Archiv für Mai 7th, 2008

Allgemein  

Es ist nicht alles Öl, was glänzt

Fast 121 Dollar kostete ein Barrel Rohöl gestern, und wenn die Experten von Goldman Sachs Recht behalten, könnte der Preis für das “Schwarze Gold” (!) in den nächsten zwei Jahren auf bis zu 200 Dollar (120 Euro) steigen. Kein Wunder, dass Bild.de angesichts dieser dramatischen Entwicklung fragt:

Ist Öl bald so wertvoll wie Gold?

Eine konkrete Antwort bleibt Bild.de den Lesern schuldig, aber wir übernehmen das gerne.

Ein Barrel sind rund 159 Liter. Bei einer durchschnittlichen Dichte von 0,85 Kilogramm pro Liter wiegt ein Barrel Rohöl also ungefähr 135 Kilogramm. Bei einem Preis von 120 Euro pro Barrel würde ein Kilo Rohöl rund 88 Cent kosten.

Der Goldpreis wird in Dollar pro Feinunze angegeben. Aktuell beträgt er 865,30 Dollar, umgerechnet 562,35 Euro. Eine Feinunze sind 31,1 Gramm, also beträgt der Kilopreis für Gold gerade 18079,97 Euro.

Anders gesagt: Selbst wenn der Ölpreis wie prognostiziert explodiert, ist Goldenes Gold noch schlappe zwanzigtausendmal wertvoller als Schwarzes Gold.

Aber wie wertvoll wäre Öl wirklich? So wertvoll wie ein kleines Auto? Nein: Der neue Fiat 500 kostet rund 11,17 Euro das Kilo. Selbst die “Bild”-Volksbibel wäre mit einem Kilopreis von 3,98 Euro noch deutlich wertvoller als Öl. Nicht einmal mit dem anderen “schwarzen Gold”, dem Kaffee, könnte es Rohöl an Wert aufnehmen: der wird gerade für 1,36 Euro das Kilo gehandelt. (Von Bananen ganz zu schweigen.)

Machen wir es kurz: Mit etwas Pech wird Öl bald teurer sein als Apfelsaftschorle*.

*) 50 Prozent Fruchtsaftgehalt

Mit großem Dank an Jan W. für den Hinweis und Thomas S. fürs Nachrechnen!

Wir sind Heigl!

Bei Bild.de war man offensichtlich ganz aus dem Häuschen, als man eine Meldung der “Bunten” entdeckte. Die US-Schauspielerin Katherine Heigl wurde nämlich vom Bürgermeister von Esslingen eingeladen, das Städtchen zu besuchen. Und sie hat offenbar zugesagt. Soweit die News.

Für Bild.de war indes noch etwas ganz anders neu:

"Katherine Heigl hat deutsche Vorfahren

Sie ist die schöne Hollywood-Diva, der Star aus “Grey’s Anatomy”. Strahlend blondes Haar, tiefgründige Augen, sinnlicher Mund. Katherine Heigl ist wirklich eine Augenweide. Aber was bisher kaum einer wusste: Sie hat deutsche Wurzeln! Und die liegen gar nicht soooo weit zurück, wie “Bunte” herausfand. Katherines Ur-Großeltern stammen nämlich aus Esslingen am Neckar, ihr Opa wurde dort geboren und wanderte später in die USA aus.

Moment: Was bisher kaum einer wusste? Wie “Bunte” herausfand?

Dass Heigl (auch) deutsche Wurzeln hat, weiß die deutsche Wikipedia bereits seit dem Jahr 2006. (In der englischsprachigen Wikipedia wird für diese Info sogar eine Quelle angegeben, die aus dem Jahr 2001 stammt.) Aber gut, deshalb kann es natürlich immer noch sein, dass das “kaum einer wusste”.

Seit Februar dieses Jahres steht jedoch bei Welt Online:

Väterlicherseits hat der Star deutsche Urgroßeltern, und der Großvater mütterlicherseits stammt aus dem idyllischen Esslingen.

Und im März sagte Heigl selbst der Zeitschrift “Joy”:

“Mein Großvater mütterlicherseits stammt aus Esslingen in Baden-Württemberg. Er hieß Engelhart Reingold. Und der Großvater meines Vaters war ein Heigl.”

Dazu gab es eine Vorabmeldung, die u.a. von der Nachrichtenagentur AP weiterverbreitet wurde, und seither ist es auch anderenorts nachzulesen. Kein Wunder also, dass nicht mal die “Bunte” behauptet, sie habe das mit den deutschen Wurzeln herausgefunden. Aber auf Bild.de ist eben Verlass.

Mit Dank an Philipp S. für den sachdienlichen Hinweis.

