Autoren-Archiv

WAZ, Köhler, Gebrselassie

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Sonntagsredner telefonieren billiger”
(stefan-niggemeier.de)
Wie “der Handyvertragsverkäufer WAZ vom Vertrauen profitiert, das die Leser der scheinbar unabhängigen Redaktion ihrer Regionalzeitung” entgegenbringen.

2. Rede von Horst Köhler
(bundespraesident.de, Horst Köhler)
Anlässlich der Veranstaltung “60 Jahre Bundespressekonferenz” sprach der deutsche Bundespräsident zu Journalisten: “Sie starren gebannt auf sinkende Auflagen und einbrechende Werbebuchungen, und alles, was ihnen zur Abwehr einfällt, sind noch mehr Drama, noch mehr Personalisierung, noch mehr zur Schau gestellte Distanzierung von der Welt der Politik. Ich glaube, es gibt einen anderen Weg, und ich bin froh, dass er aufgezeigt wird von Leuten aus der Branche selbst.”

3. “Eine Minute für den Quellencheck”
(journalistik-journal.lookingintomedia.com, Thomas Schnedler)
“Zeitnot und Arbeitsverdichtung beherrschen den redaktionellen Alltag, Journalisten verzichten auf Überprüfungsrecherchen und aufwändige Recherche-Methoden, die rasche Verarbeitung von PR-Informationen ersetzt journalistische Kerntätigkeiten. Wie die Recherche unter die Räder gerät – ein Überblick.”

4. “Visionen für Tageszeitungen in der Krise”
(ymc.ch/weblog, Kai Krämer)
Kai Krämer ist dafür, keine Zeit für das Umformulieren von Agenturmeldungen zu verschwenden: “Kein Supermarkt käme auf die Idee, die vom Grosshändler bezogenen Äpfel einzeln zu polieren. Ganz ähnlich sollten Journalisten eingekauften Content behandeln.”

5. “Angst spielt mit”
(merkur.de, Tilmann P. Gangloff)
Drehbuchautor Benedikt Röskau sieht den Fehler im Fall Heinze im System: “Die Konzentration der Entscheidungen in den Sendern auf die Führungsebene, die alles absegnen muss und die Redakteure praktisch entmachtet, hat den Fall Heinze erst ermöglicht. Hätten die Redakteure wie früher selbst Entscheidungskompetenz, wäre das viel schwieriger gewesen”

6. “Auf dem Schulweg trafen wir häufig auf Hyänen”
(zeit.de, Ralph Geisenhanslüke)
Der Weltrekordhalter im Marathon, Haile Gebrselassie, erzählt aus seinem Leben: “Mit elf Jahren baute ich mir mein eigenes kleines Haus. Eine Hütte aus Holz und Lehm. Ich baute mein eigenes Bett, mit einer weichen Matratze aus Gras. Normalerweise schliefen wir auf Tierhäuten.”

Heddesheim, Matthäus, Hombach

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1. “Blog statt Zeitung”
(evangelisch.de, Miriam Bunjes)
Miriam Bunjes porträtiert Hardy Prothmann, der auf heddesheimblog.de Lokaljournalismus in seiner Heimatstadt Heddesheim betreibt. Kritischen Journalismus: “So etwas fehlt hier völlig. Politische Entscheidungen werden unter dem Tisch getroffen. Berichterstattung darüber gibt es keine.”

2. “Bruch mit europäischen Freiheitstraditionen”
(perlentaucher.de, Matthias Spielkamp)
“Umfassende Leistungsschutzrechte wie Hubert Burda, Springer und FAZ sie gern hätten, wären das Ende der Informationsfreiheit.”

3. Interview mit Axel Bruns
(boell.de, Jan Engelmann)
Lob aus Australien für die deutsche Medienlandschaft, von Medienforscher Axel Bruns: “Gegenüber den besonders in den Jahren nach dem 11. September ja geradezu gleichgeschalteten privaten Massenmedien in den USA oder gegenüber dem Medienoligopol einer streng begrenzten Zahl marktbeherrschender Anbieter in Australien zeichnen sich deutsche Medien in durchaus wohltuendem Maße durch Vielfalt und Pluralismus ab.”

