Hessen passt. Und trocken sieht das auch aus. Allerdings zeigt das Foto kein “völlig ausgetrocknetes Flussbett”, sondern den Edersee, bei dem es sich um einen Stausee handelt, aus dem seit Jahrzehnten im Sommer regelmäßig kontrolliert große Mengen Wasser abgelassen werden, um den Binnenschiffsverkehr auf der Oberweser garantieren zu können. Die Edertalsperre wurde 1914 fertiggestellt. Wenn der Pegel des Edersees weit genug sinkt, kommt das “Edersee-Atlantis” zum Vorschein — zum Beispiel die Aseler Brücke, die auf dem Foto oben zu sehen ist. Als Symbol für das prophezeite “nahe Ende” der Menschheit taugt das Bild also nicht so richtig.
Über diesen ganzen Vorgang (Wasser ablassen für die Schifffahrt auf der Weser, das Erscheinen des “hessischen Atlantis” und den Ärger von Anwohnern und Gastronomen, weil man für längere Zeit auf dem Edersee nicht mehr tauchen oder segeln kann) hat im vergangenen Jahr unter anderem ein Portal namens Bild.de berichtet.
Mit Dank an Nico für den Hinweis!
Nachtrag, 18:37 Uhr: Klammheimlich und ohne irgendeinen Korrekturhinweis hat die Bild.de-Redaktion das Foto ausgetauscht. Die Bildunterschrift zum neuen Aufmacherbild lautet nun:
Ein Blitz entlädt sich in der Nähe von Laverne, Oklahoma, während eines Tornados. Die Studie sagt für Nordamerika extreme Wetterereignisse im Jahr 2050 voraus
Wer wissen will, wie es aktuell am Edersee aussieht, kann sich hier verschiedene Webcam-Streams anschauen.
Eine große Leidenschaft der “Bild”-Redaktion: das Aufzählen von Managergehältern. Jedes Jahr, wenn Analysten und Beratungsunternehmen die Geschäftsberichte der größten Konzerne ausgewertet und daraus Gehaltsranglisten erstellt haben, verwursten die “Bild”-Medien diese zu Artikeln. Vor einer Woche schrieb Bild.de beispielsweise über “die Gehälter von Europas Top-Managern 2018”. Vor drei Tagen dann noch einmal. Bereits vor zwei Monaten ging es um “die Bezüge deutscher Topmanager”.
In den Beiträgen nennt Bild.de die Jahresgehälter von Steve Angel (Linde), Severin Schwan (Roche), Carlos Brito (Anheuser-Busch InBev), Sergio Ermotti (UBS), Bill McDermott (SAP), François-Henri Pinault (Kering), Carlo Messina (Intesa Sanpaolo), Stefan Heidenreich (Beiersdorf), Oliver Bäte (Allianz), Dieter Zetsche (Daimler), Harald Krüger (BMW) und Herbert Diess (VW). Sie reichen von 5,8 Millionen bis 55,8 Millionen Euro für das Jahr 2018 (wobei die Grundlagen für die Berechnungen teils unterschiedlich sind — bei manchen sind “Boni und Pensionsansprüche” oder Aktienoptionen dabei, bei manchen nicht).
Jetzt könnte man natürlich fragen, ob Julian Reichelt die FamiliendieserManagerinGefahrbringt und würde damit nur strikt der Logik des “Bild”-Chefs folgen.