Allgemein  

Schmerzensgeld für “Nymphomanin” II

Drei Jahre hat es gedauert, jetzt ist es endgültig. Der Axel Springer Verlag muss 12.000 Euro Schmerzensgeld an eine inzwischen 30-jährige Frau aus Kaiserslautern zahlen. Das Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigte jetzt ein entsprechendes Urteil des Landgerichts Kaiserslautern.

"Ich stellte mich aufs Bett. Dann setzte ich mich auf sein kleines Ausrufezeichen"Die “Bild”-Zeitung hatte im Sommer 2005 “die aufregendsten Kapitel” eines Buches der vermeintlichen Nymphomanin Valérie Tasso vorab veröffentlicht. “Das Skandalbuch des Sommers” nannte es die “Bild”-Zeitung, druckte schlüpfrige Auszüge und illustrierte eine Folge mit einem Foto, das sie für 200 Euro von einer Agentur gekauft hatte. Das jedoch zeigte nicht Valérie Tasso, sondern eben jene Frau aus Kaiserslautern. Das Foto war von der Agentur nur mit dem ausdrücklichen Vermerk angeboten worden: “Aproval Frei. Nutzung nur in einem positiven Zusammenhang!”

Aus dem Urteil

“Die Veröffentlichung des Nacktfotos stellt eine schwer wiegende Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar (…). Durch die Veröffentlichung (…) ist die Klägerin in ihrer Menschenwürde aber auch in ihrem Ansehen empfindlich herabgesetzt worden.

Die Abgebildete indes fand es, anders als “Bild”, überhaupt nicht positiv, dass “Bild” den Eindruck erweckte, sie sei eine Nymphomanin. Sie fand es “obszön und frauenverachtend”. Das Landgericht sah das ähnlich und sprach ihr Schmerzensgeld zu (wir berichteten).

Gegen dieses Urteil hatten beide Parteien Berufung eingelegt, wie uns der Sprecher des OLG Zweibrücken sagt. Springer waren 12.000 Euro zu viel, der Frau zu wenig. Das OLG bestätigte jedoch das Urteil des Landgerichts, und es bleibt dabei: Springer muss 12.000 Euro Schmerzensgeld an die Frau zahlen, die laut “Rheinpfalz” mittlerweile “auf den fünften Kontinent übergesiedelt ist”.

Mit Dank an Tomchen für den sachdienlichen Hinweis.

6 vor 9

Öffentlich-rechtliches Wunschkonzert
(faz.net, Daniel Bouhs und Peer Schader)
15 Vorschläge werden der Rundfunkkommission der Länder mit auf den Weg gegeben. Die trifft sich heute und berät über die Zukunft von ARD und ZDF.

Alice Schwarzer“Alphamädchen” antworten Alice Schwarzer
(SZ, Meredith Haaf, Susanne Klingner und Barbara Streidl)
Die “Wellness-Feministinnen” schreiben: “In unserer Generation gilt es als gesetzt, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind. Findet sich eine Frau plötzlich trotzdem in einer Rolle wieder, die sie sich so nie gewünscht hatte, dann ist sie eben selbst schuld, hat sich nicht genügend angestrengt. Wer meckert, gibt sich als Versagerin zu erkennen in einer Gesellschaft, in der doch angeblich alles möglich ist.”

Zu groß geratene Sonnenbrillen
(taz, Martin Reichert)
Die Neon ist ein erstaunliches Phänomen, findet Martin Reichert in der taz. Sie wird “in München gemacht von Vertretern einer Generation, deren geistiges und ästhetisches Zentrum eher in Berlin liegt. … Die Generation Umhängetasche … nimmt das Leben nicht ernst, sondern setzt es stets in Anführungsstriche. Man lebt im Dauerprovisorium und liest – bis es endlich losgeht – Neon.”

Pssst, die Werbung
(The Guardian, Mark Sweney)
“The days of having to dive for the remote control to turn down noisy TV commercials look to be numbered, with new rules set to be introduced banning excessively loud ads.”

Let’s have more fun
(Poynter Online, Amy Graham)
Gegen die miesmachenden Denkverbote im Journalismus: “… right now is a time of immense opportunity for journalism and journalists to take on a broader and even more vital role in society.”

Alice Schwarzer

“The Queen of the New Age” (Lesetipp)
(New York Times Magazine, Mark Oppenheimer)
Reich durch Lebensratgeber und Neugeist-Bewegung: Louise Hay ist eine der meistgelesen Autorinnen der Welt. Den Verlag dazu besitzt sie auch gleich. “The announcement of the National Book Award finalists means nothing at Hay House. The hundred-odd employees at Hay House headquarters in an office park in Carlsbad, Calif., are not the publishing girls and guys of New York. … But they are brilliant students of spiritual hunger, a symptom of modernity that, along with oil and war and sex, may be one of the best business models of all.”