4. “Die Liaison von ‘Bild’ und Matthäus”
(ndr.de, Video, 4:18 Minuten)
Auch das Medienmagazin “Zapp” beschäftigt sich mit der engen Beziehung zwischen “Bild” und Lothar Matthäus (siehe auch “Die Matthäus-Obsession”). Gleich dreimal gesendet wird dieser Satz von Matthäus: “In jedem anderen Land wird jemand, der so viel für den Sport, für den Fußball oder generell was gemacht hat, wird ganz anders gewürdigt wie in Deutschland.”

5. “Die Angst vor dem Kontrollverlust”
(zeit.de, Susanne Gough)
Ob Basketball, Football oder Eishockey – in den Profiligen der USA herrschen Nutzungsverbote von elektronischen Kommunikationsmedien. “Betroffen sind jedoch nicht nur Sportler. Auch Trainer und alle für die Spiele relevanten Personen, wie zum Beispiel Team-Ärzte, müssen sich an das Verbot halten. Die Profiligen fürchten die Veröffentlichung von Insider-Informationen.”

6. “Offener Brief an Bodo Hombach”
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Späte Reaktionen auf das Internet-Manifest werden veröffentlicht. Von Journalistik-Professoren und auch von Bodo Hombach, WAZ-Verlagsmanager. Thomas Knüwer antwortet Hombach ausführlich und lädt ein zur Diskussion: “Seit Jahren gelingt es Veranstaltern von Diskussionen nicht, hochrangige Verlagsmanager auf ein Podium mit Kritikern zu bringen. Stattdessen bleiben Verlagsvertreter in ihrer Komfortzone und treffen sich auf Branchenveranstaltungen in Fulda, wo ihnen Pseudo-Innovationen präsentiert werden, die Jahre hinter dem Stand der Technik liegen.”

DJV-Umfrage, Quality, Sonneborn

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1. “DJV-Umfrage Freie Journalisten”
(frei.djv-online.de)
Eine Umfrage des Deutschen Journalistenverbands (DJV) unter 2000 freien Journalistinnen und Journalisten ist online (PDF-Datei).

2. “Nur für geladene Gäste”
(taz.de, Steffen Grimberg)
“Die LBBW Stuttgart spricht nur mit handverlesenen Journalisten. Dabei ist sie kein privates Geldinstitut, sondern Deutschlands größte Landesbank.”

3. “Micropayments im Online-Journalismus”
(carta.info, Robert G. Picard)
“Mit Journalismus im Netz Geld zu verdienen, verlangt daher mehr als einfach nur zu sagen: ‘Okay, wir nehmen jetzt mal Geld dafür’. Man muss die ganze Wertschöpfungskette, die gesamte Art, wie Inhalte erzeugt und angeboten werden, überdenken. Und vor allem, sich mit der Frage beschäftigen: ‘Was hat der Leser davon?’ – Eine Frage, die bislang kaum vorkam.”

4. “Boykottiert Quality!”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris kritisiert das Magazin “Quality” von Constantin Rothenburg, das sich offenbar sehr viel Zeit lässt mit der Ausbezahlung von Honoraren.

5. “England-Spiel nur im Internet”
(tagesspiegel.de, Annegret Ahrenberg)
Fußball: Das WM-Qualifikationsspiel zwischen England und der Ukraine wird in Großbritannien erstmals nur im Internet zu sehen sein. Verlangt dafür wird 4.99 Pfund, umgerechnet etwa 5.20 Euro. “Wer erst am Samstag bucht, zahlt 11.99 Pfund für das Spiel.”