Interessanter aber finden wir, wen die “Bild”-Redaktion in ihren Aufzählungen nie erwähnt, obwohl er mit der Höhe seines Gehalts locker reinpassen würde: ihren eigenen obersten Chef Mathias Döpfner. Das Gehalt des Vorstandsvorsitzenden der Axel Springer SE soll im vergangenen Jahr laut “kress” 7,63 Millionen Euro betragen haben. 2017 sollen es laut der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz und der Technischen Universität München 7,41 Millionen Euro gewesen sein (PDF — wobei noch Döpfners Anteil an einer Sonderzahlung von General Atlantic hinzukommt; diese betrug für alle fünf Springer-Vorstandsmitglieder zusammen 12 Millionen Euro). Und 2016 sogar über 19 Millionen Euro und damit mehr als bei allen Vorständen der 30 Dax-Unternehmen. Dabei ist die Axel Springer SE, die im MDax gelistet ist, mit rund 16.350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie 3,18 Milliarden Euro jährlichem Umsatz deutlich kleiner als die meisten Dax-Konzerne.
Zu Döpfners möglichem Rekord-Gehalt von 2016 sagte eine Springer-Sprecherin, dass diese Berechnung auf “extrem wackeligen Füßen” stehe. Und tatsächlich sind das alles nur Schätzungen. Denn während fast jedes andere Unternehmen im Dax und im MDax die Gehälter seiner einzelnen Vorstandsmitglieder veröffentlicht, nennt Springer in seinen Geschäftsberichten (PDF, Seite 86) lediglich eine Summe für den gesamten Vorstand. Aktionärsschützer kritisieren dieses Vorgehen schon länger.
Mit dieser intransparenten Praxis des Springer-Konzerns dürfte allerdings bald Schluss sein: Eine neue EU-Aktionärsrechterichtlinie, die den Einzelausweis bei Spitzengehältern zur Pflicht werden lässt, muss bis zum 10. Juni dieses Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden. Wir sind uns allerdings ziemlich sicher, dass die “Bild”-Redaktion trotz ihrer großen Leidenschaft für Managergehälter auch dann nicht über Mathias Döpfner berichten wird.
In Russland wird der Film über das Leben von Elton John offenbar nur in einer zensierten Version zu sehen sein, wenn er diese Woche dort in die Kinos kommt. Das berichten Journalisten, die “Rocketman” vorab sehen konnte. Demnach seien unter anderem “alle Szenen mit Küssen, Sex und Oralsex zwischen Männern” von der Vertriebsfirma herausgeschnitten worden.
Bild.de berichtet auch über diesen Vorgang und hat den Artikel zum Thema bei Facebook geteilt. Im Kommentarbereich auf der “Bild”-Facebookseite gibt es seitdem größtenteils Jubel: “Richtig!”, “Gut so!”, “Gute Idee”, “Ich verstehe die Russen.”, “Sollte aber komplett verboten werden”. Von “Homowahn” ist da die Rede, von “schwuppen kamelle”, von “Homo scheisse”. “Schwule-nein danke!” kommentieren “Bild”-Leserinnen und -Leser und: “Das ist die Version die ich mir ansehen würde. Danke! Spart mir den Kotzkrampf!”
Manche gehen aber noch ein bisschen weiter. Ein Nutzer bringt den inzwischen abgeschafften Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches ins Spiel, der noch bis 1994 sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte und das Leben vieler, vieler Menschen zerstörte:
Ein anderer bezeichnet Homosexualität als “trend krankheit”:
Und einer will “DIESE KRANKHEIT” gleich ganz “VERNICHTEN”:
Diese Kommentare sind seit Tagen online, ohne dass die “Bild”-Redaktion eingreift.
Mit Dank an Fabian für den Hinweis!
Nachtrag, 4. Juni: Auf die Nachfrage eines BILDblog-Lesers hat die “Bild”-Redaktion nun reagiert und den größten Teil der homophoben Kommentare gelöscht. Sie schreibt dazu im Kommentarbereich der “Bild”-Facebookseite:
Nein, solche Kommentare sind nicht normal, zutiefst verachtenswert und werden von uns nicht geduldet. Hier haben wir auf jeden Fall zu spät reagiert, zumal bei einer überschaubaren Gesamtzahl an Kommentaren. Wir sind dabei, Kommentare zu löschen und auch Nutzer zu bannen. Liebe Grüße.
