Archiv für Januar 19th, 2006

Joschka Fischer und Bild.de korrigieren “Bild”

Nachdem “Bild” vor acht Tagen noch behauptet hatte, Joschka Fischer wolle nach Amerika auswandern, und der “Bild”-Bericht von Bild.de übernommen worden war, finden sich dazu nun bei Bild.de eine Gegendarstellung und eine Richtigstellung.

In Fischers Gegendarstellung heißt es u.a.:

“Zu keinem Zeitpunkt habe ich mit Harvard über eine Gastprofessur verhandelt. Ebenso falsch ist es demnach, daß ich dort eine Professur antreten werde. Ebenso wenig habe ich vor, für zwei bis drei Jahre in die USA umzuziehen.”

Und in Anbetracht der Tatsache, dass eine Gegendarstellung bekanntlich nicht beweist, dass eine Zeitung falsch berichtet hat, zitieren wir auch noch kurz aus der Richtigstellung:

“Zu keinem Zeitpunkt hat Herr Joschka Fischer mit Harvard über eine Gastprofessur verhandelt. Ebenso falsch ist es demnach, daß er dort eine Professur antreten werde. Ebenso wenig hat er vor, für zwei bis drei Jahre in die USA umzuziehen. (…)

Die Redaktion”

Nach unseren Informationen sollen eine entsprechende Gegendarstellung Fischers und eine Richtigstellung der Redaktion auch am Montag in der “Bild”-Zeitung stehen.*

*) Nachtrag, 20.1.2006:
Wir müssen uns präzisieren: Nach neuen Informationen soll am Montag in der “Bild”-Zeitung eine “Klarstellung” erscheinen, in der auch die “Bild”-Redaktion Fischers Darstellung als korrekt bezeichnen wird. (Genaueres dazu vielleicht später.)

Die Inflation der Milchmädchen

Inflation ist eine haarige Sache. Wenn ich heute annehme, dass ich in 30 Jahren 1000 Euro Rente bekomme, sollte ich mich nicht zu früh freuen — denn wegen der Geldentwertung sind diese 1000 Euro dann vielleicht nur noch soviel Wert wie 600 Euro heute (genau weiß es niemand).

Die Inflation war ein wichtiger Faktor für “Bild”, um in den vergangenen drei Tagen Renten-Panik zu verbreiten. “Bild” kombinierte eine (nicht ganz abwegige) Annahme über die zukünftige Geldentwertung mit einer (extrem unwahrscheinlichen) Annahme über die zukünftige Entwicklung der Rente und kam so zu erschütternden (und unrealistischen) Ergebnissen.

Interessant ist deshalb, dass die Inflation heute in “Bild” überhaupt keine Rolle mehr spielt. Heute diskutiert “Bild” nicht die Probleme der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern die Chancen der privaten Rentenversicherung. Die mag tatsächlich viele Vorteile haben — aber von der Geldentwertung ist sie natürlich exakt genauso betroffen. Seriöse Ratgeber verweisen deshalb darauf, dass “weder die Renteninformation der gesetzlichen Rentenversicherungsträger, noch die Berechnungen privater Anbieter von Zusatzrenten” die Inflation berücksichtigen.

Die “Bild”-Zeitung aber, die sich in ihrer Renten-Berichterstattung gerne von Instituten und Personen beraten lässt, die den privaten Versicherern nahestehen, lässt die Geldentwertung bei ihrer Tabelle “So sparen Sie für die Zusatz-Rente” einfach weg. Sie rechnet vor, wieviel man monatlich anlegen muss, um zum Beispiel in 30 Jahren eine Zusatzrente von 1000 Euro zu bekommen. Aber sie lässt den Hinweis weg, dass diese 1000 Euro, auch ihren eigenen Annahmen von den Vortagen zufolge, höchstens noch 600 Euro wert sein werden.

Das Beste, das sich über diese Art der Irreführung sagen ließe, wäre noch, dass sie fahrlässig geschieht. Lustig nur, dass “Bild”, egal wie, immer zugunsten der privaten Versicherer rechnet.

