Autoren-Archiv

Der Pop-Titan bleibt PR-Titan

Die Medienevolution Videoreporter-Aktion von “Bild” ist bislang offenbar noch kein richtiger Knüller. Und da hilft es auch wenig, dass “Bild” heute den 7-jährigen Marvin Pfützner, erster “Gewinner der Video-Aktion von BILD”, für ein vernuscheltes Laien-“Dingsda” zum “Gewinner” des Tages macht.

Aber es geht ja auch anders auch anders auch anders:

"Dieter Bohlen bloggt für Bild.de: Der Pop-Titan ist jetzt Blog-Titan"

Mit anderen Worten: Es gibt seit heute auch ein kurzes Wackelvideo auf Bild.de, in dem Dieter Bohlen zu sehen ist, wie er von jemand anderem mit einer offenbar nicht besonders brauchbaren Kamera gefilmt wird. “Bohlen liest BILD, Bohlen im Auto, Bohlen im Hotel, Bohlen hinter den Kulissen, Bohlen gratuliert ‘Supertalent’-Gewinner Michael Hirte zu seinem grandiosem Erfolg”, heißt es dazu auf Bild.de.

Und das alles ist wörtlich zu nehmen: Bohlen sitzt “Bild”-lesend im Auto (28 Sekunden) und gratuliert anschließend irgendwo hinter den Kulissen eines Castings für die RTL-Show “Deutschland sucht den Superstar” dem Gewinner der RTL-Show “Das Supertalent”, Michael Hirte, zu seinem dessen Erfolg (67 Sekunden) – in Abwesenheit Hirtes, versteht sich. Wir dokumentieren das trotzdem mal:

Ja, hier sitzen gleich die Kandidaten – alles natürlich top secret. Aber ich möchte einem Menschen natürlich von ganzem Herzen und von euch allen erstmal Glückwunsch sagen. Das ist hier dieser Mann [hält die aktuelle CD von Michael Hirte in die Kamera]: Michael Hirte. [Kamera zoomt auf das Cover; es folgt ein kurzer Einspieler des “Ave Maria”-spielenden Hirte]. Seit gestern abend, 18 Uhr, Nummer 1 in Deutschland. Und ich glaube, wir haben eigentlich noch nie einen gefunden, glaube ich, der’s so verdient hat wie dieser Michael Hirte. Ich habe mich gestern wirklich unheimlich gefreut für ihn. Er ist mittlerweile schon Gold und Platin und ich weiß nicht was. Und wir hatten, glaube ich, noch nie ‘nen “Superstar”* oder ‘n “Supertalent”** oder überhaupt irgend jemand, der das so verdient hat. Und ich glaub’, für den Michael Hirte hier, für ihn [hält wieder die Hirte-CD in die Kamera] wird das ‘n ganz, ganz schönes Weihnachten, und der kann sich endlich mal ‘n paar warme Bratkartoffeln leisten und vielleicht auch noch ‘ne Currywurst dabei. Michael, erstmal herzlichen Glückwunsch – und die vielen Leute, die ihm geholfen haben***, natürlich auch: Vielen Dank! Tschüß.

Es folgt ein 44-sekündiger Einspieler (“exklusiv hier auf Bild.de”), wie Michael Hirte “Stille Nacht” auf der Mundharmonika spielt. Dann ist Schluss. Außer für uns, denn wir hätten da ja noch ein paar Anmerkungen:

*) Dieter Bohlen sitzt seit 2002 in der DSDS-Jury, schrieb und (co-)produzierte u.a. die Musik der DSDS-Gewinner Alexander Klaws und Mark Medlock.
 
**) Dieter Bohlen sitzt seit 2007 in der “Supertalent”-Jury; sein Co-Produzent Joachim “Jeo” Mezei produzierte u.a. die Musik des “Supertalent”-Gewinners 2007, Ricardo Marinello.
 
***) Dieter Bohlens Co-Produzent Mezei ist an der Produktion des Albums von “Supertalent”-Gewinner Hirte beteiligt, auf dem sich u.a. auch die Mundharmonikaversion eines Bohlen-Songs aus DSDS findet. Wer sich hinter Hirtes Produzenten-Team “Dreamfactory” verbirgt, wollte uns Hirtes Plattenfirma bislang auf Anfrage nicht verraten.