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg wird für ein Jahr nicht in die Schule gehen. Sie wolle sich in dieser Zeit voll auf ihren Kampf für das Klima konzentrieren und erst anschließend aufs Gymnasium wechseln. Die meisten Redaktionen bekommen es hin, das auch so zu berichten. “Zeit Online” schriebt zum Beispiel: “Greta Thunberg setzt die Schule für ein Jahr aus”. Oder Süddeutsche.de: “Greta Thunberg macht ein Jahr Schulpause”.
Greta Thunberg (16) wird das kommende Schuljahr ganz schwänzen — um sich dem Kampf gegen die Klima-Krise zu widmen!
… steht gleich am Anfang des Artikels. Und auch wenn man ihn bei Facebook oder Twitter verbreitet, erscheint direkt der Vorwurf, Thunberg schwänze das kommende Schuljahr:
Doch das ist kompletter Unsinn. Die Schule “schwänzen” kann man nur, wenn man eigentlich zur Schule gehen müsste. Aber das muss Thunberg bald nicht mehr: In Schweden endet nach den neun Jahren in der Grundschule, die sie gerade abschließt, die Schulpflicht.
Das weiß auch die Bild.de-Redaktion. In ihrem Artikel, der zu großen Teilen auf einer dpa-Meldung basiert (in der die Passage mit dem “schwänzen” allerdings nicht vorkommt), steht:
Um ihre Schulzeit mache sie sich keine Sorgen, sagte Thunberg. Sie werde einfach ein Jahr später aufs Gymnasium wechseln. Normalerweise stünde für die junge Schwedin im August der Wechsel auf eine weiterführende Schule an. In den ersten neun Jahren gilt Schulpflicht.
Obwohl es einigeHinweise an die Redaktion gibt, dass das mit dem “schwänzen” nicht stimmt, lässt sie den Absatz weiter im Text.
Die “Bild”-Medien können aber auch anders, wenn eine 16-Jährige ihrem großen Ziel folgt, statt dem Schulunterricht. Für Laura Dekker, die als Jugendliche allein die Welt umsegelte, gab es Anerkennung statt Schwänzvorwürfe:
Einen Schulabschluss hat Laura nie gemacht. Bis sie 16 Jahre alt wurde und der Schulpflicht unterlag, musste sie den Lehrplan der sogenannten Weltschule absolvieren. “Ich habe mich da durchgequält”, sagt sie, “diese ganze Theorie war fürchterlich.” Ab dem sechzehnten Geburtstag lebte Laura nach ihrem eigenen Lehrplan: Sie spielte Gitarre und Flöte, studierte Fliegende Fische, die immer wieder an Bord landeten, hörte Metallica, las Segelbücher, fotografierte, skypte, tauschte über SSB-Funk Erfahrungen aus: “Es war toll, mit den Seglern aus anderen Ländern in Kontakt zu stehen. Einsam habe ich mich nie gefühlt.”
WIE sie für ihre Themen kämpfen, WIE sie den Gegner attackieren und WIE sie in bestimmten Teilen Deutschlands von der GroKo-Müdigkeit profitieren — das haben beide Parteien gemeinsam. Vor allem die Betonung von GEFÜHLEN.
Damit ihre These irgendwie passt, greifen die “Bild”-Autoren Nikolaus Blome und Florian Kain zu fragwürdigen Mitteln. Zum Beispiel beim Punkt “WIE sie den Gegner attackieren”. Blome und Kain schreiben dazu:
AfD wie Grüne verteufeln sich gegenseitig, leben aber auch von der gemeinsamen Feindschaft. Die AfD verunglimpft die Grünen als verantwortlich für eine (vermeintlich) “rot-grün versiffte” Republik. (…) Viele Grüne meinen die AfD, wenn sie “Nazis raus” rufen, und mobilisieren mit dem “Kampf gegen Rechts”. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprach wegen der AfD-Wahlerfolge vom “Dammbruch für Demokratie und Rechtsstaat”.
