Suchergebnisse für ‘verpixelt’

Facebooks Gedankenlese, Unfallopfer, schleimiges Geldverdienen

1. Facebook will Gedanken lesen
(zeit.de)
Auf Facebooks hauseigener Entwicklerkonferenz „F8“ wird über spektakuläre Dinge gesprochen: Das Unternehmen arbeite daran, Hirnsignale direkt in Schrift umzuwandeln. Man wolle jedoch nicht wahllos Gedanken ausforschen. Dazu habe niemand das Recht, sagte die zuständige Facebook-Managerin. Ähnlich wie man viele Fotos mache und nur einige davon anderen zeige, “haben Menschen viele Gedanken und beschließen, nur einige davon zu teilen”. Nur solche Gedanken, die an das Sprachzentrum weitergeleitet würden, seien gemeint.

2. Fake News spielen im Alltag von Redaktionen eine große Rolle. Daniel Fiene berichtet
(blmplus.de, Elena Lorscheid)
Daniel Feine ist Journalist bei der „Rheinischen Post“ und dort auch für die „Digitalstrategie“ zuständig. In einem kurzen Interviewschnipsel berichtet er, wie Fakenews in den Alltag von Redaktionen eindringen und wie teilweise gezielt Falschinformationen über Journalisten verbreitet werden.

3. Beifahrer auf der Überholspur
(faz.net, Michael Hanfeld)
Jüngst wurde gemeldet, dass der frühere „Bild“-Herausgeber Kai Diekmann die Taxi-Konkurrenz „Uber“ berät. Nun stellt sich heraus, dass Diekmanns früherer Arbeitgeber Axel Springer Anteile an dem Fahrdienst erworben hat. Michael Hanfeld fragt sich in der “FAZ”, wo das hinführt und ob die Kombination Sinn macht.

4. Augen auf bei der Bildauswahl: LVZ, DNN und Tag24 zeigen Unfallopfer unverpixelt
(flurfunk-dresden.de, Benjamin Kutz)
Bei der Berichterstattung über einen tödlichen Verkehrsunfall in Sachsen zeigten verschiedene Medien Bilder vom Unfallort, auf denen auch das Opfer unverpixelt zu sehen war. Die “LVZ” hat ein entsprechendes Bild auf Facebook gepostet, es später gelöscht, sich dafür entschuldigend, um es dann am nächsten Tag unverpixelt und im Großformat in der Zeitung abzudrucken.

5. Gut verdienen? Dis kannste nich bezahlen!
(schnipselfriedhof.de, Volker Strübing)
Immer wieder machen Statistiken die Runde, nach denen die Top-Verdiener als steuerlich schwerst belastete Menschen dargestellt werden. So auch in einer Studie des “Instituts der deutschen Wirtschaft”, das wie folgt mitteilt: “Diese knapp zehn Prozent der Top-Verdiener in Deutschland sind mit 48,2 Prozent fast für die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkommens verantwortlich, die 30 Prozent Spitzenverdiener demnach sogar für 79 Prozent.” Volker Strübig erklärt, warum er das Ganze für ein schönes Beispiel für „Tatsachenverdrehung durch Auslassung“ hält.

6. Wie Teenager Tausende von US-Dollar verdienen, indem sie Schleim über Instagram verkaufen
(onlinemarketingrockstars.de, Roland Eisenbrand)
Ein neuer Trend durchzieht Instagram: Schleim! Mittlerweile lassen sich dort mehr als 2,6 Millionen Posts zum Hashtag #slime finden und es haben sich „Slime-Influencer“ herausgebildet: 47.000 Posts stammen von Accounts mit mehr als 15.000 Followern. Roland Eisenbrand erklärt, was es mit dem rätselhaften Phänomen auf sich hat.

ZDF  

ZDF zeigt Hinrichtung von Menschen

Wer am vergangenen Dienstag “Frontal 21” geguckt oder gegen 21:07 Uhr zufällig ins ZDF gezappt hat, konnte sehen, wie zwei Frauen hingerichtet wurden. In einem Beitrag des Fernsehmagazins über die Türkei ging es unter anderem um die “Grauen Wölfe”, die Mitglieder der rechtsextremen “Milliyetçi Hareket Partisi”. Die Sprecherin des ZDF-Beitrags sagte:

Diese Bilder aus den Kurdengebieten verbreiten die Grauen Wölfe über die sozialen Medien selbst.

Menschenrechtsverletzungen. Wie auch in diesem Handy-Video. Experten halten diese Aufnahmen für authentisch: Männer in der Uniform türkischer Soldaten richten zwei kurdische Kämpferinnen hin. “Tamam, okay, das reicht”, sagt der Soldat und geht.

