, geht doch!
H. R., Hamburg (E-Mail)
Am Montag dürfen sich Hartz-IV-Empfänger in “Bild” “wehren”:
Dass Hartz-IV-Empfänger “NICHT allesamt faul” seien, hatte Nikolaus Blome aus dem Hauptstadtbüro von “Bild” schon am Freitag in seinem Kommentar geschrieben.
Blome und “Bild” wünschen sich aber offenbar eine Reduzierung der Hartz-IV-Sätze:
Die Ansprüche zu erhöhen, unter dem Strich also mehr Geld für Hartz-IV-Haushalte zu geben, das ist keine Lösung. Sondern das Gegenteil.
Dafür rechnen sie auch schon mal falsch.
Mit Dank an Ceggis, Joachim R., Kristin H. und Andreas.