Das Zitat der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock reißt das “Bild”-Duo für seine Beweisführung ordentlich aus dem Zusammenhang: Baerbock hat tatsächlich mal von einem “Dammbruch für Demokratie und Rechtsstaat” gesprochen. Sie meinte damit allerdings nicht, wie Blome und Kain behaupten, die Wahlerfolge der AfD, sondern eine mögliche Koalition der CDU mit der AfD. Komplett lautete ihre Aussage in einem Interview mit dem “Tagesspiegel”:
Was würde es für die Chancen von Schwarz-Grün im Bund bedeuten, wenn die CDU im Osten mit der AfD koalierte?
Die CDU hat einstimmig — mit den Stimmen der Delegierten aus den ostdeutschen Bundesländern — Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen. Da nehme ich die Partei beim Wort, namentlich die Parteichefin und die Kanzlerin. Alles andere wäre ein Dammbruch für die Demokratie und den Rechtsstaat — Österreich zeigt das. Das muss den Verantwortlichen in der Union klar sein.
Und was ist das angebliche grundlegend verbindende Element “MIT GEFÜHLEN ZUM ERFOLG” überhaupt für eine Kategorie? Welche Partei versucht nicht, Gefühle anzusprechen? Was anderes macht etwa die CDU, wenn sie zum Europawahlkampf plakatiert: “Wir wählen Sicherheit. Du auch?”?
Natürlich sprechen Parteien Gefühle an, auch die AfD, auch die Grünen. Die Frage ist dann, wie irrational dieses Vorgehen ist. Und ist der Kern der heutigen Klimaschutzbewegung nicht ausgesprochen wissenschaftsbetont? Es macht doch einen Unterschied, ob man vor einer drohenden Klimakatastrophe warnt, vor der auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit warnen, und damit Gefühle anspricht, oder ob man vor einer angeblichen Islamisierung Deutschlands warnt und damit Gefühle anspricht. Für die “Bild”-Autoren ist das aber alles gleichwertig:
Die Grünen und ihre Anhänger warnen vor dem Untergang der Welt und rechtfertigen damit maximalen (“Es gibt nichts Wichtigeres!”) Klimaschutz. Die AfD und ihre Anhänger warnen vor dem Untergang des “christlichen Abendlandes” und rechtfertigen damit maximalen Grenzschutz vor jedweder Zuwanderung.
Nun haben Blome und Kain ja auch einen Professor gefunden, der sie in diesem Punkt bestärkt:
Professor Eckhard Jesse (Uni Chemnitz) zu BILD: “Wer Klimawandel ignoriert und wer die Massenzuwanderung zum Maß aller Dinge macht, lässt sich ebenso von Gefühlen treiben wie derjenige, der Klimawandel zum Maß aller Dinge macht und Massenzuwanderung ignoriert.”
Eckhard Jesse setzt auch gern mal die rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz, bei denen es unter anderem Angriffe auf Journalisten von hitlergrüßenden Neonazis gab, mit linken Waldbesetzern im Hambacher Forst gleich, die Polizisten mit Exkrementen beschmeißen (was wahrlich eklig und bescheuert, aber eben nicht lebensbedrohlich ist). Und Jesse schrieb — zugegebenermaßen vor knapp 30 Jahren — unter anderem, dass Antisemitismus und Rechtsextremismus teilweise “mehr Phantom als Realität” seien und dass jüdische Organisationen “Antisemitismus in einer gewissen Größenordnung” bräuchten, “um für ihre Anliegen Gehör zu finden und ihre legitimen Interessen besser zur Geltung zu bringen.” Und: “Auf Dauer dürfte Judenfeindlichkeit nicht zuletzt gerade wegen mancher Verhaltensweisen von Repräsentanten des Judentums an Bedeutung gewinnen”. Wie passt so ein Experte zur “Bild”-Redaktion, die am Montag noch eine Kippa zum Ausschneiden auf ihre Titelseite druckte, um ein Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus in Deutschland zu setzen?