Dazu zeigte “Frontal 21” erst Fotos von verletzten oder getöteten Menschen, neben denen Personen in Uniformen stehen. Die Gesichter der Opfer hatte die Redaktion unkenntlich gemacht. Das ist alles noch im Rahmen. Dann folgte aber das 18 Sekunden lange “Handy-Video”, “Quelle: Twitter”. Man kann sehen, wie eine Frau in ein Erdloch geworfen wird, drei Männer in Uniformen schießen mit ihren Maschinengewehren in das Loch. Gleichzeitig, im Vordergrund der Video-Aufnahmen, schießt ein weiterer Mann in Uniform einer auf dem Boden knienden Frau mit seinem Maschinengewehr in den Kopf.

Diese menschenverachtenden Aufnahmen sind zum Glück nicht gestochen scharf. Es handelt sich eben um etwas wackelige Handy-Aufnahmen. Sie reichen aber aus, um genug zu erkennen: das Zerfetzen des Kopfes, das Zusammensacken des Körpers, das Blut auf dem Boden. Immerhin sind die Gesichter der Frauen nicht zu sehen, auch wenn die “Frontal 21”-Redaktion nichts verpixelt hat. Sie hat das Video, das die “Grauen Wölfe” vermutlich zu Propaganda-Zwecken bei Twitter verbreiten, eins zu eins übernommen.

Jeder, also auch Kinder und Jugendliche, können sich diese ziemlich würdelosen Aufnahmen aktuell rund um die Uhr in der ZDF-Mediathek angucken. Es gibt keine Zugangsbeschränkung.

(Wir haben uns bewusst dazu entschieden, weder den Beitrag in der ZDF-Mediathek zu verlinken noch Screenshots des Videos zu veröffentlichen.)

Mit Dank an @Schmier_Fink für den Hinweis!

Nachtrag, 16:57 Uhr: Das ZDF hat reagiert — die gesamte “Frontal 21”-Sendung ist nun erst ab 22 Uhr in der Mediathek abrufbar. *

*Nachtrag, 18:58 Uhr: Die “Frontal 21”-Redaktion hat die Folge vom vergangenen Dienstag kurzzeitig aus der Mediathek genommen, um die kritisierte Stelle zu bearbeiten. Nun sind die Opfer der Hinrichtung komplett unkenntlich gemacht. Der Beitrag ist in der Mediathek wieder abrufbar. In einer Stellungnahme hat das Team auf die Kritik an dem Türkei-Beitrag reagiert:

“Frontal 21” berichtete in der Sendung am Dienstag, 21. März 2017, über Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. In dem Beitrag “Türken gegen Erdogan — Machtkampf auf deutschen Straßen” war zu sehen, wie Männer in türkischen Uniformen zwei mutmaßliche kurdische Kämpferinnen erschießen. Die Redaktion “Frontal 21” hatte sich entschieden, die 18-sekündigen Aufnahmen zu zeigen, um das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen zu veranschaulichen und zu verdeutlichen, mit welcher Brutalität in der Türkei der Kampf gegen Kurden geführt wird. Die Identität der Opfer war auf dem Video nicht erkennbar. Nach Ausstrahlung des Beitrags wurde das Video mit folgendem Warnhinweis in die ZDFmediathek eingestellt: “Achtung: Dieser Beitrag enthält Bilder, die Zuschauer schockieren könnten, da sie eine Erschießungsszene zeigen.” Zuschauer äußerten sich aber dennoch kritisch. Die Redaktion “Frontal 21” nimmt diese Kritik ernst und hat sich entschlossen, die Aufnahmen der Opfer zusätzlich unkenntlich zu machen. Die Redaktion bedauert, wenn die gezeigten Bilder Zuschauer verstört haben.

Wer das Urteil hat, braucht für den Spott von Bild.de nicht zu sorgen

Ein ehemaliger Mitarbeiter der “Tafel” in Herford wurde vergangene Woche zu neun Monaten Haft auf Bewährung und 150 Stunden Sozialarbeit verurteilt. In seiner Position als Kassenwart hatte er in 38 Fällen Gelder des Vereins veruntreut. Von den insgesamt knapp 3400 Euro hatte der 28-Jährige, der auch in der Lokalpolitik aktiv ist, weiblichen Internetbekanntschaften Geschenke gemacht: Anzüge aus Lackleder, Unterwäsche, Duftöle.

Bild.de berichtete gestern am späten Abend über die Verhandlung (auf einen Link verzichten wir bewusst). Und schon in die Überschrift gossen die Redakteure den ersten Eimer Spott, der im Axel-Springer-Hochhaus links neben dem Tisch eines jeden Mitarbeiters immer bereitsteht:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Abgesehen davon, dass es in der Verhandlung um das Geld eines Vereins ging, der Menschen kostenlos mit Lebensmitteln versorgt, hat der Fall nichts mit Essen zu tun. Dass es sich bei dem Verurteilten um einen “dicken Politiker” handelt, musste bei Bild.de offenbar trotzdem unbedingt mit rein.

