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Hausbesuch beim Schießbefehl

“Bild” hat in einem Berliner Hochhaus an einer Wohnungstür geklingelt, woraufhin jemand “in Unterhemd und Jogginghose” öffnete. Aber nachdem er erfahren hatte, was “Bild” von ihm wollte, “schlug er die Tür zu”. Mit anderen Worten:

"BILD fand den Mann, der den Schießbefehl gab"
Überschrift und dazugehöriger Artikel sind aber in doppelter Hinsicht grob irreführend:

1.) Die Formulierung “BILD fand” bedeutet nicht etwa, dass “Bild” recherchiert und herausgefunden hätte, wer (wie “Bild” es formuliert) “den Schießbefehl gab”. Sein Name stand schließlich unter dem Schießbefehl, seine Identität war bekannt* — und “BILD fand” bedeutet deshalb tatsächlich bloß, dass “Bild” seine Adresse ausfindig gemacht und an seiner Wohnungstür geklingelt hat.

2.) Die Formulierung “den Mann, der den Schießbefehl gab” hingegen bedeutet nicht etwa, dass der von “Bild” groß (und identifizierbar) abgebildete Mann für den DDR-Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze verantwortlich gewesen wäre. Auch, wenn “Bild” diesen Eindruck dadurch zu festigen versteht, dass es im Artikel heißt:

Seit dem Aktenfund in der Magdeburger Außenstelle der Birthler-Behörde ist bewiesen: Der DDR-Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze existierte wirklich! Jetzt ist auch klar, wer den Schießbefehl gab. Der ehemalige Hauptmann und spätere Major Wolfgang Singer (66). Das geht aus einem zweiten Dokument hervor, das in der Chemnitzer Birthler-Behörde entdeckt wurde. (…) Er ordnete 1974 an, dass an der Grenze auch auf Frauen und Kinder geschossen wird. Den Schießbefehl unterzeichnete er mit seinem Namen.

Der Schießbefehl-Hype

Am vorvergangenen Samstag veröffentlichte die Magdeburger “Volkstimme” einen Aktenfund der Birthler-Behörde, der folgende Formulierung enthielt: “Zögern Sie nicht mit der Anwendung der Schußwaffe, auch dann nicht, wenn die Grenzdurchbrüche mit Frauen und Kindern erfolgen (…).”

Der Fund wurde zunächst von Behörde und Presse für aufsehenerregend gehalten, obwohl ein sehr ähnliches Dokument offenbar bereits seit vielen Jahren bekannt und veröffentlich worden war. (Das erwähnte auch “Bild”, ließ sich dadurch aber nicht davon abbringen, das “Dokument der abgrundtiefen Schande” auszuschlachten.) Ein weiteres Exemplar hängt anscheinend seit vielen Jahren im Info-Zentrum der Birthler-Behörde. Inzwischen hat man den Eindruck, es gebe fast täglich neue solcher Funde aus der Behörde und darüber hinaus vermutlich zahllose bislang unentdeckte.

Nun ja… Wie uns die Sprecherin der Birthler-Behörde, Ilona Schäkel, bestätigt, gibt es bisher mindestens fünf Funde, die eine ausdrückliche “Schießbefehl”-Formulierung enthalten (siehe Kasten). Die Dokumente seien jedoch teilweise “von unterschiedlichen Kompaniechefs unterzeichnet”. Bislang gibt es laut Schäkel mindestens zwei verschiedene Namen unter den “Schießbefehlen”. Zudem gilt als unwahrscheinlich, dass damals Kompaniechefs wie der “ehemalige Hauptmann und spätere Major” aus “Bild” ausdrückliche (und identisch formulierte) Schießbefehle wie den jetzt gefundenen eigenmächtig und ohne entsprechende Order erteilt haben sollten. (“Bild” selbst schrieb noch vor einer Woche über ein weiteres, nicht unterzeichnetes “Schießbefehl”-Dokument: “Nach BILD-Informationen soll es von Generalleutnant Karl Kleinjung († 2003) stammen, Chef der Hauptabteilung I des Stasi-Ministeriums.”) Und es gibt Mitarbeiter der Birthler-Behörde, die ohnehin davon ausgehen, dass in den Akten noch “hunderte solcher Befehle” lagern.

