Ein Panel mit dem Thema “Was ist heute guter Journalismus?” mit Katharina Borchert (derwesten.de), Nikolas Brender (Chefredakteur ZDF), Josef Joffe (Die Zeit), Jan-Eric Peters (Axel Springer Akademie) und Frank Syré (bild.de). Moderation: Steffen Grimberg (taz).
Seit Wochen sucht die Tamedia nach einem neuen Chefredakteur für den Tages-Anzeiger. Die Mitarbeiter, ausgeliefert den zu erwartenden Entscheidungen, sollen redaktionsintern eine Liste mit Kandidaten-Quoten führen. Favorit zurzeit (Quote 1.5) ist Res Strehle, entweder solo oder als Duo mit Markus Eisenhut. Als Aussenseiter im Rennen: Frank A. Meyer (Quote 180).
“Kernerisierung meint: den Ersatz ressortspezifischer Kenntnisse durch die Bereitschaft zur guten Laune, den Ersatz von Information durch inszenierte Einfühlung, den Ersatz republikanischer Gesprächskultur durch autoritäre Kumpelei und den Ersatz des Gedankens durch den Affekt. Meister all dieser Surrogate ist Johannes B. Kerner.”
“Mit ‘newsnetz.ch’ will Tamedia den ‘schnellsten Qualitätsjournalismus’ im Internet bieten. Medienredaktor Klaus Bonanomi geht der Frage nach, ob es qualitativ hoch stehenden Journalismus, der schnell ist, überhaupt geben kann.”
“Miese Werte für die Führung, schlechtes Image, mangelnde Mitbestimmung: Das macht ORF-Mitarbeiter krank, 30 Prozent sehen sich am Rande des Burn-outs.”
Sechs von der Gewalttat in Winnenden betroffene Familien veröffentlichen auf der Titelseite der Winnender Zeitung einen offenen Brief: “Wir wollen weniger Gewalt im Fernsehen. Das Fernsehen, als noch wichtigste Informations- und Unterhaltungsplattform, hat einen sehr großen Einfluss auf die Denk- und Gefühlswelt unserer Mitbürger. Das Fernsehen setzt heute die ethischen und moralischen Standards. Wenn wir es zulassen, dass unseren Mitbürgern weiterhin täglich Mord und Totschlag serviert werden, ist abzusehen, dass die Realität langsam, aber stetig dem Medienvorbild folgen wird.”
Seit Peer Steinbrück Schweizer Banken irgendwie mit Indianern verglichen hat, versuchen sich Schweizer Politiker, Journalisten und Wirtschaftsfunktionäre mit ihrer Abneigung gegen den deutschen Bundesfinanzminister gegenseitig zu überbieten.
Heute berichtet die “NZZ am Sonntag” in einer kleinen Meldung darüber, dass der Cheflobbyist der Schweizerischen Bankiervereinigung Kuno Hämisegger eidgenössische Parlamentarier per E-Mail dazu aufgefordert habe, der Facebook-Gruppe “Ich könnte Peer Steinbrück pausenlos die Fresse polieren!” beizutreten.
Diese Nachricht greift auch Bild.de gerne auf und vermeldet:
Nun ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass man auf eine Zahl wie 10.000 kommt, wenn man die Abgeordneten der Schweizer Bundesversammlung, der 26 Kantonsparlamente und aller Gemeindeparlamente addiert. Dass diese aber alle im E-Mail-Verteiler des Herrn Hämisegger stehen, bei Facebook angemeldet und dieser Gruppe beigetreten sind, darf als äußerst unwahrscheinlich gelten.
Mit anderen Worten: Die inzwischen mehr als 13.000 Mitglieder der Facebook-Gruppe sind natürlich nicht alle Parlamentarier.
Aber da ist noch ein Satz im Bild.de-Artikel, der stutzig macht:
Mal von der Frage ab, warum ausgerechnet der deutsche Finanzminister zum G20-Gipfel nach London (Großbritannien) einladen sollte: Hat da vielleicht jemand bei Bild.de ein entscheidendes Wort im Artikel der Schweizer “Sonntagszeitung” übersehen?