Für den ersten Absatz seines Artikels hat sich der Autor dann den Eimer Spott seines Büronachbarn geliehen, damit er sich über den “Gutmenschen” auf der Anklagebank lustig machen konnte:

Er wollte armen Menschen helfen, doch dann geriet der junge Politiker und Gutmensch im Internet in die Fänge der Lust. Der Trip ins Reich der Erotik brachte ihn um den Verstand und schließlich auf die Anklagebank.

In Absatz zwei kommt der Text noch einmal zurück aufs Aussehen des Mannes — der Autor schätzt dort dessen Gewicht.

Das alles ist deswegen besonders grässlich, weil Bild.de sich keine große Mühe gibt, den Verurteilten zu anonymisieren. Zwar kürzt das Portal den Nachnamen ab, dafür zeigt es aber sowohl auf der Startseite als auch im Artikel ein Foto von ihm ohne irgendeine Verpixelung. Die Bild.de-Mitarbeiter machen ihn bundesweit zum Gespött.

Natürlich kann man über die Verhandlung berichten. Die Richterin sagte auch völlig zu Recht, dass es “besonders verwerflich” sei, “dass Sie Geld nahmen, das für bedürftige Menschen bestimmt war.” Außerdem handelt es sich um eine Person, die in der Politik aktiv ist. Aber muss man diese Person nach einem Urteil, ob man es nun für gerecht hält oder nicht, noch derart mit einem Artikel vorführen?

Die regionalen Medien — “Westfalen-Blatt”, “Neue Osnabrücker Zeitung”, “Neue Westfälische” — respektierten übrigens die Persönlichkeitsrechte des Mannes und zeigten entweder verpixelte oder gar keine Fotos von ihm.

Und jährlich grüßt die Terrorpropaganda

Die Entscheidung ist keine ganz einfache für Redaktionen: Wie und wie viel berichtet man über den sogenannten “Islamischen Staat”? Die Gefahr, die dabei immer besteht: Durch die Übernahme von Fotos und Videos und anderem Propagandamaterial wird man schnell selbst zum Sprachrohr der Terrororganisation. Auf der anderen Seite will man seine Leser/Hörer/Zuschauer aber auch über das informieren, was in den Gebieten passiert, die der sogenannte “IS” kontrolliert.

Wie man es auf jeden Fall nicht machen sollte, zeigten in der Vergangenheit “Bild”, Bild.de und “Focus Online”, die Fotos und Videos des sogenannten “IS” veröffentlicht hatten, auf denen Hinrichtungen zu sehen waren, die Opfer teilweise nicht mal verpixelt. Auch das Team von “Spiegel Online” agierte nicht gerade glücklich, als es Propagandaaufnahmen der Terroristen aus der irakischen Stadt Mossul übernommen hatte.

Beim österreichischen Knallportal oe24.at hat man sich offenbar dazu entschlossen, sich gar nicht erst Gedanken zu machen über den Umgang mit Terrorpropaganda und stattdessen alles rauszupfeffern, was der sogenannte “Islamische Staat” so hergibt und reichlich Reichweite bringen könnte.

Zum Beispiel der “7-Stufen-Plan”. Diesen Artikel hat die Redaktion vor gut einer Woche veröffentlicht:

Zum Hintergrund: Der “7-Stufen-Plan” stammt eigentlich aus einem Buch des jordanischen Journalisten Fuad Hussein und beschreibt eine langfristige Strategie der Terrororganisation Al-Qaida. Yassin Musharbash hatte 2005 bei “Spiegel Online” über Husseins Buch und die “sieben Phasen bis zum Kalifat” geschrieben. Bis 2020, so zeigt es Husseins Recherche, wolle Al-Qaida den “endgültigen Sieg” erreichen. Aktuell würden wir uns in Phase 6 befinden, der Phase der “totalen Konfrontation”.

Inzwischen haben die “IS”-Terroristen den “7-Stufen-Plan” übernommen und einzelne weltpolitische Ereignisse in ihrem Sinne gedeutet: Die Regimestürze im Arabischen Frühling beispielsweise passen zeitlich und inhaltlich wunderbar in Phase 4, die “Phase des Umsturzes”. oe24.at übernimmt diese Deutungen und verbreitet sie auf der eigenen Webseite:

4.Phase 2011-2013 (Die Phase des Umsturzes)
Die verhassten arabischen Regime sollen beseitigt werden. Dies geschah durch den Arabischen Frühling, weniger durch Angriffe der Jihadisten.

Die Redaktion tut nicht erst seit diesem Jahr so, als würde alles nach dem großen “IS”-Masterplan laufen, der dazu führen soll, dass die Terroristen 2020 “große Teile der Welt” beherrschten, “auch Österreich, dass Teil von Oropba werden soll”. Im Juli 2016 gab es einen ganz ähnlichen Artikel:

Oder im Januar 2016:

Oder im Dezember 2015:

Oder ebenfalls im Dezember 2015:

Oder noch mal im Dezember 2015:

Oder im November 2015:

Oder im August 2015:

Jedes Mal ging es um den “7-Stufen-Plan”, jedes Mal präsentierte oe24.at ihn so, als hätte ein Verein aus der Fußball-Bundesliga ein neues Konzept oder ein DAX-Konzern eine neue Strategie vorgestellt. Und jedes Mal hatte der Artikel mehrere Hundert, zum größten Teil sogar mehrere Tausend Likes. Hat sich für das Portal wohl gelohnt, die kühnen Terroristenträume zu verbreiten.

