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Kurz korrigiert (95)

“Welche Filme lieben Sie, Tom Hanks?”, fragt “Bild”-Kolumnist Norbert Körzdörfer heute im zweiten Teil seines “Welt-Exklusiv!”-Interviews. Angeblich soll Hanks darauf u.a. geantwortet haben:

Wehe, Sie haben Gus Van Sant’s “Elefanten-Mann” nicht gesehen!

Und dass er das wirklich so gesagt hat, ist eher unwahrscheinlich. Gus Van Sant hat nämlich überhaupt keinen Film dieses Namens gemacht. Wahrscheinlich meinte Hanks also Gus Van Sants “Elephant”. Den hat Körzdörfer aber offenbar nicht gesehen und ihn wohl mit David Lynchs “The Elephant Man” verwechselt. Der heißt auf deutsch übrigens “Der Elefantenmensch” und handelt im Gegensatz zu “Elephant” von einem Mann, der am Proteus-Syndrom litt.

Mit Dank an Reinhard T. für den sachdienlichen Hinweis.

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Siehst du das, Norbert!?

Neulich rief eine Freundin aus München an und sagte, dass dort heftiges Schneetreiben herrscht. Der hab ich aber die Meinung gesagt. Erst habe ich ihr ausführlich beschrieben, wie das war, als mir in München so richtig die Sonne auf den Pelz brannte, der Himmel klar, die Luft mild. Und dann habe ich ihr, um sie vollends der Lüge zu überführen, Fotos geschickt von München im strahlenden Sonnenschein, Aufnahmen aus meinem letzten Sommerurlaub da unten. Die blöde Kuh.

Norbert Körzdörfer sieht das genauso. Der “Bild”-Kolumnist und offizielle “Berater des Chefredakteurs” widerlegte gestern in “Bild” einen aktuellen Bericht, wonach sich sein Freund Tom Cruise und dessen Freundin Katie Holmes getrennt hätten. Aber sowas von.

Die beiden können sich gar nicht getrennt haben, denn Körzdörfer hat sie getroffen. “Exklusiv für BILD”. In Shanghai. Am letzten Drehtag für “Mission Impossible III”.

Sein Sonnenbrillen-Blick streichelt über den schwangeren Bauch von Katie Holmes (…). “Siehst du das, Norbert!? Hab ich es dir nicht gesagt: Diese Frau lass’ ich nie mehr los!”

Na also. Norbert hat es gesehen. Alle Trennungs-Gerüchte: Lügen. Und dass dieser eindrucksvolle Sonnenbrillen-Blick, wenn er am letzten Drehtag von “Mission Impossible III” stattfand, immerhin schon zweieinhalb Monate zurückliegt — diese kleine Information hat Körzdörfer sicher nur vor lauter Rührung vergessen zu erwähnen.

Aber “Bild” hat noch andere Beweise.

Schein-Liebe? Ein Foto dementiert die Schlagzeilen: Tom Cruise (43) und Katie Holmes (27, im 7. Monat) küssen sich — öffentlich!

Das Foto, das die aktuellen Schlagzeilen “dementiert”, ist übrigens vor einem Monat aufgenommen worden: am 16. Januar am Rande eines Fußballspiels in Santa Monica. Das kann man auf der Homepage der Agentur nachlesen, aber leider nicht in “Bild”.

Mit der gleichen Methode könnte “Bild” auch beweisen, dass Jenny Elvers noch mit Heiner Lauterbach zusammen ist, Yvonne Wussow mit Klausjürgen Wussow und Adolf Hitler mit Eva Braun.

Wobei das Datum der Aufnahme fast egal ist, wenn man glaubt, mit einem öffentlichen Kuss beweisen zu können, dass zwei Menschen nicht nur zum Schein für die Öffentlichkeit zusammen sind. Norbert Körzdörfer glaubt das bestimmt. Norbert Körzdörfer beschreibt nämlich auch, wie sein Freund Tom Cruise seine Freundin Katie Holmes küsst, “so schön, daß ich wegschaue”, und weiß:

Körpersprache lügt nicht.