P.S.: Bild.de zeigt seinen Lesern auch noch ein zweites Wackelvideo mit Bohlen. Darin geht’s dem “Blog-Titan” zwar nicht nur um seinen Hirte – aber auch.

Allgemein  

“Nur: Sie sind nicht wahr”

Gestern abend berichtete die ARD in ihrer Reihe “Die großen Kriminalfälle” über den Altenpfleger Olaf Däter, der 2001 in Bremerhaven innerhalb von nur zehn Tagen fünf seiner ehemaligen Patientinnen getötet hatte und dafür zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist.

“Bild” über Däter:


“Er feierte Sexorgien und Champagner-Partys mit den teuersten Huren seiner Stadt. (…) Nach dem Mord feierte er Liebesnächte im Bordell (…).”

Däter hatte zur Tatzeit eine Beziehung zu einer Prostituierten, und in der Sendung hieß es dazu: “Als das bekannt wird (…), stehen in einer Zeitung, die besonders gerne besonders große Buchstaben druckt, sensationelle Geschichten über Olaf Däter [siehe Kasten] – nur: Sie sind nicht wahr.” Die im Prozess für den Fall Däter zuständige psychiatrische Gutachterin Nahlah Saimeh (die Däter übrigens laut ARD vor Gericht für voll schuldfähig erklärte) sagte:

Nach allen Informationen, über die ich persönlich verfüge, ist es vollkommen das Gegenteil gewesen: also ein Mann, der eher sich scheut, sexuelle Kontakte mit Frauen einzugehen; man möchte fast wirklich eher sagen: sowenig wie möglich – aus was für Gründen auch immer, auch die waren nicht zu hinterfragen. Aber der Sexbesessene, der alte Frauen deshalb umbringt, um irgendwelche Bordell-Orgien zu feiern, das war vollkommen falsch.

(…) Er hatte diese Prostituierte kennengelernt, hatte sie aber eigentlich nicht als Prostituierte, als Dienstleisterin angesehen, sondern hatte mit ihr sehr viel gesprochen, sich mit ihr sehr viel unterhalten und dafür Geld gezahlt und in gewisser Weise das für sich als Beziehung, als Freundschaft angesehen.

Aber soweit reicht die Fantasie von “Bild” wohl nicht.

Die dicken Jungen von Seite 1

Vermutlich haben sie gestern bei “Bild” den ganzen Tag gegrübelt, wie man mit dem leider bereits am Nachmittag durch die “Bunte” bekannt gewordenen Tod Horst Tapperts in der heutigen Ausgabe noch Schlagzeilen machen kann (Ergebnis: “Derrick tot!”). Und für den Rest der Seite 1 blieb da dann einfach nicht mehr genügend Zeit.

Aus der DSHS-Studie:

“Die Befragungen zu sportlichen Aktivitäten zeigen, dass ein Viertel der Heranwachsenden und jungen Erwachsenen ‘nie’ beziehungsweise ‘selten’ Sport treibt. In Grafik 4 ist zu sehen, dass der Anteil sportlich inaktiver Personen über die Altersgruppen hinweg zunimmt. (…) Grafik 5 zeigt [zudem], dass nur noch 19 % der 25-jährigen Frauen und 30 % der gleichaltrigen Männer in einem Sportverein aktiv sind. Auf die Frage ‘Glauben Sie, dass Sie sich ausreichend bewegen?’ antworten 32 % der Studienteilnehmer mit ‘nein’. (…) Für alle genannten Aspekte bestehen signifikante Geschlechtsunterschiede: Frauen geben häufiger an, ‘nie’ beziehungsweise ‘selten’ Sport zu treiben (…), kein aktives Sportvereinsmitglied zu sein (…) und sich nicht ausreichend zu bewegen (…).”

So wäre es zu erklären, dass das, was gestern – unter Berufung auf eine Studie der Deutsche Sporthochschule in Köln (DSHS) – in einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa gestanden war…

So ist unter den 25 Jahre alten Männern schon jeder zweite zu dick, 60 Prozent rauchen, ein Drittel treibt nie Sport. Rund 25 Prozent der 25-jährigen Frauen haben Übergewicht, nur noch 19 Prozent sind im Sportverein aktiv, ebenfalls rund 60 Prozent rauchen.

… von “Bild” heute wie folgt zusammengefasst wird:

"Fast die Hälfte der jungen Männer und ein Viertel der Frauen hat Übergewicht. 60 Prozent rauchen. Nur ein Drittel (Männer) bzw. ein Fünftel (Frauen) macht regelmäßig Sport."

