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“Bild” kommen Hunderttausende schwarz arbeitende Bürgergeld-Empfänger abhanden

Was war das für eine Aufregung im September vergangenen Jahres bei “Bild”:

Screenshot Bild.de - Die bittere Wahrheit - So viele Bürgergeld-Empfänger arbeiten schwarz

Schlimmer noch! Viele Bürgergeld-Empfänger stocken sich durch Schwarzarbeit ihr monatliches Einkommen noch auf, kassieren so mehr als viele ehrliche Arbeitnehmer.

Arbeits-Experte Professor Friedrich Schneider (64, Uni Linz) zu BILD: “Ich schätze, dass rund ein Drittel der erwerbsfähigen Bürgergeld-Bezieher schwarz dazu verdienen.”

► Das bedeutet bei aktuell 3,9 Millionen erwerbsfähigen Stütze-Beziehern: rund 1,3 Millionen!

“Rund ein Drittel”, 33 Prozent, etwa 1,3 Millionen Menschen, die Bürgergeld bekommen und schwarz dazu verdienen. Das passte wunderbar in die Kampagne, die die “Bild”-Redaktion damals gegen das Bürgergeld und gegen die Personen, dies es beziehen, fuhr.

Umso überraschender diese “Bild”-Titelgeschichte vor eineinhalb Wochen:

Ausriss Bild-Titelseite - Bürgergeld - Jeder zehnte Empfänger arbeitet schwarz

Auf einmal nicht mehr jeder Dritte, sondern nur noch jeder Zehnte:

Jeder 10. Stütze-Bezieher arbeitet schwarz, obwohl er angeblich keinen Job findet oder nur wenige Stunden pro Woche arbeiten kann.

Quelle damals wie heute: Professor Friedrich Schneider von der Uni Linz. Wir hatten im vergangenen Jahr bei Schneider nachgefragt, wie er auf seine “rund-ein-Drittel”-Schätzung kommt, welche Statistik ihr beispielsweise zugrunde liegt, ob es eine Quelle gibt. Die Antwort des Professors: Dies seien …

alles (Grob-)Schätzungen aus meiner laufenden Forschung, die noch nicht abgeschlossen ist. Quelle wäre also ich; ich hoffe, ich kann in einigen Wochen mehr dazu sagen.

Das konnte er nun offenbar – mit einem deutlich niedrigeren Anteil an schwarz arbeitenden Bürgergeld-Empfängern (wobei es sich auch bei den aktuellen Zahlen laut “Bild” lediglich um eine Schätzung Schneiders handelt). Und so hätte die “Bild”-Schlagzeile auf der Titelseite natürlich auch lauten können:

BÜRGERGELD
Anders als von uns berichtet:
Viel weniger Empfänger arbeiten SCHWARZ

Sowieso hat “Bild” bei der Wahl der Titelzeile einen auffällig speziellen Schwerpunkt gesetzt. Der dazugehörige Artikel im Blatt handelt von der “Schwarzarbeits-Nation Deutschland!” Darin zitiert Autor Sebastian Geisler Professor Schneider:

“Schwarzarbeiter gibt es 12 bis 15 Millionen in Deutschland. Schwarzarbeitende Bürgergeld-Bezieher nur etwa 400 000 bis 500 000”, schätzt der Ökonom.

Die “Bild”-Redaktion hat sich für ihre Schlagzeile auf der Titelseite also die 3,3 Prozent an Schwarzarbeitern herausgepickt, gegen die sich am einfachsten Stimmung machen lässt. Und bei “12 bis 15 Millionen” von Professor Schneider geschätzten Schwarzarbeitern und 47,1 Millionen Erwerbspersonen in Deutschland lässt sie dafür sogar die Schlagzeile “Mehr als jeder Vierte arbeitet schwarz” liegen. Klar, wer will schon gegen einen großen Teil der eigenen Leserschaft schießen?

Nachtrag, 20. August: Mehrere unserer Leser weisen darauf hin, dass das von “Bild” im vergangenen Jahr angegebene Alter Schneiders (64 Jahre) nicht stimme. Das ist richtig. Im vor eineinhalb Wochen erschienenen Artikel schreibt Bild.de hingegen korrekt: “Prof. Friedrich Schneider (75, Uni Linz)”.

