Bei Bild.de haben sie die Meldungen vom vergangenen Wochenende über tödliche Unfälle in ganz Deutschland zusammengetragen und festgelegt: Das war ein “TODESWOCHENENDE”.
So tragisch die 16 Todesfälle sind — die bittere Realität ist leider, dass 16 tödlich verunglückte Menschen an zwei Tagen “AUF DEUTSCHLANDS STRASSEN” kein außergewöhnliches “TODESWOCHENENDE” sind, sondern in etwa trauriger Durchschnitt: 2018 starben 3275 Personen im Straßenverkehr. Im Jahr davor waren es 3180, 2016 kamen 3206 Menschen ums Leben und 2015 sogar 3459. Im Schnitt gab es in den vergangen Jahren also jeden Tag zwischen 8,71 und 9,48 Todesopfer im Straßenverkehr.
Vor knapp zwei Monaten, am 2. Juli, schrieb die “Bild”-Zeitung auf ihrer Titelseite vom Untergang des Badelandes:
Neben dem alarmistischen Ton fiel vor allem auf, dass die Redaktion kaum Fakten präsentierte, mit der sie die These von zunehmenden “+++ Schlägereien +++ Pöbeleien +++ Messern” in Deutschlands Freibädern stützten konnte. Auf der kompletten Seite, die “Bild” zu dem Thema veröffentlichte …
… gab es vor allem viel Gefühl und vage Angaben (“Doch in diesem Jahr scheint die Stimmung in vielen Freibädern Deutschlands auffällig aggressiv zu sein.” – “‘Gefühlt gibt es immer mehr Polizeieinsätze in den Bädern.'” – “Zahlreiche Badegäste berichten von unangenehmen Erlebnissen”). Das reichte “Bild” bereits, um “Das ist nicht mehr unser Freibad!” von Seite 1 zu schreien. Aber Fakten, die den “gefühlten” Schein belegen?
Wir mussten schon eine Weile suchen, bis wir die einzige Stelle fanden, die etwas darüber hätte sagen können, ob’s denn nun wirklich schlimmer geworden ist in deutschen Freibädern — oder zumindest in einem deutschen Freibad: Sie versteckte sich im Report “Bäuche, Burkinis und nackte Brüste” aus dem “berüchtigten Prinzenbad” in Berlin-Kreuzberg. “Bild”-Reporter Til Biermann hatte das Bad für einen Tag besucht und die Vorkommnisse protokolliert. Und die waren spektakulär unspektakulär (BILDblog berichtete): Der dramatische Höhepunkt im Prinzenbad-Report war das Festhalten eines Mannes, der sich vermutlich ins Bad geschlichen hatte, ohne zu bezahlen.
Aber, immerhin, Biermann nannte eben auch eine Zahl:
Das Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg ist wohl das berühmteste Freibad Deutschlands. Auf jeden Fall ist es das berüchtigtste. Immer wieder wird es Schauplatz von Krawallen.
Allein im vergangenen Jahr wurden 122 Straftaten registriert — mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr.
Und diese einzige Zahl, die “Bild” auf einer ganzen Seite liefert und mit der man etwas anfangen könnte, diese Zahl — nun ja:
Diese Gegendarstellung musste “Bild” gestern unten auf Seite 3 veröffentlichen. Autor Til Biermann hatte nicht nur über irgendwelche nicht existenten “Krawalle” geschrieben, sondern bei seiner Recherche offenbar auch etwas missverstanden: Wenn bei einer Straftat als Ort das Prinzenbad vermerkt ist, hat die Tat nicht automatisch im Prinzenbad stattgefunden. Wird beispielsweise jemandem auf dem Gehweg vor dem Prinzenbad das Handy geklaut, kann dieser Diebstahl mit “Prinzenbad” verschlagwortet werden, auch wenn es November ist, und im Prinzenbad die Becken leer sind.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es in Hessen 115 Fälle von Straf- und Gewalttaten im sogenannten Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – rechts; im Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – links waren es von Januar bis März 52 Fälle. Das geht aus zwei Antworten des hessischen Innenministeriums (PDF und PDF) auf Kleine Anfragen der SPD-Fraktion hervor.