Der letzte Punkt jedenfalls behauptet immerhin das Gegenteil von dpa (siehe oben) und hat mit den – ohnehin bereits vor einem Monat veröffentlichten – Untersuchtungsergebnissen eigentlich nichts mehr zu tun (siehe Kasten). Aber okay, am Ende der DSHS-Studie [pdf] heißt es ja ohnehin:

Auch wenn querschnittlich mehr als 12 500 Personen (…) untersucht wurden, besteht kein Anspruch auf bundesweite Repräsentativität (…).

Oder um es mit “Bild” zu sagen:

"Immer mehr Junge zu dick für den Job"

Mit Dank an Martin F. für den Hinweis.

Voll neben der Taxispur

"Gefährlicher Irrtum: Taxispur mit Startbahn verwechselt -- Ein Pilot in Hongkong versuchte, seine Maschine von der Taxispur neben der Startbahn zu starten. Ein gefährlicher Irrtum, aber kein Einzelfall."

So steht es derzeit unter Berufung auf die “Sunday Morning Post” auf der Startseite von Bild.de. Und im dazugehörigen Artikel heißt es über die Piloten:

"Strasse mit Startbahn verwechselt: Piloten wegen Startversuch auf Taxispur entlassen -- Vielleicht wollten sie einfach nur mal Taxi spielen..."

Und das mit dem “Irrtum” und “kein Einzelfall” stimmt, liebe Bild.de-Redaktion…

… nur, dass es sich bei einem Taxiway, von dem in der “Sunday Morning Post” die Rede ist, nicht um eine “parallel zur Startbahn verlaufende Taxispur” oder gar einen “Taxistreifen” handelt, sondern um nichts weiter als das englische Wort für Rollbahn.

Aber vielleicht wollte die Bild.de-Redaktion ja einfach nur mal Journalismus spielen…

Mit Dank an Steffen U., Christoph H., Maik L., Robert T., Daniel R., Jan E., Andreas B., Jan und Olaf T.!

Man muss dazusagen: Den eigentlichen Übersetzungsfehler hatte gestern morgen die Nachrichtenagentur AFP gemacht, die unter der Überschrift “Piloten in Hongkong wegen Startversuch auf Taxispur gefeuert” über den Vorfall berichteten. Und zahllose Medien haben die irreführende Meldung genauso irreführend übernommen (siehe Beispiel-Ausriss) – wobei offenbar niemand so übers Ziel hinausgeschossen ist wie Bild.de. Und nur die wenigsten haben den Fehler – wie sueddeutsche.de etwa – wenigstens nachträglich korrigiert und sich bei den Lesern entschuldigt.

Seemannsgarn

Heute wollen wir noch einmal kurz auf das “Hamburger Abendblatt” zurückkommen. Dort erfindet der nette Herr Chefredakteur nämlich nicht nur drollige Kampagnen, sondern beantwortet immer dienstags auch Leserzuschriften – und wir haben ein Déjà Vu. Aber nicht deshalb, weil das Foto von ihm dasselbe ist, das offenbar noch aus seiner Zeit als Chefredakteur der “Bild am Sonntag” stammt, sondern auch die Masche.

So hat der ehemalige “BamS”-Chef – angeregt durch eine Leserzuschrift – einen Leser-Aufruf zur Rettung des “Hamburgischen” gestartet (“Das Abendblatt-Hamburg-Wörterbuch”) und schrieb dazu vergangenen Dienstag an “Abendblatt”-Leserin Erica K. aus Norderstedt:

Unser Aufruf (…) hat offenbar einen Nerv getroffen. Viele Menschen in dieser ganz besonderen Stadt spüren: Hamburg wird ärmer, wenn wir das Hamburgische verlieren. Aber nicht nur das. Die “Süddeutsche Zeitung” hat über die Abendblatt-Initiative berichtet. Und bis heute melden sich Hamburger, die nun in einer anderen Stadt leben müssen, voller Heimweh – und mit sprachlichen Anregungen.
(Hervorhebung von uns.)