Finanzminister Hans-Rudolf Merz lässt seinen deutschen Amtskollegen und härtesten Schweiz-Kritiker, Peer Steinbrück, ins Leere laufen und schlägt dessen Einladung zu einem Treffen vor dem G-20-Gipfel aus.
(Hervorhebung von uns.)
Im Interview mit dem “SonntagsBlick” wird Merz sogar mit der Äußerung zitiert, er habe bisher noch keine Einladung zu einem Treffen mit Steinbrück erhalten.
Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!
Nachtrag, 20:05 Uhr:Bild.de hat den Satz mit den “10 000 Parlamentariern” ersatzlos gestrichen und an anderer Stelle eine kleine Änderung angebracht:
Der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz schlug Steinbrücks Einladung zu einem Treffen vor dem G20-Gipfel aus.
Ob es eine solche Einladung überhaupt gab, ist nach wie vor nicht ganz klar.
Spiegel.de, welt.de, sueddeutsche.de. Sie alle berichteten über eine Studie mit dem Titel “Jugendliche in Deutschland als Opfer und Täter von Gewalt” (pdf-Datei). H. Sf. glaubt, das Medienecho gebe “den Schwerpunkt der Studie grob verzerrt wieder”, denn alle hätten sich auf den “Schlussteil, der auf 15 Seiten von ‘Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus’ handelt”, gestürzt, den “Stoff, nach dem deutsche Medien offenbar süchtig sind”.
Günter Schröder denkt sich die Fragen zur RTL-Sendung “Wer wird Millionär” aus: “Es mag sich banal anhören, aber das größte Problem ist oft auch sicherzustellen, dass die falschen Alternativen auch tatsächlich falsch sind.”
Es scheint, als hätte die “Bild”-Zeitung ihre Kampagne gegen die angebliche Ungerechtigkeit, dass die Ossis unsere ganze schöne Rente bekommen, für den Moment abgeschlossen. Heute steht nur noch ein kleinerer Artikel unten auf der zweiten Seite mit der Überschrift: “So viel Rente bekommen die Deutschen WIRKLICH”, als würde das, was “Bild” an den vorigen Tagen zum Thema veröffentlicht hatte, die Lage gar nicht treffen — was sogar stimmt.
Am Dienstag und Mittwoch hatte “Bild” mit diesen Schlagzeilen aufgemacht:
Weil die Rentenbezüge in den neuen Bundesländern um 3,38 Prozent steigen, in den alten aber nur um 2,41 Prozent, formulierte “Bild”:
Damit ist die Kluft zwischen den Rentenerhöhungen in Ost und West so groß wie zuletzt vor 10 Jahren.
Das stimmt, ist aber eine geschickte Verkehrung der Perspektive. Denn der Westen hat bei den Renten immer noch einen deutlichen Vorsprung vor dem Osten. Der “Rentenwert” (die monatliche Rente, die man pro Jahr mit einem Durchschnittseinkommen bekommt) ist im Osten über zehn Prozent niedriger. Unter gleichen Voraussetzungen bekommt ein Ostrentner weniger Geld aus der gesetzlichen Rentenversicherung als ein Westrentner.
Wenn die Renten jetzt im Osten also stärker steigen als im Westen, heißt das nicht, dass die Ostrenten den Westrenten weglaufen, wie “Bild” suggeriert, sondern nur, dass sich die Kluft zwischen beiden verringert. Das ist eine Folge davon, dass sich auch die Einkommensunterschiede langsam ausgleichen.
“Bild” suggeriert, dass Ostdeutsche auch in absoluten Zahlen mehr Rente bekommen. Auch das stimmt nur scheinbar. Ein realistischer Vergleich ist kaum möglich, weil in Ostdeutschland Gutverdiener wie Ärzte oder Rechtsanwälte den Durchschnitt in die Höhe treiben, die im Westen nicht aus der gesetzlichen Rentenkasse bezahlt werden. Außerdem sind ostdeutsche Frauen im Schnitt länger berufstätig gewesen, was ihre Rente entsprechend in die Höhe treibt.
