Archiv für Juli 3rd, 2007

Sorglos und ohne erkennbare Recherche

Es ist rund zwei Jahre her, als “Bild” unter der Überschrift “Frivoler Prozeß um einen Privat-Porno” ein sehr großes, unzureichend verfremdetes Foto einer jungen Frau"Frivoler Prozeß um einen Privat-Porno" abbildete (siehe Ausriss). Es ging in dem “Bild”-Artikel um einen Mann, der von seiner Ex-Freundin angezeigt und auf 200.000 Euro Schmerzensgeld verklagt worden war, weil er einen offenbar heimlich gedrehten Film im Internet veröffentlicht hatte. “Bild” illustrierte die Geschichte u.a. mit einer Sequenz aus dem Film und eben mit diesem großen Foto von “Kerstin”, die laut “Bild” auch die Frau aus dem “Privat-Porno” gewesen sei. Allerdings handelte es sich bei “Kerstin” nicht um die Frau aus dem “Privat-Porno”, sondern um deren völlig unbeteiligte Nichte. Sie hatte deshalb Unterlassung der Veröffentlichung des Fotos verlangt, doch bei “Bild” bzw. der Axel Springer AG weigerte man sich mit erstaunlicher Harnäckigkeit und sonderbaren Argumenten, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Es kam zum Prozess vorm Landgericht Frankfurt, den “Bild” verlor.

Und im Oktober 2006 verlor “Bild” noch einen weiteren Prozess. Die junge Frau, deren Persönlichkeitsrecht “Bild” verletzt hatte, hatte die Axel Springer AG nämlich auch auf Schadenersatz verklagt. Springer wurde zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 25.000 Euro verurteilt. In dem jetzt in der Zeitschrift “Multimedia und Recht” veröffentlichten Urteil des Landgerichts Hamburg heißt es:

Die beanstandete Veröffentlichung war rechtswidrig. (…) Die Rechtsverletzung ist auch schuldhaft erfolgt, indem der beanstandeten Veröffentlichung keine erkennbare Recherche zu Grunde lag. Die schuldhaft rechtswidrige Veröffentlichung stellt auch eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin dar. Sie verletzt nicht nur das Recht der Kl. am eigenen Bild und ist geeignet, das Ansehen der Klägerin herabzusetzen; in der Behauptung, Bilder, die die Kl. bei sexuellen Handlungen zeigen, seien im Internet frei zugänglich gezeigt worden, liegt zugleich ein besonders schwerer Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin, der durch die Beigabe eines Beispielfotos noch erhebliches zusätzliches Gewicht erhält. Diese Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beruhte zudem auf einem schweren Verschulden der Beklagten. Denn Medienunternehmen, die Bildnisse veröffentlichen, sind ohnehin schon verpflichtet, gründlich zu prüfen, ob eine Veröffentlichungsbefugnis besteht und wie weit diese reicht (…); diese Prüfungspflicht ist naturgemäß dann besonders hoch, wenn es sich um Bilder aus einem derart “brisanten” Bereich handelt wie dem, der den Gegenstand der Berichterstattung bildete. War es danach schon höchst zweifelhaft, ob überhaupt Bildnisse der betroffenen Frau hätten gezeigt werden dürfen, so musste unter allen Umständen Sorge dafür getragen werden, nicht unbeteiligte Personen ohne deren Willen in das Geschehen einzubeziehen. In ihrer diesbezüglichen Sorglosigkeit hat sich die Bekl. in besonders vorwerfbarer Weise über die persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Kl. hinweggesetzt.
(Hervorhebungen von uns)

Mit Dank an Bastian V. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” hat sich bei Werder-Trikots vertarnt

Der SV Werder Bremen hat gestern die neuen Trikots für die Bundesliga-Saison 2007/2008 vorgestellt, und “Bild” berichtet heute:

"Werder ohne Neue -- Der Star ist das Trikot"

Im oliv-grünen Bundeswehr-Farbton wollen die Bremer die Super-Bayern im Titel-Kampf attackieren. Das Papagaien-Trikot (orange-grün) wurde aussortiert. Jetzt greift Werder in Tarnfarben an!

Das kann man mit viel gutem Willen so sehen. Allerdings hätte Werder dann in der letzten Saison im schwarzen Trikot angegriffen und in der Saison 2005/2006 im grau-roten. Bei dem oliv-grünen Trikot handelt es sich nämlich lediglich um das “Eventoutfit”. Normalerweise spielt Werder Bremen in der kommenden Saison jedoch in traditionellem Grün (“Heimoutfit”) oder, statt in Orange-Grün, in Grün-Weiß (“Auswärtsoutfit”). Komisch, dass man das bei “Bild” nicht weiß. Was Trikots angeht, ist “Bild” doch sonst immer so gut informiert.

Mit Dank an Matthias M. für den sachdienlichen Hinweis.

6 vor 9

Politiker als unfreiwillige Werbestars
(wien.orf.at)
Politiker auf Werbeplakaten: Darüber ist eine neue Diskussion entbrannt. Denn Politiker wie Michael Häupl (SPÖ), Erwin Pröll (ÖVP) und Jörg Haider (BZÖ) sind derzeit Werbeträger für die “Kronen Zeitung” – ohne gefragt worden zu sein.

“Betrügerische journalistische Arbeit”
(sueddeutsche.de, Martin Zips)
Kabarettist Dieter Hildebrandt spricht im Interview über seine NSDAP-Mitgliedschaft – von der er erst jetzt erfuhr: “Vielleicht war es meine Mutter.”

Jörg Jaksche packt im SPIEGEL aus (Update)
(allesaussersport.de)
Das Jaksche-Interview ist sehr lang, 12 Seiten, und sehr lesenswert, da es auch Einblicke in die Denke von Radsportlern gibt und Doping sehr plastisch darstellt.

Literatur-Spenden für den Minister
(tagesschau.de, Fiete Stegers)
Die Pläne von Innenminister Schäuble für eine Online-Überwachung von Computern werden im Internet heiß diskutiert. Die Kritiker greifen dabei auch zu ungewöhnlichen Methoden. Wenn Schäuble als Graffiti von einer Website lächelt, symbolisiert das keine Zustimmung zu seiner Politik – im Gegenteil.

Die lieben Kollegen
(alpha-journalisten.de, Hajo Schumacher)
Ein (politisch unkorrektes) Glossar zur deutschen Journalistenszene.

Alphas, wir müssen reden!
(taz.de, Susanne Lang)