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Hier im BILDblog war es – abgesehen von den “6 vor 9” – lange Zeit sehr ruhig, was unter anderem leider auch immer noch hiermit zu tun hat. Doch das soll sich nun ändern: Es soll wieder mehr und regelmäßig gebloggt werden.

Wie gut war “Bild” bei Olympia?

Am Sonntag sind die Olympischen Spiele in Paris zu Ende gegangen – höchste Zeit für eine große Abrechnung zur deutschen Medaillen-Ausbeute:

Screenshot Bild.de - Plötzliche Wende im Medaillenspiegel - China doch nicht Nummer eins - Deutschland schlecht wie lange nicht

Je nach Auslegung des Medaillenspiegels – etwa beim zusätzlichen Betrachten der Einwohneranzahl des jeweiligen Landes pro gewonnener Medaille – war Deutschland laut “Bild”-Redaktion “sogar noch schlechter”:

Screenshot Bild.de - Der wahre Medaillen-Spiegel - Hier sind wir sogar noch schlechter

Aber wie gut war eigentlich die “Bild”-Sportredaktion bei Olympia? Die hat sich zu Beginn der Olympischen Spiele schließlich klar festgelegt:

Ausriss Bild-Titelseite - Bild legt sich fest - Wir holen 18 Gold-Medaillen!

Natürlich ist es ein bisschen unfair, an jemandem, der sich so weit aus dem Fenster lehnt, kritisch herumzuzerren. Allerdings profitiert “Bild” seit jeher vom Ruf “Aber der Sportteil!” Schauen wir uns die “Bild”-Olympia-Expertise also mal genauer an.

Mit “18 Gold-Medaillen” lag “Bild” ordentlich daneben (genau genommen hat die Redaktion im Artikel sogar 19 Goldmedaillen vorausgesagt, in die Überschrift haben es aber nur 18 geschafft). Tatsächlich gab es in Paris zwölfmal Gold für die deutschen Athletinnen und Athleten – ein Drittel weniger als von der Sportredaktion prognostiziert.

Mit den Goldmedaillen für den Kajak-Vierer und den Kajak-Zweier der Männer, für Ruderer Oliver Zeidler, für Schwimmer Lukas Märtens, für die Rhythmische Sportgymnastin Darja Varfolomeev, für das Dressur-Team und für Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl lag die Redaktion richtig. Immerhin sieben Treffer. Das war es aber auch. Gold für das 3×3-Basketballteam der Frauen, für Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye, für Springreiter Christian Kukuk, für Vielseitigkeitsreiter Michael Jung und für die Triathlon-Mixed-Staffel hatte “Bild” nicht auf dem Tippschein.

Dafür aber Tennisspieler Alexander Zverev sowohl im Einzel als auch im Mixed-Doppel mit Laura Siegemund, Weitspringerin Malaika Mihambo, Zehnkämpfer Leo Neugebauer, Kanutin Ricarda Funk, Freiwasserschwimmer Florian Wellbrock, Schützin Doreen Vennekamp, deren Kollegen Christian Reitz, Turner Lukas Dauser, Judoka Anna-Maria Wagner, die Bahnrad-Teamsprint-Frauen und die Hockey-Männer. Bei allen lag die Sportredaktion mit ihrer Voraussage daneben.

Zusätzlich zu den 18 (oder eben 19) Favoritinnen und Favoriten hatte “Bild” auch noch Freiwasserschwimmerin Leonie Beck, das Frauenteam beim Bogenschießen und Windsurfer Sebastian Kördel als Gold-Kandidaten genannt (“Falls ein Gold-Garant leer ausgeht, hat das deutsche Team noch mehr Kandidaten auf den Olympiasieg”). Auch hier lag die Redaktion daneben. Oder verpackt in einer “Bild”-Schlagzeile:

Der wahre Medaillen-Tipp – Hier ist “Bild” sogar noch schlechter!

