Archiv für Juli 12th, 2007

Happy Birthday, Korrekturspalte!


Illustration: beetlebum.de

Es könnte eine einsame Party werden, wenn die kleine “Bild”-Korrekturspalte am Samstag die einzelne Kerze auf ihrer Geburtstagstorte auspustet. Still ist es um sie geworden. Die Aufmerksamkeit der anderen Medien hat schon kurz nach ihrer (Wieder-)Geburt nachgelassen. Und die “Bild”-Redaktion kümmert sich auch immer weniger um sie. Dabei hatte Chefredakteur Kai Diekmann vor einem Jahr gesagt: “Wo Menschen arbeiten, passieren auch Fehler”, und versprochen, sie mit ihrer Hilfe “schnell und unkompliziert” zu berichtigen.

Seit drei Wochen ist sie gar nicht mehr erschienen. Eine Anfrage von uns beim Pressesprecher, ob die Rubrik eingestellt wurde oder “Bild” einfach keine berichtigenswerten Fehler mehr macht, blieb unbeantwortet.

Schaut man sich die Entwicklung des vergangenen Jahres an, kommt die gegenwärtige Vernachlässigung der Korrekturspalte nicht überraschend. Die Zeiten, als man noch einen gewissen Ehrgeiz der “Bild”-Redaktion ausmachen konnte, regelmäßig wenigstens ein paar kleine Fehler zu korrigieren sind lange vorbei: Im Juli 2006 korrigierte “Bild” noch fast in jeder Ausgabe einen Fehler, im Mai 2007 noch in jeder vierten Ausgabe, im Juni 2007 in jeder zwölften:

(Die Zahlen weichen teilweise von unserer Erhebung vor einem halben Jahr ab, weil wir damals die Korrekturen in der Ausgabe Berlin-Brandenburg zählten. Die aktuelle Statistik bezieht sich auf die “Bild”-Bundesausgabe.)

 

Liebe Korrekturspalte von “Bild”,

wir haben Dich dennoch nicht vergessen und gratulieren Dir mit unserer Top-10 der “Bild”-Korrekturen — natürlich in Form einer Bildergalerie:

Mehr dazu hier.

Geh mich weg mit die “Bild”

In großer Aufmachung steht es heute in der “Bild”-Ruhrgebiet:

"Sie machen einen ganzen Stadtteil platt"

Machen “sie” echt? “Bild” jedenfalls hört schon den “Klang des Niedergangs, der über Dorsten-Barkenberg liegt” — über dieser Mustersiedlung, die da in den 60er und 70er Jahren am Rande des Ruhrgebiets geplant und gebaut worden war für die Beschäftigten der nahegelegenen Zeche Wulfen und ihre Familien. Doch die Zeche ging nie richtig in Betrieb. Und in der Trabantenstadt, die mal für 60.000 Menschen geplant waren, leben zur Zeit etwa 9.500 Personen.

Deshalb wurde ein Teil Barkenbergs mit 3.600 Einwohnern zum “Stadtumbaugebiet” erklärt und vor kurzem mit dem Abriss von 244 Wohnungen begonnen — oder, wie “Bild” es formuliert:

"(...) nun mussten 3000 Menschen ihre Heimat verlassen"

“Bild” allein weiß, wie “3000 Menschen” in 244 Wohnungen passen, wenn, wie man uns bei der Stadt Dorsten berichtet, in einzelnen Wohnungen 12 bis 16 Personen lebten, die meisten aber Einpersonenhaushalte waren. Und auch die etwa 300 Menschen, die tatsächlich in diesen Wohnungen lebten, wollten und konnten mehrheitlich in Barkenberg bleiben — “ihre Heimat verlassen” mussten sie nicht.

Vielleicht sind sie auch deshalb gerne geblieben, weil sie wussten, dass sie auch weiterhin vor Ort einkaufen können. Denn anders als “Bild” behauptet (“auch Schule und Supermarkt kommen weg”), soll der Supermarkt laut Auskunft der Stadt Dorsten auf jeden Fall erhalten werden.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Alice Schwarzer nicht zwangsprostituiert

Bloggen für BILDSchon in der Vergangenheit hatten wir gelegentlich, nicht oft, den Eindruck, dass “Bild” zu Unrecht (oder zumindest mehr als nötig) in die Kritik geraten sei. So naheliegend es in den meisten Fällen auch sein mag, “Bild” die Schuld zu geben: Manchmal glauben wir, “Bild” doch irgendwie in Schutz nehmen zu müssen. Und dann tun wir das auch.