So langsam scheinen die Redakteure den Bogen allerdings überspannt zu haben. Unter dem aktuellsten “7-Stufen-Plan”-Beitrag findet man diese Leserkommentare:

Und wie oft wird derselbe Bullshit noch aufgewärmt und wieder gebracht? Winterloch ausfüllen?

Im Abstand von 3 Monaten postet ihr den selben Bullshit..

Geh bitte, Herr Fellner, nicht schon wieder diese alte Geschichte aufwärmen.

…hahaha, wie oft noch,die Geschichte kenn ma schon auswendig

Mit Dank an Jonas für den Hinweis!

RT deutsch, Lauers Antwort, Admiral Tamm

1. Russische Propaganda für deutsche Zuschauer
(correctiv.org, Camilla Kohrs)
Camilla Kohrs von “Correctiv” hat mehrere Monate über die Medien der Neuen Rechten recherchiert und eine lesenswerte achtteilige Artikelserie vorgelegt. Im aktuellen und letzten Teil der Serie geht es um den russischen Auslandssender “RT deutsch”. Das Besondere bei der Plattform: “RT Deutsch” biete europakritischen Politikern von ganz links und ganz rechts eine Bühne – Hauptsache die Interviewten seien Merkel- und europakritisch.

2. Bedrohter Politiker outet Sparkassen-Mitarbeiter als AfD-Fan
(waz.de, Lars Wienand)
Darf man eine Mail veröffentlichen, samt Foto und Namen des Absenders, auch wenn diese besonders kritisch war und man vielleicht schon durch andere unschöne Nachrichten vorsensibilisiert war? Das ist die Frage, die sich im Falle des Politikers Christopher Lauer (ehemals Piratenpartei, jetzt SPD) stellt, der genau dies bei einem Kritiker getan hat. Dieser hatte für einen Leserbrief an Lauer, wahrscheinlich versehentlich, eine Mailadresse seines Arbeitgebers, einer Kreissparkasse, verwendet. Daraufhin hatte Lauer die Mail öffentlich gemacht. Ein Vorgehen, bei dem es zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit gibt, so ein hinzugezogener Rechtsanwalt.

3. 25 Beschwerden beim Presserat
(taz.de)
Nach dem Terroranschlag von Berlin gingen beim Deutschen Presserat 25 Beschwerden über die Berichterstattung ein. Hauptsächlich ging es dabei um die unverpixelte Darstellung des getöteten Lkw-Fahrers und Bilder der Leiche des mutmaßlichen Attentäters. Insgesamt seien es deutlich weniger Beschwerden als nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015.

4. Software überlistet: US-Bibliothekare erfinden Kunden, um Bücher zu bewahren
(heise.de, Martin Holland)
In einer Bücherei in Florida sortiert eine Bibliothekssoftware vollautomatisch all die Bücher aus, die länger nicht mehr ausgeliehen wurden. Um dies zu verhindern, erfanden Bibliothekare den fiktiven Kunden “Chuck Finley” und ließen ihn in einem Zeitraum von neun Monaten 2.361 Bücher ausleihen. Um finanzielle Vorteile ging es dabei ausdrücklich nicht, trotzdem ist der dafür verantwortliche Mitarbeiter beurlaubt worden.

5. Zum Tod von Peter Tamm: Im Blutmeer
(konkret-magazin.de, Kay Sokolowsky)
Der Journalist, Manager und Verleger Peter Tamm (lange Jahre Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages) ist Ende des Jahres im Alter von 88 Jahren verstorben. Ihm zu Gedenken hat “konkret” einen älteren, aber dennoch zeitlosen Artikel aus dem Archiv gekramt. Darin geht es um das, was der sich selbst angeblich “Admiral” nennende Mann, der Welt hinterlässt: ein Marine-Museum. Kay Sokolowsky hat sich das Ganze seinerzeit angeschaut: “Gelegentlich empfindet man beim Rundgang fast Mitleid für den »Admiral«: Welch ungeheure Leere muss ausfüllen, wer so megaloman Nippes auf Nippes häuft? Was ist schiefgelaufen in einem Leben, das dermaßen von Fetischen beherrscht wird?”

6. Krimi, Krimi, Krimi – und das Publikum ist begeistert
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Joachim Huber vom “Tagesspiegel” hat über das Fernsehprogramm der ersten Tage des Jahrs geschaut und hat jetzt schon genug von all den Krimis und der seichten Unterhaltung: “Breaking-News-Momente – woher, warum, von wem, wieso? Da wird es viel Ahnungslosigkeit, viel Schulterzucken geben im weiten Rund der TV-Maniacs, auf jeden Fall einen Überschuss an Überraschung, dass die Fiktion des Fernsehens und die Faktizität der Nachrichten so sehr auseinanderfallen. Und weil so was von so was kommt, ist die Massivität der Krimiunterhaltung ein Fehler. 2017 muss ein Jahr der Information sein.”