Kurzum: “Bild” fand offensichtlich nicht “den Mann, der den Schießbefehl gab”, sondern einen der Männer, die einen Einsatzbefehl unterzeichneten, der einen Schießbefehl enthielt. Als er “Bild” die Wohnungstür öffnete, trug er Unterhemd und Jogginghose.

*) “Bild” selbst schrieb am Samstag, dass der Mann, den “BILD fand”, schon mal “im Blickpunkt der Öffentlichkeit” stand. Er musste sich 2003 vor Gericht als Kommandant eines Stasi-Spezialkommandos für einen Einsatz verantworten, bei dem Michael Gartenschläger erschossen wurde. Aus der Zeit des Gerichts-Prozesses stammt auch das Foto, das “Bild” zeigt.

Nachtrag, 22.8.2007: Die Sprecherin der Bithler-Behörde bittet um Korrektur: Die uns gegebene Auskunft, die bislang gefundenen “Schießbefehle” seien teilweise “von unterschiedlichen Kompaniechefs unterzeichnet” worden, sei falsch. Es gebe, anders als die Behördensprecherin uns zunächst gesagt habe, nicht mindestens zwei verschiedene Namen unter den “Schießbefehlen”. Vielmehr seien “bisher nur Dokumente ohne Unterschrift des Kompaniechefs oder mit der Unterschrift von Kompaniechef Wolfgang Singer” gefunden worden. Schäkel bedauerte ihren Irrtum. Richtig bleibe jedoch dennoch die Annahme der Behörde, dass dieser Kompaniechef den “Schießbefehl” nicht eigenmächtig und ohne entsprechende Order erteilt haben dürfte — und insofern nicht der Mann sei, der den “DDR-Schießbefehl” gab. Und für Thomas Auerbach, den Leiter der Birthler-Außenstelle Schwerin (wo ebenfalls ein “Schießbefehl” gefunden wurde) ist der Eindruck, den die “Bild”-Zeitung mit ihrer Berichterstattung erweckt, für den Nicht-Laien geradezu lachhaft: Natürlich sei so ein Auftrag “von oben abgesichert”, so Auerbach auf Nachfrage von uns, ein Hauptmann oder Kompaniechef “saugt sich sowas nicht aus den Fingern”.

Polizei findet “Bild”-Bericht grenzwertig

Es ist nicht das erste Mal, dass “Bild”, nachdem jemand von der Polizei mit einem Fahndungsfoto gesucht und gefunden worden war, anschließend ein großes, identifizierbares Foto des mutmaßlichen Täters zeigte.

Auch der Presserat hatte sich noch im Juni mit einem ähnlichen Fall (damals zeigte “Bild”, wie berichtet, das Foto einer jungen Frau) befasst — und, wie berichtet, die “Bild”-Veröffentlichung missbilligt, da “kein öffentliches Interesse” zu erkennen sei, “das die Persönlichkeitsrechte der Frau überlagert hätte”. Daran habe auch die Tatsache nichts geändert, dass nach der Betroffenen mit Hilfe einer Kameraaufnahme gefahndet wurde:

Mit dem Auffinden der jungen Frau erlosch jedenfalls das Fahndungsinteresse der Polizei (…). Danach hätte die Zeitung auf eine erkennbare Darstellung der Betroffenen verzichten müssen.

Wie wenig diese Missbilligung die “Bild”-Zeitung beeindruckt hat, zeigt ein aktueller Fall:

Es geht dabei um einen Mann, der von der Polizei Bremen wegen “schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes” gesucht und am vergangenen Mittwoch festgenommen wurde. Laut Polizei konnten zwar weitere mutmaßliche Opfer “noch nicht namentlich ermittelt” werden, doch sei der Mann, “ein 38-jähriger Lehrer aus Cuxhaven”, inzwischen teilweise geständig, der Fall “aufgeklärt”.