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Es gilt die Unschuldsvermutung, nur in der “Bild”-Überschrift nicht

In Göteborg sitzt ein Mann aus Berlin in Untersuchungshaft, er steht unter Mordverdacht. Der 64-Jährige hat gemeinsam mit einem 71-jährigen Bekannten an einer Regatta in Norwegen teilgenommen. Er wird verdächtigt, seinen Segelkollegen auf dem Weg zurück nach Deutschland getötet zu haben. Der 71-Jährige wurde vor der Westküste Schwedens aus dem Meer geborgen und später für tot erklärt. Die schwedische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann, der in Untersuchungshaft sitzt, die Tat begangen habe. Die Gründe für diese Annahme nennt sie bislang allerdings nicht, auch keine Details zum Vorfall auf dem Segelboot oder zur genauen Todesursache. Der Anwalt des Tatverdächtigen sagt, dass sein Mandant den Vorwurf bestreite.

In solchen Fällen spielt die Unschuldsvermutung eine wichtige Rolle.

In Artikel 48 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es beispielsweise:

Jeder Angeklagte gilt bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis seiner Schuld als unschuldig.

Oder in Artikel 11 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (PDF):

Jeder, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, hat das Recht, als unschuldig zu gelten, solange seine Schuld nicht in einem öffentlichen Verfahren, in dem er alle für seine Verteidigung notwendigen Garantien gehabt hat, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.

Bei “Bild” sieht die Unschuldsvermutung so aus:

Ausriss Bild-Zeitung - Deutscher tötet Segel-Freund nach der Regatta

In ihrer Überschrift hat die Redaktion keinen Platz für rechtsstaatliche Grundprinzipien. Dabei schreibt sie selbst im ersten Satz des Artikels:

Was sich auf dem Segelboot von zwei deutschen Touristen genau abgespielt hat, ist bislang nicht klar.

In einem weiteren Artikel zum selben Fall (Einleitungssatz: “Es bleibt mysteriös”) bietet “Bild” übrigens einen interessanten Einblick in die eigene Arbeitsweise – Angehörige behelligen:

Als BILD am Haus des mutmaßlichen Mörders [A.] in einer beschaulichen Villengegend in Berlin-Zehlendorf klingeln möchte, verabschiedet die Frau gerade einen Bediensteten und sagt: “Bete für [A.], dass er schnell wieder nach Hause kommt.” Offenbar ist sie von seiner Unschuld überzeugt. Gegenüber BILD will sie die Vorwürfe nicht kommentieren, sagt nur vielsagend: “Können Sie sich das nicht vorstellen?”

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“Bild” mit Gil Ofarim im “Land der Dichter und Stänker”

Für spießbürgerliche Petzen, die ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger wegen Kleinigkeiten denunzieren, hat die “Bild”-Redaktion nur eines übrig: Verachtung. Im April dieses Jahres schrieb beispielsweise ein “Bild”-Autorenteam:

Screenshot Bild.de - Steuern, Wohnen, Parken - Deutsche sollen ihre Mitbürger verpetzen

Wird Deutschland zur Petzer-Republik? Zum Land der Dichter und Stänker?

Immer neue staatliche und halbstaatliche Petz-Portale und -Apps drängen die Deutschen dazu, ihre Mitbürger anzuschwärzen.

Die “Bild”-Redaktion braucht fürs Anschwärzen hingegen gar keine “staatlichen und halbstaatlichen Petz-Portale und -Apps” – sie hat ja Bild.de:

Screenshot Bild.de - Reifen-Problem nach Lügen-Prozess - Droht Gil Ofarim jetzt neuer Ärger?
(Alle Unkenntlichmachungen der Paparazzi-Fotos in diesem Beitrag durch uns.)

Musiker Gil Ofarim, der Ende November vor Gericht zugegeben hat, einen antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel nur erfunden zu haben, soll – Achtung, festhalten – noch keine Winterreifen aufgezogen haben. “Bild” nimmt sich diesem Missstand an:

Freitagmorgen in München. Sänger Gil Ofarim (41) trägt vor dem BILD-Reporter Winterreifen in seinen Mini Cooper, fährt danach zur Werkstatt, um sie wechseln zu lassen. Ganz schön spät im so zugeschneiten Süden, gut zwei Wochen vor Weihnachten.