Aber das ist dann vielleicht auch alles egal, wenn man auf Biegen und Brechen einen Vergleich zwischen Grünen und AfD hinbekommen will.
Manche Hauptstadtjournalisten spekulieren derzeit, ob Angela Merkel noch bis zum Ende der laufenden Legislaturperiode Bundeskanzlerin bleiben wird oder ob sie schon vorher abtritt. Andere betreiben ihre Kaffeesatzleserei auf EU-Ebene: “Wechselt Merkel nach Brüssel?” Einen Knaller aber bekommen mal wieder nur die Politik-Experten aus der “Bild”-Redaktion mit: Merkel ist inzwischen nicht mehr nur Regierungschefin, sondern auch Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland.
Heute soll Angela Merkel die Ehrendoktorwürde der US-Universität Harvard verliehen bekommen und die Rede vor dem aktuellen Absolventenjahrgang halten. Die Harvard University veröffentlichte als Ankündigung ein bemerkenswertes Video.
In Deutschland ist sie seit Langem hochumstritten. Doch in den USA wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (64) geradezu verehrt. (…)
Einer schwelgte freilich nicht im Lob. Amerikas 45. Präsident Donald Trump. Angeblich hatten sowohl das Kanzleramt in Berlin als auch das Weiße Haus versucht, ein Treffen der beiden Staatsoberhäupter zu arrangieren. Doch dann passte es nicht in den Terminkalender …
Sollte sich in letzter Zeit nicht irgendetwas ganz Grundsätzliches am Aufbau der Bundesrepublik geändert haben, ist das Staatsoberhaupt Deutschlands noch immer der Bundespräsident, aktuell also Frank-Walter Steinmeier.
Mit Dank an Stefan T. und Tim für die Hinweise!
Nachtrag, 13:59 Uhr: Die Bild.de-Redaktion hat reagiert und die Stelle ausgebessert. Dort steht nun:
Einer schwelgte freilich nicht im Lob. Amerikas 45. Präsident Donald Trump. Angeblich hatten sowohl das Kanzleramt in Berlin als auch das Weiße Haus versucht, ein Treffen der beiden zu arrangieren. Doch dann passte es nicht in den Terminkalender …
Einen Hinweis auf diese Korrektur im Sinne der Transparenz gibt es nicht.
In Nordrhein-Westfalen sucht das Landeskriminalamt (LKA) nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:
Das LKA braucht die Unterstützung dringend, erklärt der Leiter der Zentralen Auswertungs- und Sammelstelle Kinderpornografie Sven Schneider bei Bild.de:
“Die Datenleitungen und Speichermedien werden immer größer, Cloud-Systeme können allerorts genutzt werden. Und somit existieren auch immer mehr Datenmengen im kinderpornografischen Bereich. Wir reden allein in diesem Phänomenbereich von Mengen im Petabyte-Bereich”, so Schneider weiter.
Nun wissen die meisten Menschen, die sich eher im Mega-, Giga- oder vielleicht noch Terabyte-Bereich bewegen, vermutlich nicht, wie viel genau ein Petabyte ist. Also, Bild.de?
Ein Petabyte sind unfassbare 125 000 Gigabyte
Ja, “unfassbar”, aber nee.
Ein Petabyte sind, je nachdem, ob man Dezimalpräfix oder Binärpräfix anwendet, 1.000.000 Gigabyte oder 1.048.576 Gibibyte (wobei es sich dann auch nicht um ein Petabyte handelt, sondern um ein Pebibyte).
Dass Bild.de bei etwas Unglaublichem mal untertreibt, kommt auch nicht häufig vor.
Mit Dank an L. für den Hinweis!
