Vor inzwischen fünf Jahren hat die “taz” diesen Kinospot produzieren lassen, in dem “Bild” eine “unlautere vergleichende Werbung” sah. Die Axel Springer AG ging gerichtlich dagegen vor und bekam vor dem Land- und dem Oberlandesgericht Hamburg Recht. Im vergangenen Herbst hob der Bundesgerichtshof die Hamburger Urteile auf und entschied, dass der Spot gezeigt werden darf (BILDblog berichtete).
Genau wegen dieses Spots trafen sich die Prozessbeteiligten kürzlich vor Gericht wieder: Die “taz” hatte einen Zivilprozess gegen Springer angestrengt, um Entschädigung zu bekommen. Entschädigung für den Ausfall, der dadurch entstanden war, dass der aufwendig produzierte Spot wegen des Vorgehens von “Bild” sehr viel kürzer in den Kinos zu sehen war, als ursprünglich geplant.
Das Landgericht Berlin entschied jetzt, dass Springer den anteiligen Ausfall ersetzen muss: Laut “taz” 21.414,90 Euro zzgl. Zinsen, insgesamt 28.149,40 Euro. Der Verlag kann noch in Revision gehen, wonach es nach Aussage der “taz” im Moment aber nicht aussieht.
Es ist keine leichte Situation für Heiko Herrlich, den Trainer des VfL Bochum: Nach einer Phase relativen Erfolgs zu Beginn des Jahres steht es sportlich nicht zum Besten; die Spieler kommen nach Kriterien zum Einsatz, die für Außenstehende häufig eher an Willkür denn an ein System erinnern, und Herrlichs Reaktionen auf die Leistungen der Mannschaft wirken in der Regel phrasenhaft und unkritisch.
Diese Ausgangslage ermöglicht es der “Bild”-Zeitung, die Herrlich seit Wochen auf dem Kieker hat, seinen Rücktritt immer unverhohlener zu fordern.
Am Mittwoch war Pressekonferenz beim VfL Bochum: Heiko Herrlich stärkte seiner Mannschaft den Rücken und kritisierte die Kritiker von außerhalb. Als Joachim Droll, “Bild”-Abgesandter für den VfL, dann von Herrlich wissen wollte, ob ihm nicht langsam Selbstzweifel kämen, wurde der Trainer plötzlich grundsätzlich und referierte mit ruhiger Stimme (Video-Ausschnitt):
Wissen Sie, Herr Droll: Ich hab schon viele schwierige Phasen in meinem Leben durchgemacht, auch sportlich, glauben Sie mir das. Und das hier, die Situation treibt mir auf keinen Fall den Puls hoch — auch wenn Sie das morgen wieder ganz anders schreiben. Das macht ihr sowieso, wie ihr wollt: Ich weiß noch in Phasen, wo es sehr gut lief, wo ihr ein Interview mit mir machen wolltet und ich das abgelehnt hab’, weil ich gesagt hab’, die Mannschaft muss im Vordergrund jetzt stehen.
Und ich weiß auch, dass es da vielleicht ‘nen Bumerang gibt, ne? Weil ihr das halt nicht gewohnt seid, dass euch jemand die Stirn bietet und sagt: “Nö, ich möcht’ nicht bei euch in der Zeitung stehen.” Aber das ist für mich kein Problem, ich werd’ meinen Weg weiter gehen und werd’ aufrichtig bleiben.
(lange Pause)
Auch ohne euch. Können Sie einem Ihrer Chefredakteure sagen!
Man könnte Herrlichs Aussagen “überraschend” nennen, “aufrichtig” oder “selbstbewusst”. Einem “Bild”-Mitarbeiter fallen da jedoch ganz andere Adjektive ein, wie Droll sogleich bewies, als er zu Herrlich sagte: “Jetzt das wirkt schon ein bisschen dünnhäutig, sag ich Dir schon ganz ehrlich …”
Woraufhin Herrlich sich in seiner Bewertung der “Bild”-Zeitung zu immer weiteren Höhen aufschwang:
Nein! Das interpretieren Sie so! Überhaupt nicht! Ich weiß nur, was die letzten Wochen … die Art und Weise, wie ihr recherchiert habt. Wir unterhalten uns intern auch schon mit den Spielern. Und Günter Wallraff hat das schon vor langer, langer Zeit festgestellt: Da hat sich leider nicht viel geändert.