6. Interview mit Martin Sonneborn
(meedia.de, Alexander Becker)
Ex-“Titanic”-Chefredakteur Martin Sonneborn ist nicht sauer auf den WDR. “Nein, ich bin nur irritiert, dass hier rund 250.000 Euro GEZ-Gebühren in den Sand gesetzt wurden.” Sonneborn wurde in die Sendung “Zimmer frei” eingeladen – nun musste er erfahren, dass die Sendung “inhaltlich” nicht den WDR-Maßstäben genügte und deshalb nicht ausgestrahlt wird.

“Sehr exklusiv”

Bei einem Artikel, der mit den Worten “Mainz im Ausnahmezustand!” beginnt, erwartet vielleicht der eine oder andere Leser dramatischere Vorkommnisse als den Aufenthalt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in einem Hotel. Doch um nichts anderes geht es Bild.de heute unter der Überschrift:

“So schön wohnt die Nationalelf in Mainz”.

Besonders relevante Informationen sind das nicht, aber auch sie müssen irgendwoher kommen. Zum Beispiel von der Website des Luxushotels “Hyatt Regency Mainz”, auf die Bild.de sogar mit einem Textlink verweist. Von dort stammen auch die Fotos des Hotels in einer Bildergalerie, in der korrekt vermerkt wird:

BILD_hyatt_fotonachweis

Nicht vermerkt wird allerdings, dass sich auch der Artikel selbst großzügig bei Hyatt.de bedient:

Hyatt.de Bild.de
Das Hyatt Regency Mainz liegt am Rheinufer in der zentralen Rhein-Main-Gegend. Die historische Altstadt und berühmte Museen sind nur wenige Schritte entfernt. Das Hyatt Regency, das einzige 5-Sterne-Hotel in Mainz, liegt am Rhein-ufer unweit der Altstadt, sehr exklusiv.
Die 268 Gästezimmer verfügen über eine moderne Ausstattung und das Neueste an Komfort und Technik, so etwa großzügige Schreibtische mit High-Speed-Internetzugang, (…) Zimmerservice rund um die Uhr. Die 268 Gästezimmer verfügen über modernste Ausstattung mit High-Speed-Internetanschluß, Zimmerservice rund um die Uhr.
Das großzügige Badezimmer verfügt über eine Badewanne, eine separate begehbare Dusche sowie einen flauschigen Bademantel. [Beschreibung des King Zimmers] Ein Bademantel liegt für jeden Spieler bereit.
Das Hyatt Regency Mainz integriert die historische Festung Fort Malakoff aus dem 19. Jahrhundert in seine großzügige und moderne Architektur. [Beschreibung Mainz Hotel] Im Hotel ist die historische Festung Fort Malakoff aus dem 19. Jahrhundert in seiner großzügigen und modernen Architektur integriert.
Die Einrichtungen im Club Olympus verschaffen nach einem anstrengenden Tag die nötige Entspannung für Körper und Geist. [Beschreibung Fitnesscenter] Abwechslung bietet der Club Olympus. Entspannung pur für Körper und Geist mit verschiedenen Massagen.
Das historische Fort Malakoff verbindet die moderne Architektur des Hyatt Regency Mainz mit einem Stück Stadtgeschichte. [Beschreibung Veranstaltungsräume] Stellt schon was dar: Das Hyatt Regency, das Historisches, wie die Festung Fort Malakoff, mit moderner Architektur verbindet [Text in der Bildergalerie]

Zieht man im Artikel mal alle Sätze ab, in denen sich “Bild”-Autor Günter Nicklas von den Hyatt-Werbetexten “inspirieren” ließ, verbleibt als Eigenleistung von Bild.de nicht viel mehr als:

BILD zeigt: So schön wohnen unsere Fußball-Helden um Philipp Lahm und Co. (…)

Alles nobel, nobel. (…)

Was soll bei solch tollen Bedingungen da noch am Samstag schief gehen?