Die Fotobeschaffer von Hameln

Eigentlich wollten wir hier im BILDblog schon vor knapp zwei Wochen über den Fall berichten. Es geht um die erschreckende Tat eines Mannes, der erst auf seine Frau einstach, ihr dann ein Seil um den Hals band und sie anschließend an seinem Auto hinter sich herzog.

Damals, am 23. November, veröffentlichte “Bild” diesen großen Artikel:


(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Und auch Bild.de berichtete (auf einen Link verzichten wir ganz bewusst) mit einem kostenpflichtigen “Bild plus”-Artikel:

In den Tagen zuvor hatten die “Bild”-Medien das Geschehen im niedersächsischen Hameln schon intensiv begleitet. Sie hatten unverpixelte Fotos des Opfers gezeigt (vermutlich mit Zustimmung der Familie), sie hatten unverpixelte Fotos des geständigen Täters gedruckt, sie hatten Fotos von Blutspuren veröffentlicht. Das volle Programm.

Am 23. November sind sie noch einen Schritt weiter gegangen: “Bild” und Bild.de (bereits einen Tag zuvor) verbreiteten eine Aufnahme des Opfers Kader K. aus dem Krankenbett auf der Intensivstation, riesengroß, wie man oben erahnen kann. Zu dieser Zeit lag sie in der Universitätsklinik in Hannover im Koma, hilflos, angeschlossen an viele Schläuche. Die “Bild”-Mitarbeiter verzichteten auf jegliche Unkenntlichmachung.

Dass die Veröffentlichung dieses Fotos eines lebensgefährlich verletzten Opfers auf Kritik stoßen könnte, dürften auch “Bild” und Bild.de geahnt haben. Jedenfalls stellten sie bereits in der Unterzeile klar, dass “der Bruder von Kader K.” “in BILD” spreche, und ihren Artikel begannen die Autoren direkt so:

“WIR WOLLEN DER WELT ZEIGEN, WAS DIESER HUND KADER ANGETAN HAT.”

Das sagt Maruf K. (35), der Bruder von Verbrechensopfer Kader K. (28).

Ein paar Absätze später schreiben sie:

Ihr Bruder fotografierte sie auf der Intensivstation, gab BILD das Foto — weil die Familie dokumentieren will, was geschehen ist.

Deswegen hatten wir das Thema erstmal nicht aufgegriffen: Wenn eine Familie sich dazu entscheidet, das Foto eines Angehörigen an “Bild” zu geben, kann die Zeitung es auch drucken. Natürlich hätte sich die Redaktion dazu entschließen können, aus Pietät auf den Abdruck zu verzichten oder das Opfer zumindest zu anonymisieren. Aber bei einer solchen Entscheidung geht es um Anstand. Und es geht um “Bild” und Bild.de.

Heute ist in der “Süddeutschen Zeitung” ein Artikel zu der “Gewalttat in Hameln” erschienen. Tim Neshitov hat die Familie von Kader K. besucht und mit ihr über den tragischen Fall gesprochen. Neshitov zitiert in seinem Text auch den Bruder, der “Bild” das Foto seiner Schwester im Krankenbett gegeben hatte:

Die Bild-Zeitung hat ihr obligatorisches Opferfoto abgedruckt, sogar mit Beatmungsschläuchen, wofür Kaders älterer Bruder auf der Intensivstation sein Handy zücken musste (“Ich war verwirrt, wie im Nebel, und die sagten noch, so ein Foto würde Kader nützen”).

Der Bruder von Kader K. bereue es inzwischen, bei dieser “Bild”-Geschichte mitgemacht zu haben, sagte uns Tim Neshitov auf Nachfrage.

Wir werden ab und zu gefragt, warum wir “Bild” und Bild.de immer noch beobachten und regelmäßig kritisieren. Dazu kommt oft der Satz: “Die Leute von ‘Bild’ sind doch gar nicht mehr so schlimm wie früher.” Vielleicht nicht alle. Einige aber schon.

Mit Dank an Rosemarie H., Thomas S., Fab und @HoechDominik für die Hinweise!

Opfer bringen

Jörg Völkerling ist selbst für “Bild”-Verhältnisse ein besonderer Fall. Wenn sich beispielsweise eine Angeklagte vor einem Gerichtsprozess einen Aktenordner vors Gesicht hält, dann machen alle Fotografen Fotos von der Frau mit dem Aktenordner vor dem Gesicht. “Bild”-Polizei-und-Gerichtsreporter Völkerling sucht sich hingegen einen Platz im Saal, von dem aus er hinter den Ordner fotografieren kann. Ha, mal wieder alle reingelegt!