Vergleicht man die Zahlen zu linken und rechten Straftaten, gab es also mehr als doppelt so viele “Straf- und Gewalttaten mit rassistischem, antisemitischem, rechtsextremistischem und/oder ausländerfeindlichen Hintergrund”. Und was landet in der Frankfurter “Bild”-Ausgabe in der Überschrift?
Die rechten Straftaten erwähnt die Redaktion nicht mit einem Wort. Die komplette Meldung im Blatt lautet:
2018 gab’s in Hessen 227 Fälle linker Kriminalität, darunter 20 Gewaltdelikte. 2017 waren es noch 183 Fälle (20 Gewalttaten). In den ersten drei Monaten zählt das Innenministerium bereits 52 Fälle, darunter fünf Gewaltdelikte.
In 34 Fällen war Frankfurt der Tatort. Dahinter: Fulda (7) Wiesbaden (2).
30 Tatverdächtige wurden ermittelt, davon waren zehn weiblich. Bei den Gewalttaten handelt es sich überwiegend um Angriffe auf Polizeibeamte bei Demonstrationen.
Der Vollständigkeit halber: 2018 gab’s in Hessen 603 Fälle rechter Kriminalität, darunter 27 Gewaltdelikte. 2017 waren es 602 Fälle (18 Gewalttaten).
Nachtrag, 27. August: Vor rund zwei Wochen hatte die Frankfurter “Bild”-Redaktion doch auch über die rechten Straftaten berichtet — ohne dabei die linken Straftaten zu erwähnen. Das haben wir bei unserer Recherche übersehen, wofür wir um Entschuldigung bitten möchten.
Auch bei Bild.de sind diese Zahlen erschienen. Über dem Artikel steht:
115 POLITISCH MOTIVIERTE TATEN IN DREI MONATEN — Die Liste der Schande
… was nicht so wirklich stimmt, schließlich waren es in den drei Monaten Januar, Februar und März 115 rechte und 52 linke, insgesamt also 167 politisch motivierte Straftaten in Hessen.
Am morgigen Samstag findet in Dresden die “Unteilbar”-Demo für eine offene und freie Gesellschaft statt. Laut Bild.de könnte es dort nicht nur die Demonstration und ein Konzert geben — die Polizei, so behauptet es die Redaktion, fürchte “Autonomen-Krawalle”:
Diese Überschrift ist nicht nur grammatikalisch bemerkenswert. Die Polizei sagt uns auf Nachfrage, sie sei auch inhaltlich falsch.
Im Artikel schreibt Bild.de:
Doch wie BILD aus Sicherheitskreisen erfuhr, rechnet man bei der Polizei neben tausenden friedlichen Demonstranten auch mit rund 500 gewaltbereiten Autonomen aus Hamburg und Berlin, die bereits mobilisieren. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Nacht zum Sonntag.
Und:
Das Bündnis selbst hat 25 000 Teilnehmer angemeldet, will eine Woche vor der Wahl für mehr Toleranz, gegen Rechtspopulismus aber auch gegen das neue Polizeigesetz mobil machen.
Doch reisen alle Teilnehmer nach dem Konzert gegen 22 Uhr auch wieder ab? Es gibt Befürchtungen, es könnte Angriffe u.a. auf die Einsatzkräfte geben.
Die Redaktion zitiert sogar “Polizeisprecher Marko Lasko”, der allerdings gar nicht “Marko Lasko” heißt, sondern Marko Laske:
“Wir schauen uns die Mobilisierung genau an und sind entsprechend vorbereitet.”
Fragt man bei Marko Laske von der Polizeidirektion Dresden nach, sagt einem dieser, dass er zwar mit der “Bild”-Redaktion gesprochen habe, die Darstellung bei Bild.de aber nicht stimme. Er könne sich auch nicht erklären, warum Bild.de so etwas schreibt.