Aber ist das überhaupt erlaubt bei diesen Winterbedingungen in München? BILD fragte bei der Polizei und einem erfahrenen Rechtsanwalt nach: Droht Ofarim nach dem Lügen-Prozess in Leipzig (Sachsen) jetzt neuer Ärger?

Ja, “ist das überhaupt erlaubt” in der “Petzer-Republik” Deutschland? “Bild” sagt lieber mal der Polizei Bescheid. Und die antwortet:

Polizeisprecher Peter Werthmann zu BILD: “Nachdem es keine generelle Winterreifenpflicht gibt, kommt es im Einzelfall auf die Situation und Witterungsbedingungen an, ob eine Ordnungswidrigkeit (OWi) begangen wurde oder nicht. Also je nach Temperatur, gegebenenfalls Schneefall, Eis auf der Straße etc.“

Vor Ofarims Haustür ist eindeutig eine Eisschicht auf der Straße zu erkennen.

Oha, “eindeutig”! Fall gelöst.

Dass die “Bild”-Leute diesen Winterreifen-Skandal so heldenhaft aufdecken konnten, liegt daran, dass sie Gil Ofarim ganz offensichtlich vor dessen Privatgrundstück auflauern. Das Foto, auf dem Ofarim einen der Reifen schleppt, hat ein für “Bild” tätiger Fotograf geschossen. Mit einer anderen Aufnahme aus derselben Serie hat er es am Samstag sogar auf die “Bild”-Titelseite geschafft:

Ausriss Bild-Titelseite - Erstes Foto nach Skandal-Prozess - Ofarim völlig verändert

Der dazugehörige Artikel “Lügen haben kurze Haare” über das “erste Foto nach Skandal-Prozess in radikal neuem Look” bildet den Auftakt der seitdem laufenden Verfolgungsjagd durch die “Bild”-Medien: Bei Bild.de präsentierte die Redaktion anschließend eine Psychologin, die sich nicht zu blöd war, “Gils neue Gel-Frisur” einer fachlichen Analyse zu unterziehen. “Psychologin knackt Ofarim”, steht in der Dachzeile. Uns fällt in diesem Zusammenhang eher ein anderes Stichwort ein: beknackt.

Es folgte der bereits dargelegte Winterreifen-Skandal. Und gestern dann eine weitere Geschichte auf der “Bild”-Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Gil Ofarim - Plötzlich wieder auf der Bühne

Der “Bild”-Redaktion wurden mehrere Fotos zugespielt (Fotocredit: “PRIVAT”), die Gil Ofarim auf der Bühne der Ballettschule seiner sechsjährigen Tochter zeigen sollen:

Nach BILD-Infos brachte sich Ofarim bei der Generalprobe als Assistent der Ballettlehrerin mit ein, gab den Kindern Tipps und half mit, dass die Inszenierung noch besser gelingt.

Die Redaktion beschreibt im Artikel, mit wem sich Ofarim die Aufführung seiner Tochter angeschaut und wie er sich verhalten haben soll. Alles offenbar zugetragen von Denunzianten Petzen “Bild”-Informanten.

Mit Dank an Thomas W. für den Hinweis!

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Bild  

ICE voll falsch

Man kann der Deutschen Bahn wirklich vieles vorwerfen: verspätete Züge, ausgefallene Züge, stehengebliebene Züge, überfüllte Züge, Züge, in denen die Klimaanlage nicht funktioniert, Züge, in denen die Heizung nicht funktioniert, Züge, in denen die Toiletten nicht funktionieren, und so weiter.

Eines kann man der Deutschen Bahn aber definitiv nicht vorwerfen – dass es sich hierbei um einen überfüllten ICE der Deutschen Bahn handelt:

Ausriss Bild-Zeitung - Münchner Philharmoniker geigen Bahn die Meinung
Ausriss Bild-Zeitung - Der ICE, mit dem die Musiker schließlich nach Berlin fuhren, war völlig überfüllt

Stattdessen dürfte es sich um den RE7 handeln, den “Rhein-Münsterland-Express”, der unter anderem zwischen Köln und Hamm fährt. Betrieben wird er nicht von der Deutschen Bahn, sondern von dem Verkehrsunternehmen National Express, das auf der Strecke einen Bombardier Talent 2 einsetzt.

