Archiv für Oktober 29th, 2004

Nichts Neues im Dschungel

Seit dem Start der zweiten Staffel von “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” ist “Bild”-Reporterin Patricia Dreyer vor Ort in Australien und berichtet aus dem RTL-Camp. Gestern hatte sie vermutlich ziemlich viel Freizeit – trotz der großen “Schummelei”-Enthüllungsgeschichte, die heute im Blatt steht.

“Warum regnet’s nie?”, fragt Dreyer darin misstrauisch – und erklärt: “Weil der Regen gar nicht ins Camp gelangt! Eine Plane ist drübergespannt, damit trotz extremer Wetterbedingungen TV-Bilder geliefert werden können.” Na gut, das ist kein Aufreger. Schon am 18. Januar 2004 während der ersten Dschungel-Staffel hatte “BamS” berichtet: “Das ganze Areal ist gegen Regen geschützt. Techniker Keith, der im TV-Team arbeitete, zu BamS: ‘In die Baumwipfel wurde eine riesige Abdeckplane eingewoben.'”

“Warum hört man keine Tiergeräusche?”, rätselt die Dschungelreporterin weiter. Na, “weil’s keine gibt! Alle größeren wilden Tiere wurden vor Beginn der Dreharbeiten aus dem Wald entfernt, um die Promis nicht zu gefährden.” Auch nicht gerade eine Neuigkeit. Vor 9 Monaten zitierte “BamS” einen RTL-Mitarbeiter: “Das Camp ist vorher gesäubert worden. Jedes Tier, auf das die Kandidaten treffen, ist von RTL dort platziert worden.”

Und der angeblich verbotene Kontakt zur Außenwelt? Dreyer deckt auf: “Von wegen Einsamkeit! Die Promis können mit einem Psychologen telefonieren, in Notfällen einen Arzt verlangen, einmal am Tag wird auch das Plumpsklo geleert.” Das mit dem Plumpsklo war bisher tatsächlich nicht bekannt. Der Rest schon. Wieder “BamS” im Januar: “Sie sind ganz auf sich gestellt – hieß es vor dem Start der Show. In Wirklichkeit stand sogar ständig ein Psychologe zur Verfügung, der im eigens dafür aufgebauten Haus (darin ist auch die Erste-Hilfe-Station) fleißig kontaktet wurde.”

Ein paar Seiten vor Dreyers Bericht druckt “Bild” übrigens diese originelle Eigenanzeige ab:

Sündenfall

Wer zeigt jeden Tag die guten und fröhlichen wie die dunklen und traurigen Seiten des Lebens? Das ganze Spektrum unserer Gesellschaft, lebensnah, anschaulich und fern aller Theorie?

Wissen Sie nicht? Na gut. Zwei Antwortmöglichkeiten:
Möglichkeit 1: “Bild”.
Möglichkeit 2: Die Bibel.

Die Lösung: Beides stimmt – jedenfalls nach Ansicht von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann. Kein Wunder also, dass “Bild” gemeinsam mit der Verlagsgruppe Weltbild eine hochwertig ausgestattete Volksbibel auf den Markt bringt. Ja, lesen Sie das ruhig noch mal, um es zu glauben:

“Europas größte Tageszeitung BILD und die Augsburger Verlagsgruppe Weltbild bringen gemeinsam eine hochwertig ausgestattete Volksbibel auf den Markt.”

Und das “Geleitwort”, also quasi ein Vorwort zur Heiligen Schrift, zum Alten und Neuen Testament, zur Bibel also, hat Diekmann auch gleich geschrieben, mit freundlicher Unterstützung des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, und dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann.

Allein das schockt schon derart, dass man glatt vergessen könnte, zu erwähnen, wer heute “Gewinner des Tages” ist.

Nichts Welt bewegendes passiert


Das klingt ja schrecklich! Und was wird dann aus uns Menschen?

Unser blauer Planet – rauben ihm jetzt Ur-Kräfte des Weltalls die Balance? Droht Chaos?
Alarmsignale:
Die Erdachse kippt. (…) Noch rechnen Forscher “nur” mit einer Achs-Kippung von 0,4 Grad, in Millionen Jahren.

Und wenn’s doch schneller geht? Auf die Frage hat “Bild” sich offenbar von dem Forscher Jacques Laskar erzählen lassen:

“Das Verhalten unseres Planeten ist chaotisch, nicht berechenbar”.

So was ähnliches steht auch im ersten Absatz der dem “Bild”-Artikel zu Grunde liegenden Untersuchung, allerdings in anderem Zusammenhang. Und eigentlich rechnen Forscher damit, dass diese 0,4 Grad bereits eine ungewöhnlich rasant ablaufende “Achs-Kippung” darstellen.

Ja, aber:

Die Sonne steckt in den Flegeljahren. Seit Jahrtausenden war sie nicht so “nervös” wie heute, schreiben renommierte Wissenschaftler in der Zeitschrift “Nature”.

Das stimmt. So ähnlich stehts jedenfalls in einer Veröffentlichung in “Nature” vom 28. Oktober 2004. Dort prognostiziert ein internationales Forscherteam allerdings auch einen Rückgang der Sonnenaktivität in wenigen Jahrzehnten.

Und was ist hiermit?

Der Astrobiologe Prof. Chandra Wickramasinghe hat in 41 Kilometern Höhe Massen von bisher unbekannten Mikroorganismen entdeckt: “Das könnten Killerkeime sein!”

Die Theorie von Wickramasinghe, dass die Lungenkrankheit SARS aus dem Weltraum kam, hat “Bild” zwar vergangenes Jahr schon einmal als Sensation präsentiert, unterstützt wird sie aber nur von wenigen Wissenschaftlern. Manche halten sie für einen “Scherz” oder auch für ziemlich unwahrscheinlich.

Ansonsten wertet “Bild” noch Erdbeben, Meteoritenschwärme, derzeit aktive Vulkane und theoretisch mögliche Vulkanausbrüche als Alarmsignale. Was dann auch schon für eine riesige “Bild”-Schlagzeile auf Seite eins und eine große Geschichte auf Seite 12 reicht.

Beruhigend, eigentlich.