Außer vielleicht, wenn man das wirklich lange trainiert. Was macht Tom Cruise eigentlich nochmal beruflich?

Danke an Christoph A. für den Hinweis!

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PR für Scientology (II)

Heute ist der letzte Teil einer “Bild”-Serie von Norbert Körzdörfer über Tom Cruise erschienen. Mit grenzenloser Bewunderung hat der “Bild”-Reporter drei Tage nacheinander jeweils ganzseitig vor allem immer wieder eines beschrieben: Wie der Schauspieler es geschafft hat, “von ganz unten nach ganz oben” zu kommen.

An einer Stelle lässt Körzdörfer Cruise erklären, was seinem Leben die entscheidende Wendung gegeben hat:

“Erst ein Lerntechnik-Buch von Ron Hubbard († 1986, Gründer von ‘Scientology’, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird) hat aus mir einen neuen Menschen gemacht! Sonst wäre ich nicht das, was ich heute bin… Alle fragen: ‘Wie hast du das geschafft?’ So! Lernen, lernen, lernen! Soll ich lügen?”

Es gibt in den vielen Hundert Zeilen der Serie keine einzige Stelle, an der Körzdörfer den Hauch eines Zweifels erkennen lässt an dem Weg, den Tom Cruise gegangen ist, keine Nachfrage, keine Distanz. Im Gegenteil. Bevor Körzdörfer sich von Cruise verabschiedet (“Wir umarmen uns. Wir lassen uns los. Wir gehen unsere Wege”), urteilt er:

Tom steht zu dem Weg, den er gegangen ist. Er lügt nicht. Er verbirgt nichts.

Körzdörfers Bewunderung beschränkt sich nicht auf den Hollywood-Star Cruise, sie bezieht sich auf den ganzen Menschen, den er als in jeder Hinsicht bewundernswert beschreibt. Wer alle Teile der Serie liest, muss zu dem Schluss kommen, dass das Erfolgsgeheimnis von Cruise Scientology ist. Nur an zwei Stellen erwähnt Körzdörfer den Namen dieser Organisation — beide Male im denkbar positivsten Zusammenhang. Der eine Satz ist der oben zitierte. Darin bleibt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht nur unerklärt; der Hinweis darauf wird auch so versteckt, dass er die Botschaft kaum verstellt: “[Die Scientology-Methode] … hat aus mir einen neuen Menschen gemacht”. Der zweite Satz lautet so:

Er kämpft als Vater, Star – und “Scientologe” – gegen Psychopillen für Schüler, gegen Drogen, gegen Kriminalität!

Scientologen, so vermittelt Körzdörfer in “Bild”, werden aus unerfindlichen Gründen vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet, dabei machen sie aus erfolglosen Menschen erfolgreiche Menschen und kämpfen gegen das Böse in der Welt.

Wenn Scientology für viel Geld einen Artikel in Auftrag gegeben hätte, der das Wirken und Wesen der Organisation in einem grenzenlos positiven Licht zeigen soll — er hätte nicht besser ausfallen können als diese “Bild”-Serie.

Cruise selbst mischt konsequent Werbung für seinen neuen Film mit Werbung für Scientology. Laut “Berliner Zeitung” bestand er beim Dreh darauf, ein Scientology-Info-Zelt aufstellen zu lassen; “beinah alle Journalisten, die ein Interview mit ihm führen wollten, [mussten] erst eine vierstündige Besichtigungstour durchs Scientology-Quartier bewältigen.” Während der Europapremiere in Berlin wurde “auf der anderen Straßenseite derweil an einem Stand Werbung für Schriften des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard gemacht”, schreibt die “Berliner Morgenpost”. Welche Bedeutung die Organisation für sein Leben hat, geht auch aus einem erstaunlichen Interview im aktuellen “Focus” hervor.