Dass die “Bild”-Redaktion die Züge nicht auseinanderhalten kann, ändert übrigens nichts daran, dass die bei Facebook geäußerte Kritik der Münchner Philharmoniker an der Deutschen Bahn sehr berechtigt klingt.

Mit Dank an @mbayde für den Hinweis!

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So viele Menschen könnten arbeiten und arbeiten auch schon

Kommen wir noch einmal zum Bürgergeld und der Frage, wie die “Bild”-Redaktion mit einseitiger und/oder unvollständiger und/oder verzerrter Berichterstattung versucht, Stimmung zu dem Thema zu machen.

Und zwar so:

Screenshot Bild.de - Neue Zahlen zum Bürgergeld - So viele Menschen könnten arbeiten, kriegen aber Stütze

Neue Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) belegen: Hunderttausende Menschen könnten in Deutschland arbeiten, bekommen aber Stütze vom Staat.

Im April 2023 zählte die BA rund 3,9 Millionen “erwerbsfähige Regelleistungsberechtigte”. Sprich: Menschen, die arbeiten könnten, aber Bürgergeld erhalten.

Mehrfach schreibt “Bild” im Artikel (und ja auch schon in der Überschrift), dass sogenannte erwerbsfähige Leistungsberechtigte arbeiten könnten, stattdessen aber Bürgergeld beziehen:

Der Anteil “erwerbsfähiger Leistungsberechtigter” – also Menschen, die arbeiten können, aber Bürgergeld erhalten – lag im April …

Nirgendwo im Text steht es explizit, aber es schwingt an vielen Stellen mit: Schaut euch nur diese Faulen an. Die könnten arbeiten, lassen sich aber lieber vom Staat aushalten.

Doch schon die statistische Grundannahme der “Bild”-Redaktion ist falsch.

Die Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) für erwerbsfähige Leistungsberechtigte lautet:

Als erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) gelten gem. § 7 SGB II Personen, die

• das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
• erwerbsfähig sind,
• hilfebedürftig sind und
• ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

3.938.055 ELB gab es im April dieses Jahres, der aktuellste Monat, für den aufgeschlüsselte Daten von der BA vorliegen (Excel-Datei). Während die “Bild”-Redaktion ihrer Leserschaft einhämmert, dass sie alle arbeiten könnten, ist es tatsächlich anders – ein beachtlicher Teil von ihnen arbeitet bereits: 779.801 Personen führt die BA als erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Das sind 19,8 Prozent aller ELB. Manche von ihnen sind Selbstständige, die meisten aber sind abhängig erwerbstätig: Manche in Vollzeit, mehr in Teilzeit oder ausschließlich geringfügig beschäftigt, auch Auszubildende sind dabei. Sie alle arbeiten – und beziehen Bürgergeld als ELB. Häufig werden sie als “Aufstocker” bezeichnet.

Von ihnen ist im “Bild”-Artikel nichts zu lesen. Dort liest man nur platte Parolen wie: “Stütze statt Schuften”.

Und auch einen anderen Aspekt lässt die “Bild”-Redaktion völlig unerwähnt: Von den 3.938.055 ELB führt die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Statistik nur 1.683.023 als arbeitslos (42,7 Prozent). Die anderen 2.255.032, also die Mehrheit (57,3 Prozent), sind “nicht arbeitslose ELB”. Und dafür gibt es ganz gute Gründe. Die BA schreibt in ihrem “Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt” (PDF) für den Monat August (der auf die aufgeschlüsselten Daten vom April zurückgreift) über die “Gründe für die Nicht-Arbeitslosigkeit erwerbsfähiger Leistungsberechtigter”:

Es sind vor allem drei Gründe, derentwegen erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht arbeitslos sind. Für 701.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte war eine Arbeit derzeit nicht zumutbar, weil sie entweder kleine Kinder betreuten bzw. Angehörige pflegten oder noch zur Schule gingen bzw. studierten. 441.000 Personen waren nicht arbeitslos, weil sie einer ungeförderten Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden nachgingen. 523.000 Personen haben an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme oder an einem Integrationskurs teilgenommen.

