In der vergangenen Woche konnte man bei Twitter mal wieder viel lernen über die “Bild”-Zeitung, ihren Online-Chef und vor allem über dessen beeindruckende Unfähigkeit, mit Kritik umzugehen.
Los ging es mit diesem Tweet von uns:
Hey @Bild, gehört das eigentlich noch zu "Wir helfen" oder ist das schon eine neue Kampagne? pic.twitter.com/yjPtv4JboE
— BILDblog (@BILDblog) 23. Oktober 2015
Zwei Tage kam keine Antwort – am vergangenen Sonntag dann reagierte “Bild”-Online-Chef Julian Reichelt:
Hey @BILDblog , warum geht Ihr mit Euren zärtlichen Träumen von Zensur nicht nach Nordkorea? Die mögen Realität auch nicht.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
In Deutschland gibt es zwei ideologische Betonkopf-Vereine, die uns gern verboten sehen würden: @BILDblog und Pegida https://t.co/BqoQYNHzhI
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
. @BILDblog @BILD Da haben wir alles richtig gemacht.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
.@jreichelt Schicken Sie uns auch noch einen Beleg, dass wir @BILD, Bild.de oder sonst ein Medium “gern verboten sehen würden”?
— BILDblog (@BILDblog) 25. Oktober 2015
. @BILDblog Ihr schrecklich-ständiger Anspruch, darüber urteilen zu wollen, was berichtet/gezeigt/gesagt werden darf, verbindet Sie mit…
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
. @BILDblog …allen Verbotsregimen. Jeder Journalist kann dankbar sein, dass Pressefreiheit nicht so funktioniert wie…
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
. @BILDblog …Mats Schönauer sich das wünscht (inklusive Mats Schönauer).
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
Aber erstmal genug über uns. Reden wir über Julian Reichelt.
Der Bild.de-Chef gefällt sich in der Rolle des mutigen Aufklärers, in der des Enthüllers unbequemer Wahrheiten. Doch Kritik an sich selbst und seinem Medium kann oder will Julian Reichelt in den meisten Fällen einfach nicht ertragen, geschweige denn verstehen.
Bei Kleinigkeiten gibt er sich zwar hin und wieder einsichtig, aber wenn es um Grundsätzliches geht und vor allem um die “Bild”-Berichterstattung über Flüchtlinge, den IS oder Edward Snowden, ist man, sobald man eine andere Meinung vertritt als Reichelt, für ihn automatisch ein anti-freiheitlicher Ideologe mit verbohrten Betonkopf-Argumenten.
Statt sich ernsthaft mit ihnen auseinanderzusetzen, weicht Julian Reichelt dann allen Fragen aus, und jede Kritik an den Methoden von “Bild” ist sofort ein
Als wir kritisierten, dass “Bild” jahrelang Angst und Misstrauen gegenüber Ausländern geschürt hat, reagierte Reichelt mit einem langen Kommentar, in dem er mit keinem Wort auf unsere tatsächliche Kritik einging. Er schrieb, wir hätten ihn “als Flüchtlingshasser verleumdet” und erklärte detailliert, wie er und seine Kollegen sich persönlich für Flüchtlinge einsetzen würden. Sollten wir “Schreibtisch-Ideologen” vom BILDblog uns “auf ähnliche Weise engagiert haben”, schrieb er, würde er “das gern hören”.
Als wir darüber schrieben, dass “Bild” in der Berichterstattung über einen Prozess gegen zwei IS-Rückkehrer die Anweisung des Gerichts, die Angeklagten nicht zu zeigen, missachtet hatte, schrieb Reichelt, wir hätten “Mitgefühl für Mörderbanden, die Journalisten den Kopf abschneiden” und würden uns “als Schutzmacht von ISIS-Anhängern” positionieren.
Nun also die Unterstellung, BILDblog wolle “Bild” verboten sehen. Wir wissen selbst nicht, wie er darauf kommt (zur Erinnerung: Ausgangspunkt war unsere Kritik an Schlagzeilen wie “Jetzt kommen die Afghanen”), darum noch mal:
.@jreichelt Schicken Sie uns auch noch einen Beleg, dass wir @BILD, Bild.de oder sonst ein Medium “gern verboten sehen würden”?
— BILDblog (@BILDblog) 25. Oktober 2015
. @BILDblog Die Übergabe von @niggi an Schönauer markiert den Schritt vom sinnvollen Watchblog zur Zensurbehörde mit Allmachtsphantasien.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 25. Oktober 2015
Kurzer Einwurf von Lukas Heinser (BILDblog-Chefredakteur 2010-2014):
.@jreichelt Oh je. Nicht mal die Chronologie der @BILDblog-Chefredakteure kriegen Sie Vorzeigejournalist auf die Kette.
— Lukas Heinser (@einheinser) 25. Oktober 2015
Jedenfalls:
.@jreichelt Schicken Sie uns auch noch einen Beleg, dass wir … ach, vergessen Sie’s.
— BILDblog (@BILDblog) 25. Oktober 2015
Danach war erstmal Ruhe, und kurz waren wir so naiv anzunehmen, Reichelt hätte es tatsächlich eingesehen.