Völkerling war es auch, der Wetter-Moderator Jörg Kachelmann beim Hofgang in der Justizvollzugsanstalt Mannheim fotografierte — unerlaubter Weise, wie ein Gericht später feststellte. Als Kachelmann dann bei Twitter ein Foto von Völkerling auf der Lauer verbreitete, ging der “Bild”-Reporter vergeblich dagegen vor.

Jetzt hat Jörg Völkerling wieder mit einer für ihn typischen Aktion zugeschlagen.

Vor dem Landgericht Aschaffenburg läuft seit Donnerstag ein Prozess wegen zweifachen versuchten Totschlags, über den Völkerling berichtet. Der Fall in Kurzform: Ein Mann soll mit seinem Auto ziemlich dicht an zwei jungen Fußgängern vorbeigerast sein. Diese sollen ihm daraufhin einen Vogel und den Mittelfinger gezeigt haben. Der Mann soll gebremst, den Rückwärtsgang eingelegt und die beiden Fußgänger über den Haufen gefahren haben. Diese schleuderten gegen eine Hauswand und mussten mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Der Angeklagte sagt, er habe die jungen Männer lediglich zur Rede stellen wollen, er könne sich nicht erklären, warum sein Auto auf den Gehweg ausbrach.

“Bild” brachte gestern in der Bundesausgabe einen großen Artikel über den Prozessauftakt:


(Unkenntlichmachungen durch uns.)

Und auch Bild.de berichtete:


(Zusätzliche Unkenntlichmachungen durch uns.)

Dass die “Bild”-Medien ganz selbstverständlich ein Foto des (noch nicht verurteilten) Angeklagten veröffentlichen, ist zwar bedenklich, aber nicht ungewöhnlich. Schließlich scheint im Axel-Springer-Hochhaus der Grundsatz zu gelten: Leute, denen etwas vorgeworfen wird, wird man ja wohl noch zeigen dürfen!

Jörg Völkerling hat aber auch die zwei Opfer fotografiert.* Und das — so wirkt das Foto jedenfalls –, obwohl sie es nicht wollten: Das eine Opfer hat sich eine Kapuze übergezogen; das andere Opfer hat blöderweise keine Kapuze, hält sich dafür aber die Hand vors Gesicht. Beide haben sich von Völkerlings Kamera weggedreht. Und dennoch veröffentlichen “Bild” und Bild.de dieses Foto:


(Zusätzliche Unkenntlichmachungen durch uns.)

Im Pressekodex des Deutschen Presserats steht zum “Opferschutz”:

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Nach Zustimmung sieht es in diesem Fall wahrlich nicht aus. Dennoch bedrängt “Bild”-Spezialfall Jörg Völkerling mit seiner Kamera die zwei Opfer, die eigentlich nur zu ihrem Gerichtsprozess und dabei nicht fotografiert werden wollen.

An dem Fall in Aschaffenburg kann man übrigens ganz gut sehen, nach welchen Kriterien die “Bild”-Medien Anonymisierungs-Balken und Verpixelungen verteilen: offenbar nach keinen. Bei Bild.de hat der Angeklagte einen schwarzen Balken vor die Augen gesetzt bekommen, das Gesicht des Opfers ohne Kapuze hat die Redaktion verpixelt. In der Print-Version gibt es weder das eine noch das andere.

Mit Dank an Philipp für den Hinweis!

*Korrektur, 27. November: Jörg Völkerling sagt, dass er von den Opfern “selbstverständlich” eine Zustimmung zur Veröffentlichung des Fotos hatte:

Unser Fehler tut uns leid, wir ziehen die Kritik an der Veröffentlichung des Opferfotos zurück. An den anderen Kritikpunkten (Veröffentlichung eines Fotos des Angeklagten, willkürliche Anonymisierung bei “Bild” und Bild.de) halten wir hingegen fest.

“Bild” wühlt in Gerwald Claus-Brunners In­tim­sphä­re

Wir haben heute noch einmal bei der Berliner Staatsanwaltschaft nachgefragt, und ihr Sprecher Martin Steltner hat uns bestätigt: Es gibt weiterhin keinen Nachweis dafür, dass der frühere Piraten-Politiker Gerwald Claus-Brunner den Mann, der tot in seiner Wohnung lag, vor dessen Tod sexuell missbraucht hat. An den bisherigen Erkenntnissen dürfte sich auch nichts mehr ändern: Da sich Claus-Brunner später selbst das Leben nahm und gegen Tote nicht ermittelt wird, sind die Ermittlungen inzwischen eingestellt.