(lange Pause)
Und drücken Sie auf Aufnahme, dass ich’s meinen Kindern irgendwann zeigen kann: Euch gegenüber, Ihnen gegenüber bleib’ ich aufrichtig. Die werden stolz sein auf mich, irgendwann.
In Drolls Bericht über die Pressekonferenz kommt von all dem erwartungsgemäß nichts vor. Dort ist von einem “peinlichen Rundumschlag” die Rede.
Aber auch anderenMedienvertretern war Herrlichs Angriff auf “Bild” keine Zeile wert: Sie zitierten ihn lieber ohne Zusammenhang. Nur der “Südkurier” spricht von einer “Wutrede” gegen eine “nicht näher benannte Zeitung”.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Fake TV: Reklame statt Recherche” (ndr.de, Video, 7:48 Minuten)
Wie Bildmaterial, das im Auftrag von Firmen hergestellt wurde, seinen Weg in den Nachrichtenteil des Fernsehprogramms findet.
2. “Angriff ist die beste Verteidigung” (medienspiegel.ch, Ugugu)
10 Tipps für von der Entlassung bedrohte Journalisten. Punkt 6: “Maximalforderungen aufstellen: Mehr Personal, 7 Wochen Ferien, mehr Mitarbeiterbeteiligung, mehr Weiterbildung. Je unrealistischer, desto besser. Minimalforderungen bereithalten: Keine Entlassungen, Teilzeitpensen, akzeptable Sozialpläne für freiwillige Ausreisser”.
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1. “Abmahnrepublik Deutschland (I)” (carta.info, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal sieht im deutschen Abmahnwesen eine ernste Einschränkung der Meinungsfreiheit; “durch Schocktherapie” sollen Publizisten mundtot gemacht werden. “Ohne Vorwarnung sind brachiale Summen im Spiel. Streitwerte von 100.000 Euro. Anwaltskosten von mehreren tausend Euro. Schadenersatz von vielen tausend Euro. Einschüchterungssummen. Das einstmals gute Recht der Abmahnung ist pervertiert.”
2. “Es ist ZEIT zu widersprechen II” (freischreiber.de)
Der Berufsverband “Freischreiber” geht auf einzelne Punkte des Briefs ein, den der Zeit-Verlag kürzlich an seine freien Mitarbeiter verschickte. “Die Urheber zu enteignen und mit ihren Werken in Zukunft allein Kasse machen zu wollen, ist kein Geschäftsmodell, sondern eine Zumutung.”
3. “Linksruck bei ‘Cicero'” (theeuropean.de, Alexander Görlach)
Der Ex-Online-Chef der Zeitschrift “Cicero”, Alexander Görlach, sieht mit dem von Michael Ringier an die Spitze gesetzten Michael Naumann (SPD) einen Linksruck durch das Blatt gehen. Naumann weist die Kritik zurück: “Es ist abgründig und totaler Quatsch, was in dem Artikel steht”. Er werde Görlach einen Brief schreiben und ihn über die “Grundregeln des Journalismus” aufklären.
4. “Eklat in Sachsen – Alle Freien Radios abgeschaltet” (freitag.de/community/blogs/stefan-tenner)
Stefan Tenner berichtet, wie verschiedene Freie Radios in Dresden, Chemnitz und Leipzig am 17. April aus dem UKW-Netz verbannt wurden.
6. “Fazsinierend” (spreeblick.com, Johnny Haeusler)
Johnny Haeusler denkt darüber nach, wie er von Marcus Jauer im FAZ-Dossier “Deutsche Blogger” dargestellt wurde. “Beim nächsten Mal, wenn sich jemand anderthalb Stunden Gespräch mit ein paar handschriftlichen Notizen merken will, stelle ich ich ein Aufnahmegerät daneben und das Ergebnis online.”
