Wenn Journalisten schreiben, sie hätten etwas “aus Kreisen” erfahren, dann entweder, weil sie ihre Quellen schützen wollen, oder, weil ihre “Quelle” die Schwägerin des Nachbarn des Hausmeisters ist.
Das “Handelsblatt” konnte gestern mit “exklusiven” Neuigkeiten aus gleich zwei Kreisen aufwarten:
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) geht bei der Vergabe der Fernsehrechte der Fußball-Bundesliga ab der Saison 2013/14 neue Wege. Eines der beiden Modelle sieht ein exklusives Ausstrahlungsfenster für Internet- und Mobilfunkfernsehen am Samstag bis 21.45 Uhr vor. Damit droht der populären “Sportschau” der ARD am frühen Samstagabend das Aus. Das erfuhr das Handelsblatt aus Unternehmenskreisen. Die DFL will durch attraktive Exklusivrechte für Web- und Mobil-Übertragungen neue Bieter anlocken und damit höhere Preise erzielen. “Der Markt wird entscheiden, ob die ‘Sportschau’ verschwinden wird”, erfuhr das Handelsblatt aus Kreisen der Profiklubs. Die DFL wollte gestern keine Stellungnahme abgeben.
Nun sind so “Unternehmenskreise” natürlich besonders nebulös. Es könnte aber gut sein, dass das “Handelsblatt” damit einfach einen Blick ins eigene Archiv meint.
Vom 2. März findet sich dort ein extrem launiger Kurzkommentar unter der Überschrift:
Von 2013 an könnten Internetunternehmen die ARD ablösen und die kurzen Zusammenfassungen der Ligaspiele anbieten. Bewegte Fußballbilder im Fernsehen gebe es dann erst ab 21.45 Uhr. (…) Noch ist die Internet-Sportschau nur eine von mehreren Ideen der DFL. Aber der Fußballfan weiß, dass das, was möglich ist, auch irgendwann gemacht wird. Und dass für die DFL – anders als für den Fan – beim Geld der Spaß aufhört.
Auslöser war wohl eine Meldung der “Süddeutschen Zeitung” vom Vortag, nach der die Deutsche Fußball Liga (DFL) erwog, “eine Art Web-‘Sportschau'” zu etablieren: “Web-TV und mobiles TV, also das Streaming im Internet und über mobile Endgeräte (iPad, iPhone)”.
Am 2. März berichtete auch “Die Welt”, einen Tag später der Kölner “Express” in kurzen Meldungen über die Pläne für eine “Web-Sportschau”.
Am 22. April tauchte das Thema dann wieder bei handelsblatt.com auf. In einem Artikel vom Sportinformationsdienst (sid) wurde unter anderem eine Umfrage zitiert, nach der “die Bundesliga durch einen Wechsel von der ARD- zur Internet-Sportschau keine Zuschauer verlieren” würde.
Der Grund für die Umfrage waren auch damals die Pläne der DFL:
Anstelle der Free-TV-Highlight-Verwertung in der ARD samstags um 18.30 Uhr soll bei dem Alternativmodell ab der Saison 2013/2014 eine Art Web-Sportschau um 19.00 Uhr den frei empfangbaren Markt bedienen. Im Free-TV soll die Zusammenfassung des Spieltags dann erst ab 21.45 Uhr zu sehen sein.
An der Nachrichtenlage hat sich seit Anfang März wenig verändert: Das Bundeskartellamt, das durch eine Befragung von Vereinen und Sendern die Spekulationen über die “Web-Sportschau” ausgelöst hatte, prüft die Vorschläge der DFL noch und die DFL selbst will sich dazu nicht äußern.
Aber wen interessiert das schon, wenn die “Sportschau” (in ihrer heutigen Form) womöglich, unter Umständen wieder mal (oder immer noch) bedroht ist?
taz.de (auch bei “6vor9” verlinkt):
Die Totengräberstimmung ist übrigens (auch) unnötig, wie Roland Peters in seinem Kommentar auf n-tv.de bemerkt:
Wenn “der Markt” tatsächlich unabhängig vom Zuschauer entscheidet, die Erstverwertungsrechte ins Internet wandern und die Bundesliga aus der regulären Sportschau verschwindet: Insgesamt gab es die Sendung 50 Jahre lang. Auch zwischen 1992 und 2003, als Privatsender die Rechte besaßen. Aus einem einfachen Grund: Sport ist eben nicht nur Fußball.
[via allesaussersport]