Uns sagt Laske, dass die Dresdener Polizei, die den Einsatz morgen auch führen werde, von einem “friedlichen Versammlungsgeschehen ausgeht”. Es gebe “keine Hinweise auf Störungsaktionen”. Das habe er “Bild” auch so gesagt. Natürlich seien er und seine Kolleginnen und Kollegen auf den Einsatz vorbereitet. Er meint damit aber vor allem die Absicherung der Versammlung.
Die “Bild”-Redaktion will und muss ihren “Bild plus”-Abonnenten natürlich etwas bieten. Und man findet ihn bei Bild.de ja tatsächlich, den ganz besonderen Service für zahlende Kunden. Wenn man beispielsweise ein gewaltbereiter Noch-Ehemann ist, der plant, seine Noch-Ehefrau umzubringen, sie dafür aber noch aufspüren muss, dann hat Bild.de derzeit was für einen:
(Unkenntlichmachung durch uns.)
Und wer jetzt denkt: Ja, gut, dieses “So” ist doch bestimmt so zu sehen, wie ein “So” bei klickgetriebenen Portalen meistens zu sehen ist — als Versprechen, das nach dem Klick nicht eingelöst wird —, dem sei gesagt: Nein, die Bild.de-Redaktion erklärt im Artikel tatsächlich recht detailliert, wie der Mann herausfinden konnte, wo sich seine Frau vor ihm versteckte. Im Teaser, der hinter die Bezahlschranke locken soll, schreibt sie:
Nach einem Fall von häuslicher Gewalt hatte sich die junge Mutter († 32), die mit einem neuen Partner ein Baby (zwei Monate) hatte, vor ihrem Ehemann im Frauenhaus Iserlohn versteckt. Einige Monate lebte sie dort in Frieden, doch dann fand der Kosovo-Albaner seine Ex-Frau, erstach sie und den neuen Lebenspartner bestialisch. Wie der Täter herausfand, wo die Frau untergetaucht war und wo er sie tödlich attackierte, lesen Sie mit BILDplus.
Manchmal kommt es vor, dass 90 Tage alte Football-Ergebnisse in der gedruckten “Bild” landen, und das ist dann ganz amüsant, aber auch nicht weiter schlimm. Das hier ist hingegen schlimm:
Der Artikel zum angeblichen “IRREN EINBÜGERUNGSPLAN” der Bundesregierung von “Bild”-Parlamentskorrespondent Franz Solms-Laubach soll gestern erschienen sein, so steht es bei Bild.de. Genau derselbe Text, Wort für Wort, ist bereits am 6. Mai dieses Jahres in der gedruckten “Bild” und bei Bild.de erschienen. Er war damals schon zumindest irreführend, wie Patrick Gensing beim ARD-“Faktenfinder” erklärt. Heute ist er schlicht falsch.
Solms-Laubach schreibt, dass Justizministerin Katarina Barley (die inzwischen gar nicht mehr Justizministerin ist — der Artikel ist eben völlig veraltet) sich gegen Horst Seehofer und dessen Innenministerium durchgesetzt habe:
Ein Leben mit zwei oder drei Ehefrauen? Für die Bundesregierung soll das kein Hindernis sein, Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen. Und das, obwohl die Vielehe in Deutschland eigentlich strafbar ist!
Unfassbar: Das Bundesinnenministerium (BMI) konnte sich mit dem Plan, Ausländern in Mehrehe die Einbürgerung in Deutschland zu versagen, NICHT gegen das Bundesjustizministerium (BMJV) durchsetzen!
Tatsächlich sollte eine Mehrehe laut Bundesregierung durchaus ein “Hindernis sein, Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen.” Man habe in dem Gesetzentwurf, um den es geht, allerdings andere Aspekte, die im Koalitionsvertrag vereinbart waren, vorgezogen und den zur Mehrehe zurückgestellt, erklärte das Bundesjustizministerium damals. Er sollte später aber angegangen werden.