Nachtrag, 23:56 Uhr: Bei Bild.de steht jetzt an der entscheidenden Stelle:
Ein Petabyte sind unfassbare 1000 000 Gigabyte
Einen Hinweis darauf, dass da mal etwas anderes stand, gibt es nicht.
Auf der Wikipedia-Seite zu “Bild am Sonntag” gibt es in der Regel kaum Änderungen. Im Januar wurde mal ein bisschen was ergänzt, davor im September 2018, davor im April und im Februar desselben Jahres. Also: alles recht ruhig. Aber vorgestern — da ging’s los. Ein Wikipedia-Benutzer mit dem Namen “Verlagsleitung BILD Gruppe” fing an, den “BamS”-Eintrag zu überarbeiten, oder genauer: kritische Stellen abzuschwächen oder komplett zu löschen und positive PR-Passagen hinzuzufügen.
Die Bild am Sonntag (kurz: BamS) ist mit einer Auflage von 741.159 Exemplaren die reichweitenstärkste Sonntagszeitung Deutschlands. Sie ist die meist zitierte Sonntagszeitung und gehört mit Platz3 überhaupt zu den meist zitierten Medien Deutschlands.
Die Bild am Sonntag gehört zur BILD-Gruppe der Axel Springer SE. Die Axel Springer SE ist eines der größten multimedialen Verlagshäuser mit Hauptsitz in Berlin.
… und löschte diesen:
Die BamS ist familienfreundlicher konzipiert als die von Montag bis Samstag erscheinende “Bild”. Sie erscheint außerdem im kleineren Zeitungsformat “Nordisches Tabloid”.
Mit dem Kommentar “Abschnitt ergänzt, zuvor kein gesonderter Abschnitt zu Inhalt und Stil vorhanden” fügte “Verlagsleitung BILD Gruppe” dann dieses Marketinggeschwurbel ein:
Ziel der “Bild am Sonntag” ist es, bereits am Sonntag die Themen zu setzen, über die Deutschland in der Woche spricht. Unter dem Claim “Deutschland am Sonntag — Bild am Sonntag” möchte die Zeitung ein entspanntes Sonntagsgefühl bei ihren Lesern vermitteln. Dabei beinhaltet sie einen Mix aus aktuellen, politischen und unterhaltenden Themen. Diese spiegelt die Redaktion häufig aus persönlichen Perspektiven wider, um dem Leser eine hohe Identifikationsmöglichkeit zu bieten.
Und:
Darüber hinaus hat die Bild am Sonntag Deutschlands größten Sportteil, welcher sich als eigene Sportzeitung in der Mitte zum Herausnehmen befindet.
Außerdem kamen noch Angaben zum Verkaufspreis der “Bild am Sonntag” hinzu und Informationen, wo man die Zeitung so kaufen könne. Am Montagnachmittag gab es dann auch den ersten Versuch, die “BamS”-Auflagenentwicklung ein bisschen aufzuhübschen. “Verlagsleitung BILD Gruppe” löschte diese Grafik:
Der Bearbeitungskommentar dazu:
Die Basis, anhand welcher sich die Auflagenzahl bemisst, wurde in der Vergangenheit mehrfach geändert, daher macht ein Vergleich/ Diagramm wenig Sinn; zudem müssen diese Angaben kontinuierlich aktualisiert werden, weshalb ein Verweis auf IVW, wo aktuelle Auflagenzahlen, auch im Vergleich zu anderen Zeitungen abgerufen werden können, sinnvoller ist als Diagramme oder Ähnliches
Im selben Schritt machte der Benutzer aus …
Die Bild am Sonntag gehört ebenso wie die Bild-Zeitung zu den deutschen Zeitungen mit den größten Auflagenverlusten der vergangenen Jahre.
… das hier:
Die Auflagen-Entwicklung der Bild am Sonntag verhält sich analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien.