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1. “Wie wahr sind Fakten?” (sueddeutsche.de, Camilo Jiménez und Katja Riedel)
Ein Besuch bei den Faktenprüfern des Wochenmagazins “New Yorker”: “Wir verifizieren alles, sogar die Fiktion.”
2. “Ein paar Wünsche an Sportcast” (sportmedienblog.de)
Das Sportmedienblog wünscht sich von der Firma Sportcast, die “exklusiv das Bildsignal der 1. und 2. Fußball-Bundesliga” produziert, zum Beispiel eine Verbesserung der “Kamerapositionen, die in vielen Stadien der Liga viel zu tief gewählt sind”. “Wenn durch diese Fehlentscheidung bei der Konzeption ständig nur ein Achtel des Spielfelds zu sehen ist, hat man natürlich auch als armchair coach keinerlei Chance, Spiel, Aufbau und Taktik zu analysieren, weil sich das Spielerlebnis qua Bildregie nur auf Zweikämpfe und Torschancen reduziert.”
3. “Gordon Brown. GORDON BROWN!” (medienpiraten.tv, Peer Schader)
Ein Lob für die im TV-Senders ITV zu sehende 94-minütige Debatte zwischen den Spitzenkandidaten der Unterhauswahlen: “Das lag im Wesentlich daran, dass im Studio nicht vier Journalisten von vier Sendern darum kämpften, sich mit ihren Fragen zu profilieren, sondern mit Alastair Stewart lediglich ein Moderator stand, der den drei Parteiführern abwechselnd das Wort erteilte und entschied, wann die nächste Frage gestellt werden sollte. Er ließ ihnen genügend Zeit, um ihre Argument vorzubringen, unterbrach aber sofort bei Wiederholungen.”
4. “Es ist ZEIT zu widersprechen” (freischreiber.de)
Der Berufsverband “Freischreiber” dokumentiert eine vom Zeitverlag an Autoren und Autorinnen verschickte “Rahmenvereinbarung zur Übertragung von Rechten”. “Der Autorenvertrag, den die ZEIT im Moment ihren Autorinnen und Autoren vorlegt mit dem dringenden Wunsch, ihn zügig zu unterschreiben, hat aber nicht nur grammatikalische Mängel – er ist insgesamt inakzeptabel.”
5. “Jetzt SPON-App für’s iphone!” (stigma-videospiele.de)
Eine Erklärung, warum das Foto auf Seite 132 der Ausgabe 15/2010 des “Spiegel” als Symbolbild gekennzeichnet sein müsste. “Auch wenn ich von Apples genausowenig Ahnung wie von iphones habe, würde ich mal aus dem Bauch raus die Vermutung aufstellen, dass auf diesem Foto ein Junge vorgibt zu spielen indem er gebannt den Desktop eines Macs anstarrt, bei dem der Screenshot eines Shooters als Hintergrundbild eingerichtet wurde.”
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1. “Wie korrupt sind Journalisten?” (sprengsatz.de, Michael Spreng) Michael Spreng, ehemaliger Chefredakteur von “Bild am Sonntag”, erzählt, wie Automobilhersteller und Medienagenturen versuchten, ihn zu bestechen und denkt grundsätzlich über die Bestechungsgefahr im Journalismus nach. “Als besonders korruptionsbedroht gelten Auto- und Reisejournalisten. Noch gefährdeter aber sind Medizinjournalisten, weniger durch die Arzneimittelhersteller, sondern mehr durch die Produzenten der (eigentlich überflüssigen) Nahrungsergänzungsmittel.”
3. “Die Qualitätslüge” (medienspiegel.ch, Daniel Weber)
Daniel Weber, Chefredakteur von “NZZ Folio”, wundert sich, dass Verlagsmanager nicht müde werden, “zu beteuern, dass mit dem Abbau keineswegs ein Qualitätsverlust einhergehe. Sondern im Gegenteil eher das Gegenteil.”
