Archiv für Juli 15th, 2006

Kein Tabubruch ohne “Bild”

Bislang gab es international eine Art stillschweigendes Abkommen der Medien, keine Fotos der sterbenden Prinzessin Diana zu veröffentlichen. Man kann sagen, dass es zwei Gründe für dieses Abkommen gibt. Der erste ist eher allgemeiner Natur: Das Andenken und die Würde der toten Diana sollten nicht verletzt werden. Der zweite Grund ist etwas spezieller: Diana und Dodi Al-Fayed waren mit ihrem Fahrer auf der Flucht vor Paparazzi, als der Unfall sich ereignete. Das ist bekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass die Paparazzi auch am Unfallort noch Fotos machten. Aber die wurden, wie gesagt, bislang nicht veröffentlicht.

Die italienische Illustrierte “Chi” hat nun eines dieser Fotos abgedruckt. Es zeigt offenbar, wie ein Helfer versucht, Diana eine Sauerstoffmaske anzulegen. Die italienische Zeitung “Corriere della Sera” und das spanische Magazin “Interviu” druckten das Foto wenig später ebenfalls.

Wie diverse andere Medien, berichtet auch “Bild” über die Veröffentlichung des Fotos und die Reaktion in Großbritannien:

Im Text schreibt “Bild”:

Es ist ein Tabu-Bruch, den es so noch nie gegeben hat! Zum ersten Mal druckt ein Magazin ein Foto der sterbenden Prinzessin Diana († 36).

“Bild” druckt rechts neben dem Text ein Foto der lächelnden Diana und schreibt dazu:

So wollen wir sie in Erinnerung behalten: Prinzessin Diana starb am 31. August 1997

Links neben dem Text zeigt das Blatt ein anderes Bild: Die Veröffentlichung des Fotos der sterbenden Diana in “Chi”. “Bild” hat das Foto nicht etwa bearbeitet, um Dianas Gesicht unkenntlich zu machen. Und “Bild” zeigt es auch nicht als kleinen Ausriss. Es nimmt fast eine viertel “Bild”-Seite ein und dürfte damit nicht wesentlich kleiner sein, als in der Originalveröffentlichung.

Und sagen wir es mal so: Wenn man über einen Tabubruch berichtet, und sich die Auffassung, dass es sich dabei in der Tat um einen zu verurteilenden Tabubruch handelt, zu eigen macht, gleichzeitig jedoch eben diesen Tabubruch wiederholt, dann ist das nicht nur völlig widersinnig, sondern auch pure Heuchelei.

“Bild” zitiert übrigens auch, wie Dianas Söhne die Veröffentlichung des Fotos kommentierten. Sie seien “tieftraurig über eine derartige Niveaulosigkeit”. Zugleich appellierten sie allerdings auch an “die Medien der Welt”, keine Fotos zu publizieren, die “uns, unserem Vater, der Familie unserer Mutter und all jenen, die sie liebten und respektierten, große Schmerzen zufügen”. Diesen Appell zitiert “Bild” nicht.

“Bild” macht mit Korrekturspalte auf

Hey, gleich zwei Richtigstellungen heute in “Bild”. Die eine Sache korrigiert “Bild” freiwillig, das steht klein auf Seite 2: Ein von Mäusen befallener Supermarkt liegt nicht in dem Ort Westerwald in Niedersachsen, sondern im Westerwald in Rheinland-Pfalz.

Die andere Sache korrigiert die “Bild”-Zeitung nicht freiwillig, sondern weil sie muss. Dafür steht die Richtigstellung nicht klein auf Seite 2, sondern groß auf Seite 1.

Und zwar so:

Gegendarstellung. Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 "Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?" stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Vergügung stehe. 2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis. Anmerkung der Redaktion: Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Gegendarstellung
Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 “Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?” stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.
2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis

Darunter steht folgende “Anmerkung der Redaktion”:

Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Mit anderen Worten: “Bild” muss einräumen, dass die Antwort auf die von ihr gestellte Frage “Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?” bereits vorher feststand. Sie lautete: Nein.

Die Gegendarstellung ist deshalb so groß, weil auch die Überschrift, auf die sie sich unmittelbar bezieht, so groß war:

Der Artikel war Teil einer längeren Kampagne von “Bild” gegen Simonis. Bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung hatte Simonis vor dem Landgericht Berlin eine (vorläufige) einstweilige Verfügung erwirkt, wonach “Bild” diese Gegendarstellung auf der Titelseite drucken muss. Offenbar hat “Bild” sich seitdem juristisch gegen den Beschluss gewehrt.

(“Bild” veröffentlicht solche und ähnliche Gegendarstellungen traditionell meistens samstags, weil dann die Auflage ohnehin niedriger ist als an Werktagen.)