Archiv für August 23rd, 2007

Jede Rüge braucht einen Mutigen, der sie zählt

Wie weit Neugierde und Darstellung gehen dürfen, ist keine Frage von Boulevard-Journalismus. sondern jeder Berichterstattung. Und die Antwort lautet: So weit wie nötig — nötig, um den Leser zu grundlegenden Entscheidungen zu befähigen, um ihm die Möglichkeit der Einschätzung (…) zu geben.

Das jedenfalls behauptet “Bild”-Chef Kai Diekmann in einem Beitrag für das unlängst erschienene, aktuelle “Jahrbuch” des Presserats. Und was “Bild” unter “so weit wie nötig” versteht, wird ebenfalls aus der Veröffentlichung des Presserats deutlich: häufig zu weit nämlich. Schließlich ist “Bild” wieder einmal das meistgerügte Medium.

Inwiefern eine unzulässige Vorverurteilung dem “Bild”-Leser “die Möglichkeit der Einschätzung” gibt oder warum für “Bild” ein einfacher Landarzt “eine Person von herausragender öffentlicher Funktion und gesellschaftlicher Stellung” ist, zeigt unsere Übersicht der “Bild”-Presseratsrügen 2006.

In eigener Sache: Der BILDblog-Werbespot

Mit Dank an alle, die uns geholfen haben, und ganz besonderem Dank an Anke E., Christoph Maria H., Tim S. sowie (in alphabetischer Reihenfolge) Tobi B., Alexander D., Chris G., Ralf G., Michael L. und Sascha L.! Wir können es kaum fassen.

Nachtrag, 24. August. Inzwischen gibt es auch eine Stellungnahme der “Bild”-Zeitung zu unserem Werbefilm. Sprecher Dirk Meyer-Bosse sagte dem Medienmagazin “V.i.S.d.P.” (pdf):

“Das ist ein gut gemachter Spot, natürlich haben wir auch darüber gelacht. Er lebt aber von dem alten Vorurteil, BILD würde lügen — was durch eine witzige Wiederholung jedoch auch nicht wahrer wird. Unsere Rechtsabteilung prüft routinemäßig, ob hier möglicherweise markenrechtliche Aspekte berührt sind.”

Skandal-Skandal bei Bild.de

Ob Skandal-Rocker, Skandal-Rapper, Skandal-Schiri, Skandal-Star, Skandal-Profi, Skandal-Politikerin, Skandal-Urteil und Justiz-Skandal, TV-Skandal, Briefmarken-Skandal, Schummel-Skandal, Suff-Skandal, Sex-Skandal, Rassismus-Skandal, Kopftuch-Skandal, Prügel-Skandal, Pflege-Skandal, Nazi-Skandal, Internet-Skandal, Puff-Skandal oder Skandal um Harry Potter — Skandale sind in “Bild” beliebt. Allein in der Bundesausgabe finden sich in diesem Jahr bereits über 250 Artikel, die nicht ohne Skandal auskommen konnten.

Nur Bild.de gehen offenbar die Skandale aus. So berichtet der Online-Ableger der “Bild”-Zeitung derzeit über eine junge Frau, die sich heimlich und nackt in einem Schloß der dänischen Königsfamilie fotografiert habe, und schreibt:

"Die Stripperin im Schloss – ein Skandal."

Die “Frankfurter Rundschau” jedoch, auf die sich Bild.de ausdrücklich bezieht (“Das berichtet die “Frankfurter Rundschau”) schreibt über die öffentliche Reaktion in Dänemark:

Ein Achselzucken. Bisschen Schmunzeln, bisschen Verärgerung. Da dringt eine Nackte ins Allerheiligste der dänischen Monarchie ein, lässt sich in aufreizenden Posen knipsen, und die Dänen reagieren erfrischend unhysterisch. (…)

Die (…) Medien reagierten verhalten. Viele ignorierten die Episode, andere stellten die Frage nach der Sicherheit im königlichen Schloss (…). “Überrascht” zeigte sich Schlossverwalter Jens Greve, nicht besorgt.

Und auch im “Spiegel”, der über die Angelegenheit übrigens bereits vor zweieinhalb Wochen berichtet hatte, hieß es bloß:

Bei Hofe nahm man den Zwischenfall eher gelassen (…)

Mit Dank an Christoph E. für den Hinweis.

Zu viele Nullen bei “Bild”

Man könnte meinen, zweieinhalbtausend Verkehrstote in einem halben Jahr auf Deutschlands Straßen wären zu viel. Außer vielleicht für “Bild”. Dort heißt es heute nämlich auf der Titelseite:

"Mehr Verkehrstote -- Wiesbaden. Im ersten Halbjahr dieses Jahres starben auf Deutschlands Straßen 20 477 Menschen -- 7,7% mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum (Stat. Bundesamt)."

Ist die so genannte “Zeitung mit den großen Buchstaben” etwa auch die mit den großen Zahlen, der Verkehrstotenfehler womöglich nur die Spitze des Eisbergs?

Apropos Eisberg: Ein Reuters-Video zu einer Protestaktion auf dem Aletschgletscher kündigt Bild.de seit Tagen an wie folgt:

"Nackt auf dem Gletscher -- 6000 Menschen protestieren so gegen den Klimawandel"
Und jetzt raten Sie mal, wieviele es wirklich waren.

Mit Dank an Dietmar S. und andere für die Hinweise.

Nachtrag, 24.8.2007: “Bild” hat den Verkehrstotenfehler heute in der “Korrekturspalte” berichtigt, Bild.de die falsche Nacktenzahl bislang noch nicht.

Nachtrag, 17.50 Uhr: Na, jetzt hat auch Bild.de die Zahl korrigiert.

6 vor 9

Vice-Magazin strickt sich grüne Mitglieder
(julia-seeliger.de)
Die Bundesgeschäftsstelle der GRÜNEN JUGEND kann der journalistischen Forderung nach einer bestimmten Hosengrösse nicht nachkommen. Darum nimmt das Vice Magazin ein Model von der Strasse.

Blocher und die Medien – Wir sind auch das Volk
(woz.ch, Susan Boos)
Ein Bundesrat, der alles einreissen will, was eine Demokratie ausmacht. Und eine Presse, die immer wieder gezwungen ist, über ihn zu berichten.

Good News: Ich muss nicht in den Knast
(planethop.blogspot.com, Ivo Bozic)
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber das Leben ist ja manchmal arg pfui. Schön also, wenn es auch mal richtig gute Nachrichten gibt. Vor allem, wenn es um 250.000 Euro geht, da will man doch lieber gewinnen als verlieren, vor Gericht, meine ich. Und das ist mir und der Jungle World vor ein paar Wochen gelungen.

”Emmas” Töchter
(tagesspiegel.de, Dörthe Nath)
Sport, Computer, Porno: Frauenmagazine entdecken Männer-Themen.

Was sollen die Öffentlich-Rechtlichen Im Internet?
(perlentaucher.de, Robin Meyer-Lucht)
Pro & Contra einer Ausweitung des öffentlich-rechtlichen Internet-Engagements.

Weitere Pendlerzeitung in den Startlöchern
(medienspiegel.ch, der unmündige Leser)
Im Zuge der letztwöchigen Ankündigung von Baz und Tamedia, gemeinsam eine neue Gratiszeitung zu planen und gegen das ebenso neue Gratisblatt «.ch» von Sacha Wigdorovits positionieren zu wollen, soll an dieser Stelle ein lange gehütetes Geheimnis gelüftet werden: Meine Damen und Herren, auch ich bringe eine neue Gratiszeitung auf den Markt.