Nachtrag, 7. Oktober.
Wir haben “Bild” unterschätzt. Aus der werblichen Selbstdarstellung eines Hotels hat die Redaktion nicht nur einen Bild.de-Text gemacht, sondern auch einen gleichlautenden Artikel von stattlicher Größe in der Mainzer Ausgabe der gedruckten Zeitung (siehe Ausriss links).

Mit Dank an Eta C. sowie Schorsch und Nina!

Hamburger Verklärung, Murdoch, Russ

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1. “Hamburger Verklärung”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris findet es absurd, wenn Verlage an den Einnahmen von Google beteiligt werden wollen. Dieser Logik nach müsste auch Adidas als Hersteller von Fußbällen an den Einnahmen von Fußballclubs wie dem HSV beteiligt werden. “Man kann es ganz kurz halten: Google verdient Geld mit einem guten, beliebten Produkt – der Suche – und die Verleger verdienen im Moment nicht so viel Geld, weil sie kein auch nur annähernd so beliebtes oder gutes Produkt im Internet anbieten.”

2. Porträt von Rupert Murdoch
(vanityfair.com, Michael Wolff, englisch)
Verleger Rupert Murdoch kann eine komplexe Druckmaschine auseinandernehmen, doch sein Interesse an Digitaltechnologie tendiert gegen Null. “Murdoch’s abiding love of newspapers has turned into a personal antipathy to the Internet: for him it’s a place for porn, thievery, and hackers.”

3. Interview mit Eugen A. Russ
(persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Eugen A. Russ musste mit dem gescheiterten Gratiszeitungsprojekt “.ch” einen Verlust “im siebenstelligen Bereich” hinnehmen. Was die Digitalisierung von Prozessen angeht, sei die Medienbranche “im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen” rückständig. “Obwohl vieles heute technisch möglich ist, ist unsere Branche in weiten Bereichen zurückgeblieben.”

4. “Die Angst des Torwarts vor ‘Bild'”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller ärgert sich über die “Bild”-Schlagzeile “Herthas Torwart Trottel”. “Das hat mit Journalismus überhaupt nichts zu tun – das ist die Verbreitung von Stammtischparolen auf unterstem Niveau zu Lasten eines 19jährigen, der sich selbst kaum wehren kann und dem möglicherweise auch niemand aus dem Verein beistehen wird.”

5. “Schlechtester Text seit immer”
(11freunde.de, Dirk Gieselmann)
Fußball: Dirk Gieselmann nervt die Zuspitzung mit dem Wort “seit”: “Reporter schleppen Leitz-Ordner voller ‘Seit’-Statistiken in ihre Kabinen und feuern sie in Salven ab: Das war der kürzeste Einwurf seit zweieinhalb Tagen! Schon seit einer Minute kein Tor mehr! Ding seit Bums! Bla seit Bla!”

6. “Wochenzeitung für Deutsche in der Schweiz”
(kleinreport.ch)
In der Schweiz startet am 6. November die “Deutsche Wochenzeitung Schweiz”. Verlagsleiter und Chefredakteur Ole Glausen: “Wir möchten integrativ tätig sein, die Deutschen näher an die Menschen in ihrer neuen Wahlheimat heranführen.”

Gottschalk, Zeitungen, Gillmor

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1. “Verstrickt: Thomas Gottschalk im ZDF-Bild.de-Mix”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
“Thomas Gottschalk mit ZDF-Mikrofon in der Hand in einem Bild.de-Video und mittendrin und vorne dran Werbung: Ein Sittengemälde der Verstrickung von öffentlich-rechtlichem Fernsehen mit dem boulevardmedial-kommerziellen Komplex.”