Die Bremer “Bild”-Zeitung, die zuvor auch den Fahndungsaufruf verbreitet hatte, nahm die nun erfolgte Festnahme am Samtag zum Anlass für einen neuen, großen Artikel — und nannte darin nicht nur den (abgekürzten) Namen und Details zum Familienstand, sondern auch den Namen der Schule, an der er unterrichtet. Dominiert wird der Artikel jedoch (siehe Ausriss) vom einem großen Foto, das “Bild”, wie uns die Schule mitteilt, unerlaubterweise von deren Homepage hat und das “Bild” ohne jegliche Unkenntlichmachung zeigt.

Ein Sprecher der Polizei Bremen betonte auf Anfrage von uns, dass das Foto “kein Fahndungsfoto” und auch “nicht von der Polizei herausgegeben” wurde. Obwohl nicht auszuschließen sei, dass der “Bild”-Bericht bei der Suche nach den Opfern behilflich sein könnte, hält die Polizei die Veröffentlichung des Fotos mit Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte des mutmaßlichen Täters für “sehr grenzwertig”.

Mit Dank an Christopher und andere für den Hinweis.

“In einem Stil, der Mitgefühl heuchelt”

Kürzlich hat die “Bild”-Zeitung Disko-Bilder von Natascha Kampusch und ihrem angeblichen Freund veröffentlicht. Wie hat sie darauf reagiert?

“Bild” vom 17.7.2007:

“Erste Liebe! (…) Nach 8 Jahren Geiselhaft hat sie jetzt richtig ins Leben zurückgefunden. Es sind Fotos des unbeschwerten Glücks! SIE hält den Kopf leicht zur Seite geneigt, die Augen geschlossen. Blonde Strähnen fallen über die Stirn. Das Gesicht, ein einziges seliges Lächeln! ER legt vertraut seine Hand an ihren Kopf, flüstert ihr ins Ohr, drückt sie. Zwei junge Menschen, innig und vertraut. (…) Natascha zeigt sich ohne Scheu mit dem jungen Mann auf der Tanzfläche. (…) So viel Glück überrascht selbst Nataschas Eltern.”

Das hat sie geschmerzt. Die Geschichte war erstunken und erlogen. Diesen Freund gibt es nicht. Ich bin fassungslos, dass hier Dinge geschrieben wurden, die von der “Bild”-Zeitung nicht nachgeprüft wurden. Und dann auch noch in einem Stil, der Mitgefühl heuchelt. Es ist auch nach wie vor auch zweifelhaft, wie diese Fotos zustande gekommen sind. Denn eigentlich geht sie nicht gern in die Disko und scheut solche Plätze.
(Aus einem “Stern”-Interview mit dem ORF-Journalisten Christoph Feurstein — mit Links von uns).

Papa eiskalt, Zeitung widerwärtig

In einem “Stern”-Interview kommentiert Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) das “lückenlose mediale Trommelfeuer” nach der “Bild”-Schlagzeile “Baby mit heimlicher Geliebten!” vom 16. Januar wie folgt:

Als Politiker wird man immer mit Privatangelegenheiten konfrontiert. Das gehört dazu. Nicht aber, dass Privates instrumentalisiert wird. Bei mir war das teilweise kampagnenartig. Ich möchte die Schlagzeile einer Ausgabe der “Bild am Sonntag” herausgreifen: “Papa eiskalt”. Ich habe in 40 Jahren nichts Widerwärtigeres erlebt.