4. Interview mit Stephen Shepard (focus.de, Leif Kramp und Stephan Weichert) Stephen B. Shepard von der CUNY Graduate School of Journalism zur Frage, wer heute alles Journalist ist. “Wenn man ein Blogger für die Hyperlocal Newswebsite in Brooklyn ist, ist man dann ein Journalist? Die Antwort lautet: ja!”
5. “iPad als Chance für Medienbetriebe” (netzwertig.com, A. Göldi und P. Sennhauser)
Nach einem enttäuschenden Test der iPad-Applikation der “Welt” fragen Peter Sennhauser und Andreas Göldi, welche Hoffnungen sich für die Medienkonzerne mit dem iPad erfüllen könnten. Und bleiben skeptisch: “Sie investieren nicht dort, wo sie gewinnen könnten – bei wirklich guten Inhalten – , sondern hoffen naiv auf eine künstliche Verknappung, die es nicht geben wird.”
6. “‘Explosiv’ bedient sich bei der ‘heute show'” (dwdl.de, Jochen Voß)
Ein Reporter mit einer schwarzen Baseballkappe versucht für das RTL-Boulevardmagazin “Explosiv” in Privatwohnungen Fotos für einen angeblichen Dienst “Homeview” zu machen (Video, 8:52 Minuten). Genau das hatte schon vor zwei Wochen die ZDF-“heute show” gemacht (Video, 4:07 Minuten).
Es ist nach Mittwoch, dem 30. März. Und unsere schöne blaue Erde kreist immer noch ruhig und ungestört um die Sonne.
Was war passiert, dass es zu so einer bahnbrechend langweiligen Situation kam?
Einiges. Wahrscheinlich ist irgendwo in Berlin ein Sack Erdnüsse umgefallen. Viel wichtiger allerdings: In der Schweiz wurde in einem Experiment ein lang erwarteter Meilenstein erreicht. Im LHC, dem “Large Hadron Collider”, wurde begonnen, Protonenstrahlen zu kollidieren, die eine bisher noch nie erreichte Energie von 7 TeV (Tera-Elektronenvolt) in sich vereinen.
Für uns Physiker ist das total knorke. Mehrere Jahrzehnte Arbeit, die Stück für Stück die Grenzen des Machbaren erweitert haben, zahlten sich endlich aus. Die Fingernägel tausender Forscher auf der ganzen Welt können endlich wieder nachwachsen. Denn endlich ist das größte, präziseste, tollste und superlativste Experiment der Menschheit, des Universums und des ganzen Rests angelaufen und produziert die heißersehnten Daten, in denen irgendwo spaciger Shit wie Supersymmetrie und Higgs-Boson schlummern.
Aber auch für die Presse ist das total knorke. Denn die darf aufs Neue beweisen, wie das mit dem Schuster und seinen Leisten funktioniert.
Bild.de titelte völlig bescheiden am 29. März, einen Tag vor den erwarteten 7-TeV-Kollisionen:
Das gefährlichste Experiment. Der Menschheit. So, so. Aber wie gefährlich genau? Physikalisch passiert im LHC nichts anderes, als das, was unbeobachtet auf unserem Lieblingsplaneten dauernd passiert. Im LHC sind es zwei Strahlen von hochenergetischen Teilchen, die auf Kollisionskurs gebracht werden. In der Natur sind es hochenergetische Teilchen aus dem Weltall, die mit den Molekülen der Atmosphäre oder spätestens in der Erdoberfläche kollidieren.
Jongliert man dabei ein wenig mit Zahlen herum (siehe die Sicherheitsanalyse vom CERN [PDF]), so kommt man darauf, dass alleine auf der Erde seit ihrer Entstehung so viele Kollisionen stattgefunden haben, wie während der Laufzeit von etwa 100.000 LHC-Experimenten. Geht man noch einen Schritt weiter und bezieht das restliche Universum ein, so kommt man gar auf etwa 10^31 LHCs was ca. 1048 Kollisionen entsprechen würde — eine Eins mit 48 Nullen!