Der Bundestag verabschiedete im Juni eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Darin ist auch geregelt, dass jemand, der in einer Mehrehe lebt, nicht eingebürgert werden kann. Diese Änderung ist inzwischen in Kraft. Und der Aufregertext von Franz Solms-Laubach damit völlig überholt — was nicht weiter tragisch wäre, wenn er noch auf den 6. Mai datiert wäre. Nun wirkt es allerdings so, als sei all das, was der “Bild”-Parlamentskorrespondent vor sich hinschnaubt, der Stand von gestern.
Dazu trägt auch Ralf Schuler bei, der bei “Bild” das Parlamentsbüro leitet. Er verbreitete gestern bei Twitter den aufgewärmten abgelaufenen Bild.de-Artikel, als wüsste er nicht, dass dieser längst nicht mehr aktuell ist:
Unter Schulers Tweet entlud sich die Wut der Wütenden:
Unglaublich!
Genau das ist mit “Unterwerfung” gemeint.
Gesetzte aus dem Irrenhaus.
Die falsche, weil überholte “Bild”-Berichterstattung ist auch für rechte Scharfmacher und Hetzer ein gefundenes Fressen:
In den Kommentaren wütet der Mob. Und niemanden interessiert es, dass die Überschrift “Deutscher Pass trotz Scharia-Ehe” exakt das Gegenteil von dem darstellt, was in Deutschland heute Gesetz ist. Aber warum sollte es das auch? Die “Bild”-Redaktion interessiert es ja auch nicht.
Allerdings ist bereits das, was die Redaktion in der Überschrift schreibt, falsch. Und es wird auch nicht richtiger, wenn Autor Christian Henning diese Art Zusammenfassung ähnlich im Artikel wiederholt:
Als die Tarnung als Tauch-Resort so perfekt ist, dass tatsächlich (deutsche) Touristen dort ankommen, müssen die Geheimagenten Tauch- und Fitness-Kurse anbieten. Hauptsache, niemand merkt, dass die meisten Gäste auf den Zimmern Flüchtlinge sind, die um ihr Leben bangen.
In der Tat geht es in “The Red Sea Diving Resort” um einen Geheimdienst (den Mossad), der Geflüchtete (Äthiopierinnen und Äthiopier jüdischen Glaubens) rettet. Das Team des Mossad pachtet zum Schein ein verlassenes, am Roten Meer gelegenes Resort im Sudan. Es kommen dann etwas überraschend auch richtige Touristen, für die der Mossad ein Urlaubsprogramm organisieren muss. Die Geflüchteten aus Äthiopien werden in den 130 Minuten, die der Film dauert, allerdings kein einziges Mal als Urlauber getarnt und sie sind auch nicht Gäste des Resorts, wie Bild.de schreibt. Sie verstecken sich nach ihrer Flucht vor dem äthiopischen Bürgerkrieg in einem sudanesischen Flüchtlingslager, das ganz woanders im Land liegt. Das vom Mossad gepachtete Resort dient lediglich als der Ort, zu dem sie bei Dunkelheit in Lastwagen gefahren werden, um dort in Boote zu steigen, die sie nach Israel bringen. Die Geschichte basiert auf der “Operation Brüder”.
“Bild”-Autor Christian Henning hat den Film offenbar überhaupt nicht gesehen. Oder er hat ihn gesehen, allerdings kaum verstanden.
Dafür hat er es aber hinbekommen, bei Bild.de selbst in einer Filmrezension Stimmungsmache gegen Muslime unterzubringen. Zum “Haken” an dem Vorhaben des Mossad schreibt er:
Der Sudan ist ein überwiegend muslimisches Land. Muslime hassen Juden.
Ohne Einschränkung, ohne Differenzierung. Kein “manche”. Kein “einige”. Nicht mal ein “viele”. Laut Bild.de sind pauschal alle Muslime Judenhasser.