Wie das? Da hatte die “Bild am Sonntag” Seehofer kurz nach der Geburt des Kindes doch bloß (1) eine Titelseite gewidmet (“Nur 1 Stunde für sein Baby. Er schiebt unwichtige Termine vor. Er lässt zwei Frauen zappeln und lacht dabei”). Eine “Bild am Sonntag”-Reporterin hatte ihm vor und nach einem beruflichen Termin bloß (2) viele, viele indiskrete Fragen gestellt (“Wie wollen Sie Ihr Privatleben regeln?” — “Was sagt Ihre Frau zu der Geburt Ihrer Tochter?” — “Verraten Sie den Namen Ihrer Tochter?” — “Wollen Sie auch das gemeinsame Sorgerecht?”), die Seehofer zum Teil mit “(Schweigen)” beantwortete, wie die “BamS” dokumentierte. Unter der Überschrift “Papa Eiskalt” war doch bloß (3) eine “BamS-Montage” von “Seehofers Terminkalender” abgebildet (“Freitag: Telefongespräche zu Hause … 13.05 Uhr: Lufthansa-Flug LH223 nach München”). In einem Artikel hatte die “BamS” im Zusammenhang mit Seehofer doch bloß (4) Begriffe wie “gefühlsarm” “eiskalt” und “joborientiert” benutzt, weil Seehofer “fröhlich Wahlkreistermine” wahrnehme, während “die junge Mutter Anette F. im fernen Berlin blass in einem zweckmäßig eingerichteten Einzelzimmer auf der Wöchnerinnenstation” liege. Und in einem “BamS”-Kommentar hatte es doch bloß (5) geheißen, Seehofer habe sich am Tag der Geburt seiner Tochter hinter Terminen “verschanzt”, “seelenruhig” zu Mittag gegessen und beim Besuch der Mutter im Krankenhaus “noch nicht einmal Blumen” und “kein Kuscheltier” dabeigehabt.

Wieso also “widerwärtig”? Die “Bild am Sonntag” nannte den sichtlich angenervten Politiker doch ganz fried- und freundlich “wohlgelaunt”…

Künstlerische Freiheit

Für “Bild” war die Sache einfach — und wichtig genug, um sie am Montag in eine kleine Meldung zu verwandeln, deren zentraler Satz lautet:

Ausländische Künstler müssen auf ihre Gagen für hiesige Auftritte künftig 40 Prozent (statt 20) Steuern zahlen.

Und auch, wenn beispielsweise die “Berliner Zeitung” schreibt, das Thema sei “nicht leicht zu durchschauen”: Die “Bild”-Behauptung ist falsch.

Richtig müsste es offenbar laut Bundesfinanzministerium heißen: Ausländische Künstler haben künftig die Wahl, ob sie lieber auf ihre Nettogage für hiesige Auftritte 40 Prozent Steuern zahlen oder wie bisher auf ihr Bruttogage 20 Prozent.

Um es mit “Bild” zu sagen:

Durch hohe Aktualität, Engagement und beispiellose Nähe zum Leser versteht es BILD, Nachrichten (…) täglich auf den Punkt zu bringen.

Namen sind Schall und Dings

Lieber Franz Josef Wagner,
 
Sie denken also, wir brauchen einen Bildungsminister. Und wenn wir schon jemanden haben, dann kennen Sie seinen Namen nicht (siehe Ausriss)?!

Dr. Poehlmann behauptet ja, bei den kleinen Gedächtnisschwächen des Alltags helfe es, die Versorgung mit Vitaminen des B-Komplexes zu erhöhen. Soll angeblich bei den kleinen Gedächtnisschwächen des Alltags helfen, gegen die es ja leider noch immer kein Mittel gibt. Und wenn doch, wüsste ich nicht von wem. Will sagen: Lieber Franz Josef (oder wie sie heißen), ich verstehe Sie gut. Schließlich lese ich jeden Tag Ihre Kolumne in “Bild”, für die Sie jeden Tag eine Kolumne schreiben und für die unbedingt auch mal jemand eine Kolumne schreiben sollte. Am besten jeden Tag. Und idealerweise in “Bild”. Ich denke, wenn es so eine Kolumne schon gibt, dann sollte man sie erfinden.
 
Herzlichst,
Ihre Clarissa

Anatomie einer Sommerlochliebe

Jeden verdammten Tag muss eine Zeitungsredaktion Zeitungsseiten füllen. Sommers wie winters. Und umgekehrt. Und keine Redaktion hat so viel Übung darin wie “Bild”, beliebig wenig Material in beliebig viel Berichterstattung zu verwandeln. Nachdem sich eine Mutter “verzweifelt bei BILD” gemeldet hatte, machten sich die “Bild”-Redakteure an die Arbeit. Ein Foto-Fortsetzungsroman* in (bislang) sechs Teilen:

— Folge 1 —
Dienstag, 7. August 2007


Angeblich wichtigste Info: Eine Tochter (18) ist mit ihrem Lehrer (51) in den Urlaub gefahren und: “Ihre Mutter meldete sich verzweifelt bei BILD.”
Wichtigste Info: Die Tochter ist seit April volljährig.
Unwichtigste Erkenntnis: Das Berliner Gymnasium, das die Schülerin besucht, ist “renommiert”.
Experten: Kenneth Frisse (Sprecher der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung)
Unbeantwortetste Frage: “Wann war der Moment, als aus einer kindlichen Schwärmerei Liebe wurde?”
Unerklärlichste Ungereimtheit: Was soll eigentlich dieses kleine, stimmungsvolle Arc-de-Triomphe-Foto neben dem Handy?
Anzahl der Fotos: 4 (incl. Handydisplay & Arc de Triomphe)
Unkenntlichmachungen: 1 schwarzer Balken (Schülerin)
Anzahl der Hinterköpfe:
Anzahl der “Bild”-Autoren: 1
Attribuierungen der Beziehung: “diese Liebe”

— Folge 2 —
Donnerstag, 9. August 2007


Angeblich wichtigste Info: “Sie hat ihre Hände um seine Schultern gelegt, er tätschelt zärtlich ihre Hüfte. Die Lippen der Liebenden im See berühren sich zu einem innigen Kuss.”
Wichtigste Info: Ein Paparazzo hat Schülerin und Lehrer beim Baden im See fotografiert.
Unwichtigste Erkenntnis: “Auch die Schulbehörde ist über die bizarre Sommerliebe informiert.” (siehe wichtigste Nachricht vom Freitag)
Experten: Reimer Hinrichs (Psychoanalytiker), Andre Schindler (Sprecher des Berliner Landeselternauschusses), Rose-Marie Seggelke (Berlin-Chefin der Lehrergewerkschaft GEW), Norbert Beital (Rechtsanwalt) sowie die Schülerinnen Katharina (16), Glynis (18), Julia (19) und Sandra (18)
Unbeantwortetste Frage: “Ist dieser Kuss Sünde?”
Unerklärlichste Ungereimtheit:
Anzahl der Fotos: 13
Unkenntlichmachungen: 7 Verpixelungen (Schülerin und Lehrer)
Anzahl der Hinterköpfe: 4
Anzahl der “Bild”-Autoren: 5
Attribuierungen der Beziehung: “bizarre Sommerliebe”, “Liebes-Glück”

— Folge 3 —
Freitag, 10. August 2007


Angeblich wichtigste Info: “Jetzt spricht die Schülerin”
Wichtigste Info: “Schon Mitte Juni soll der Pädagoge seine Versetzung an eine andere Schule beantragt haben.”
Unwichtigste Erkenntnis: “Er steht auf, holt Zucker für ihren Kaffee.”
Experten:
Unbeantwortetste Fragen: Sind die Fotos, die Schülerin und Lehrer beim Eisessen zeigen, (noch) Paparazziaufnahmen oder (schon) gestellt?
Unerklärlichste Ungereimtheit: Wieso kommt, als “Bild” Schülerin und Lehrer zum Interview “in einem kleinen Ort in Brandenburg” trifft, plötzlich ein “ehemaliger Kollege des Lehrers” vorbei?
Anzahl der Fotos: 11
Unkenntlichmachungen: ca. 16,5 Verpixelungen (Schülerin und Lehrer)
Anzahl der Hinterköpfe: ca. 1,5
Anzahl der “Bild”-Autoren: unbekannt
Attribuierungen der Beziehung: “bizarrste Liebe des Sommers”, “verbotenes Glück”, “Sommerglück”, “das Glück”

— Folge 4 —
Samstag, 11. August 2007


Angeblich wichtigste Info: “Sie will ein Kind vom ihm”
Wichtigste Info: Der Lehrer lässt sich nach den Sommerferien an ein anderes Gymnasium versetzen.
Unwichtigste Erkenntnis: “Aber heute hat ihre Mutter auch Geburtstag.”
Experten: Peter Sinram (Deutschlehrer), Udo Wasse (pensionierter Englischlehrer), Harald Junge (Deutschlehrer), Dieter Schütze-Sladek (Mathelehrer)
Unbeantwortste Frage: “Aber hat ihre ungewöhnliche Liebe wirklich eine Chance?”
Unerklärlichste Ungereimtheit: —
Anzahl der Fotos:
13
Unkenntlichmachungen: 6 Verpixelungen (Lehrer)
Anzahl der Hinterköpfe: 2
Anzahl der Autoren: 5
Attribuierungen der Beziehung: “verbotenes Glück”, “ungewöhnliche Liebe”

