Bei Schwarzarbeit macht den Griechen keiner was vor

Die Griechen mal wieder:


(morgenpost.de)


(„Bild“-Titelseite, heute)

Die Deutschen dagegen:


(„Spiegel Online“)


(„Berliner Zeitung“)

Der Grund für die Überschriften von den fleißigen Deutschen und den schludrigen Griechen: Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) schätzt jedes Jahr den Anteil der Schwarzarbeit am Bruttoinlandsprodukt der OSZE-Länder (von „Weltmeister“, wie die Morgenpost schreibt, kann daher sowieso keine Rede sein). Heute ist die Prognose für 2016 erschienen und, was soll man sagen, die Zahlen sprechen für sich — und gegen Griechenland:

Deutsche Presse-Agentur:

Negativ-Spitzenreiter ist Griechenland mit einem Wert von 22 Prozent — fast jeder fünfte Euro, der dort erwirtschaftet wird, entstammt also der Schattenwirtschaft. Grund: Dort gelte Schwarzarbeit in der Bevölkerung als deutlich unproblematischer als in Deutschland, sagen die Experten.

„Spiegel Online“:

Negativ-Spitzenreiter ist Griechenland mit einem Wert von 22 Prozent – fast jeder fünfte Euro, der dort erwirtschaftet wird, entstammt also der Schattenwirtschaft. Der Grund: Dort gelte Schwarzarbeit in der Bevölkerung als deutlich unproblematischer als in Deutschland, sagen die Experten.

„Bild“:

Am größten ist der Schwarzarbeit-Anteil mit 22% am BIP in Griechenland.

„Berliner Morgenpost“:

Die Griechen zählen zu den negativen Spitzenreitern in der Schattenwirtschaft, dicht gefolgt von Italien, Spanien oder Portugal. Illegale Beschäftigung macht hier zwischen 17 und 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Daran ist grundsätzlich nichts falsch. Allerdings: Es gibt auch Zahlen, die für die Griechen sprechen. Denn sie sind nicht nur bei der Schwarzarbeit Spitzenreiter — sondern auch bei deren Bekämpfung.

2004 hatte Schwarzarbeit noch einen Anteil von 28,1% am BIP. Seitdem ist sie — mit Ausnahme von 2009 und 2010 — kontinuierlich gesunken. Insgesamt um 6,1 Prozentpunkte. Darüber berichtet aber keines der erwähnten Medien. Und das, obwohl das Institut extra eine verständliche Grafik angefertigt hat:

Weil sie so gut versteckt war? Naja:

Eventuell liegt es daran, dass die Nachricht so gut zu der insbesondere von der „Bild“-Zeitung immer wieder erzählten Geschichte der faulen Griechen passt.

Und vielleicht auch daran, dass man die Studie dafür hätte lesen müssen. Dann wäre den Journalisten vielleicht sogar aufgefallen, dass eine Formulierung der dpa-Meldung, die sie übernommen haben, falsch ist: 22% Anteil am BIP ist nicht „fast jeder fünfte Euro“. 22% sind mehr als jeder fünfte, nämlich fast jeder vierte Euro.

Korrektur, 4. Februar: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass die Formulierung “fast jeder fünfte Euro” doch richtig ist. Denn die 22% beziehen sich nicht auf den Anteil der Schattenwirtschaft ​am​ BIP, sondern ​im Verhältnis zum​ BIP. Wenn zu den 100% BIP noch 22% Schwarzarbeit hinzukommen, dann ist sozusagen die Gesamtwirtschaftsleistung 122% — und davon sind 22% fast ein Fünftel. Wir bitten um Entschuldigung und danken Richard und Christoph für den Hinweis.