“Bild” und Bild.de hatten Gerwald Claus-Brunner ziemlich früh nach Bekanntwerden der Tat zum “Sex-Killer” erklärt, “B.Z.” und “Berliner Kurier” schrieben, dass er sein Opfer missbraucht habe. Inzwischen sprechen auch die “Bild”-Medien nicht mehr von Missbrauch. Aus “Sex-Killer” wurde “Killer-Pirat”. Aber Sex spielt in der “Bild”-Berichterstattung über Gerwald Claus-Brunner weiter eine zentrale Rolle:


In dem Artikel von gestern schreiben Franziska Klemenz und Juliane Weiss über Claus-Brunners Partnersuche im Internet, über seine Chats mit anderen Männern, in denen es um “extreme Sex-Fantasien” gegangen sein soll, über seine sexuellen Vorstellungen. Sie zeigen einen Screenshot seines privaten Profils bei einem Dating-Portal mit persönlichen Angaben, dazu drei Fotos eines Mannes, mit dem Gerwald Claus-Brunner auf diesem Portal befreundet gewesen sein soll. Auf den Bildern sieht man den Mann beim Ablecken eines Stiefels, man sieht ihn “nur mit einem Tiefschutz bekleidet” und in der Badewanne, während er mit Bier überschüttet wird. Dieser Mann hat weder etwas mit dem Tod von Gerwald Claus-Brunner zu tun noch mit dem Mord an dem 29-jährigen Opfer. Die “Bild”-Medien zeigen trotzdem seine Fotos. Sein Gesicht haben sie dabei immerhin verpixelt.

Heute legen “Bild” und Bild.de noch einmal nach:


Es geht um die Bestellung zweier handgefertigter Sex-Spielzeuge. Der Inhaber der von Gerwald Claus-Brunner damit beauftragten Manufaktur sprach offenbar mit “Bild”-Autorin Juliane Weiss. Er lieferte ihr auch Claus-Brunners gezeichneten Sex-Spielzeug-Entwurf, den “Bild” und Bild.de veröffentlichen. In dem Artikel darf er außerdem eine kurze Ferndiagnose zur Psyche seines früheren Kunden abgeben (“‘deutet auf einen Hang zu Masochismus und Selbstzerstörung hin'”).

Wir haben mit dem Medienanwalt Dominik Höch über die Berichterstattung gesprochen. Seine Einschätzung dazu:

Die detaillierten Berichte in der Boulevardpresse gestern und heute über das angebliche Sexualleben des Piraten-Politikers Claus-Brunner stellen sich nach meiner Einschätzung als Verletzung dessen postmortalen Persönlichkeitsrechts dar. Dieses Recht, das die Angehörigen geltend machen können, garantiert auch über den Tod hinaus einen Wert- und Achtungsanspruch gegenüber dem Verstorbenen. Dies folgt aus dem Schutz der Menschenwürde im Grundgesetz. So schrecklich die mutmaßlich von Claus-Brunner begangene Tat ist, dürften detaillierte Berichte über seine sexuellen Vorlieben und bestellte Sex-Spielzeuge die Grenze des Zulässigen überschreiten. Dies gilt jedenfalls, solange die Behörden keinen Hinweis dafür haben, dass es bei dem Tötungsdelikt zuvor Missbrauchshandlungen gegeben hat.

Die Tat von Gerwald Claus-Brunner ist durch nichts zu rechtfertigen. Sie rechtfertigt aber auch nicht diesen massiven Eingriff in seine Intimsphäre.

“Bild” zeigt private Fotos von getöteten Menschen

Am vergangenen Sonntag entdeckte die Polizei in einer Bonner Wohnung zwei Leichen. Es handelte sich um eine 48-Jährige und ihren 11-jährigen Sohn. Der Lebensgefährten der Frau und Vater des Kindes, der anfangs nirgendwo zu finden war, wurde zum Verdächtigen.

“Bild” und Bild.de berichteten am Dienstag bundesweit über den Fall und die Suche der Polizei:

In dem Artikel ist auch ein unverpixeltes Foto des Gesuchten zu sehen, was zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Sinn machte, weil er eben zur Fahndung ausgeschrieben war. Was viel problematischer ist: Die “Bild”-Medien zeigten auch ein privates Foto der getöteten Frau, ebenfalls ohne irgendeine Verpixelung:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Im Pressekodex des Deutschen Presserats heißt es in Richtlinie 8.2:

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Und als wäre das Zeigen der Frau nicht schon rücksichtslos genug, veröffentlichten “Bild” und Bild.de auch noch ein privates Foto des 11-jährigen Jungen:

Noch einmal ein Blick in den Pressekodex, dieses Mal Richtlinie 8.3:

Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Außerdem schreiben die Redaktionen über eine schwere Krankheit des Jungen.

Der Verdächtige wurde inzwischen gefasst. Ein Passant erkannte ihn, wohl auch aufgrund der Berichterstattung in den Medien. Gestern dann der nächste große Bericht, dieses Mal in der Köln-Ausgabe der “Bild”-Zeitung; bei Bild.de gab es ebenfalls einen Artikel über die neuen Geschehnisse:

In einem ersten Verhör soll der Mann zugegeben haben, seiner früheren Freundin zwar 15.000 Euro gestohlen zu haben, er bestreitet allerdings, etwas mit ihrem Tod und dem seines Sohnes zu tun zu haben. Die Reporter von “Bild” und Bild.de haben in der Zwischenzeit ein weiteres Foto der Frau und des Kindes aufgetrieben, das sie ihrer Leserschaft unbedingt präsentieren wollen:

Woher die “Bild”-Leute all die Fotos haben, verraten sie lieber nicht. In den Fotocredits heißt es wie immer in solchen Fällen: “Fotos: PRIVAT”. Das könnten sie endlich mal wörtlich nehmen.