Wenn irgendetwas Gefährliches bei solchen Kollisionen passieren könnte, dann wäre es auch schon in einigen der 1048 Ereignissen passiert — offensichtlich existieren wir aber noch und können immer noch süße Katzenvideos auf YouTube anschauen.
Wenn Herr Wagner also sagt, die Wissenschaftler könnten das Risiko nicht einschätzen, dann stimmt das so einfach schonmal nicht. Aber kurz zu dem von Bild.de als Experten zitierten selber: Walter Wagner ist der lustige Hawaiianer, “der sich selbst als Kernphysiker bezeichnet” — ob das so ist, sei mal dahingestellt. Einen Lebenslauf oder irgendeine Art von wissenschaftlicher Reputation sucht man vergebens. Kein Wunder, dass ihn die amerikanische Satire-Sendung “Daily Show” (ab 2:16) so einfach bloß stellen kann.
Ob man also eher auf einen der sehr wenigen suspekten, aber dafür nicht minder lautstarken Kritiker hört oder auf die vielen tausend Wissenschaftler, die sich seit Jahren mit wissenschaftlichen Standards mit dem Thema auseinandersetzen — da entscheidet im Endeffekt wohl eher das Potential für die fetzigere Überschrift.
Übrigens hat Walter Wagner schon versucht, den LHC per Klage in Honolulu zu stoppen — das hat aber nicht geklappt, weil sich das Gericht nicht zuständig sah. Ähnlich verhält es sich auch in Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht eine Klage einer besorgten Bürgerin gar nicht erst zugelassen hatte. Sie wurde mit der Begründung abgelehnt, dass “auch die (vermeintliche) Größe eines Schadens — hier die Vernichtung der Erde” den Klagenden nicht von der Pflicht enthebt, einen möglichen “Zusammenhang zwischen der Versuchsreihe und dem Schadensereignis” ausreichend zu begründen. (Übersetzung in Normal-Sprech von Golem.de)
Neben einer fetzigen Überschrift sind besonders bei komplexen Themen aus der Physik Visualisierungen üblich. Bild.de ist bei bunten Visualisierungen natürlich ganz vorne mit dabei und zeigt in einem kleinen Einspieler vor dem Artikel, wie man sich das alles vernichtende Ergebnis vorstellt. Dort ist die Erde zu sehen, wie sie von einem lustigen Grafikeffekt aus dem Lieblings-Videobearbeitungs-Programm verschluckt wird (siehe Bild oben). Dass dieser Teil des Videos aus Schnipseln zweierPersiflagen auf genau diese LHC-Kritik zusammengeschnitten sind, stört hier anscheinend niemanden.
Die Schweizer Boulevardpresse ist da nicht viel besser und versucht nach einem Gespräch mit einem anderen Kritiker, dem Biochemie-Professor Otto E. Rössler, zusammenzufassen:
Ob da wohl jemand gerne Romane liest? Da war doch mal was mit CERN, Antimaterie und Bombe, Stichwörter mit denen man bestimmt nicht nur an der Flughafen-Sicherheitskontrolle, sondern auch in den Medien auffällt. Zwar wird auch am LHC Antimaterie produziert, das hat nur leider überhaupt nichts mit schwarzen Löchern zu tun.
Und bevor hier gleich wieder jemand “Aber Antimaterie!” schreit: Es wird viel mehr Antimaterie in der Atmosphäre produziert als im LHC. Und irgendwo in Amerika spielen immer noch Katzen auf Keyboards.
In einem anderen Artikel zum LHC führt Bild.de ein weiteres Steckenpferd der “Kritiker” an: die Strangelets.
Das ist weder eine Sitcom, noch ein Mixgetränk. Bei einem Strangelet soll es sich um ein Teilchen handeln, das normale Materie, wie wir sie kennen, in “strange” Materie umwandelt. Klingt seltsam? Die Idee ist gar nicht so weit hergeholt. Seltsame Materie ist auf fundiertem theoretischem Grund gebaut.
Nur auffressen wird sie uns nicht.