Und das ist nicht nur Augenwischerei, sondern schlicht falsch. Die Auflage der “Bild am Sonntag” verhält sich nicht “analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien.” Der Auflagenverlust des Blattes ist viel dramatischer als der aller anderen Wochen- und Sonntagszeitungen (und auch aller überregionalen Tageszeitungen).
Andere Wikipedia-Benutzer intervenierten immer wieder und machten viele Änderungen rückgängig, etwa das Löschen der Auflagen-Grafik. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Beiträge zu werblich seien:
Sie sind bereits einmal aufgefordert worden, Marketing- und Werbeeinträge zu vermeiden. Ich weise ausdrücklich noch einmal darauf hin, leider aus gegebenem Anlass. Wikipedia ist ausdrücklich keine Basis für verkaufsfördernde Maßnahmen, sondern ein Enzyklopädie-Projekt.
Das hielt “Verlagsleitung BILD Gruppe” aber nicht davon ab, die Änderungen erneut einzubringen — zum Beispiel jene mit dem herausnehmbaren Sportteil und dem “BamS”-Claim und der Bereits-am-Sonntag-die-Themen-setzen-PR.
Am Dienstagmorgen folgte der nächste Versuch, die wenig schmeichelhafte Auflagen-Grafik aus dem Wikipedia-Eintrag zu tilgen und den Quatsch mit “analog zum strukturellen Rückgang” unterzubringen. Der Bearbeitungskommentar dazu: “Aktualisierung von Angaben”. Eine Minute später wollte “Verlagsleitung BILD Gruppe” mit dem Hinweis “unpassende Angabe” das Kapitel “Kritik” komplett löschen und mit ihm den Verweis auf die von “Bild am Sonntag” ausgelöste “Medienkontroverse” um Peter Lustig.
Dann sollten noch “Auszeichnungen” hinzugefügt werden, woraufhin erstmal eine sechsstündige Sperre des Accounts folgte (Begründung: “kurze Pause zum Lesen der Hinweise auf der Diskussionsseite und den dort verlinkten Hilfeseiten”). Nach Freischaltung fügte “Verlagsleitung BILD Gruppe” gestern Nachmittag weitere Auszeichnungen sowie Links zur “BamS”-Facebookseite und zu einem Lesershop hinzu. Anschließend gab es eine Sperre für eine Woche, da der Benutzer sein Konto trotz Aufforderung nicht verifiziert hatte.
So peinlich das alles sein mag — die Aktion war durchaus erfolgreich: Die Auflagen-Grafik ist aus dem Wikipedia-Eintrag verschwunden und die falsche Aussage, die “BamS”-Auflagenentwicklung verhalte sich “analog zum strukturellen Rückgang von Print-Medien”, nun drin. Das Kapitel “Kritik” heißt inzwischen “Weblinks”. Und die Auszeichnungen werden (in einer deutlich abgespeckten Version) erwähnt.
Wir haben bei “Bild”-Sprecher Christian Senft nachgefragt, ob der Wikipedia-Benutzer “Verlagsleitung BILD Gruppe” zum Axel-Springer-Verlag gehört und ob es gängige Praxis dort ist, Wikipedia-Artikel mit PR-Botschaften aufzupeppen. Bisher haben wir keine Antwort von ihm erhalten.
Auf eine der Fragen scheint es aber inzwischen eine Antwort zu geben. Auf der Benutzerseite von “Verlagsleitung BILD Gruppe” steht inzwischen:
Dieses Benutzerkonto wurde gegenüber dem Support-Team mit einer E-Mail-Adresse von axelspringer.de verifiziert.
Damit ist der Account wieder freigeschaltet. Sie können jetzt also weitermachen.
Nachtrag, 14:03 Uhr: Nach Veröffentlichung dieses Beitrags wurden einige Änderungen auf der “BamS”-Wikipedia-Seite rückgängig gemacht. Zum Beispiel ist die Auflagen-Grafik nun wieder da. Momentan gibt es offenbar einen sogenannten Edit-War.