Und damit Erica K. aus Norderstedt weiß, was der Chefredakteur ihrer Tageszeitung damit meint, wenn er ihr schreibt, dass die “Süddeutsche Zeitung” über die Abendblatt-Initiative berichtet habe, zeigen wir ihr hier mal den kompletten Bericht:

Die SZ “berichtet”:

“Das Hamburger Abendblatt will künftig mehr typisch hamburgische Wörter verwenden. Chefredakteur Claus Strunz sicherte am Dienstag in einer Kolumne zu, künftig ‘Schlachter’ statt ‘Metzger’ zu schreiben. Der ‘Schreiner’ werde wieder ‘Tischler’ genannt. Auch solle es ‘Rundstück’ heißen und nicht ‘Semmeln’ oder ‘Schrippen’. Unschlüssig sei sich die Redaktion jedoch, ob für katholische Geistliche der Begriff ‘Pfarrer’ oder ‘Pastor’ verwendet wird.”

Ach ja: Die 12-zeilige Übernahme einer ähnlich kurzen Meldung der Nachrichtenagentur epd trägt die Überschrift: “Was macht Strunz?”

Irre: Ein Jahr hat ca. 365 Tage

Es gibt Nachrichten, da glaubt man gar nicht, dass sie eine sind – bis man sie in “Bild” liest.

Und wir meinen jetzt gar nicht diese hier:

Sondern diese:

"Knackt Funkel den Ribbeck-Rekord?"

Der Trainer des Fußballvereins Eintracht Frankfurt, Friedhelm Funkel, sei nämlich, so “Bild”, “auf dem besten Weg, Erich Ribbeck (71) als Rekord-Trainer der Eintracht [1. Juli ’68 bis 30. Juni ’73] abzulösen!”

Kern des Artikels ist ein Zitat des Vorstandsvorsitzenden der Eintracht Frankfurt Fußball AG, Heribert Bruchhagen. Auf die Frage (von “Bild”?), ob Funkel auch in der kommenden Saison Eintracht-Trainer bleibe, hat er offenbar geantwortet:

“Eintracht trifft die Entscheidung, wenn es an der Zeit ist”.

Irre, oder?! Oder nicht irre genug. Denn mangels Nachrichtenwert blieb in dem Artikel wohl noch Platz für eine kleine Zahlenspielerei:

"Die Zahlen: 1826 Tage war Ribbeck Chef-Coach der Eintracht. Funkel ist heute genau 1622 Tage im Amt. Irre: Wenn sein aktueller Vertrag am 30. Juni ausläuft, kommt Funkel auf exakt 1825 Tage! Ein Tag weniger als Ribbeck.

Aber selbst das ist weniger irre, als es klingt. Weil’s nämlich nicht mal stimmt. Denn wer (wie Ribbeck 1968 oder Funkel 2004) an einem 1. Juli als Trainer anfängt, kommt fünf Jahre später ganz wie von selbst auf eine Amtszeit von exakt 1.825 Tagen – es sei denn, in diese Amtszeit fällt ein Schaltjahr (wie etwa 1972 oder 2008 – und eigentlich fast immer). Dann sind’s natürlich unterm Strich 1.826. Egal bei wem.

Und, seien wir ehrlich, unterm Strich auch irre egal.

Mit Dank an Markus für den Hinweis.

Nachtrag, 10.12.2008: “Bild” bleibt bei seinem “einen Tag weniger”-Unsinn. In einem weiteren Artikel zum Thema (“BILD hatte es exklusiv vermeldet. Trainer Friedhelm Funkel jagt den Ribbeck-Rekord.) heißt es heute: “Zur Erinnerung: Funkel (…) ist jetzt seit 1623 Tage im Amt beim Traditionsklub. ‘Sir’ Erich Ribbeck (71) kam insgesamt auf 1826 Tage. Wenn Funkels Vertrag am 30.6. ausläuft, fehlen ihm gerade noch zwei Tage, um neuer Rekordhalter zu werden.”

Kilometerweit von der richtigen Antwort entfernt

"Pendler-Pauschale wieder ab dem 1. Kilometer -- BILD.de beantworte die wichtigsten Fragen

Wie nett: Da hat das Bundesvefassungsgericht heute die von der Bundesregierung beschlossene Kürzung der sog. Pendlerpauschale gekippt, und Bild.de kündigt schon auf der Startseite groß an, “die wichtigsten Fragen” zu beantworten – also z.B. diese:

"Welche Regel gilt für meine nächste Lohnsteuer-Erklärung? Es gilt: Jeder Kilometer zur Arbeit und wieder zurück kann mit jeweils 30 Cent voll abgesetzt werden! 15 Millionen Pendler werden entlastet."