Als im Jahr 2000 mit dem Start des Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) erstmals die Strangelets aufkamen, wurde viel darüber diskutiert. Seitdem läuft der RHIC allerdings fleißig — und wir sind immer noch genauso seltsam wie vorher. Und die höhere Kollisionsenergie des LHCs macht es nur noch weniger wahrscheinlich, dass ein hypothetisches Strangelet gebildet werden könnte.
Schwarzes Loch, Strangelet, magnetische Monopole und Vakuumblasen. Alles wirklich hübscher Kram für dystopische Science-Fiction-Filme und reißerische Überschriften.
Nur nichts für die Realität.
Da sich dieses angstmachende Halbwissen aber so hartnäckig hält wie schwarze und rote Druckerfarbe auf manch grauem Papier, hat das CERN als Betreiber des LHCs neben einer Erklärungsseite den oben bereits erwähnten Sicherheitsreport in Auftrag gegeben. Dieser nimmt im Vorbeigehen allen Kritikpunkten den Wind aus den Segeln und kommt zu dem eindeutigen Schluss:
Vom LHC geht keine Gefahr für die Menschheit aus! (Wirklich!)
Ihr könnt also weiter beruhigt schwarze Punkte auf eure weißen Hunde malen, ohne dabei Angst haben zu müssen, dass der Hund davon aufgefressen wird.
Um euch die volle Packung Physik zu geben, für Interessierte zum Abschluss noch ein kleiner Ausflug in die Physik, warum schwarze Löcher und Erde einfach nicht zusammen passen:
Durch Masse entsteht Gravitation: Die Erde zieht den Apfel auf Newtons Kopf, die Sonne hält die Erde auf ihrer Umlaufbahn und unser Sonnensystem kreist wiederum um das Zentrum der Milchstraße. Ein schwarzes Loch ist nun ein Objekt, das eine so konzentrierte Masse und somit starke Gravitationskraft besitzt, dass nichts seinen Fängen entkommen kann. Keine starke Rakete, kein fliegendes Einhorn oder noch so buntes Licht entkommt dieser Kraft. Daher sein Name. “Schwarzes Loch”.
Die Entstehung eines schwarzen Loches setzt eine gewisse Startmasse voraus, z.B. einen großen Stern, der kollabiert. Beim LHC befinden wir uns aber im Bereich von zwei kollidierenden Mosquitos — was nach heutigem Verständnis bei Weitem nicht ausreicht. Spielt man aber ein wenig an den Rahmenbedingungen herum und sagt, man hätte noch ein paar zusätzliche Dimensionen neben den drei uns bekannten, dann ist es sogar theoretisch möglich, dass der LHC so genannte “mini schwarze Löcher” oder “Microscopic Black Holes” generiert.
Aber: Die sind instabil. Nach verdammt kurzer Zeit sind die wieder verdampft. Die Theorie sagt Verdampfungsdauern jenseits der (theoretisch) beobachtbaren Planck-Zeit voraus, also etwa halb so schnell, wie ein Augenzwinkern von Chuck Norris. Folgt man den Kritikern und geht davon aus, dass die bisher als richtig geltende Theorie falsch wäre und diese mini schwarzen Löcher wider Erwarten doch stabil sind, dann haben wir immer noch die Beobachtung:
Es gibt uns und Neutronensterne noch.
Hä? Neutronensterne? Kommen wir sofort zu …
Vorher noch etwas zu elektrischer Ladung: Etwas kann elektrisch geladen oder ungeladen sein (Elektronen z.B. sind einfach negativ geladen). Eine Ladung führt dazu, dass das Teilchen in einem Magnetfeld abgelenkt wird. Die Älteren unter den Lesern werden sich vielleicht noch an die Röhrenfernseher erinnern, die nach diesem Prinzip gearbeitet haben.
Würden jedenfalls elektrisch geladene mini schwarze Löcher durch Teilchenkollisionen entstehen können, so wäre irgendeines aus den aberwitzig vielen Kollisionen (s.o.) zur Erde gelangt. Dort sorgt dann das Erdmagnetfeld für eine Ablenkung und schließlich auch für das Stoppen. Das schwarze Loch hätte nun genug Zeit zu wachsen und die Erde zu verschlingen — das ist aber offensichtlich nicht passiert.