Das stand gestern sogar auch in “Bild” — hinderte das Blatt aber nicht daran, mithilfe seiner professionellen Milchmädchen Ost und West gegeneinander auszuspielen:
Schaut man sich die Daten genauer an, fällt auf, dass die Männer, die beide jeweils 45 Jahre als Handwerker gearbeitet haben, auch fast genau die gleiche Rente bekommen. Der Unterschied geht allein auf die unterschiedlichen Lebensgeschichten der Frauen: Frau Ost hat 26 Jahre als Kindergärtnerin gearbeitet, Frau West nur 15 Jahre als Schneiderin.
Als Beleg für die Ungerechtigkeiten im deutschen Rentensystem zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung taugen diese Paare nicht. Aber um Neid zu schüren und Zeitungen zu verkaufen, reicht’s natürlich.
Der Begriff tauchte wohl zum ersten Mal 1993 in einem Blog zum Thema Paintball auf. Damit waren noch reale Ballerspiele – Menschen beschießen sich mit Farbkugeln – und noch nicht die virtuellen Ableger (…) gemeint. Erst nach dem Schulmassaker von Littleton an der Columbine High School am 20. April 1999 und nach dem Amoklauf von Erfurt am 26. April 2002 (…) wurde der Begriff Killerspiel in der öffentlichen Wahrnehmung auf Computerspiele gemünzt.
In der von Bild.de verlinkten Quelle aus dem Jahr 1993 heißt es indes:
“Man verstehe mich hier bitte nicht falsch — Ich halte auch die allseits bekannten Killerspiele am Computer fuer verwerflich (…)”
Seit Tagen arbeiten sich “Bild” und Bild.de an “Killerspielen” ab.
Vorgestern gab Bild.de Tipps, wie man Kinder und Jugendliche von Spielen fern hält, für die sie noch zu jung sind.
In dem Artikel findet sich auch folgende Passage:
Nun könnte man Pfeiffers Frage natürlich “philosophisch” nennen. Aber weil Bild.de gestern über die Warenhauskette Galeria Kaufhof berichtete, die zukünftig keine Spiele ohne Jugendfreigabe mehr verkaufen will (“Damit reagiert zum ersten Mal ein Endverkäufer auf die öffentliche Debatte um Killerspiele”), böte sich auch eine schlichte Antwort an: Weil es einen Markt gibt. Mit Käufern und Verkäufern.
1. “Studie: Hauptstadtjournalisten wollen Einfluss auf Politik nehmen” (tagesspiegel.de, Sonja Pohlmann) Hans Mathias Kepplinger befragte in Berlin 187 Bundestagsabgeordnete und 235 Journalisten. Letztere gefragt, ob sie erstere beeinflussen, schätzten sie den Ist-Zustand mit 7,04 / 10 Punkten ein, den gewünschten Zustand mit 5,47 / 10 Punkten (auf einer Skala von 0 bis 10). “Damit nimmt ein großer Teil der Hauptstadtjournalisten offenbar an, dass sie bereits spürbar in das politische Geschehen eingreifen.”
2. “Winnenden: Stadt im Ausnahmezustand” (ndr.de, Video, 8:18 Minuten)
Kann man trauern, wenn einen dabei ungezählte Kameras verfolgen? Nein, und das stört die Einwohner der von Journalisten überschwemmten Kleinstadt. Befragt nach den Journalisten, berichten sie von Missachtung der Privatsphäre und von Erpressungsversuchen. Beste Szene: Über die Friedhofsmauer fotografierende Presseleute beschweren sich, weil sie dabei gefilmt werden
3. “Der Markt schreit immer mehr nach Sensation” (zeit.de, Kathrin Wanke)
“Nach dem Amoklauf von Winnenden hat die Öffentlichkeit über Schützenvereine und Computerspiele diskutiert. Doch auch die Berichterstattung der Medien steht in der Kritik.”
Bei Bild.de hält man es offenbar für sehr wichtig, den Lesern zu zeigen, wie das Verlies ausgesehen habe, in dem Josef F. über Jahre “seine Tochter mit den drei Kindern gefangen” hielt.
Bild.de zeigt nämlich den “Inzest-Keller als 3D-Animation” (rechts oben).
Andererseits gibt es auf derselben Seite, unmittelbar darunter eine Grafik, auf der der “Inzest-Keller” ganz anders aussieht (rechts unten).
So gesehen hält Bild.de es dann wohl doch primär für wichtig, den Lesern irgendwas zeigen. Egal was.