Am nächsten Tag aber:
. @BILDblog Sie sind geistige Brandstifter. Mehr Beleg für autoritäre Verbotsphantasien braucht es nicht. pic.twitter.com/Gb6dDkx6cx
— Julian Reichelt (@jreichelt) 26. Oktober 2015
Die Fotos wurden getwittert, nachdem wir dazu aufgerufen hatten, die ungefragt an alle Haushalte zugestellte Gratis-“Bild” zu zerknüllen und in die Mülltonne zu schmeißen. Ein paar Leute hatten andere Ideen und steckten ihre Ausgabe ins Klo oder ließen ihre Haustiere ihr Geschäft darauf machen oder verbrannten sie. Solche Fotos haben wir ignoriert und bewusst nicht in die #BILDindieTonne-Sammlung aufgenommen, weil wir sie natürlich für überzogen und unangebracht halten. Nicht ohne Grund haben wir zum Zerknüllen und nicht zum Verbrennen aufgerufen.
Doch Julian Reichelt dienen diese Fotos anderer jetzt als Beleg für unsere nordkoreanischen Verbotsphantasien.
.@jreichelt Schicken Sie uns auch noch einen Beleg, dass es unsere Idee war, die @BILD-Zeitung zu verbrennen?
— BILDblog (@BILDblog) 26. Oktober 2015
. @BILDblog Wo genau distanzieren Sie sich denn von diesem Dreck, der da unter Ihrer Fahne, nach Ihrem Aufruf veröffentlicht wird?
— Julian Reichelt (@jreichelt) 26. Oktober 2015
.@jreichelt Ach, man muss sich von allem, was seine Leser tun, distanzieren? Dann haben sie ja ne Nachtschicht vor sich.
— BILDblog (@BILDblog) 26. Oktober 2015
.@jreichelt Und der Vollständigkeit halber: Wir haben explizit nur zum "Zerknüllen" aufgerufen und Feuer-Fotos nicht veröffentlicht.
— BILDblog (@BILDblog) 26. Oktober 2015
. @BILDblog Also finden Sie es falsch, Druckerzeugnisse zu verbrennen, wollen sich aber nicht distanzieren, weil es sich um BILD handelt?
— Julian Reichelt (@jreichelt) 26. Oktober 2015
. @BILDblog Sie schaffen es nicht, sich von Menschen zu distanzieren, die Meinungen anzünden. Das macht Sie zu geistigen Brandstiftern.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 26. Oktober 2015
Am Dienstag ging’s weiter:
In Zeiten, in denen Menschen verbrannt werden, schafft @BILDblog es aus ideologischer Borniertheit und historischer Blindheit nicht,…
— Julian Reichelt (@jreichelt) 27. Oktober 2015
…sich klar und eindeutig von Schrift-Verbrennung zu distanzieren. Das zeugt von anti-freiheitlicher Mentalität.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 27. Oktober 2015
Mittwoch:
Tja, und nun, @BILDblog ? Schaffen Sie es immer noch nicht, sich von solchem Dreck zu distanzieren? Die Geister, die Sie riefen, Schönauer!
— Julian Reichelt (@jreichelt) 28. Oktober 2015
Ist das eigentlich ernst gemeint von @jreichelt, dass sich der @BILDblog von irgendwelchen Verbrennungsaktionen distanzieren soll?! #blöd
— Steffen K. (@b0ns4i) 28. Oktober 2015
. @b0ns4i Ja, das ist ernst gemeint. Kann @BILDblog aber seit Tagen nicht, weil Schönauer und Co dieselbe Verbrenner-Mentalität haben.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 28. Oktober 2015
Donnerstag:
Heute schon zur Verbrennung von irgendwas aufgerufen, @BILDblog ?
— Julian Reichelt (@jreichelt) 29. Oktober 2015
Bei solchen “Diskussionen” wirkt Julian Reichelt, als würde er in einer eigenen Welt leben, in der er die Dinge anders wahrnimmt oder wahrnehmen will. Wer die „Bild“-Zeitung für ihre Berichterstattung über Terroristen kritisiert, muss ein Sympathisant von Terroristen sein. Wer kritisiert, dass “Bild” Angst vor Flüchtlingen schürt, soll doch bitteschön mal erzählen, was er persönlich Gutes für Flüchtlinge tut. Wir haben nie das Verbot von “Bild” gefordert, aber Reichelt behauptet es einfach und vergleicht uns mit “Pegida”. Und wenn er dafür keinen Beweis findet, dann sucht er sich vier Bilder von brennenden “Bild”-Zeitungen raus und wirft uns damit diktatorische Zensurphantasien vor.
Natürlich können die Leute von “Bild” widersprechen, wenn wir ihre Arbeit kritisieren, aber Kritiker derart zu diffamieren und ihnen Dinge zu unterstellen, sagt viel aus über Julian Reichelts Verständnis von Meinungsfreiheit.
Siehe auch (aus unserem Julian-Reichelt-Twitter-Perlen-Archiv):
Nachtrag, 2. November:
Wie @jreichelt daran scheitert, Kritik von Zensur zu unterscheiden: https://t.co/k2zn9AbO6f
— BILDblog (@BILDblog) 1. November 2015
Wie die Brandstifter von @BILDblog daran scheitern, sich klar von der Verbrennung von Meinungen zu distanzieren. https://t.co/Foj4H93E0b
— Julian Reichelt (@jreichelt) 1. November 2015
Verbrennung ist nicht "unangebracht", sondern abstoßend, liebes @BILDblog . Sie scheitern kläglich daran, die… pic.twitter.com/mstgWAHSBY
— Julian Reichelt (@jreichelt) 1. November 2015
. @BILDblog …richtigen Worte für den dumpfen, stumpfen, freiheitsverachtenden Geist Ihrer Fans zu finden. Das ist Gemeinmachung.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 1. November 2015
Gibt für mich kaum einen schöneren Sound als das hilflose Gejaule und Gezeter der @BILDblog Community.
— Julian Reichelt (@jreichelt) 1. November 2015