P.S.: “Bild” erwähnt heute in einem Satz die massive Kritik an ihrer bisherigen Berichterstattung. Scheinbar jedenfalls:

Die Deutsche Rentenversicherung bestritt gestern, daß die Kaufkraft der staatlichen Rente in Zukunft stark schrumpfen wird.

Nein, das bestritt die Deutsche Rentenversicherung keineswegs. Die Deutsche Rentenversicherung bestritt, dass die Kaufkraft der staatlichen Rente in Zukunft so stark schrumpfen wird, wie “Bild” behauptet.

Danke an Knut W. für den sachdienlichen Hinweis!

Verfestigter Irrtum

Gestern stand in der Berliner “Bild”-Ausgabe dieser Text über die Dauerausstellung im Haus der Wannsee-Konferenz:

Über die Bedeutung der Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 heißt es dort:

Anschließend war die “Endlösung der Judenfrage” beschlossene Sache.

Womit “Bild” eine gängige, aber überholte, wenn nicht gar falsche Ansicht wiedergibt. Dass “Bild” sie in einem Text über das Haus der Wannsee-Konferenz weiterverbreitet, ist vor allem deswegen ärgerlich, weil das Haus der Wannsee-Konferenz sich u.a. gerade zur Aufgabe gemacht hat, diesen Irrtum aus der Welt zu schaffen, den es für einen “fast nicht mehr revidierbaren Irrtum der Geschichtsschreibung und der Publizistik” hält, wie es dort auf der Internetseite heißt. (Weiter heißt es: “Diese Behauptung kommt dem verbreiteten Bedürfnis entgegen, außergewöhnliche geschichtliche Ereignisse mit konkreten Entscheidungssituationen zu belegen.”) Denn zum Zeitpunkt der Konferenz gab es nichts mehr zu beschließen, die planmäßige Ermordung von Juden war spätestens seit dem Sommer 1941 in vollem Gange. Auf der “Wannsee-Konferenz” ging es um die organisatorische Umsetzung des Völkermords.

P.S.: Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass darüber hinaus die ausschmückenden Kleinigkeiten am Textanfang offenbar von “Bild” frei erfunden wurden und einige weitere Details nicht stimmen: Das Treffen war nämlich keine “morgendliche Konferenz”, es gab kein “üppiges Frühstück”, keinen “heißen Tee” und keinen “Kellner”. Vielmehr begann die Besprechung laut Wolf-Dieter Mattosch, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums, mittags um 12 Uhr, und SS-Ordonanzen reichten französischen Cognac und Häppchen. Der Begriff “Frühstück” in der Einladung sei lediglich eine stehende Floskel aus der Diplomatie. Und “Berlins schrecklichste Villa” wurde auch nicht “wiedereröffnet”. Sie war, samt ihrer ständig wechselnden Ausstellungen, die ganze Zeit offen. Lediglich die Dauerausstellung zur “Wannsee-Konferenz” war nicht zugänglich.

Kurz korrigiert (54-56)

Anders als Bild.de behauptet, gewann der FC Bayern das Testspiel gegen Hansa Rostock nicht 2:1 durch Tore von “Ismael (19.) und Guerro (50.) bei einem Eigentor von Hansen (68.)”. Denn abgesehen davon, dass der Schütze zum 2:0 Guerrero heißt, spielt Hansen bei Hansa. Ein Eigentor durch ihn hätte also das 3:0 für Bayern bedeutet. Tatsächlich führte ein Handelfmeter, den Hansen verwandelte, aber zum 2:1 Endstand.

Und was “Bild” heute über Oliver Kahn schreibt, stimmt auch nicht:


Hervorhebung von uns

Tatsächlich war Oliver Kahn in der Welttorhüter Rangliste des IFFHS nämlich schon im Jahr 2004 auf Rang sechs abgerutscht. Folglich verbesserte er sich 2005 wieder um einen Platz.

Mit Dank an Jean-Paul I. und Holger K. für die Hinweise