Es bleibt noch die Möglichkeit übrig, dass alle produzierten mini schwarzen Löcher ungeladen sind. Da kommen jetzt die Neutronensterne ins Spiel. Das sind astronomische Objekte, die extrem dicht sind. Durch ihre extrem hohe Dichte werden die kleinen Mini-Biester dann aber im Inneren gestoppt und würden sie langsam auffuttern.
Aber auch hier: Neutronensterne gibt es, also Bullshit.
Selbst wenn man sich also auf viele Argumente der Kritiker ein- und unwahrscheinliche Theorien zulässt, so überzeugt uns am Ende immer noch die Natur, die derlei “Experimente” schon seit Urzeiten in wesentlich größerer Anzahl durchführt. Und würde dabei etwas Gefährliches passieren, würde das Universum nicht so aussehen, wie es das jetzt tut.
Nicht zuletzt würden auch die süßen Pinguine auf der Erde nicht existieren. Und das kann ja nun echt keiner wollen.
Es sind “erschütternde Bilder”, die “im Herzen wehtun” — und die “Bild” natürlich deswegen trotzdem zeigt:
Dennis Hopper (73), einer der größten Hollywoodstars der Filmgeschichte, bricht auf offener Straße zusammen.
Der Schauspiel-Gigant (“Easy Rider”, “Waterworld”) ist todkrank. Er leidet an Prostatakrebs im Endstadium, wiegt nur noch 45 Kilo. Als er sein Haus in Venice Beach verlassen will, verlässt ihn die Kraft. Er fällt. Hoppers Assistentin eilt zu Hilfe, stützt dem Hollywoodstar den Kopf.
Weil “Bild” selbst das Entstehungsdatum der Bilder nennt (“einen Tag bevor der Weltstar Ende März einen Stern auf dem ‘Hollywood Walk of Fame’ bekam”), lässt sich leicht überprüfen, dass die Geschichte von dem armen, kranken Mann, der einfach zusammenklappt, höflich ausgedrückt, eine riesige Unverschämtheit ist.
Bei eben dieser Veranstaltung erzählte Hopper nämlich, was wirklich geschehen war:
Er sei auf dem Weg zum Auto gewesen, erzählt der Schauspieler, als jemand seinen Namen gerufen habe. Weil ihm die Stimme bekannt vorgekommen sei, habe er sich umgedreht und dabei die Schwelle auf der Straße übersehen. Unter den Mitleidsbekundungen der Zuschauer fährt Hopper fort, dass er sich nicht habe abstützen können, weil er keine Muskeln mehr habe: “Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand, ich war ziemlich übel zugerichtet.”
Dann wendet er sich an die Paparazzi, die er schon zu Beginn seiner Ausführungen angesprochen hatte: “Ich weiß, Ihr habt einen harten Job, aber ihr könntet manchmal ein bisschen feinfühliger sein.” Die Zuschauer stimmen ihm lautstark zu.
Mit anderen Worten: Wenn da nicht ein Fotograf gestanden hätte, der den krebskranken Mann verunsichert hat, wäre Hopper vermutlich nie gestürzt und es gäbe gleich doppelt keine “erschütternden Bilder”, die Bild und andere Medien der Fotoagentur des Paparazzo abkaufen konnten.
Auch “Bild” zitiert übrigens aus Hoppers Schilderungen des Zwischenfalls:
“Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand”, sagte Hopper.
Man darf also davon ausgehen, dass sie auch den Rest seiner Erklärungen kennen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Die BILD-Geschichte um einen Po” (gregel.com)
Bild.de übernimmt ein YouTube-Video, versieht es mit Werbung und behauptet, eine darin zu sehende Frau würde ein Videospiel mit ihrem Po steuern. Dass das Unsinn ist, klärt sich in den von Bild.de nicht gezeigten Schlußsekunden des Videos auf.