Nachtrag, 12:27 Uhr: Bild.de hat die zwei oben zitierten Sätze zum Sudan als “überwiegend muslimisches Land” sowie zu den Muslimen, die pauschal Juden hassen würden, ohne irgendeinen Korrekturhinweis aus dem Artikel gestrichen.
Nachtrag, 12:59 Uhr: Nun hat die Redaktion auch eine Anmerkung hinzugefügt:
Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt die Formulierung: “Muslime hassen Juden.” Der Satz wurde ersatzlos entfernt.
Nachtrag 19:48 Uhr: Bei Bild.de haben sie den Text inzwischen ein weiteres Mal überarbeitet. Nun sind auch die Sätze “Im Sudan ist ein Menschenleben eher wenig wert. Ein jüdisches umso weniger.” rausgeflogen.
Außerdem hat die Redaktion ihre “Anmerkung” am Ende des Artikels noch einmal überarbeitet:
Anmerkung der Redaktion: Eine frühere Version dieses Artikels enthielt die Formulierung: “Der Sudan ist ein überwiegend muslimisches Land. Muslime hassen Juden. Ein Menschenleben ist dort nichts wert. Ein jüdisches umso weniger.” Für diese falsche Pauschalisierung bitten wir um Entschuldigung. Der Absatz wurde ersatzlos entfernt.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte in ihrer Regierungserklärung gesagt, Soldatinnen und Soldaten in Uniform sollten in Deutschland künftig kostenlos mit der Bahn fahren können. Doch dieser Plan drohe nun zu kippen:
Wie der “Spiegel” berichtet, scheitert der Plan bisher an der Bahn: Die verlange 38 Millionen Euro/Jahr für die Einführung (bei geschätzt 40 000 bis 80 000 Freifahrten pro Jahr), wolle Soldaten aber nur auf ICE-Hauptstrecken fahren lassen und verlange ein eigenes Bundeswehr-Buchungssystem.
… schrieb Hans-Jörg Vehlewald gestern auf Seite 1 der “Bild”-Zeitung. Und nein, der Preis für eine Bahnfahrt ist nicht über Nacht auf irgendwas zwischen 475 und 950 Euro gestiegen. Vehlewald bekommt es einfach nicht hin, die richtigen Zahlen zu nennen: Bei rund 180.000 Soldatinnen und Soldaten, die die Bundeswehr zählt, hätten “40 000 bis 80 000 Freifahrten pro Jahr” selbst dem “Bild”-Chefreporter merkwürdig niedrig vorkommen müssen. Tatsächlich soll es um “geschätzte 400.000 bis 800.000 Freifahrten von Soldaten pro Jahr” gehen, für die die Bahn “38 Millionen Euro” veranschlagt, wie der “Spiegel” berichtet.
Zusätzlich zu seinem fehlerhaften Artikel schrieb Chefreporter Vehlewald in “Bild” gestern auch einen Kommentar zu dem Thema (“Kommt zu Potte!”), den er mit einer Drohung einer bemerkenswerten Botschaft enden ließ:
Und sollte sich irgendwer bei der Bahn oder ein Landesminister in den Weg stellen: BILD berichtet gern über jeden Quertreiber einzeln.
Wer an dem Vorhaben von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zweifelt und etwa den legitimen Punkt aufbringt, dass sowieso schon volle Züge auf stark genutzte Strecken durch die möglichen Freifahrten der Soldatinnen und Soldaten übervoll werden könnten, muss also fürchten, von Deutschlands größter Zeitung an den Pranger gestellt zu werden. Bei “Bild” kündigen sie ihre diskursvergiftenden Kampagnen jetzt schon breitbeinig an.
Vielleicht muss sich Hans-Jörg Vehlewald aber auch erstmal gar nicht “irgendwen bei der Bahn oder einen Landesminister” vorknöpfen, sondern seinen “Bild”-Kollegen Kai Weise. Der berichtete im vergangenen Dezember über die Probleme der Deutschen Bahn: “Bei der Bahn haben wir ganz viel Dampf im Kessel!” Eine Dampfquelle laut Weise: Die Züge seien zu voll.