Die Rügen-Könige aus dem Axel-Springer-Hochhaus

Im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin klirren gerade die Champagnergläser. Julian Reichelt dreht an seinem Arbeitsrechner Queens “We Are The Champions” noch ein Stück lauter, Freddie Mercurys Stimme knarzt aus den kleinen Lautsprecherboxen. Die Mitarbeiter von “Bild”, “Bild am Sonntag” und Bild.de sind zusammengekommen. Sie liegen sich in den Armen und pusten Luftschlangen durch den großen Newsroom. Denn die große “Bild”-Familie hat es mal wieder geschafft: Sie sind die Nummer eins, unangefochten in ganz Deutschland, ein weiterer Grund, mächtig stolz auf sich zu sein. Alle drei Rügen, die der Deutsche Presserat in seiner letzten Sitzung verteilt hat, gehen an “Bild”-Medien.

***

Jeweils eine Rüge bekamen “Bild am Sonntag” und Bild.de für ihre Berichterstattung über das Attentat vor und im Münchener Olympia-Einkaufszentrum. Konkret geht es um das Zeigen von Fotos der teilweise noch minderjährigen Opfer:


Der Presserat schreibt dazu:

Der Ausschuss kritisierte, dass beide Veröffentlichungen Fotos zeigten, die ohne Einwilligung der Hinterbliebenen veröffentlicht worden waren. Einige Opfer waren minderjährig. Es handelt sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen Richtlinie 8.2. des Kodex, nach der die Identität von Opfern besonders zu schützen ist. Die Hinterbliebenen der Verstorbenen sollten nicht unvermittelt mit Fotos ihrer toten Angehörigen konfrontiert werden. “Nicht alles, was in sozialen Netzwerken verfügbar ist, darf auch ohne Einschränkung veröffentlicht werden. Die eigene Darstellung, z. B. in einem Facebook-Profil, bedeutet nicht zwingend eine Medienöffentlichkeit”, sagte die Vorsitzende des Ausschusses 2, Katrin Saft.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Dass die “Bild”-Medien dazu diametral entgegengesetzte Ansichten haben, kann man täglich in den vielen “Bild”-Regionalausgabe und bei Bild.de beobachten.

Der Presserat beschäftigte sich übrigens auch mit Beschwerden zur Berichterstattung über den Täter von München. Im Veröffentlichen der Fotos, die ihn zeigen, und Nennen seines Namens sah das Gremium allerdings keinen Verstoß gegen den Pressekodex:

Die Tat in München hatte ein großes öffentliches Interesse ausgelöst und Fragen nach dem Motiv und nach den Hintergründen der Tat aufgeworfen. Das öffentliche Interesse am Täter ist höher zu bewerten als der Schutz der Persönlichkeit nach Ziffer 8 des Kodex, die Darstellung war presseethisch akzeptabel, urteilte der Beschwerdeausschuss.

***

Die dritte Rüge ging an Julian Reichelts Bild.de, womit er “Bild”-interner Rügen-König wurde. Sein Portal berichtete im Mai über einen Messerangriff in einem Dortmunder Kaufhaus. Bild.de zeigte ein Video, in dem das Opfer neben einer Blutlache auf dem Bauch lag, das Messer steckte noch in seinem Rücken:

Der Beitrag unter der Überschrift “Brutale Messerattacke auf Video aufgenommen” zeigt den Handymitschnitt eines Passanten, auf dem das Opfer zu sehen ist, wie es mit einem Messer im Rücken blutend auf dem Boden liegt. Diese Passage wurde sogar mehrfach wiederholt. Im Hintergrund sind die Schreie einer Frau zu hören. Die Berichterstattung hält der Beschwerdeausschuss für eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt.

Bei all der Schrecklichkeit dieses Artikels: Immerhin ist der Kopf des Opfers bei Bild.de verpixelt. Die Ruhrgebiets-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtete in dem Fall noch rücksichtsloser, ohne Unkenntlichmachung, dafür aber mit einer Großaufnahme des im Rücken steckenden Messers (Bildunterschrift: “Am Messergriff hängt noch die Diebstahlsicherung”):

Folgen hatte dieser Voyeurismus für die Redaktion allerdings keine. Eine Sprecherin des Presserats sagte uns, dass gegen den Printartikel keine Beschwerde eingegangen sei. Und dann wird der Presserat auch nicht aktiv.

  • Neben den drei Rügen verteilte der Presserat noch zwölf Missbilligungen und 32 Hinweise an verschiedene Medien.
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