Über diese Gruppen hinaus zählten 253.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht als arbeitslos, weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren. Und schließlich galten für 139.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte Sonderregelungen für Ältere.

Auch von diesen Personen, die “Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende [erhalten], ohne arbeitslos zu sein”, wie die BA schreibt, liest man im “Bild”-Artikel nichts. Es handelt sich dabei natürlich auch um eine definitorische Frage, die die Zahlen für die Bundesagentur für Arbeit besser aussehen lassen kann. Aber dass “Bild” beispielsweise Schülerinnen und Schüler oder arbeitsunfähig Erkrankte als Menschen präsentiert, “die arbeiten könnten, aber Bürgergeld erhalten”, ist grotesk und eine stark verzerrte Wiedergabe der Statistik.

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Der gesetzlich vorgeschriebene, jährliche “neue Ampel-Plan”

In dem Vorgang steckt eigentlich nichts Skandalöses: Jedes Jahr muss die jeweils amtierende Bundesregierung die sogenannten Rechengrößen der Sozialversicherung festlegen. Dazu gehören beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenzen, die vorgeben, bis zu welcher Einkommensgrenze Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung erhoben werden. Für das Einkommen, das oberhalb dieser Grenzen liegt, fallen keine Sozialabgaben an.

Die Regierung muss das machen, sie ist dazu verpflichtet – mehrere Gesetze schreiben diese Praxis vor. So steht beispielsweise zur Rentenversicherung in Paragraf 160 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch:

Die Bundesregierung hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1. die Beitragssätze in der Rentenversicherung,
2. in Ergänzung der Anlage 2 die Beitragsbemessungsgrenzen

festzusetzen.

In Paragraf 159 ist mit Blick auf die Beitragsbemessungsgrenzen das Wie geregelt:

Die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung sowie in der knappschaftlichen Rentenversicherung ändern sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1) im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen.

Im erwähnten Paragraf 68 Absatz 2 Satz 1 steht:

Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sind die durch das Statistische Bundesamt ermittelten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen jeweils nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Das heißt: Die Bundesregierung muss die Rechengrößen der Sozialversicherung nicht nur jedes Jahr neu festlegen; sie hat dabei – beispielsweise bei der Ermittlung der Beitragsbemessungsgrenzen – auch nicht freie Hand, sondern muss sich an die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes halten.

Wie gesagt: Eigentlich nichts Skandalöses, sondern alles gesetzlich so vorgesehen, wenn die amtierende Ampel-Regierung bald die neuen Rechengrößen beschließen will.

Die “Bild”-Redaktion gibt sich große Mühe, es anders wirken zu lassen:

Screenshot Bild.de - Neuer Ampel-Plan - Sozialbeitrags-Hammer ab 2024

Es sei ein “Plan der Bundesregierung”:

Der Plan der Bundesregierung: In der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung sollen bis zu einem Betrag von monatlich 7550 Euro (West) beziehungsweise 7450 Euro (Ost) Beiträge fällig werden.

Laut “Bild” handele es sich um einen “Vorstoß”, der “zuletzt für Zoff in der Ampel-Koalition” gesorgt habe. Und der Arbeitsminister mache Tempo:

Doch der zuständige Arbeitsminister Hubertus Heil (50, SPD) macht Tempo: Der Sozialbeitrags-Hammer soll schon am 11. Oktober vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden.

Ohne Hubertus Heil zu nahe treten zu wollen: Er ist in diesem Sinne wahrlich kein besonderer Tempomacher. Die “Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung” wurde 2022 am 12. Oktober vom Bundeskabinett beschlossen, 2021 war es am 20. Oktober, 2020 am 14. Oktober, 2019 am 9. Oktober, 2018 am 10. Oktober, 2017 am 27. September und so weiter.

Wenn es in ihre Erzählung passt, erklärt die “Bild”-Redaktion einfach mal etwas sehr Übliches zum nächsten Aufreger-“Hammer”.

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“Bild”-Chefin nutzt deutsche Basketballer als Scheinargument

Deutschland ist Basketball-Weltmeister, zum allerersten Mal. Bei so einem historischen Ereignis muss natürlich die Chefin ran:

Screenshot Bild.de - Kommentar von Bild-Chefin Marion Horn - Heute sind wir alle Basketball!