Momentan wird ja eine Menge darüber diskutiert, inwiefern es nötig oder vertretbar oder falsch ist, bei Verbrechen auch direkt über die Herkunft eines Täters oder Tatverdächtigen zu berichten. Julian Reichelt hatte dazu vor vier Tagen auch eine Art Gedanken:
Es ging um einen Vorfall im Düsseldorfer Rheinbad, bei dem Jugendliche unter anderem Rutsche und Sprungturm besetzten, woraufhin die Polizei anrücken und das Bad zum wiederholten Male räumen musste. Zum Tweet des “Bild”-Chefs gehören zwei Screenshots — einer von “RP Online”, einer von WDR.de. Worauf Reichelt sich bezieht: Bei “RP Online” steht, die Jugendlichen würden aus Nordafrika stammen (“Eine Gruppe von ungefähr 60 Jugendlichen, die laut Kettler aus Nordafrika stammen sollen”); WDR.de schreibt, die Herkunft der Jugendlichen sei derzeit unklar (“Zur Herkunft der Jugendlichen kann die Polizei im Moment nichts sagen”). Da verschweige und verfälsche die Redaktion des öffentlich-rechtlichen WDR doch was, so Reichelt.
Mal abgesehen von der generell verqueren Logik in seinem Tweet verzerrt der “Bild”-Chef hier die Informationslage: Er vergleicht eine Mutmaßung auf Grundlage von Aussehen durch den Geschäftsführer der Bädergesellschaft Roland Kettler (bei “RP Online”) mit einer offiziellen Aussage der Polizei (bei WDR.de). Außerdem steht auch im Text von “RP Online”:
Die Polizei wollte sich zur Nationalität der Jugendlichen nicht äußern.
Was Julian Reichelt “Verschweigen und Verfälschen” nennt, ist also nichts weiter, als das Wiedergeben der bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gesicherten, offiziellen Informationen.
Dazu kommt: Reichelt befeuert die Debatte über die Herkunft von Tätern mit Blödsinn, wenn er schreibt, dass die Herkunft der Jugendlichen “so unklar gar nicht zu sein scheint”, und damit meint, dass sie aus Nordafrika kommen dürften. Es ist offenbar nicht so eindeutig, wie er es klingen lässt: Die “taz” berichtet, dass “alle, deren Personalien aufgenommen wurden”, deutsche Staatsangehörige seien. Eine “nordafrikanische Herkunft liege nicht vor.” “RP Online” ergänzt, dass zumindest einer von ihnen “auch die nigerianische Staatsangehörigkeit” besitze.
Glaubt “Bild”-Chef Julian Reichelt denn ernsthaft, dass uns solch unwissendes und vorschnelles Herumgetwittere vor der AfD bewahrt?
Der Vater einer Braut hat zur Hochzeitsfeier seiner Tochter die Bundeskanzlerin eingeladen, und nun konnte Angela Merkel leider nicht persönlich vorbeikommen, sie ließ aber immerhin eine Grußkarte an das Hochzeitspaar schicken und wünschte Braut und Bräutigam alles Gute. Da der Bräutigam 2012, also während der Wirtschaftskrise in Irland, zu einer Gruppe irischer Fußballfans zählte, die bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine mit einem Banner mit der Aufschrift “Angela Merkel thinks we’re at work” rumlief, ist das alles auch eine Geschichte für die “Bild”-Medien.
In “Bild am Sonntag” und bei Bild.de leiten sie den Artikel so ein:
Wirtschaftskrise, Immobilienblase, Arbeitslosigkeit und Schuldenlast. Im Sommer 2012 war Irland am Boden, das Land musste EU-Hilfen beantragen, die Einwohner wurden als Pleite-Iren verspottet.
Wer ist denn bitte so bescheuert und “verspottet” die Einwohner eines ganzen Landes, das bereits “am Boden” liegt, pauschal als “Pleite-Iren”?