2. “Vom Glück, viele Leben zu leben”
(nzzfolio.ch)
Das “NZZ Folio” im Oktober beschäftigt sich mit der Zeitung. Neben Kurt W. Zimmermann, der erklärt, wie die Zeitungsbranche in nur 15 Jahren ihr 400 Jahre altes Geschäftsmodell zerstörte, äussern sich verschiedene Journalisten, warum sie diesen Beruf ergriffen haben. Constantin Seibt meint, man könne von keinem guten Journalisten sagen, ob er “Realist oder Träumer” sei: “Gute Journalisten sind überall dabei und nirgends. Sie gehören zu keiner klar definierten Klasse: Sie reden mit Konzernbossen und mit Bauarbeitern, aber gehören nicht dazu.”

3. “‘Brigitte’ wird Mager-Model-freie-Zone”
(meedia.de)
Die Zeitschrift “Brigitte” setzt bei ihren Modeproduktionen neu auf “lebensechte Models”, die “unter Laien” gecastet werden sollen. “Am 2. Januar soll die erste Mager-Model-freie Ausgabe erscheinen.”

4. Interview mit Stefan Aust
(derstandard.at, Harald Fidler)
Für Stefan Aust ist der “Spiegel” immer noch “das Maß aller Dinge im Printjournalismus”. Er sagt, wie man mit Druck von Politikern umgeht: “Ich habe auch schon erlebt, dass mir der Vorstandsvorsitzende eines Großverlags, der am Spiegel beteiligt war, Vorhaltungen wegen einer Geschichte gemacht hat. Dem habe ich gesagt: Schreiben Sie doch einen Leserbrief.”

5. “The new rules of news”
(olereissmann.de)
Ole Reißmann hat die Ideen für einen neuen Journalismus von Dan Gillmor (“22 ideas for changing the way news is produced”) übersetzt. These 1: “Wir verzichten bis auf wenige Ausnahmen auf Jahrestags- und Jubiläumsgeschichten. Sie sind Rückzugsort für faule, unkreative Journalisten.”

6. “Schadensersatz für schlafenden Journalisten”
(spiegel.de)
Das Landgericht Frankfurt entscheidet, dass der Verlag der “FAZ” einem Kulturjournalisten 5000 Euro Schadenersatz zahlen muss. Dieser wurde an der Frankfurter Buchmesse “bei einem Nickerchen an einer Hotelbar” fotografiert und danach mehrfach abgebildet.

@muentefering, Schiedsrichter, Regiowikis

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1. “Wir waren Franz Müntefering”
(metronaut.de, Lou Canova)
Die Schreiber des Twitter-Kontos @muentefering schauen zurück auf ein Experiment. Obwohl längst bekannt ist, dass das Konto nicht von Franz Müntefering geführt wird, verwendeten es Medien immer wieder als Quelle: “Es wäre seit dem 13. September 2008 ein einfaches Googeln nötig gewesen um sich sicher zu sein, dass Müntefering nicht twittert. Dafür musste man nicht einmal in der SPD-Zentrale anrufen.”

2. “Mund aufmachen verboten”
(zeit.de, Matthias Bossaller)
Der Weltfußballverband FIFA vertritt die Meinung, “dass die Schiedsrichter sich nicht öffentlich zu bestimmten Vorfällen oder einzelnen Entscheidungen in einem Spiel äußern sollen.”

3. “Bürgerjournalismus durch die Hintertür”
(spiegel.de, Mathias Hamann)
“Regiowikis machen Lokalinfos für jeden verfügbar – und werden zur Konkurrenz für Lokalzeitungen.”

4. “Verleger prüfen Klage gegen Google”
(horizont.net, Roland Pimpl)
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) lassen sich “von einer Großkanzlei die Chancen einer Kartellbeschwerde gegen Google untersuchen”.

5. “Der Balanceakt”
(freitag.de, Anna Gielas)
“Wie viele Artikel soll es im Netz umsonst geben? Alle? Keinen?”

6. “Zukunft des Journalismus: wer soll das bezahlen?”
(elektrischer-reporter.de, Video, 12:03 Minuten)
Ein aufwändig erstelltes und informatives Update zu den verschiedenen Finanzierungsstrategien von Journalismus.