Am Montag, als der erste Teil der Serie mit einer fast werblichen Beschreibung der Arbeit der umstrittenen Scientology-Organisation “Narconon” erschien, haben wir “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich telefonisch und in zwei E-Mails um eine Stellungnahme gebeten. Wir schilderten den Fall und stellten folgende Fragen:

  • Warum wirbt “Bild” für Scientology?
  • Warum verschweigt “Bild” die Gefahren von Narconon?
  • Hält “Bild” Scientology für eine unbedenkliche Organisation?
  • Hält “Bild” Narconon für ein unbedenkliches Verfahren?
  • Was antwortet “Bild” dem naheliegenden Vorwurf, sich für einen “Exklusiv”-Besuch bei Tom Cruise für Scientology-PR missbrauchen zu lassen?

“Bild” hat darauf nicht geanwortet.

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“Bild” rühmt Scientology-Organisation

Eigentlich sollte der Name “Scientology” bekannt genug sein, um jeden Journalisten zu warnen. Um ihn dazu zu bringen, ein bisschen zu recherchieren, bevor er sich auf ein “exklusives” Interview mit einem bekennenden Scientology-Mitglied einlässt. Damit er nicht durch Unbedarftheit Teil der PR-Maschine einer Organisation wird, die laut Verfassungsschutz ein “gut funktionierendes Unternehmen” ist, “das vor allem das rücksichtslose Gewinnstreben zur Handlungsmaxime erklärt hat und auch danach verfährt” und dessen Praktiken nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes 1995 als “menschenverachtend” und für Betroffene “gesundheitsgefährdend” zu werten sind.

“Bild”-Reporter Norbert Körzdörfer hätte vor seinem Besuch bei Tom Cruise nicht viel im Internet recherchieren müssen, um das herauszufinden. Er hätte auch in irgendeinem Archiv nachlesen können, was von der Organisation “Narconon” zu halten ist, deren Center in Oklahoma er mit Cruise besuchte — Körzdörfer nennt es treuherzig ein “Drogen-Rehabilitationszentrum”.

Der “Spiegel” berichtete 1991:

Die geschäftstüchtige Scientology-Sekte verdient zunehmend am Elend von Süchtigen. Der Tarnverein Narconon bietet eine Therapie an, die nach Ansicht von Suchtexperten und Fachärzten nicht nur nutzlos, sondern auch gesundheitsschädlich ist. Ehemalige Narconon-Patienten sprechen von folterähnlichen Ritualen. (…)

Mit untauglichen Methoden versuchen sich Anhänger der weltweiten Psycho-Sekte Scientology (…) im Rauschmittel-Entzug. Das Ergebnis ist meist nur neue Abhängigkeit: Statt Koks oder Heroin verabreicht Narconon die Seelen-Droge Scientology.

Die “FAZ” zitierte 1997 den Bayerischen Innenminister Günther Beckstein:

(…) die [Scientology-]Unterorganisation “Narconon” behaupte, jungen Rauschgiftabhängigen helfen zu können. In Wirklichkeit gehe es darum, die Eltern auszubeuten, sie und ihre Kinder aber einfach fallenzulassen, wenn kein Geld mehr da sei.

Die “Welt”, eine Schwesterzeitung von “Bild”, schrieb 2002, dass der Berliner Drogenbeauftragte bereits 1978 “eindringlich vor Narconon” gewarnt habe:

So bestehe unter anderem die “Gefahr einer irrationalen Anpassung an die hausinterne Hierarchie” des Programms.

Und als der “Spiegel” am 25. April 2005 ein Interview mit Tom Cruise führte (englische Version), kam es zu folgendem Wortwechsel:

Cruise: Ich bin ein Helfer. Ich selbst habe zum Beispiel Hunderten Leuten geholfen, von Drogen loszukommen. Wir bei Scientology haben das einzig erfolgreiche Drogen-Rehabilitationsprogramm der Welt. Es heißt Narconon.

SPIEGEL: Das stimmt nicht. Unter den anerkannten Entzugsverfahren taucht Ihres nirgends auf; unabhängige Mediziner warnen davor, weil es auf Pseudowissenschaft beruhe.