2. “Benzin-Wut – Nunja …” (carta.info, Robin Meyer-Lucht)
Robin Meyer-Lucht widmet sich der “Bild”-Schlagzeile “Benzin-Wut”.
3. “Missbrauch am Odenwald-Internat” (zeit.de, Jana Simon und Stefan Willeke)
Die “Zeit” versucht aufzuklären, warum der bereits 1999 von der “Frankfurter Rundschau” aufgedeckte Missbrauch an der Odenwaldschule nicht von anderen Journalisten aufgegriffen wurde. “Fehleinschätzungen über die Dimension des Skandals, Desinteresses am Thema, die Unlust zu recherchieren – und gelegentlich das Bedürfnis, die Reformpädagogik gegen Angriffe zu schützen. Das berichten heute Journalisten, die damals für die Berichterstattung über Schulen verantwortlich waren.”
4. “Perfide Wettermacher” (nzz.ch, ras.)
Der Fall Jörg Kachelmann: Rainer Stadler nennt jene “Wettermacher der Öffentlichkeit”, die Behauptungen zu Tatsachen verkürzen, “Henker”. “Am einen Tag zeigt man Empörung über den Wettermann, weil er während eines kurzen öffentlichen Auftritts lachte oder lächelte. Am nächsten Tag gibt irgendein Hobby-Psychologe dem letztlich vieldeutigen Lachen eine simple Erklärung, möglichst mit moralisierendem Unterton.”
5. “Counterfeit Roth” (newyorker.com, Judith Thurman, englisch)
Der italienische Zeitungsjournalist Tommaso Debenedetti erfindet Interviews mit den Schriftstellern John Grisham und Philip Roth. Ans Licht kommt das erst, als Roth von einer italienischen Journalistin auf seine in “Libero” publizierten Aussagen angesprochen wird. “But I have never said anything of the kind!”
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1. “Der Verdacht” (faz.net, Harald Staun)
Harald Staun über Vorverurteilungen und Ferndiagnosen im Fall Jörg Kachelmann. “Welche Details aus Kachelmanns Biographie man in Zusammenhang mit dem Verdacht bringt, ist rückblickend völlig egal: im Zweifelsfall wird jede Freundlichkeit als Täuschung interpretiert.”
2. “Sind wir Putzerfische?” (sueddeutsche.de, Sonia Seymour Mikich) Sonia Mikich hat gelernt, sich für vieles fremdzuschämen, das als Journalismus durchgeht, “auch für die Fälle von Themenplacement im öffentlich-rechtlichen Fernsehen”. “Während Journalisten an ihrem Selbstverständnis herumrätselten, blühte die organisierte Meinungsmache, die Wachstumsbranche bevölkert von Consultants, Werbegurus und Spin-Doktoren.”
3. “Immer! Mehr! Untergang!” (welt.de, Matthias Wulff)
Matthias Wulff liest jede Woche “Artikel, an die man sich über den Tag hinaus erinnern wird” und mag die dauernde Klage über den Verfall des Journalismus nicht mehr hören. Die Arbeitsbedingungen hätten sich “dank Google und E-Mail” deutlich verbessert. “Ich möchte mich nicht daran erinnern, wie viel Lebenszeit ich am Kopierer verbracht habe, wie oft ich vom Archivar gehört habe, der gesuchte Ordner komme erst am Nachmittag, wie mühsam es bei der Recherche war, mit den richtigen Leuten schnell in Kontakt zu treten.”
5. “Warum wird die junge Frau geschont?” (cicero.de, Max Goldt) Max Goldt über YouTube-Videos, in denen “Ausraster” zu sehen sind und über die Sendung “Germany’s Next Topmodel” mit Heidi Klum (“dieser eisige Beauty-Apparatschik”). In einem zweiten Beitrag geht es um Blogs, empfohlen wird “German Joys” von Andrew Hammel.
6. “The Daily Mail song” (dananddan.com, Video, 2:47 Minuten)
Dan and Dan widmen den Schlagzeilen der britischen Zeitung “Daily Mail” einen Song.