Nachtrag, 16:23 Uhr: “Bild”-Sprecher Christian Senft hat es bisher leider immer noch nicht geschafft, uns auf unsere zwei Fragen zu antworten. Dafür hat aber die Springer-Pressestelle dem Branchendienst “turi2” zu der Sache geschrieben:
Wir wissen, dass Wikipedia für viele eine bedeutende Quelle der Recherche ist. Daher ist es wichtig, dass die Fakten korrekt und aktuell sind. Dies war bei vielen Einträgen für “Bild am Sonntag” nicht mehr der Fall, weshalb wir diese für alle transparent und begründet geändert haben. Alle Anpassungen erfolgten mit klarer Absenderschaft, niemand hat versucht, wie von BildBlog behauptet, etwas “werblich unterzuschummeln”. Es gehört zu Wikipedia, dass diese Einträge oder bestimmte Formulierungen durch andere Nutzer anders bewertet und eingeordnet werden können.
Interessant finden wir das wörtliche Zitat “werblich unterzuschummeln”, dass uns die Springer-Pressestelle zuschreibt. Wir haben zwar von aufhübschen und aufpeppen gesprochen. Die Worte “werblich unterzuschummeln” haben wir hingegen an keiner Stelle benutzt.
Nachtrag, 17. Juni: Auf Nachfrage des Medienmagazins “Zapp” (ab Minute 2:05) ist der Springer-Pressestelle noch eine lustige Begründung eingefallen, warum das Kapitel “Kritik” von “Verlagsleitung BILD Gruppe” gelöscht wurde:
Das Kapitel wurde nur vorübergehend gelöscht, um es als Ganzes aktualisiert zu ergänzen.
Das Hochladen des aktualisierten Artikels habe dann blöderweise wegen der zwischenzeitlichen Sperre nicht mehr funktioniert.
Die Mannschaften der Fußball-Bundesliga, die gegen den Abstieg spielen, haben 34 Spieltage Zeit, diesen zu verhindern. Und wenn ein Team nach den 34 Spielen auf dem 16. Platz steht, hat es in der Relegation die zusätzliche Chance, in zwei Partien gegen den Drittplatzierten aus der 2. Bundesliga den Abstieg zu vermeiden. Ein Abstieg aus der Fußball-Bundesliga kann also nur passieren, wenn viele Leute über einen langen Zeitraum viele Fehler machen.
Die “Bild”-Medien sehen das heute etwas simpler:
Ein Spieler des VfB Stuttgart stand gestern im entscheidenden Relegationsspiel gegen Union Berlin vor dem Tor und damit im Blickfeld des gegnerischen Torwarts, als ein anderer Stuttgarter einen Freistoß verwandelte. Hätte dieser Treffer gezählt, und wäre es beim 1:0 geblieben, wäre der VfB Stuttgart nicht abgestiegen. Nach der Überprüfung durch den sogenannten Video Assistant Referee entschied der Schiedsrichter allerdings auf Abseits — kein Tor, weiter 0:0. Anschließend hatten alle Stuttgarter Spieler noch über 80 Minuten Zeit, um ein Tor zu schießen, das den Abstieg vermieden hätte. Haben sie aber nicht.
Und so konnten “Bild” und Bild.de einen Schuldigen präsentieren — zehn Jahre nach dem Suizid des früheren Nationaltorwarts Robert Enke und nach einigen wenigen Äußerungen von Profi-Fußballern, die sich trauen, öffentlich über den großen Druck in diesem Job zu sprechen. Per Mertesacker zum Beispiel, der mit Enke zusammen im Verein und in der Nationalmannschaft gespielt hat, sagte vor gut einem Jahr: “Der Druck hat mich aufgefressen. Dieses ständige Horrorszenario, einen Fehler zu machen, aus dem dann ein Tor entsteht.”
Oder eben einen, der dazu führt, dass ein sauwichtiges Tor nicht zählt.