— Folge 5 —
Montag, 13. August 2007


Angeblich wichtigste Info: “Eltern schmeißen ihre verliebte Tochter raus!”
Wichtigste Info: “In einer Woche muss er [der Lehrer] wieder unterrichten, an einer neuen Schule. (…) Der Gymnasiallehrer lebt seit Jahren von seiner Ehefrau getrennt. Demnächst ist Scheidungstermin.”
Unwichtigste Erkenntnis: Der Lehrer hilft derzeit Freunden beim Hausbau.
Experten: —
Unbeantwortetste Frage:
“Was soll ich zu ihm sagen — Schwiegeropa?”
Unerklärlichste Ungereimtheit:
Wieso behauptet die Schülerin, ihre Mutter habe zur ihr gesagt, “dass ich abhauen soll”, wo doch die Mutter zuvor via “Bild”-Zeitung “Kind, komm doch bitte heim!” flehte?
Anzahl der Fotos: 4
Unkenntlichmachungen: 1,5 Verpixelungen (Lehrer)
Anzahl der Hinterköpfe: 3,5
Anzahl der Autoren: 1
Attribuierungen der Beziehung: “Sommer-Glück”, “bizarre Liebe”

— Folge 6 —
Dienstag, 14.8.2007


Angeblich wichtigste Info: “Verliebte Schülerin ganz allein in Pariser Doppelbett”
Wichtigste Info:
Unwichtigste Erkenntnis: In Paris recherchiert die Schülerin “in der Nationalbibliothek für ihre Abiturarbeit zur Bartholomäusnacht”.
Experten:
Unbeantwortetste Frage: Ob sich die Mutter der Schülerin das wohl so gedacht hat, als sie sich “verzweifelt bei BILD” meldete?
Unerklärlichste Ungereimtheit: Wenn “Bild” seit Tagen große Fotos der Schülerin zeigt und diese seit Samstag nicht einmal mehr verpixelt, wieso nennt “Bild” sie dann immer noch bei ihrem (von “Bild” geänderten) Vornamen “Jasmin”?
Zahl der Fotos: 6
Unkenntlichmachungen: 1 Verpixelung (Lehrer)
Hinterköpfe: 0
Zahl der Autoren: 1 (“7.13 Uhr hebt ihr Flieger ab. BILD begleitet sie.”)
Attribuierungen der Beziehung: “Sommerglück”

Fortsetzung folgt?
 

— Folge 7 (Nachtrag) —
Mittwoch, 15. August 2007

Angeblich wichtigste Info:
Wichtigste Infos: “Gestern war sie in der Bibliothek, schmökerte sich durch acht Bücher. Abends genoss sie die Aussicht vom Montmatre bei einem Glas Merlot.” (Hervorhebungen von uns.)
Unwichtigste Erkenntnis: “Jetzt will der Direktor wissen, was da läuft”
Experten:
Unbeantwortetste Frage: Wie ist das eigentlich, mit einem “Bild”-Reporter und einem “Bild”-Fotografen Urlaub in Paris zu machen?
Unerklärlichste Ungereimtheit:
Anzahl der Fotos: 5
Unkenntlichmachungen: 1 Verpixelung (Lehrer)
Hinterköpfe:
Anzahl der “Bild”-Autoren: 1
Attribuierungen der Beziehung: “ihre große Liebe”

— Folge 8 (Nachtrag) —
Freitag, 17. August 2007

Angeblich wichtigste Info: “Jasmin A. (…) kommt heute zurück nach Berlin.”
Wichtigste Info:
Unwichtigste Erkenntnis:
Experten:
Unbeantwortetste Frage:
Unerklärlichste Ungereimtheit:
Anzahl der Fotos: 2
Unkenntlichmachungen: 0
Hinterköpfe: 0
Anzahl der Autoren: unbekannt
Attribuierungen der Beziehung:

