Archiv für Oktober 18th, 2007

“Bild” versteht unsere Politiker nicht

Unter der Überschrift “Aus Sorge ums deutsche TV: Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien” schrieb “Bild” gestern:

Jetzt fordern erste Politiker eine Deutsch-Quote, um heimische Produktionen zu schützen.
“Die SPD ist grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen”, sagt Medienpolitikerin Monika Griefahn (53, SPD) zu BILD. (…) Monika Griefahn: “Wir haben das Kulturstaatsministerium deshalb gebeten, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen.”

Seit gestern schreiben das (unter Berufung auf “Bild”) u.a. auch die Agenturen AP* und ddp sowie “taz”, “Tagesspiegel”, “Hamburger Abendblatt”, DWDL.de, “Frankfurter Rundschau”, “Stuttgarter Zeitung”, “Nürnberger Zeitung” usw. usf.**

Heute hingegen schreibt Monika Griefahn unter der Überschrift “Richtigstellung des BILD-Berichts zur TV-Quote”:

Die SPD ist NICHT grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen. Zitate, die die BILD-Zeitung dahingehend am 17.10.2007 in meinem Namen verbreitete, entsprechen nicht der Wahrheit. Des Weiteren ist es ebenfalls nicht richtig, dass wir den Bundeskulturstaatsminister gebeten haben, zu diesem Thema die Bundesländer an einen Tisch zu holen. Aus diesen Gründen basiert der Artikel der BILD (…) weder auf meinen wahrheitsgemäßen Aussagen noch stellt er meine Position dar.

RICHTIG dagegen ist:
Nach wie vor, spreche ich mich für die stärkere Berücksichtigung von deutschsprachiger und in Deutschland produzierter populärer Musik im Rundfunk aus. (…) Wie auch der Deutsche Bundestag bereits 2004 in einem Antrag formuliert hat, fordere ich weiterhin einen runden Tisch, an dem Bund, Länder und Rundfunkveranstalter über dieses Thema sprechen und zu einer Selbstverpflichtung kommen. Dies allein war Inhalt des Gespräches mit der BILD-Zeitung.

*) Nach Veröffentlichung von Griefahns “Richtigstellung” berichtet auch AP wieder. Die Überschrift lautet jedoch nicht etwa “Dementi”, “Korrektur” oder “Sorry, wir hatten zuerst nicht nachgefragt, sondern bloß ‘Bild’ geglaubt” — sondern: “Griefahn für mehr deutsche Musik im Rundfunk”. Am Ende der Meldung, die ganz offensichtlich ausschließlich auf Griefahns “Richtigstellung” beruht, heißt es bloß: “Griefahn (…) nahm damit Bezug auf einen Bericht der ‘Bild’-Zeitung vom Mittwoch, in dem sie mit den Worten zitiert worden war, die SPD sei grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen.” [Ende der Meldung]

Mit Dank Monika G. für den Hinweis.

**) Nachtrag, 20.10.2007: Die “taz” schreibt in ihrer heutigen Ausgabe: “Monika Griefahn, 53, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien, wurde falsch zitiert: Die SPD sei nicht, wie in der taz vom 18. 10. unter Bezug auf Bild berichtet, ‘grundsätzlich für eine Quote für deutsche Serien im Fernsehen’. (…) Bild habe sie gefragt, ob bei einer Diskussion zum Thema auch eine Quote für deutsche Serien angesprochen werde. Griefahn sagte zur taz, sie habe gesagt, man könne das mitdiskutieren. Sie sei aber im Fall der Musikquote für eine Selbst-, keine Zwangsverpflichtung der Sender. Zunächst müsse die Qualität gewährleistet sein. Das gelte auch für TV-Serien.” Und DWDL.de hat eine “Richtigstellung” veröffentlicht.

Nachtrag, 23.10.2007: In der heutigen Korrekturspalte von “Bild” heißt es:

Berichtigung

Zum BILD-Bericht vom 17.10. (“Politiker fordern Deutsch-Quote gegen US-Serien”) legt die SPD-Medienpolitikerin Monika Griefahn Wert auf die Feststellung, dass sie nicht für eine Pflicht-Quote für deutsche Serien im TV ist. Grundsätzlich befürwortet Frau Griefahn jedoch eine stärkere Berücksichtigung deutscher Serienproduktionen.