Cruise: Sie verstehen nicht, was ich sage. Es ist eine statistisch erwiesene Tatsache, dass es nur ein erfolgreiches Drogen-Rehabilitationsprogramm gibt in der Welt. Punkt.

SPIEGEL: Bei allem Respekt: Wir bezweifeln das, Mr. Cruise.

Nun aber durfte “Bild”-Reporter Norbert Körzdörfer Tom Cruise besuchen — “exklusiv. Live. In Amerika.” Schon vor zwei Wochen ließ er sich glücklich mit Cruise fotografieren (siehe Ausrisse) und schwärmte außerordentlich vom Treffen mit dem “begehrtesten Mann des Planeten”, dem “Star der Stars, Hollywoods Nr. 1”, einer “Ikone der Jetzt-Zeit”, “mit einer Aura emotionaler Intelligenz”. Jetzt nennt Körzdörfer Cruise u.a. “Ein Mann! Eine Ikone!”, “Hollywoods Mega-Star Nr. 1”, “Mega-Weltstar Nr. 1”, “Mehr Mensch als Star”, “den ‘5-Milliarden-Dollar-Mann’ (Einspielergebnisse)”:

Er kämpft als Vater, Star – und “Scientologe” – gegen Psychopillen für Schüler, gegen Drogen, gegen Kriminalität!

Nur in einer Klammer schreibt Körzdörfer, dass Scientology “in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet” wird — erklärt aber nicht einmal im Ansatz, warum das so ist und was Scientology überhaupt ist. Dann zitiert Körzdörfer Cruise mit den Worten: “Ich will das Richtige tun. Ich will helfen! Komm mit!” Der Artikel geht wie folgt weiter:

Tom schlüpft in seine beige „Belstaff“-Lederjacke. Ein Jeep bringt uns zum “Narconon”-Center (Drogen-Rehabilitationszentrum).

Tom führt mich. Tom zeigt die Krankenzimmer. Die Helfer. Und die traurigen Augen der Patienten, die freiwillig gekommen sind, um aus ihrer eigenen Drogenhölle auszubrechen.

Diese Augen lächeln, wenn sie Tom Cruise sehen: “80 Prozent dieser Menschen schaffen es, die Drogen zu besiegen… ”

Tom schreitet wie ein Cowboy durch diese Gänge der schmerzenden Hoffnung. Seine Körpersprache atmet Demut. Er lauscht. Ernst. Er preßt seine Lippen zusammen. Er nickt. Er ballt die Faust: “Ihr schafft das!” Seine Augen lächeln zurück.

Tom ist kein Gott. Er ist verdammt menschlich. Er ist der Action-Star seines eigenen Lebens – live: “Es gibt so viel Leid! Ich muß helfen. Wenn ich am Ende des Tages meine Kinder sehe, will ich etwas Gutes getan haben…”

Man könnte nun staunen über die Naivität des “Bild”-Reporters, wenn da nicht ein Wort in diesem Text wäre, das darauf hindeuten könnte, dass er die Vorwürfe gegen “Narconon” sehr wohl kennt. Es ist das scheinbar überflüssige Wort “freiwillig” in dem Satz: “Und die traurigen Augen der Patienten, die freiwillig gekommen sind, um aus ihrer eigenen Drogenhölle auszubrechen.” Man könnte auf den Gedanken kommen, dass Körzdörfer nicht versehentlich, sondern wissentlich Werbung für Scientology macht.

Wir haben die “Bild”-Zeitung heute gegen 14 Uhr um eine Stellungnahme gebeten, aber bislang keine Antwort erhalten. Weiterführende kritische Auseinandersetzungen mit “Narconon” finden sich hier, hier, hier und hier. Danke an Jan T. und andere Hinweisgeber.

Nachtrag 28. Juni. Übrigens hatte auch Christiane F. (“Wir Kinder vom Bahnhof Zoo”) Narconon-Erfahrungen.

Alle Hervorhebungen in den Zitaten von uns.

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