Noch netter wäre es, wenn Bild.de auf “DIE WICHTIGSTEN FRAGEN ZUM URTEIL” auch die richtigen Antworten kennte. Denn nicht jeder Kilometer zur Arbeit und wieder zurück kann mit jeweils 30 Cent voll abgesetzt werden, sondern nur jeder Kilometer zur Arbeit!

Oder um’s einfach mit Wikipedia zu sagen: “Berücksichtigt werden (…) nur die vollen Kilometer der einfachen Entfernung, damit sind Hin- und Rückfahrt abgegolten.”

Mit Dank an Bastian D. für den Hinweis.

Nachtrag, 18.13 Uhr: Jetzt stimmt’s. Bild.de hat den Heimweg aus der Antwort gestrichen.

Von Geschäftsreisen und Reisegeschäften

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” informierte ihre Leser am vergangenen Donnerstag im Reiseteil ausführlich darüber, dass Lufthansa erstmals im Winter eine durchgängige Verbindung von München nach Boston anbietet (ab 2299 Euro). Und das nicht etwa auf 15 Zeilen. Nein, die FAZ hat dafür keine Kosten und Mühen gescheut, um das Angebot selbst zu testen (“Unser Nachmittagsflug von München nach Boston wird von einem nicht enden wollenden Sonnenuntergang begleitet. (…) Maja, die Purserette, rät uns, den französischen Rotwein zu testen. Beim Menü können wir zwischen Gänsebraten und Zander aus der Küche des kanadischen Sternekochs Susur Lee wählen.”) – und die große deutsche Qualitätszeitung ist nicht nur angetan vom “sehr persönlichen Service an Bord”, sondern auch von der Grundidee.

Hier ein kleiner (!) Ausschnitt:

(...) Die Abflugzeit des Fluges LH 424 in München um 15.40 Uhr ist so terminiert, dass Fluggäste aus ganz Europa die Maschine bequem erreichen und abends nach der Landung noch ein Geschäftsessen in Boston wahrnehmen können. Der Rückflug nach München startet um 20.25 Uhr - die Reisenden können sich also tagsüber noch ganz auf ihre Geschäftstermine konzentrieren. Die morgendliche Ankunft im Erdinger Moos ermöglicht es ihnen, ausgeruht in den nächsten Arbeitstag zu starten oder einen frühen innereuropäischen Anschlussflug zu nehmen. (...) Ein weiterer wichtiger Vorteil der reinen Business Class-Flüge ist die niedrige Anzahl der Passagiere. Die Ein- und Aussteigezeiten sind dadurch deutlich reduziert. (...) Die kleine Boeing 737 kommt zehn Minuten vor einem Jumbo von British Airways aus London an. Läuft alles nach Flugplan, dann haben die Business Class-Passagiere die Kontrollen der amerikanischen Einreisebehörden schon hinter sich, bevor die ersten British-Airways-Passagiere den Immigrationsschalter erreicht haben.

Das FAZ-Resümee unter einem Foto, das die Autorin des FAZ-Artikels, Catharina P., nach erfolgreicher Teilnahme an einer Lufthansa-Pressereise gleich mitgeliefert hat, lautet:

"Klein, aber fein"

Das Resümee eines FAZ.net-Lesers zum Artikel liest sich… anders:

“Dass sich die FAZ für einen solchen plumpen Werbeartikel für diese Airline hergibt, ist schon verwunderlich und störend.”

Lufthansa-O-Ton:

“(…) Durch die späte Rückflugzeit haben Sie in der Ostküsten-Metropole genügend Zeit, sich ganz auf Ihre Termine zu konzentrieren. In München kommen Sie morgens an und können ausgeruht in den neuen Arbeitstag starten.”

Und natürlich könnte man das mit dem “plumpen Werbeartikel” für eine plumpe Unterstellung halten — auch wenn sich in der FAZ Text-Passagen finden, die quasi wörtlich auch in LufthansaPressemitteilungen stehen (siehe Kasten). Und was heißt es schon, dass die Autorin vor Jahren selbst mal für ein Lufthansa-Magazin geschrieben hatte? Was soll’s, dass sie für die FAZ auch schon aufgeschrieben hatte, wie toll man im Münchner Flughafen einkaufen kann (so toll, dass sie das ein gutes halbes Jahr später auch noch mal für die “Financial Times Deutschland” aufschrieb), wie toll man vom Münchner Flughafen aus kleine Kinder auf Flugreisen schicken kann (FAZ vom 10.4.2008), und was für eine tolle Fluggesellschaft Qatar Airways ist (FAZ vom 2.10.2008)?

