Sendezeit für Corona-Leugner, Streecks Irritationen, G20-Urteil

1. Falschaussagen: Bhakdi darf im MDR und HR Corona-Fakes verbreiten
(volksverpetzer.de, Thomas Laschyk)
Die Thesen von Prof. Sucharit Bhakdi zum Coronavirus gelten in der Fachwelt als unwissenschaftlich und wurden in Faktenchecks wiederholt als falsch (ZDF/SWR3) oder unbelegt (“Correctiv”) entlarvt. Obwohl dies allgemein bekannt ist, haben der MDR und später der der Hessische Rundfunk (hr) ein Interview mit dem Corona-Leugner gesendet und dabei dessen Falschbehauptungen unwidersprochen verbreitet. Thomas Laschyk vom “Volksverpetzer” hat den Vorgang aufgearbeitet und kommentiert: “Es ist richtig, dass man auch die Thesen der Pandemie-Leugner:innen debattieren und diskutieren muss, es ist jedoch höchst fatal, wenn in der Wissenschaft diskreditierte Fake-Verbreiter wie Bhakdi einfach ihre falschen Thesen auf einer derart prominenten Plattform verbreiten dürfen. Ohne dass die Behauptungen live kritisch hinterfragt werden oder zumindest mitsamt Faktencheck präsentiert werden.”
Weiterer Lesehinweis: Bei netzpolitik.org kommentiert Jana Ballweber: “Man kann nicht erwarten, dass Laien zwischen der Glaubwürdigkeit von Virologe Christian Drosten und Epidemiologe Sucharit Bhakdi unterscheiden können. Und genau das ist die entscheidende Aufgabe der Medien in derartigen Krisensituationen. Einschätzen, einordnen, informieren. Ich muss mich als Laie darauf verlassen können, dass ein Wissenschaftler, der von seriösen Journalist:innen interviewt wird und dessen Thesen in diesem Interview unwidersprochen und unwiderlegt bleiben, keinen Mist verzapft. Es ist der Job der Redaktion, so etwas vorher zu prüfen.” Anmerkung des Kurators: Mittlerweile hat sich zusätzlich herausgestellt, dass der hr die Fragen des MDR-Interviews neu eingesprochen und seinen Hörern und Hörerinnen als eigenes Live-Gespräch untergeschoben hat. Der Sender hat jedoch einen Faktencheck zu den Aussagen Bhakdis nachgeliefert (Audio, 7:06 Minuten).

2. Über ein erstaunlich veränderliches Interview mit Hendrik Streeck
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Immer wieder gibt es Diskussionen um die Autorisierung von Interviews. Häufig wollen die Interviewten nachträglich ihre Antworten ändern. Im vorliegenden Fall habe der Virologe Hendrik Streeck vom Magazin “Cicero” zusätzlich verlangt, nachträglich die Fragen zu ändern. Medienjournalist Stefan Niggemeier hat den bemerkenswerten Vorgang auseinandergedröselt.
Weiterer Lesehinweis: Auf Facebook kommentiert Dirk Specht die jüngsten Streeck-Aussagen bei n-tv: “Es ist sehr ärgerlich, dass er immer wieder seine Statements abgeben darf, denen zu folge dieses oder jenes übertrieben ist, wir lernen müssten, mit dem Virus zu leben – und kein Journalist fragt ihn mal glasklar, welche Strategie er denn konkret für richtig hält und welche Ergebnisse er dabei erwartet. So kommt er immer smart vom Hof, indem er sich als der alle beruhigende Anti-Paniker geriert, der genau genommen immer nur opportunistisch die leichten Dinge äußert, nämlich, welche Unannehmlichkeiten man seiner Ansicht nach nicht braucht.”
Zusätzlicher Guckhinweis: Beim “Maischberger”-Talk findet Hendrik Streeck es “müßig, über Todesfälle zu reden” (twitter.com, Video: 0:41 Minuten).

3. Auf Facebook geht es um Leben und Tod
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Facebook hat lange Zeit nach Meinung vieler Kritikerinnen und Kritiker zu wenig gegen Falschnachrichten und Hetze unternommen, doch nun legt das Unternehmen ein geradezu schwindelerregendes Tempo vor. Innerhalb einer Woche ging es gegen den Verschwörungskult QAnon vor, verbot die Holocaustleugung auf der eigenen Plattform und akzeptiert nun keine Anzeigen von Impfgegnern mehr. Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Und warum ausgerechnet jetzt, drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl in den USA? Patrick Beuth versucht, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

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4. Vertrauen in Medien steigt, Misstrauen auch
(deutschlandfunk.de, Samira El Ouassil)
Deutschlandfunk-Kolumnistin und Kommunikationswissenschaftlerin Samira El Ouassil stellt ein zunächst paradox klingendes Phänomen fest: Das Vertrauen in die Medien sei merklich gestiegen. Gleichzeitig habe sich “eine Art nutzergenerierte Gegenkultur der Desinformationsvermittlung” entwickelt, die sich auf Plätzen wie Telegram und WhatsApp breitmache: “Je mehr es Rezipienten leicht fallen kann, den Medien Vertrauen entgegen zu bringen, desto anfälliger für eine Gegenbewegung des Misstrauens sind die, die Politik und Medien sowieso nicht glauben.”

5. “Fahn­dungs­aufruf” der Bild-Zei­tung nach G20-Gipfel war recht­mäßig
(lto.de, Martin W. Huff)
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg im Jahr 2017 hatte die “Bild”-Redaktion einen Fahndungsaufruf mit Fotos von Beteiligten veröffentlicht. Dagegen wehrte sich eine der abgebildeten Personen zunächst erfolgreich, unterlag nun jedoch vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Zu Recht, wie der Jurist Martin W. Huff findet: “Es handelte sich tatsächlich bei der gesamten Berichterstattung über den G20-Gipfel um ein Ereignis der Zeitgeschichte, bei dem auch die Wort-Berichterstattung mit Bildern versehen werden durfte. Dass die Klägerin unter Umständen von einem engen Personenkreis hätte identifiziert werden können, muss hier, so der BGH zu Recht, hinter dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit zurückstehen.”

6. Die Ehre genommen
(sueddeutsche.de, Moritz Fehrle)
Mit einer fünfteiligen Youtube-Miniserie will das Familienministerium junge Menschen für Pflegeberufe begeistern (Episode 1, Episode 2, Episode 3, Episode 4, Episode 5). Eine Aktion, die nach Moritz Fehrles Ansicht spektakulär misslungen ist: “Die Imagekampagne wagt nie den Versuch, ein realistisches Bild von Ausbildung und Beruf zu vermitteln, sondern bleibt ganz im Rahmen einer dumpfen Klassenzimmerkomödie.”
Weitere Guckempfehlung: Auch Philipp Walulis kann den Filmchen wenig abgewinnen – Teuer und peinlich: Netflix-Stars und Ministerium produzieren “Ehrenpflegas”-Serie (youtube.com, Video: 8:37 Minuten).