Horn schreibt unter anderem:

Deutschland kann es also noch. Der Ball ist wieder im Spiel. Endlich wieder Sieger-Typen mit Biss und Charisma. Vielleicht liegt es daran, dass einige der Spieler in den USA spielen. Da zählt Gewinnen noch und Helden werden verehrt. Zumindest da, wo keine Männer in Frauen-Badeanzügen am Start sind.

Der letzte Satz kommt einigermaßen überraschend und lässt in seiner Form recht viel Spielraum für Interpretationen. Nehmen wir mal die für Marion Horn freundlichste und gehen davon aus, dass sich an der Stelle nicht einfach plumper Zorn auf trans* Personen Bahn bricht: Horn scheint auf Lia Thomas anzuspielen, eine trans* Frau, deren Erfolge beim Schwimmen auf College-Ebene für große Diskussionen gesorgt haben.

Dass Marion Horn selbst im Moment größter Verzückung – ihren Kommentar startet sie mit: “Haben Sie auch so gute Laune? Ich bekomme das Strahlen kaum noch aus dem Gesicht” – nicht in der Lage ist, ohne diese Giftspritze auszukommen, ist vor allem eins: traurig für Marion Horn.

Es soll hier aber vor allem um den anderen Aspekt in dem Zitat und dessen faktische Grundlage gehen: Vielleicht liege der WM-Triumph der “Sieger-Typen mit Biss und Charisma” daran, so Horn, “dass einige der Spieler in den USA spielen. Da zählt Gewinnen noch und Helden werden verehrt.”

Diese Aussage knüpft an eine aktuelle Diskussion an, in der es in ihrer Überspitzung letztlich darum geht, ob in Deutschland Leistung wumpe ist, ein ganzes Land verweichlicht, keinen Druck und Niederlagen mehr aushält und nichts mehr zustande bringt. Die Reform der Bundesjugendspiele wird dabei immer wieder genannt, genauso eine Änderung im Spielbetrieb des Kinderfußballs (weil man es derzeit an allen möglichen Stellen falsch hört: Nein, es werden dabei nicht Sieg und Niederlage abgeschafft, es geht weiterhin ums Gewinnen und Verlieren, was wegfällt sind die Tabellen).

In diese Debatte will Marion Horn also auch den WM-Sieg der deutschen Basketballer einrühren. Weil die überragenden Auftritte des Teams natürlich so gar nicht in den Abgesang auf die Leistungsnation Deutschland passen, muss Horn sich dafür ganz schön verbiegen.

Schauen und zählen wir doch einfach mal nach: Im deutschen Team spielen mit Dennis Schröder (Toronto Raptors), Daniel Theis (Indiana Pacers) sowie Franz und Moritz Wagner (beide Orlando Magic) vier Spieler in der nordamerikanischen Profiliga NBA. Die anderen acht deutschen Teammitglieder sind in Deutschland, Italien, Spanien und der Türkei aktiv.

Schröder und Theis wechselten beide von der Basketball-Bundesliga in die NBA. Die WagnerBrüder schafften beide von der Basketball-Bundesliga beziehungsweise von deutschen Nachwuchsteams übers US-College den Weg in die NBA. Keiner der vier ist in den USA aufgewachsen und hat dort mit dem Basketballspielen begonnen. Zumindest die Grundlangen für ihre Eigenschaften als “Sieger-Typen” dürften sie durchaus in Deutschland mitbekommen haben.

Halten wir also fest: vier NBA-Spieler in der deutschen Nationalmannschaft.

Damit ist deren WM-Sieg nach der Hornschen Logik ein noch viel größeres Wunder als er eh schon ist. Denn es gibt drei Mannschaften, in denen mehr Spieler im Land des Gewinnenzählens und der Heldenverehrung aktiv sind: Bei den USA stehen alle zwölf Spieler bei NBA-Vereinen unter Vertrag (im Halbfinale gewann Deutschland gegen die USA; bester Schütze in diesem Duell war mit Andreas Obst übrigens ein Spieler, der vielleicht mal in den USA Urlaub gemacht, aber noch nie in der dortigen Liga gespielt hat). Das Team landete auf Rang 4. In der australischen Mannschaft sind neun NBA-Spieler dabei gewesen (in der Vorrunde gewann Deutschland gegen Australien), die Australier wurden Zehnter. Und Kanada wurde mit sieben NBA-Spielern am Ende Dritter.