Memory für Nacktmulle

Die Kölner “Bild”-Redaktion musste gestern zu einem Artikel über den “HiltonMord“-Prozess vier Fotos von vier Männern, die alle irgendwie mit dem Fall zu tun hatten, die richtigen Namen zuordnen:

"Herr Staatsanwalt, warum ist der Hilton-Angeklagte frei?"

Es handelt sich hier um zwei Angeklagte, das Opfer und den Staatsanwalt. Eine lösbare Aufgabe, sollte man meinen. Nun ja.

Den Staatsanwalt (Foto 1) hat “Bild” immerhin richtig. Ansonsten aber hätte eine Kolonie Nacktmulle wahrscheinlich eine höhere Trefferquote erzielt, als die “Bild”-Köln-Redaktion*:

  • Foto 2 zeigt den Angeklagten, der immer noch in Haft sitzt. “Bild” gibt ihm aber den Namen des Angeklagten, der jetzt aus der Haft entlassen wurde und schreibt, er habe als erstes “eine Pizza in der Altstadt” gegessen, “spazierte auch zum Rhein”.
  • Foto 3 zeigt das Opfer des “Hilton-Mordes”. “Bild” gibt ihm den Namen des Angeklagten, der noch in Haft sitzt (Foto 2) und schreibt, er bleibe “bei seinen Beschuldigungen”.
  • Foto 4 zeigt den quicklebendigen Mitangeklagten, der aus der Haft entlassen wurde. “Bild” gibt ihm den Namen des Opfers (Foto 3) und schreibt:

    Opfer Nikolaus G. (†37) wurde im Hilton erschlagen

Mit Dank an Steffen auch für den Scan.

*) Tatsächlich schafft selbst die Berliner “Bild”-Ausgabe es, die drei Fotos, die sie zu der Geschichte abdruckt, korrekt zu beschriften.

6 vor 9

Du bist Standort
(taz.de, Klaus Raab)
Nach der Musikquote im Radio fordern Politiker nun eine Deutschquote für Serien. Denn für die Sender sind US-Importe nicht nur günstiger, sondern auch erfolgreicher.

Senderchefs zur schönen neuen Medienwelt
(Werbewoche.ch, Carole Scheidegger)
Im Kongressteil der Screen-up & Congress vom Mittwoch diskutierten in einer «Elefantenrunde» die Senderchefs und –chefinnen von SF, RTL, Sat.1, MTV und 3+ in einem Podiumsgespräch zum Thema Digitalisierung.

Ein Ungetüm, dem niemand entkommt
(sueddeutsche.de, Simon Feldmer)
Vier neue Modelle und viel Geld: In Wiesbaden geht es um Alternativen zur GEZ. Eine Bestandsaufnahme der Behörde, der etliche Kritiker Ähnlichkeit mit der Stasi bescheinigen.

Polens Regierung greift die deutsche Presse an
(faz.net, Konrad Schuller)
Der eine Kaczynski wurde schon einmal mit einer Kartoffel verglichen und der andere allgemeinem Gelächter preisgegeben: Eine polnische Broschüre erklärt, warum deutsche Journalisten kein gutes Haar an Polen lassen.

“Alles ist eine wirksamere Kontrolle als der Presserat”
(Stefan Niggemeier im Tagesschau-Chat)
Am gefährlichsten ist wohl so eine Art Seilschaft unter den führenden Medien im Land, wo die Chefredakteure gegenseitig eine Art Nichtangriffspakt geschlossen haben. Medienkritik hat es seit ein paar Jahren – seit der großen Zeitungskrise mit vielen Entlassungen – besonders schwer.

Wegen Kino-Klassiker ins Gefängnis?
(Radio DRS, Sennhausers Filmblog)
Wer Horrorklassiker wie Wes Cravens “The Last House on the Left” (1972) über einen ausländischen DVD-Versand bestellt, riskiert eine Anklage, wenn das Paket am Post-Zoll von übereifrigen, filmgeschichtlich unbewanderten Zöllnern geöffnet wird.