Opfer des Layouts

Wer sich die heutigen Tageszeitungen anschaut, stellt fest, dass das schwere Erdbeben bei den Samoainseln viele Titelseiten dominiert.

Auch die “Stuttgarter Zeitung” hat sich für einen “Katastrophen auf Samoa”-Aufmacher entschieden und sogar ein gutes Foto dafür gefunden. Im hauseigenen Online-Auftritt ist es bereits seit gestern in einer Bildergalerie zu sehen:

Stuttgarter Zeitung 430

Doch vorn auf der gedruckten “Stuttgarter” (hier im Großformat) sieht dasselbe Foto heute so aus:

Stuttgarter Zeitung Titelblatt 430

Wie sowas geht? Der hauseigene Grafiker hatte die rechte Hälfte des Bildes gespiegelt und (nicht ohne Aufwand) alles, was den Schwindel schon auf den ersten Blick auffliegen lassen könnte, retuschiert: Der Mann, der in den Trümmern steht, wurde digital ausradiert; dort, wo eigentlich das Auto steht, ließ man ein wenig Gras drüber wachsen und pflanzte einen Text.

Der Grund für diese merkwürdige Irreführung des Lesers ist ebenso peinlich wie banal: Im Juni dieses Jahres wurde die “Stuttgarter Zeitung” dank eines Redesigns zur “besten StZ aller Zeiten”. Und das neue Layout verlangt nun mal jeden Tag ein vierspaltiges Foto im Verhältnis 1:2,8 (Annäherungswert). Doch um es mit Michael Maurer, dem stellvertretenden StZ-Chef, zu sagen:

Das Foto auf der Seite 1 ist kein Selbstzweck. Es soll zwar die Optik der Titelseite attraktiver und moderner machen, aber es soll vor allem die journalistische Qualität und journalistische Eigenleistungen der StZ hervorheben. (…) Dem Leser wird damit klar signalisiert, welche Glanzstücke aus redaktioneller Sicht ihn im Innenteil erwarten.

Das wollen wir nicht hoffen.

Mit Dank an Stefan und rod66.

Nachtrag, 20.00 Uhr:
Uns erreichte folgender Kommentar von Michael Maurer, stv. Chefredakteur der “Stuttgarter Zeitung”:

Das Aufmacher-Bild auf der ersten Seite der Stuttgarter Zeitung vom Donnerstag, 1. Oktober, ist technisch in einer Art und Weise bearbeitet worden, die nicht unseren journalistischen Standards entspricht. Mit der Doppelung eines Ausschnittes ist die Aussage des Bildes verfälscht worden. Die Redaktion übernimmt die Verantwortung für diesen Fehler und wir entschuldigen uns bei unseren Leserinnen und Lesern.

“Killer-Tsunami” schwemmt “erste Bilder” an

Bild.de veröffentlichte heute — unmittelbar unter der Überschrift eines Artikels über den “Killer-Tsunami” auf den Samoa-Inseln — “dramatische Amateuraufnahmen” eines Tsunami-Augenzeugen.

Aus dem Off kommentiert Bild.de das 35-sekündige Amateur-Video mit diesen Worten:

Noch wirken diese Wellen harmlos. Doch sie bringen den Tod. Das Südseeparadies Samoa wenige Sekunden vor der Verwüstung. Amateuraufnahmen zeigen die ersten Bilder des tödlichen Südpazifik-Tsunamis. (…)

Die Aufnahmen zeigen Samoa? Wie bloß kommt es dann, dass ein Video mit den genau gleichen Aufnahmen den Titel “2004 Tsunami Video” trägt, seit dem 4. Oktober 2006 auf YouTube zu sehen ist und bereits über 1.7 Millionen mal angesehen wurde?

Mit Dank an Felix F.

Nachtrag, 16.20 Uhr: Bild.de hat die “dramatischen Amateuraufnahmen” von 2004 aus dem Artikel entfernt und offenbar gelöscht.