Nachtrag, 20.8.2007: Am vergangenen Samstag berichtete “Bild”, dass die Schülerin “wieder in Berlin” sei (“landete um 8.32 Uhr in Tegel”). Und heute berichtet “Bild”, was eine andere junge Frau über ein Jahre zurückliegendes, angebliches Liebesverhältnis mit dem “Liebes-Lehrer” zu berichten hat. Fürs Protokoll: Auch die “Ex-Geliebte”, deren Gesicht “Bild” vollständig unkenntlich gemacht und deren Namen “Bild” geändert hat, war laut “Bild” zum Zeitpunkt des angeblichen Liebesverhältnisses volljährig.

Mit anderen Worten: Wir melden uns wieder, falls es in dieser Sache Neues zu berichten gibt.

*) Alle zusätzlichen Verpixelungen in den Ausrissen von uns.

“Fast alle Fakten falsch”

Am 21. Juli kam es auf einem Dorffest in Dußlingen zu einem folgenschweren Unfall: Nach einer technischen Panne verletzte ein Böllerschuss den 43-jährigen Klaus K. schwer am Kopf.

Und als er eine Woche später an den Folgen der Explosion starb, berichtete auch “Bild” — überregional, in großer Aufmachung (siehe Ausriss) und online:

Er wollte gucken, warum es nicht knallt
Schützen-Chef schießt sich mit Kanone in den Kopf


Er guckte ins Kanonenrohr, wo der Böller bleibt …

(…) Die Dußlinger Bürger versammeln sich. Dann zieht er die Schnur für das erste Geschoss. Rrrums! Ein Knall. Die Gemeinde klatscht. Dann zieht der Schützenchef die zweite Schnur. Aber sie reißt! Nichts passiert! Sekunden später betritt er die Absperrzone, geht auf die Böllerkanone zu: Das mit Schwarzpulver gefüllte Metallrohr ist noch immer mit dem Korken verschlossen. Er beugt sich darüber. (…)
Quelle: “Bild” vom 1.8.2007

Das “Schwäbische Tagblatt” berichtet heute jedoch, der “unwürdige” Artikel habe bei Angehörigen und Bekannten “Ärger und Wut” ausgelöst, denn:

Fast alle Fakten in dem Artikel waren falsch (…).

So bezogen sich alle Angaben zu Familienstand, Kinderzahl und Arbeitgeber in “Bild” nicht auf den vermeintlichen “Schützen-Chef” bzw. “Chef des Schützenvereins” Klaus K., sondern ganz offensichtlich auf den am Unfall völlig unbeteiligten, tatsächlichen “Schützen-Chef” Karl-Werner R. (Unfallopfer K. war dessen Stellvertreter).*

Bei derart mangelhafter Recherche (das unscharfe Opferfoto hatte “Bild” zudem offenbar ohne Genehmigung von der Internetseite des Schützenvereins kopiert) ist es dann doch erstaunlich, dass “Bild” über den Unfallhergang besser Bescheid zu wissen scheint (siehe Kasten) als Augenzeugen und Polizei. Letztere kann nur ein Fremdverschulden ausschließen, darüber, wie genau es zu dem Unglück kam, gibt es widersprüchliche Aussagen.

*) Nachdem sich Angehörige von Klaus K. bei “Bild” beschwert hatten, erschien in der örtlichen “Bild”-Regionalausgabe ein weiterer, kleiner Artikel, in dem (anlässlich der Beerdigung K.s) die falschen Angaben teilweise richtiggestellt wurden — allerdings ohne Hinweis auf die früheren Fehler, dafür aber mit dem Zusatz “BILD berichtete” und unter der Überschrift “Schützenchef beerdigt”.

Dank an Michael H. für den Hinweis und Tobias Z. für die Unterstützung.

Angelina Jolie “nackt” wie der PC sie schuf

“Bild” berichtet heute über den Film “Beowulf”, in dem u.a. Angelina Jolie mitspielt (siehe Ausriss). Naja, “berichtet” ist vielleicht zu viel gesagt. Jedenfalls schreibt “Bild”:

So freizügig zeigt sich Angelina Jolie (32) in “Beowulf” (…) Ihr Kostüm: Nix als nackt mit ein bisschen Gold!”

