Archiv für April 24th, 2005

“Bild” weiß es (nicht)

Manchmal ist “Bild” wirklich prima informiert. Gestern zum Beispiel, als das Blatt (unter der Überschrift “Helmut Kohl: Sein neues Glück”) weltexklusiv enthüllte, der “Einheitskanzler” habe “eine neue Lebenspartnerin”. Aber ja: “Engste Freunde und langjährige Weggefährten (…) hatte Helmut Kohl schon seit einiger Zeit eingeweiht”, hieß es da, aufgeschrieben von einem engsten Freund langjährigen Weggefährten, genauer gesagt von Kai Diekmann, dem derzeitigen Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. Kohl war Diekmanns Trauzeuge, Diekmann Kohls Biograph, und darüber, wer wohl der “gute Freund von Helmut Kohl” ist, den Kohl-Freund Diekmann in seiner Verlautbarung Enthüllung zu Wort kommen ließ, kann man jetzt wild spekulieren

…was übrigens ein gutes Stichwort ist – so als Überleitung.

Schließlich spekulierte am Samstag auch “Bild”. Oder auch nicht. Denn (unter der Überschrift “Kardinal Lehmann jetzt nach Rom?”) hieß es:

“Nach BILD-Informationen will der neue Papst Benedikt XVI. den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann (68), in die Kurie nach Rom berufen. (…) Der Mainzer Bischof Lehmann will bis Montag entscheiden, ob er dem Ruf nach Rom folgt.”

Der Mainzer Bischof Lehmann sagte dazu dem WDR:

“Das gehört zu den vielen Enten und Spekulationen dieser Tage, die nicht aufhören. Ich weiß von nichts, ich lese das nur in der Zeitung.”

Und dem Radio Vatikan (siehe z.B. FAZ.net) sagte Lehmann:

“Ich weiß gar nicht, woher die Leute sich das aus den Fingern saugen. Denn ich weiß überhaupt nichts davon. Das ist alles erstunken und erlogen, sagt man in Deutschland.”

Eindeutig je nachdem

Kai Diekmann, Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, hat der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” ein merkwürdiges Interview über die Entwicklung der “Bild”-Zeitung zur papsttreuesten Zeitung der Welt gegeben. Darin heißt es unter anderem:

Die “Süddeutsche” nannte “Bild” am Freitag einen “Osservatore Tedesco”. Fühlen Sie sich wohl oder unwohl mit dieser Beschreibung?

Das ist ein Kompliment: Der “Osservatore Romano”, die Zeitung des Vatikans, hat in seiner Heimat eine Reichweite von einhundert Prozent. So weit sind wir leider noch nicht.

Die “Bild”-Zeitung hat sich in den vergangenen Monaten als besonders papsttreue Zeitung positioniert. Warum?

Weil ehrwürdige Institutionen sich unterstützen müssen.

Im ersten Quartal 2005, das schon von vielen Berichten über Johannes Paul II. geprägt war, ist die Auflage der “Bild”-Zeitung weiter gefallen. Läßt sich mit dem Papst und Themen der katholischen Kirche womöglich gar keine Auflage machen? Würden Sie das in Kauf nehmen als Preis dafür, eine im Sinne der katholischen Kirche und ihrer Werte bessere Zeitung zu machen?

Ich kann Ihre Frage nur mit einem eindeutigen “je nachdem” beantworten.

“Billiger Nationalismus”

Aus einen Spiegel-Online-Interview mit dem Historiker Hans-Ulrich Wehler:

Wehler: Ich hielt schon die Triumph-Zeile der “Bild”-Zeitung “Wir sind Papst” für billigen Nationalismus. Ich will es den deutschen Katholiken nicht absprechen, dass sie sich darüber freuen und ein bisschen stolz sind, aber Ratzinger ist aus allen möglichen Gründen gewählt worden, aber nicht wegen der Tatsache, dass er Deutscher ist. Die englische Reaktion der “yellow press” ist Ausdruck der Kontinuität dessen, was man im Jargon “German bashing” nennt, der Antipathie gegen die Deutschen, die vor allem in den Unter- und Mittelschichten herrscht und die von diesen Zeitungen bedient wird.

SPIEGEL ONLINE: Und die heutige Reaktion der “Bild”-Zeitung?

Wehler: Sie bedient einen deutschen Gegen-Nationalismus. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt und nicht der richtige Ort, um nach der Diskussion über Vertreibungen und über Luftangriffe auf deutsche Städte, nun darüber zu diskutieren, welche Rolle die HJ für Millionen von Deutschen gespielt hat. Das muss man in einem ganz anderen, abwägenden Ton tun. Hängt man das Ganze auf an der punktuellen Vergangenheit des neuen Papstes, dann kann das nur in die Irre führen.
(Verlinkung von uns.)