Dennis Schröder, Daniel Theis, Franz und Moritz Wagner waren ohne Zweifel von großer Bedeutung beim WM-Sieg der deutschen Mannschaft. Für Marion Horn dienen sie aber lediglich als Scheinargument für einen Kulturkampf.

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Hey “Bild”-KI, was hältst du eigentlich von “Bild”-Methoden?

Bei “Bild” gibt’s was Neues:

Screenshot Bild.de - Neu bei Bild - So einfach funktioniert Hey - Hey, Ihr Helfer mit KI

Eine Künstliche Intelligenz, die “Bild”-KI, namens Hey_:

Hey_ ist ein neues Angebot von Axel Springer, das zunächst bei BILD an den Start geht. Der eigens von Axel Springer auf Basis einer Kombination verschiedener GPT-Modelle entwickelte und trainierte KI-Assistent ist eine völlig neue Möglichkeit, mit der Nutzerinnen und Nutzer journalistische Themen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz interaktiv und individuell erleben und vertiefen können.

Man kann ganz frei mit Hey_ chatten oder zu bestimmten, von “Bild” vorgegebenen Themenfeldern: “Das bedeutet IHR Traum!”, “Kühlschrank fast leer. DAS können Sie daraus noch kochen!”, “Ungerechtigkeit erlebt? Hier gibt es sofort Hilfe” und so weiter.

Das probieren wir doch mal aus!

Zum Start nehmen wir die Kategorie “Gehaltsverhandlungen? So holen Sie beim Chef das Meiste raus”. Wir starten die Simulation, und schon geht es los:

Screenshot Chat mit Hey - Perfekt! Ich werde nun die Rolle Ihres Chefs übernehmen. Stellen Sie sich vor, wir sitzen in einem Meeting und Sie möchten eine Gehaltserhöhung verhandeln. Beginnen wir: Warum glaube Sie, dass Sie eine Gehaltserhöhung verdienen? Bitte nennen Sie konkrete Bespiel für Ihre Leistungen - Ich habe ein wichtiges Projekt abgeschlossen - Das ist ein guter Anfang, aber können Sie bitte mehr ins Detail gehen? Was genau haben Sie in diesem Projekt erreicht und wie hat es dem Unternehmen geholfen?
Ich habe ein Foto eines verstorbenen Kindes besorgt, das wir auf der Titelseite unserer Zeitung drucken und auf unserer Website veröffentlichen konnten - Das klingt nach einer sehr wichtigen Leistung. Können Sie mir bitte mehr darüber erzählen? Wie haben Sie das Foto beschafft und welche Auswirkungen hatte die Veröffentlichung auf das Unternehmen?
Das Foto habe ich bekommen, indem ich die 14-jährige Schwester des toten Jungen behelligt habe. Die Mutter stand zuvor unter Schock. Durch mein Agieren konnten wir eine große Geschichte bringen, die bestimmt zu mehr Klicks und verkauften Zeitungen geführt hat - Ich verstehe, dass Sie versucht haben, eine wichtige Geschichte zu bringen, aber ich muss Ihnen sagen, dass Ihr Vorgehen inakzeptabel ist. Es ist nicht akzeptabel, eine minderjährige Person zu belästigen, um an Informationen zu gelangen. Das ist nicht nur unethisch, sondern auch illegal. Als Ihr Chef muss ich darauf bestehen, dass Sie sich in Zukunft and die ethischen Standards halten und keine unangemessenen Methoden anwenden, um an Informationen zu gelangen.

Dann dürfte es für das “Bild”- und “B.Z.”-Duo, das neulich in Berlin aktiv war, wohl eher nichts werden mit einer Gehaltserhöhung.

Aber wir müssen sagen: Die Ansichten von Hey_ gefallen uns bislang richtig gut. Kann sein, dass wir da regelmäßig vorbeischauen.

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