Allerdings ist Kostüm ein etwas altmodisches Wort für das, was auf dem Bild zu sehen ist. “Beowulf” wurde im “Performance Capture”-Verfahren gedreht, weshalb Jolies tatsächliches “Beowulf”-Kostüm auch deutlich anders aussah.

Oder wie Bild.de bereits vor fast sieben Monaten schrieb:

Die Aufnahmen sind nicht echt, sondern nur computeranimiert.

Mit Dank an Jan W. für den Hinweis.

Nachtrag, 21.20Uhr (mit Dank auch an Peter Z.): Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass sich in die 21 dünnen Textzeilen, die “Bild” dem “Nackt”-Bildchen beigestellt hat, noch ein weiterer Fehler geschlichen hat, der die Unkenntnis der “Bild”-Redaktion umso offensichtlicher macht. “Bild” schreibt nämlich, Jolie spiele “die Mutter des übernatürlichen Bösewichts Beowulf”, obwohl Beowulf doch der Held der Beowulf-Saga ist und Jolie die Mutter seines Gegenspielers Grendel spielt.

Bart Simpson ist in Wahrheit eine Zeichentrickfigur

Okay, der Einfachheit halber hätte “Bild” heute natürlich auch wieder behaupten können, der Kinofilm “Die Simpsons” sei beliebter als der aktuelle “Harry Potter”-Film, weil “Die Simpsons” in den deutschen Cinemaxx-Kinos am vergangenen Wochenende mehr als 74.000 Zuschauer hatte und “Harry Potter” nur knapp 44.000. Aber das wäre dann ja bloß wieder genauso irreführend und falsch gewesen wie vor einer Woche (weil “Harry Potter” doch schon in der vierten Woche läuft, “Die Simpsons” aber erst in der zweiten — und “Harry Potter” es in der zweiten Woche immerhin noch auf 128.000 Zuschauer brachte).

Stattdessen hat sich “Bild” heute, eine Woche nach dem letzten großen “Simpsons”-Artikel, für eine andere “Simpsons”-Enthüllung entschieden, denn:

"Was kaum einer über den frechen Kino-Star wusste: Bart Simpson ist in Wahrheit eine Frau"

Und mal abgesehen davon, dass Bart Simpson aller Wahrscheinlichkeit nach in Wahrheit keine Frau ist, sondern sowohl im US-amerikanischen Original als auch in der deutschen Synchronfassung bloß von einer Frau gesprochen wird, hält sich der Neuigkeitswert dieser Information, nun ja, in Grenzen. Schließlich ist das sowohl in den USA als auch hierzulande seit der ersten Folge so.*

Und bekannt ist es auch. Dass die Schauspielerin Sandra Schwittau Bart Simpson synchronisiert, stand — um nur eines von zahllosen Beispielen aus den vergangenen Jahren zu nennen — bereits 1999 in der “Rheinischen Post” (damals übrigens unter der Überschrift “Bart ist eine Frau” und illustriert mit demselben Schwittau-Foto, das auch “Bild” heute, fast acht Jahre später, druckt). Stern.de hatte Schwittau zusammen mit den anderen deutschen Simpsons-Stimmen 2003 interviewt und DWDL.de ohne die anderen im vergangenen Januar, auf “Spiegel Online” findet sich seit zwei Wochen ein Video, auf dem man sieht, wie Schwittau inzwischen aussieht — und in der “Bild am Sonntag” (und auf Bild.de) heißt es immerhin seit vorletztem Sonntag:

"Was ist das Besondere an Barts deutscher Synchronstimme? Der Junge (10 Jahre) wird von einer Frau gesprochen: Sandra Schwittau."

Gut möglich also, dass das, wie “Bild” heute schreibt, irgendwann mal wirklich “kaum einer (…) wusste”.

*) Anders als “Bild” behauptet, leiht Schwittau dem “Kino-Star” übrigens nicht “seit 18 Jahren” ihre Stimme, sondern seit dem deutschen Serienstart 1991.

Mit Dank an Gregor G. für die Anregung.

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