2. Nachtrag, 18.15 Uhr: Auf Bild.de erfolgt eine “Korrektur”, in der die Leser um Entschuldigung gebeten werden. Offenbar wurde das Video ungeprüft vom “Video-Portal LiveLeak” übernommen (wo Nutzerkommentare allerdings bereits seit gestern unermüdlich darauf hinweisen, dass die Bilder alt sind und nicht Samoa zeigen).

3. Nachtrag, 20.40 Uhr: Bei “Spiegel Online” beginnt der Videobericht “Immer mehr Todesopfer: Tsunamis und Erdbeben in Asien” ebenfalls mit besagtem Video.

Ansbach, Neuer, Parasiten

6 vor 9

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1. “Die Medienopfer von Ansbach”
(ndr.de, Video, 6:08 Minuten)
Nach dem Amoklauf von Ansbach streifen Journalisten durch die Innenstadt, sprechen potenzielle Schüler an, bieten Geld für das Vorzeigen von Brandwunden, bieten bis zu 800 Euro für eine Handynummer. Sie wollen auch dafür zahlen, wenn jemand einen vorgefertigten Text in eine Kamera spricht. In Ansbach ist man heilfroh, dass die Medienschar wieder weitergezogen ist.

2. “Ein Rezensent”
(woz.ch, Andreas Simmen)
Andreas Simmen, Programmleiter beim Rotpunktverlag in Zürich, macht auf Unstimmigkeiten bei Literaturrezensionen aufmerksam. Auf einen Rezensenten, der “seine Kritiken im linken ‘Neuen Deutschland’ (ND) als Benjamin Jakob und dann dasselbe als Uwe Stolzmann in der ‘Neuen Zürcher Zeitung’ (NZZ)”, publiziere, geht er besonders ein: “Dieser Rezensent unterhält eine Art Rezensionenmanufaktur; er hat einen gewaltigen Ausstoss, weshalb man von ihm nicht erwarten kann, dass er die Bücher auch noch liest.”

3. Die Medien und der Derby-“Skandal”
(weltfussball.de, Maike Falkenberg)
Nach einem Fußballspiel zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 wird der Torhüter Manuel Neuer beschuldigt, einem gegnerischen Spieler “den Ellenbogen ins Gesicht gerammt” zu haben. Doch: “‘Dem Kontrollausschuss liegen keine Hinweise auf ein grob sportwidriges Verhalten vor.’ Kein Ellenbogenschlag, kein Kopfstoß, keine weiteren Ermittlungen, keine Strafe – keine Story mehr? Weit gefehlt.”

4. “Die Unabhängigkeit der Medien in Frankreich”
(deuxzero.de/blog)
Einige Thesen zur Unabhängigkeit von französischen Medien. These 1a: “Der Politiker bestimmt die Agenda des Journalisten. Beide durchlaufen dieselben (Hoch-)Schulen und entstammen demselben Pariser Intellektuellen-Milieu. Der Journalist wird zum Sprecher des Politikers und erhält als Gegenleistung Informationen aus erster Hand. Die persönlichen Beziehungen zwischen Politiker und Journalist bestimmen die mediale Agenda. Investigativer Polit-Journalismus verkommt zu persönlichkeitsgesteuerter Polit-PR.”

5. “parasiten”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Zum Vorwurf, “Web-Medien” seien parasitär: “ist es nicht genauso parasitär, wenn ein papier-medium über eine veranstaltung berichtet? da setzt sich ein journalist in eine veranstaltung, hört sich an was gesagt wird und verbreitet danach diese fremde gedanken, quasi anderer leute ‘geistiges eigentum’, in irgendeinem medium.”

6. “BBC: Raus aus dem Elfenbeinturm”
(gutjahr.biz/blog, Richard Gutjahr)
Ein Besuch im BBC Television Centre, alternativ auch als Video (youtube.com, 3 Minuten)

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