Aber beginnen wir einfach wieder wie so oft:

Seit ein paar Tagen wirbt “Bild” bundesweit nicht nur mit einem legendären Kniefall und einem falsch geschriebenen Namen für sich, "Jede Wahrheit braucht eine Mutige, die sie ausspricht."sondern auch (wie schon einmal) mit…
Alice Schwarzer.

Ebenfalls seit ein paar Tagen erreichen uns Leser- und Medienanfragen, die auf diesen Umstand hinweisen — und uns mit Blick auf Alice Schwarzer fragen:

Ob die sich wohl wehrt?

Im Gästebuch von Alice Schwarzers Homepage finden sich ähnliche Fragen:

Ist das von Ihnen autorisiert?

Wie konnte das passieren?

Wie viel hat die ‘Bild’ geboten, dass Sie sich zu dieser Werbung prostituieren ließen? Oder wurden sie gar nicht gefragt?

Haben sie wirklich zugestimmt für solch eine Werbung/Zeitung ihr Gesicht zu geben?

Ist dieses Photo mit Ihrem Einverständnis genutzt worden oder sind Sie nicht gefragt worden und schlicht als “Person öffentlichen Interesses” verwandt worden?

Ich kann mir die Sache nur so erklären, dass diese Plakate gegen Ihren Willen aufgehängt wurden. Denn Sie würden doch niemals im Leben Werbung, für so ein Drecksblatt wir BILD machen.

Und die Verunsicherung ist nachvollziehbar. Es ist noch nicht sooo lange her, da hatte Schwarzers Zeitschrift “Emma” gegen eine frühere “sexistische” Werbekampagne von “Bild” gewettert und es als “einen der größten Erfolge in der Protest-Geschichte” gefeiert, dass die Kampagne, die “auf eine Verhurung aller Frauen” ziele, “in mehreren Städten gestoppt” worden war. “Emma” zitierte damals u.a. “Bild”-Chef Kai Diekmann (“Eine Massenzeitung kann man nur mit dem Trend, aber nicht gegen den Trend machen”) und stellte fest: “Doch hat er Neigung, seinen sehr persönlichen Trend zur Pornografie mit einem Massentrend zu verwechseln.”

Aber: Anders als beispielsweise bei der Frau, deren (Nackt-)Foto “Bild” gegen ihren Willen benutzte, findet sich auf aliceschwarzer.de folgende “Stellungnahme” Schwarzers zur “Bild”-Kampagne:
"Verständlich, dass viele glauben, dies sei ohne meine Zustimmung geschehen, denn mein kritisches Verhältnis zu BILD (und deren Wahrheitsgehalt) ist kein Geheimnis. Doch ich habe zugestimmt. Ganz einfach, weil ich finde, dass es nicht schaden kann, wenn in so einer Runde -- von Gandhi bis Willy Brandt -- auch mal eine Frau auftaucht. Und eine sehr lebendige noch dazu."
Ganz einfach! Und Sibel Kekilli hätt’s wahrscheinlich nicht gemacht.

Mit Dank an begleitschreiben fürs Foto.

6 vor 9

Tages-Diebe
(woz.ch, Göldin)
“Irritierend, wenn sich eigene Sätze und Gedankengänge in anderen Medien wiederfinden, geschrieben von anderen Menschen, verkauft als deren Eigenleis­tung.” WOZ-Inlandredaktor Göldin schreibt, der Tages-Anzeiger klaue aus der WOZ.

Roger Köppel
(werbewoche.ch, René Worni)
Seit Januar ist er unermüdlich daran, das Steuer herumzureissen und die Weltwoche auf Erfolgskurs zu trimmen. Im Gespräch mit René Worni erklärt der Neo-Unternehmer, warum er die totale Unabhängigkeit vorzieht, weshalb man im Fall von Volksheld Blocher allmählich dagegenhalten muss und wieso er sich manchmal fürchterlich aufregt.

Aus die Maus? Falsch!
(tagesspiegel.de, Andreas Kötter)
?Das Micky-Maus-Magazin? dominiert weiter im Markt der Kinderzeitschriften. Seit fast 56 Jahren erscheint das Heft – jede Woche.

Ein Stern geht auf Sendung
(sueddeutsche.de, Dagmar Deckstein)
Die älteste deutsche Automarke setzt jetzt auch auf das Kundenfang-Instrument Internet-Fernsehen. Vom heutigen Donnerstag an geht www.mercedes-benz.tv online.

Professoren und der Hund
(telepolis.de, Harald Taglinger)
Neben der Spur: Merkwürdiges zum Internet.

Nasse Gartengespräche über Medienjournalismus 2.0 07
(pottblog.de)