Archiv für Mai 9th, 2006

Wir basteln uns eine Florida-Bärbel

Gestern berichtete “Bild” über eine Frau, die in einem ziemlich großen Haus wohnt:

“Bild” schreibt:

Sie führt dreist ein Leben im Luxus auf Steuerzahlerkosten — und findet überhaupt nichts dabei …

Hartz-IV-Empfängerin Bärbel P. (52) residiert sorglos in einer 500-Quadratmeter-Traumvilla in Laer (NRW). Das kann sie sich leisten, denn das Amt überweist jeden Monat pünktlich die Miete!

Wir wissen zwar nicht, wie “sorglos” es sich mit 345 Euro im Monat (das ist der Regelsatz für das ALG II) “residiert”, aber zumindest soviel stimmt an dem “Bild”-Text: Bärbel P. ist Hartz-IV-Empfängerin und das Amt überweist pünktlich Miete, wie uns die zuständige Kreis-Sprecherin Kirsten Weßling bestätigt.

Bärbel P. erhält laut Weßling genau das, was ihr zusteht: “Sie bekommt das Geld für die ortsübliche Miete von 45 Quadratmetern Wohnraum und einen entsprechenden Heizkostenzuschuss.” Hinzu kämen noch Zuschüsse für zwei weitere Personen, die im Haushalt leben.

Über die genauen Zahlen wollte Weßling aus nachvollziehbaren Gründen weder “Bild” noch uns gegenüber Auskunft geben. Aber es erscheint nicht unrealistisch, wenn der Vermieter “Bild” sagt, er bekomme vom Kreis 470 Euro für Bärbel P. sowie 260 und 160*165 Euro für Bärbel P.s Tochter und deren Freund, die ebenfalls in dem Haus wohnen. Insgesamt also nur 895 Euro, obwohl die Miete laut “Bild” eigentlich 1200 Euro beträgt.

Spätestens hier hätte “Bild” klar sein müssen, dass das eigentlich gar keine Hartz-IV-Geschichte ist. Denn der “Staat zahlt” zwar, aber offenbar nicht die komplette Miete der “500-Quadratmeter-Traumvilla”, sondern lediglich für angemessenen Wohnraum — ganz so wie Hartz IV es vorsieht.

Da kann “Bild” noch so oft “auf Steuerzahlerkosten” und “auf Staatskosten” schreiben, dreist sind die “dreisten Mieter” offenbar nur insofern, als sie (bzw. das Amt) zu wenig Miete zahlen. Nur haben das wohl weder “Bild” noch der Vermieter verstanden, wie folgendes Zitat am Ende zeigt:

“Eigentlich müßte ich ja froh sein, daß jetzt wenigstens vom Staat Geld kommt. Aber es ist eine Frechheit, daß ehrliche Steuerzahler geschröpft werden. Und solche Leute auf Kosten der Allgemeinheit in Saus und Braus leben. Bei Gericht sagte man mir, eine Räumungsklage dauert anderthalb Jahre …”

Klar, und bei “Bild” macht man einfach kurzen Prozess.

Mit Dank an Tobias M. für den sachdienlichen Hinweis.

*) Wir hatten uns ursprünglich vertippt. Sorry.

Manchmal steht unter einer Überschrift noch Text

Heute nimmt sich “Bild” Volker Kauder vor, den Chef der Unionsfraktion im Bundestag. Der will angeblich “den Deutschen tiefer in die Tasche greifen (…) als je ein Politiker zuvor”, weshalb “Bild” ihn “Schauder-Kauder” nennt. Der Mann sei für Gesundheits-Soli, Maut und Politiker-Luxus-Pensionen, empört sich “Bild” und beendet den Artikel lapidar wie folgt:

“Alle Deutschen haben das Recht, vom Stuhl zu fallen”, überschrieb dieser Tage die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” einen Bericht über den CDU/CSU-Fraktionschef.

Und jetzt die Preisfrage: Wie hat die “FAZ” das gemeint? Hat sie Kauder auch, wie “Bild”, scharf wegen seiner Ideen für höhere Steuern und Abgaben gerügt? Vermutet sie auch, wie “Bild”, dass Kauder die Wähler für “gaga” halten könnte? Bemäkelt sie auch, wie “Bild”, dass Kauder vor der Wahl gegen Steuererhöhungen kämpfte, hinterher aber dafür war?

Keineswegs. In dem “FAZ”-Artikel ging es um ganz etwas anderes, als “Bild” suggeriert. Die “FAZ” berichtete ausführlich von einer Diskussionsveranstaltung zum Thema “Leitkultur” im Bonner Haus der Geschichte. Kauder habe dabei so heftig diskutiert, dass er vom Stuhl zu fallen drohte, weshalb ihm der Moderator empfohlen habe, “er solle sich doch einfach zurücklehnen”, woraufhin Kauder empört erwidert habe, “er lasse sich von Journalisten nicht sagen, wie er zu sitzen habe”.

Um Geld ging es nicht.

(Laughter.)

Interview of the President by Kai Diekmann of BILD

The Oval Office

May 5, 2006

1:55 P.M. EDT

(…)

Q BILD has 12 million readers. It’s the largest newspaper in Germany. And there’s one thing which is really special about our newspaper — every German who wants to work for the newspaper, he has to sign in his working contracts some beliefs — and there’s the belief you have to be for reunification, you have to be against totalitarianism from riots on the right side and the left side, and you have to be for the peace and for the understanding with Israel, and, since September 11th, we have a new belief — you have to be for partnership with America. Otherwise, you can’t work for us, you can’t come — you have to sign it in your contract.

THE PRESIDENT: My kind of guy. (Laughter.)

(Aus der ungekürzten und unredigierten Fassung des Interviews von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann mit US-Präsident George W. Bush, die das Weiße Haus auf seiner Homepage veröffentlicht hat.)

Danke an Diane A. und Thomas N.

Kurz korrigiert (101)

Es ist natürlich auch ein bisschen rücksichtslos von der Stadt Gotha, gleich zwei Schlösser zu haben, die mit “Fried” beginnen: Schloss Friedenstein und Schloss Friedrichsthal. Wer soll die denn bitte auseinanderhalten können?

Die “Bild”-Zeitung jedenfalls nicht. Sie bebilderte am vergangenen Samstag ihren Artikel über die MDR-Show “Ein Schloss wird gewinnen”, in der auch die Orangerie des Schlosses Friedenstein ein Kandidat war, munter mit einem Foto des Schlosses Friedrichsthal.

Danke an Markus L. für den sachdienlichen Hinweis!