Die djd über sich selbst:

“Die deutschen journalisten dienste – djd – sind führender Dienstleister für verbraucherorientierte Pressearbeit im deutschsprachigen Raum. In mehr als 5.000 verschiedenen Medien konnte djd bis heute Veröffentlichungen für seine Kunden erzielen: Vom Anzeigenblatt und der Lokalzeitung über Spezialtitel wie ‘medizin heute’ oder ‘fit for fun’ bis hin zu ‘FAZ’, ‘HÖRZU’, ‘Stern’ oder ‘Spiegel’ und von brigitte.de über MDR, WDR oder SWR bis hin zu RTL und ZDF. (…)

Alle Medien stehen vor der Herausforderung, in regelmäßigen Abständen immer wieder interessante Lektüre für ihre Leser bzw. attraktive Sendungen für ihre Hörer und Zuschauer zu erstellen. Um das in zunehmend dünner besetzten Redaktionen leisten zu können, nehmen sie gerne gezielte Unterstützung in Anspruch, die selbstverständlich den strengen presserechtlichen Kriterien entspricht.”

Tatsache ist, dass Catharina P. neben ihrer freien Journalistentätigkeit für FAZ, FTD und andere auch seit Jahren für die PR-Agentur “deutsche journalisten dienste” (djd) arbeitet. Auf der Website der djd (die — siehe Kasten — sich vor Werbekunden dafür rühmt, PR-Texte bei Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien unterzubringen) wird sie als Redaktionsmitglied für die Bereiche “Gesundheit/Reise” geführt, von ihr verfasste PR-Texte werden von der djd verbreitet — und in djd-eigenen Broschüren werden ihre PR-Texte als Beispiele für gelungene Platzierung von Themen präsentiert. Aber die djd schwärmt zudem davon, wie sie selbst jedwedes PR-Thema “sicher in TV- und Hörfunksendungen unterbringen kann” und veröffentlicht u.a. entsetzlich lange Listen mit “Abdruckerfolgen” in Zeitschriften und Zeitungen (darunter auch die FAZ).

Öffentlich möchte sich die FAZ-Autorin, die einen Zusammenhang zwischen den FAZ-Texten und ihrer PR-Arbeit bestreitet, uns gegenüber weder zu ihrer PR-Tätigkeit noch zu ihrer journalistischen Arbeit äußern oder zitieren lassen.

Dabei sind wir sicher: Catharina P. ist kein Einzelfall im Reise-Journalismus. Aber genau darum schreiben wir’s ja auf.
 
Nachtrag, 11.12.2009: Nach Veröffentlichung dieses Eintrags wird Catharina P. auf der Website der PR-Agentur djd unter “Redaktion” nicht mehr zu den Themen “Gesundheit/Reise” geführt, sondern nur noch zum Thema “Gesundheit”. Und die FAZ-Reiseredaktion bestreitet in einer Stellungnahme uns gegenüber, einen reinen Werbeartikel für die Lufthansa veröffentlicht zu haben.

Supi, beim Nachbarn brennt’s!

Unter der Überschrift “Leser glücklich – Mein Video steht schon bei Bild.de” dokumentiert Bild.de schon mal die Wirkung der jüngsten, großen “Bild”-Verkaufsaktion:

(Anonymisierungen von uns.)

Nachtrag, 9.12.2008: Bild.de hat die überglückliche “Video-Reporterin” aus dem Artikel entfernt.

Kurz korrigiert (487)

Vor nicht allzu langer Zeit nannte Bild.de den ehemaligen Football-Star O.J. Simpson mal einen…

Heute weiß Bild.de das natürlich besser*:

Mit Dank an Julian P., FKTozz, Sebastian P., gambit, Mark L. und Eric H.

Nachtrag, 6.12.2008: Tatsächlich muss Simpson offenbar mindestens 9 und maximal 33 Jahren ins Gefängnis. Verschiedene Nachrichtenagenturen und Medien hatten gestern jedoch zunächst gemeldet, er sei zu 15 oder 16 Jahren Haft verurteilt worden.

Blättern:  1 ... 4 5 6 ... 98